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Jahresbericht
des
Frankfurter yereins
für
Gieographie und Statistik
Siebzigster Jahrgang.
1906-1906.
Im Namen des Vorstandes herausgegeben
Ton
Dr. Hermann Traut^
BlbllothekAr an der SUdtbibllothek,
OeneralMkreUr dM Veniiif .
Frankfurt am Main.
Drack nnd Verlag tob Gebrüder Knaoer.
1907.
Wissenschaftliche Mitteilungen.
Die
Niederschlagsyerhältnisse der Atlasländer.
Von
Dr. Karl Knoch.
Bodenplastik der Atlasländer«
Scharf sich aus ihrer Umgebung heraushebend, bezeichnen
die Atlasländer, im äußersten Nordwesten Afrikas gelegen, in
vielen Beziehungen ein Land für sich, was schon die Araber
in ihrer Bezeichnung dieses Gebietes als „Insel des Westens"
andeuteten.
Da das Gebiet auf drei Seiten durch das Meer begrenzt
wird, so ist nur noch die Grenze nach Südwest, also gegen das
übrige Afrika, oder genauer gegen die Sahara, zu bestimmen.
Diese Grenze gegen die Wüste hin ist «rographisch gut ange-
deutet. Von Osten her erstreckt sich von der kleinen Syrte die
Schott-Depression mit den beiden größten Schotts, dem Schott
el Djerid und dem Schott el Melrir, weit in das Innere hinein
und wird noch auf eine weitere Strecke von 300 km durch das
Tal des Wed Djedi nach Westen hin verlängert. Im Westen
bildet das breite Tal des Wed Draa vom Ozean aus einen Ein-
gang in das Innere bis auf ungefähr 600 km. Diese Depression
scheint sich dann unmittelbar noch weiter nach Osten bis zum
Wed Saura fortzusetzen. Zwischen diesen beiden von Osten
und Westen sich erstreckenden Depressionslinien bliebe nun noch
die Grenze auf eine Strecke von 500 km festzulegen. Da sich
in diesem Gebiete die gefalteten Kreideschichten des Atlas-
gebirges allmählich verflachen und langsam in die tafellagernden
Schichten der Wüste übergehen, ist die Grenze zwar hier nicht
O
72121
— 6 —
so deutlich ausgeprägt, doch würde eine einfache Verbindung der
Endpunkte der soeben bezeichneten Tiefenlinien eine für unsere
Zwecke vollkommen genaue Begrenzung des Atlasgebietes in
diesem Teile darstellen.
Das so umgrenzte Gebiet erstreckt sich lang und schmal
von Südwesten nach Nordosten, indem es gleichzeitig in dieser
Richtung auch an Breite abnimmt. Die größte Länge beträgt
27öOkm, die Breite 450 km, bei einem Flächeninhalt von rund
1 Mill. nkm. ' ' -
Die lange, schmale Erstreckung beruht auf dem Falten-
gebirge, dessen Beziehungen zu dem eurasischen Faltensystem
leicht zu erkennen sind und an seinen beiden Enden am deut-
lichsten hervortreten. In diesem afrikanischen Faltensystem
haben wir durchaus nichts Einheitliches zu erblicken, vielmehr
besteht es aus zwei, wenn nicht sogar aus drei Faltenzügen,
die ihi*er Richtung und der Zeit ihrer Emporfaltung nach von
einander verschieden sind. Es sind dies : 1) der an der Mittel-
meerküste sich hinziehende Teil-Atlas, früher auch Kleiner Atlas
genannt, mit vorwiegend westöstlicher Richtung, 2) südlicTi da-
von der Sahara-Atlas mit mehr Südwest-nordöstlicher Richtung
und 3) der Marokkanische Atlas. Auf die Betrachtung dieser
einzelnen Teile soll im folgenden nun näher eingegangen werden.
Zuvor muß aber noch ein Gebiet Betrachtung finden, das
sich zwischen dem Marokkanischen Atlas und dem Atlantischen
Ozean ausbreitet : das Atlasvorland von Marokko. Wenn es sich
auch jetzt nicht mehr als Faltungsland darstellt, so hat die Er-
forschung des betreffenden Gebietes doch erwiesen ; daß es aus
einem alten gefalteten Grundgebirge besteht, das aber von den
Brandungswogen in der geologischen Vergangenheit vollständig
abgetragen wurde und nuo von Schichten bedeutend jüngeren
Alters überdeckt ist. Orographisch zerfällt das Atlasvorland in
zwei Stufen: eine untere schmale aü der Küste uod eine etwa
100 m höher gelegene im Innern. In einer mittleren Breite von
60 km erstreckt sich die Küstenlandschaft ungefähr von Mogadof
bis ztti- Meerenge von Gibraltar. D^r Aufstieg aus' dem llleei'e
ist sehr steil und setzt sich dann in langsamem Anstieg nach
dem Innern fort, so daß am Fuße der oberen Stufe eihe mittlel^
Höhe von etwa 250m erreicht wird. Außei* diesem westöstlich6n
Anstieg findet noch ein solcher in nordsüdlichei* Richtung statt.
— 7 —
Dies alles geht aber so allmählich vor sich, und außerdem ist
die Landschaft so wenig durch Täler zerschnitten, daß sie sich
weithin als tischgleiche Ebene darstellt. Steil erhebt sich dann
die obere Terrasse über der unteren und steigt bei einer mitt-
leren Breite von 150 km bis zu 600 m Höhe an dem sich scharf
ausprägenden Fuße des Gebirges empor. Die Einförmigkeit dieser
Stufe ist bei weitem nicht so groß wie die der unteren, da das
Grundgebirge durch Erosion und Denudation hier häufiger heraus-
gearbeitet ist und so Unregelmäßigkeiten in der Erhebung der
Oberfläche bedingt.
Mauerartig wird das Atlasvorland von Marokko von der
Sahara durch die steil sich bis zu einer relativen Höhe von
2500 m erhebenden Ketten des Marokkanischen Atlas abge-
schlossen. Dieser ist der zuerst zum Gebirge aufgerichtete Teil
des ganzen Atlaslandes, und zwar ist in ihm die Auffaltung
80 kräftig gewesen, daß er an Ausdehnung und Höhe sehr wohl
mit den Alpen zu vergleichen ist. Der Marokkanische Atlas be-
steht aus drei in Sädwest-Nordost-Richtung streichenden Zügen.
Diese schieben sich kulissenartig in der Weise voreinander, daß
der mittlere Zug, der als die Hauptkette anzusehen ist, von
seinen beiden Nebenketten durch zwei Längstäler geschieden
ist, von denen das nördliche vom Wed Muluja, das sttdliche
vom Wed Sus durchflössen wird. Die jetzt allgemein angenom-
menen Bezeichnungen der einzelnen Züge sind: Hoher Atlas
für den Hauptzug, Mittlerer Atlas für die nördliche und Anti-
Atlas für die südliche Nebenkette.
Der Mittlere Atlas steigt im Nordosten von Marrakesch
auf und endet an dem Wed Muluja ungefähr in der Gegend
des Wed Msun. Im Südwesten ist er noch von niedrigen platten
Vorbergen begleitet, erst wo diese aufhören, jenseits des Wed
el Abid, erhebt sich der Kamm zu bedeutender Höhe, mehrere
Gipfel erreichen hier ungefähr 3000m Höhe, der Djebel Saian
höchstwahrscheinlich sogar 3500 m. Der Nordabfall der Ketten
vollzieht sich in drei Terrassen, die sich nach Westen hin aus-
breiten.
Während der Mittlere Atlas aus einer ganzen Reihe von
Parallelketten besteht, wird der Hohe Atlas in seinem größten
Teile nur von einer einzigen Haupt kette gebildet. Diese nimmt ihren
Anfang an der Asif-Ig^Schlucht und erreicht in ihren letzten
— 8 —
Aasläufern in nordöstlicher Richtung den Nordrand des Schott
Tigri, während ein südlicher Nebenkan^m, in einzelne Massive
aufgelöst, den Schott im Süden umzieht, alsdann nach Nord-
osten schal f umbiegt und erst im südöstlichen Winkel des Schott
esch Schergi endet. In dem Hohen Atlas haben wir in ganz
besonderem Maße einen trennenden Wall vor uns, sein Kamm
besitzt eine recht bedeutende Höhe und wird von mehreren
Gipfeln von 3000— 4000 m überragt. Die Höhe nimmt von SW
nach NE schnell zu, im Meridian von Marrakesch ist sie schon
am bedeutendsten. Als Hochgebirge erreicht der Atlas sein Ende
in dem Tisi n Telghemt (2180 m), weiter nach Osten hin stellt
er sich nur als eine stark erodierte Hochfläche dar.
Gewöhnlich wird das eigentliche Hochgebirge in einen West-
und einen Ostflügel eingeteilt. Der Westflügel besitzt bei weitem
die größte Kammhöhe, im Tisi n Tamdjurt gipfelt er mit 4700m
Höhe, im Ostflugel wird wohl mit Ausnahme des Teiles am
Djebel Aiaschin nirgends die Höhe des westlichen Kammes er-
reicht.
Die südliche Nebenkette, der Anti -Atlas, begleitet vom
Meere aus den Hauptzug fast in seiner ganzen Länge bis
zur algerischen Grenze. In seinen Pässen erreicht er im Mittel
etwa 2000 m, über welche der gleichförmige Kamm wenig her-
vorragt. Jenseits des Durchbruches des Wed Draa hebt sich
der Gebirgszug noch einmal im Djebel Saghro (2300 m) zu be-
deutender Höhe, senkt sich dann aber rasch und nimmt immer
mehr Hochflächengestalt an.
Als letzte Erhebung des Atlassystemes im Südwesten ist
der Vollständigkeit wegen noch der Djebel Bani anzuführen.
Man kann ihn als eine schmale Felsleiste bezeichnen, die durch
das Herauspräparieren widerstandsfähiger Sandsteinschichten ent-
standen ist, mit einer absoluten Höhe von 900 m und einer Breite
von nur 2 km. Seine Erhebung über die umgebende Wüste be-
trägt nur 200— 300 m, seine Streichungsrichtung ist der des
Atlassystemes vollkommen parallel. An vielen Stellen ist der
Gebirgszug durch Schluchten durchbrochen, deren Ursprung
wahrscheinlich in der Pluvialzeit liegt.
Der lang und schmal sich an der Küste des Mittelmeeres
hinziehende Teil- Atlas ist in zwei orographisch gut geschiedene
Teile zu zerlegen, zuerst das Küstengebirge und dann der eigent-
— 9 —
liehe Teil- Atlas, der von dem Kttstengebirge durch eine Tiefen-
linie getrennt ist. Der gesamte Gebirgszug hat westöstliche
Richtung, doch ist diese nicht durchaus vorherrschend, so haben
z. B. mehrere Ketten in den Landschaften von Mostagenem, von
Mascara und von Saida eine Südwest -nordöstliche Richtung.
Überhaupt handelt es sich hier nicht um längere Ketten, die
den ganzen Gebirgszug der Länge nach durchziehen, sondern
meist sind es nur kleine Massive, die ihn zusammensetzen, und
nur hier und da treten ganz kurze Ketten in seinem Aufbau auf.
Die Höhe des ganzen Teil -Atlas ist relativ bedeutend. Das Ge-
birge steigt steil aus dem Meere heraus und läßt nur ganz un-
bedeutend Raum zur Entwicklung einiger Küstenebenen. Höhen
von 20C0 m finden sich schon in ganz geringer Entfernung von
der Küste.
- Die bereits erwähnten Gebirgsmassen der Küstenkette,
die meist elliptische Formen aufweisen, bestehen vorwiegend aas
kristallinischen Gesteinen, die als der Kern des alten Falten-
gebirges anzusehen sind. Von Osten nach Westen reihen sich so
die folgenden Massive aneinander : am Golf von Bona der Djebel
Edough, eine kristallinische Masse, die vollständig von jüngeren
Anschwemmungen umgeben ist, am Numidischen Golf der Sahel
von Collo. Hieran schließen sich dann an: die kleine Kabylei
mit dem Djebel Babor und die große Kabylei mit ihrem höch-
sten Teil dem Djebel Djurdjnra, dieser erreicht seinen höchsten
Gipfel in der Lella Khedidja mit 2308 m. Diese beiden letzt-
genannten Gebiete sind von der europäischen Kultur und Kolo-
nisation nur in geringem Maße erschlossen worden, obgleich die
Fruchtbarkeit sehr groß und auch die Bevölkerung durch Berber-
stämme sehr dicht ist. Die Küstenketten, die sich westwärts
von Algier hinziehen, unterscheiden sich in manchen Punkten,
auf die noch später eingegangen werden wird, von den eben
aufgeführten Massiven. Vorläufig soll hier nur erwähnt werden,
daß ihre Höhe nirgends die der Berge der Kabylei erreicht.
Der sich zunächst anschließende Sahel von Algier ist beispiels-
weise nur 400 m hoch. Es folgen dann das Massiv von Miliana
und das bedeutendere Dahra-Gebirge , das im Süden von der
Ebene des Ch^Iiff-Flusses begrenzt wird. In ihm kann man eine
Plateauzone mit einer mittleren Höhe von 500 m und eine höhere
Gebirgszone unterscheiden. Nach Westen anschließend folgt nun-
i
— 10 —
mehr der Sahel von Oran, an welchen sich das wilde und zer-
rissene Gebirgsland de» Rif anschließt. Im Rif ändert sich die
Richtung der Atlasketten, indem die Falten nicht mehr von
Ostnordost nach Westsüdwest streichen, sondern von Osten
nach Werten und schließlich nach Nordwesten und Norden ver-
laufen, so daß dieses Gebirge jenseits der Straße von Gibraltar
seine Fortsetzung in den westlichen Verbergen der Sierra Nevada
Spaniens findet.
Wie schon erwähnt, ist diese Küstenkette von dem eigent-
lichen Teil-Atlas durch eine scharf angedeutete Tiefenlinie ge-
trennt, die ihrer Entstehung nach wohl als eine Reihe von
Einsturzbecken aufzufassen ist. Im Osten bezeichnet das Tal des
Medjerda den Eingang zu dieser Linie. Durch die Ebenen von
Constantine, S6tif führt sie dann zum Tale des Wed Soummam,
in das Becken von M^d6ah und schließlich in das Tal des Ch61iff.
Die Ebenen von Oran, Sidi bei Abbös, Tlemcen bezeichnen ihren
weiteren Verlauf nach Westen, bis sie zuletzt im Tale des Wed
Sebu am Ozean ausmündet. Diese Tiefenlinie bildet die wich-
tigste Verkehrsstraße von Westen nach Osten, was schon äußer-
lich darin zum Ausdruck kommt, daß sie schon jetzt in ihrem
größten Teil von einer Eisenbahn durchzogen wird.
Südlich dieser Verkehrslinie erhebt sich der eigentliche
Teil- Atlas, aus Jura-, Kreide- und Eocän-Schichten aufgebaut.
Er muß also als der sedimentäre Außengürtel des alten Falten-
gebirges angesehen werden. Zwei Reihen einzelner Massive
lassen sich erkennen: eine nördliche Reihe mit den Massiven
der Ouarsenis, von Mascara, der Tessala und die M6keiTa
und das Massiv der Traras. Die bedeutendste Erhebung unter
diesen Massiven besitzt das der Ouai*senis , sein höchster Gipfel
der Kef Sidi Amar hat 1995 m. Die übrigen Ketten erreichen
bei weitem nicht diese Höhe. Die südliche Reihe wird von den
Ketten von Souk-Ahras, dem Massiv von Bellezma, der Hodna
Kette, den Massiven von Sa'ida und Tlemcen gebildet. E^ finden
sich hier keine größeren Erhebungen mehr. Der Landschaft»-
charakter ähnelt immer mehr dem nun folgenden Gebiet, das
sich zwischen dem Teil- Atlas und dem Sahara-Atlas erstreckt
und dem man die Bezeichnung ^ Gürtel der inneren Hochbecken
und Hochsteppen" gegeben hat.
Dieser Gürtel beginnt im Westen von Tebessa; hier ver^
— 11 —
einigen sich die nördliche nnd südliche Umwallang dieses Ge-
bietes zu den Gebirgen, die Tunis durchziehen. Das Steppen-
hochlaitd ist im Osten etwa 800m, in der Mitte 900m ti^d im
Westen 1100m hoch, weist also eine langsame Neigung von
Westen nach Ost^n auf. Da aber diese Senkung nicht einheit-
lich ist, so kommt es nicht zur Entwicklung eines Flußsystemes,
nur im Osten und Westen werden die Steppen zum Meere hin
entwässert. Die Breite des Gebietes nimmt von Westen nach
Osten in dem Maße der Annäherung von Teil- und Sahara-Atlas
ab, im Mittel beträgt sie 150km. Das ganze Plateau zeiiällt
in eine Reihe von Einzelbecken, deren tiefste Stellen von Salz-
seen, den Schotts, eingenommen werden. Die größten unter ihnen
sind : das Hodnabecken, die Schotts el Gharbi und ech Chergui.
In der Regenzeit sammelt sich in ihnen das Wasser, in der
Trockenzeit stellen sie jedoch nur eine Salzfläche dar mit einem
Sumpf in der Mitte. In diesem trockenen Gebiete hat äolische
Denudation eine bedeutende Rolle gespielt. Es handelt sich hier
meist um Auffüllungsbecken, in denen loses Material lagert, das nur
von einer festen Kruste überdeckt ist. Die Landschaft ist aber
durchaus nicht eben, im Osten kann man sie slogar als bergig be-
zeichnen, während sie sich nur nach Westen hin der Ebene immer
mehr nähert. Die Unregelmäßigkeiten im Relief kommen dadurch
hervor, daß das alte Gebirge noch aus den jüngeren Aufschüttungs-
massen hervorragt. Diese Schuttmassen stammen größtenteils aus
dem südlichen Teil des Atlas, dem Sahara- Atlas.
Dieser ist dem Teil- Atlas nicht streng parallel, er bildet
mit ihm einen nach Westen hin geöffneten spitzen Winkel. Im
einzelnen besteht dieser etwa 100 km breite Wall aus einer
großen Zahl kurzer Ketten, deren Richtung nicht mit dem all-
gemeinen Streichen übereinstimmt. Im großen und ganzen ist
die Faltung wenig intensiv gewesen, namentlich setzt sich der
westliche Teil nur aus flachen Bodenwellen zusammen. Dazu
kommt, daß der Sahara-Atlas in höherem Maße der äolischen
Abtragung unterliegt als der Teil-Atlas. Da die Schuttmassen
meist im Gebirge selbst liegen bleiben, kleiden sie die Gehätige
ein und mildern so die schroffen Gegensätze. Der Sahara-Atlas,
der sich ungefähr in derselbe!! Breite erhebt, in der der Mat^ök-
kanische Atlas endigt und am Kap Bon ausläuft, läßt sich
leicht in Vier große Faltenbündel zerlegen. Den am westlichsten
— 12 —
gelegenen Teil pflegt man jetzt allgemein als das Massiv von
Figaig und die Berge der Ksoor zu bezeichnen. Das Oebirge
besteht hier ans einer großen Zahl flacher Rttcken, zwischen
denen sich Ebenen erstrecken. Die höchste Erhebung beträgt
2200 m. Kurz sei auch auf die eigenartigen Tafelberge hin-
gewiesen, die man hier antrifft und deren Vorkommen nach
Osten hin immer zahlreicher wird. Ihre Bildung hängt mit dem
Auftreten wenig gestörter Sandsteinschichten zusammep, die
durch Erosion und Denudation in Einzelberge zerlegt wurden.
Das sich anschließende Massiv des Djebel Amour zeichnet sich
ganz besonders durch schwere Zugänglichkeit aus, trotzdem es
in seinem höchsten Punkte, dem Djebel Touila, nur eine Höhe
von 1940 m erreicht. Hier macht sich auch der Höhenunterschied
zwischen Steppenhochland und Wüste am stärksten bemerkbar.
Vom Hochland aus steigt das Gebirge nur in verhältnismäßig
sanftem Anstieg an, um dann einen steilen Abfall zur Wflste hin
zu bilden. Nur nach Osten erniedrigt sich die Kette nach dem
Hodnabecken zu ganz bedeutend, so daß hier der Sahara-Atlas
bequem Überschritten werden kann. Oleich darauf steigt das
Gebirge aber noch einmal steil auf und erreicht seine größte
Höhe im Auresmassiv (Dj. Chelia 2330 m). Dieses wild zerklüftete
Gebirge ist besonders klimatologisch sehr interessant und wird
von dieser Seite aus später noch genauer betrachtet werden.
Bei dem Eintritt des Sahara-Atlas in tunesisches Gebiet
ändert sich der Charakter des Gebirges. Seine Falten öffnen
sich hier gleich einem Fächer, sie divergieren, ohne jedoch das
Meer zu erreichen. Wir befinden uns in dem letzten der vier
Faltenbündel, in die wir den Sahara-Atlas zerlegten, im Gebiet
der tunesischen Dome. Die charakteristischsten ZQge dieses Ge-
bietes sind die große Anzahl verhältnismäßig kurzer, oft unter-
brochener Ketten mit sehr unregelmäßiger Richtung und die
Häufigkeit der kleinen Massive mit kreisähnlicher oder ellip-
tischer Grundfläche, der Dome. Die Unregelmäßigkeit der Ketten
ist einem doppelten Faltungssystem zuzuschreiben, von denen das
eine von Südwest nach Nordost streicht, während das andere
System sich der Nord-Süd-Richtnng nähert, ja manchmal auf
dem Hauptsystem senkrecht steht.
Die Frage, ob man das ganze tunesische System als eine
Fortsetzung des Sahara-Atlas ansehen, oder ob man die nörd-
— 18 —
liehe Zone d. h. die kleine Küstenkette des Djebel Ahmar und
die Massive der Khroamirie und der Mogods zu dem Tell-AÜas
Algeriens rechnen soll, ist bis jetzt noch nicht ganz entschieden
Es kann natürlich nicht in den Rahmen vorliegender Arbeit ge-
hören, zu entscheiden, welche von den beiden herrschenden An-
schauungen den größeren Anspruch auf Richtigkeit machen kann,
es sei hier nur erwähnt, daß die erstere Ansicht sich doch
immer mehr zu einer verbreitemderen Aufnahme durchzuringen
scheint, so daß wir also kurz sagen können: das tunesische
Gebirgssystem ist eine Verlängerung des Sahara-Atlas (s. Per-
vinquiöre). Die bedeutendste Anschwellung findet in der mitt-
leren Zone oder in Zentral-Tunesien statt. Diese besteht größten-
teils aus sttdwest- nordöstlich streichenden Antiklinalen, die im
südlichen Teile im Djebel Chambi mit 1590 m ihre größte Höhe
erreichen. Als Kernpunkt des zentralen Massivs ist jedoch die
fast 8 km lange und 3— 5 km breite Tafel von Kessera und der
häufig zerschnittene Gebirgskomplex von Mactar und Souk-el-
Djemaä aufzufassen. Die inneren Teile Zentral-Tunesiens sind
ganz vorwiegend die Gebiete der Tafelberge. Sie treten hier in
ihrer reinsten Form auf und führen den Namen: Kalaat. Wie
schon erwähnt, biegen nach Osten hin die Falten mehr nach
nördlicher Richtung um und haben im Djebel Si bou Gobrine
und im Djebel Nasser Allah direkt südnördliche Richtung.
Die äußersten Ausläufer nach Osten zu münden am Golf
von Tunis, im Djebel Bou Koumine bei Hammam Lif. Ihre
letzte große Erhebung erreichen die Züge noch einmal
im Djebel Zaghouan (1295 m). Wenn dieser auch nicht
der höchste Gipfel Tunesiens ist, so ist doch seine Erhebung
über die ihn umgebende Ebene die bedeutendste. Die an
seinem Fuße gelegene Stadt Zaghouan hat nui* eine Höhe
von 150 m.
Zwischen diesen zum größten Teile wenig bewaldeten und
daher einer starken Denudation ausgesetzten Gebirgszügen
dehnen sich weite Täler aus. Zwischen der nördlichen Küsten-
kette und dem Hochplateau fließt der Medjerdah in einem
breiten Tale. Er nimmt die Gewässer der nördlichen Abdachung
auf und führt sie zum Golf von Tunis. Im Süden der tunesischen
Gebirge vereinigen sich die Gewässer im Zeroud, der in den
Golf von Hammamet mündet.
r-. 14 -
Längs d^r ganzen Erstreckung des Ostabfalles des tunesi-
schen Berglaodes zieht sich zwischen dem Meer und dem Ge-
birge mit wechselnder Breite ein Tieflandgebiet hin. Man kann
es jedoch nicht als eine gleichförmige Ebepe bezeichnen^ son-
dern es handelt sich hier um eine ganze Reihe muldenförmiger
flacher Senken. Sie sind durch westöstlich streichende niedrige
Höhenzüge kammerartig abgeteilt, und in ihnen sammeln sich die
von dem O^tabhange strömenden Gewässer in kleinen Seen an.
LIteratar«
Nachschrift einer Vorlesimg des Herrn Geh. Beg.-Bates Prof. Dr. Th. Fischer
,Länderkande von Afrika'. Marburg W.-S. 1904/05.
Tb. Fischer: ,Zar Klimatologie von Marokko. 2. Bodenplastische Skisse".
Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Berlin 1900.
Schnell: «Das Marokkanische Atlasgebirge*. Pet. Mitt. Ergagshft. Nr. 103.
1892.
Bernard, Aogostin, and ^niile Ficheur: ,Les i^gions naturelles" de
rAlg^rie". Annales de Geographie 1902. XI.
Pervinqaidre, L. : ,£tnde g^ologique de la Tunisie*. Paris 1903.
4
Laftdrack und WindTerhSltnlsse.
: Eine genaue kartographische Darstellung der Luftdruck-
Verhältnisse des Gebietes der Atlasländer existiert heutzutage
uoch nicht, und man kann auch sage;), daß eine solche mit
dem bis jetzt vorliegenden Beobachtungsmaterial noch unmöglic|i
ist. In Algerien und Tunesien werden ja allei'dings schon seit
einigen Jahrzehnten Beobachtungen angestellt, aber es ist leider
ein großer Mangel der französischen Stationen, daß an ihnen
Jiäuflg nur ganz kurze Zeit oder mit häufigen mehr oder minder
langen Unterbrechungen beobachtet wird. Es sind nur ganz
wenige Stationen, die eine ununterbrochene und homogene
'Beobachtungsreihe aufweisen und die so als Vergleichsstationen
zur Reduktion der Übrigen Reihen auf eine längere Periode
dienen könnten, doch sie liegen über das ganze Gebiet so un-
gleichmäßig verteilt, daß es für größere Teile, überhaupt an
einer geeigneten Vergleichsstation fehlt, ganz abgesehen davon,
daß es gerade fär die bis jetzt vorliegenden Beobachtungen
durchaus notwendig erscheint, daß 9ie einer genauen Prüfung
und Reduktion nach mehreren Stationen unterzogen würden.
— 16 —
FQr den ganzen Westen, ftlr Marokko, liegt augenblicklich
noch sozusagen gar kein geeignetes Material vor, wenigstens
kommt das bis jetzt vorliegende zum Zeichnen von Isobaren-
karten noch kaum in Betracht. Die einzigen vollständigen
Reiben sind die der Lloydstation am Kap Sparte!, die mit
Oktober 1894 beginnt (leider sind es nur 2 mal tägliche Be-
obachtungen, 9 a. und 9 p.), und von Mogador mit April 1894
beginnend. Was an älteren Beobachtungen vorliegt, besteht
meist aus ganz kurzen Reihen, die zudem auch noch wenig
Anspruch auf Zuverlässigkeit machen können. Die neueren
Beobachtungen, die im Auftrage der Deutschen Seewarte in
Saffi und Casablanca ansgeftkhrt werden, umfassen erst ganz
wenige Jahre. Zu der geringen Anzahl der Stationen kommt nun
noch weiter hinzu, daß ihre Verteilung vollkommen ungenfigend
ist; außer Marrakesch, wo seit Juli 1902 beobachtet wird,
werden Beobachtungen nur in Efistenplätzen angestellt. Von
einem über das ganze Land verteilten Beobachtungsnetz ist
man also noch weit entfernt.
In dem 1904 zu Kopenhagen erschienenen Atlas der Ver-
teilung des Luftdruckes über Europa von Rung sind auch die
wenigen längeren Reihen von Algerien und Tunesien mit ver-
wandt worden, um die Isebaren nach Nordafrika hinein verlängern
zu können, und auf diese Quelle sttttzt sich auch folgende Dar-
stellung, die natürlich nach dem oben angeführten nur einen ganz
bedingten Wert haben kann. * '''*■
' Als Teil des westlichen Mittelmeergebietes werden die
Atlasländer in ihren Luftdruck und Windverhältnissen ganz von
der Lage des sogenannten subtropischen Maximums an der
Ostseite des Atlantischen Ozeans beherrscht. Der Kern desselben
liegt bekanntlich im Januar zwischen dem 20 und 80® nördl.
Br. südwestlich von den Canarischen Inseln, und eine Zunge
hohen Luftdruckes erstreckt sich nach Nordosten über das gante
Atlasgebiet hinaus. Im Juli dagegen hat sich der Gürtel .^es
hohen Luftdruckes dem scheinbaren Laufe der Sonne folgend
um ungefähr 10® nach Norden verschoben, die Atlasländer
liegen mitbin jetzt südlich des Gürtel hohen Luftdruckes. Neben
dieser Lage zum subtropischen Maximum spielt besonders für
den östlichen Teil noch seine Lage zum Mittelmeer und den
sich über diesem bildenden Depressionen eine große Rolle«
— 16 —
Wie schon erwähnt, sendet das subtropische Maximum im
Januar einen Ausläufer in der Isobare von 764 mm nach
Nordosten. Diese Isobare umschließt die ganze iberische Halb-
insel, von dort verläuft sie das tyrrhenische Meer umschließend
und der KQste von Algerien und Tunesien folgend, bis in die
Oegend von Tripolis, wo sie auf das afrikanische Festland
fibertritt und nun in sfidwestlicher Richtung die Sahara durch-
schneidet. Von den Küsten steigt der Luftdruck nach dem
Innern zu bis Ober 766 mm, und man ist vielleicht zu dem
Schluß berechtigt, daß sich fiber dem Atlasgebiet innerhalb der
Isobare von 764 mm ein ffir sich abgeschlossenes Luftdruck-
mazimum bildet, ähnlich dem, das ttber der iberischen Halb-
insel lagert. Der Verlauf der Isobaren dttrfte hierbei im großen
und ganzen der Kfiste parallel sein. Über den Inseln Korsika
und Sardinien liegt ein Minimum, dessen Kern einen Luftdruck
von weniger als 762 mm aufweist. Dieses Qebiet geringeren
Luftdruckes ist anscheinend auch ffir die Windverteilung fiber
den östlichen Atlasländern ausschlaggebend, während die Wirkung
der Luftdruckabnahme nach der Sahara hin durch die hohen Ge-
birgszfige sehr abgeschwächt wird. Nordwest-, Wiest- und
Sfidwest- Winde sind Aber dem größten Teile vorherrschend,
hervorgerufen durch die das Mittelmeer häufig durchquerenden
Teildepressionen. In Marokko werden dagegen die Wind-
verhältnisse durch die Lage zum Gebiete des hohen Luftdruckes
bestimmt. Es wehen vorwiegend Nordost- und Ost-Winde.
In den folgenden Monaten findet ein Sinken des Luft-
druckes aber dem ganzen Gebiet statt. Im April verlaufen die
Isobaren ähnlich wie im Januar nur mit dem Unterschiede, daß
fiberall der Luftdruck um ungefähr 4 mm gesunken ist, d. h.,
daß sich die Zunge des subtropischen Maximums jetzt vollständig
zurfickgezogen hat. Während im Mai der Luftdruck wieder
etwas zunimmt, ändert sich im Juni die Verteilung von hohem
und niederem Luftdruck fiber dem Lande und dem Meere sehr
wesentlich. Im Mai bestand noch ein Gradient vom Lande zum
Meere. Im Juli ist die Verteilung entgegengesetzt. Obgleich
der Luftdruck fiber dem Lande im wesentlichen derselbe ge-
blieben ist, ist er fiber dem Meere, sowohl fiber dem Mittelmeer
als auch fiber dem Atlantischen Ozean, bedeutend gestiegen, es
besteht somit ein Gefälle vom Meere zum Lande. Dies ist die
- 17 —
Zeit, in der das subtropische Maximum seine nördlichste Lage
erreicht hat, was den hohen Luftdruck im Norden der Atlas-
länder bedingt. Diese Luftdruckverteilung ruft natürlich häufige
Winde aus nördlichen Richtungen hervor, die in Marokko einen
passatähnlichen Charakter annehmen. Mit dem Vorrücken nach
Süden wird dieser NE. Passat immer ausgesprochener. Im
Süden des Atlasgebietes macht sich die starke Erwärmung der
Sahara durch ein Gebiet niederen Luftdruckes bemerkbar, das
im Juli bis zu 30^ u. Br. vorgerückt ist, um sich dann aber
wieder zu verflachen, bis es im Oktober wieder vollständig
verschwunden ist. Der Luftdruck nimmt in diesem Monat
langsam von Westen nach Osten hin ab. Das Minimum über
dem Mittelroeere hat sich wieder ausgebildet. Im November
findet ein allgemeines Steigen des Luftdruckes statt, das sich
im Dezember noch fortsetzt und so wieder die schon beschriebene
Luftdruckverteilung des Januar herbeiführt. Das subtropische
Maximum ist jetzt wieder nach Süden gewandert und greift
zuugenförmig über das Atlasgebiet hinaus.
Unterzieht man nun die Windbeobachtungen, wie sie an
den einzelnen Stationen angestellt worden sind, einer genaueren
Betrachtung, so muß man von vornherein bemerken, daß nur
bei wenigen Stationen die soeben beschriebene mittlere Luft-
druckverteilung in den Winden ihren Ausdruck finden wird.
Es hat dies seinen Grund erstens in der Lage der Stationen,
die natürlich in einem solchen Terrain mit großem Wechsel
von Hoch und Tief, wie es die Atlasländer darstellen, ganz
besonders wichtig ist. In einem Gebirgslande sind eigentlich
nur die Gipfelstationen zu Windbeobachtungen geeignet, sie
allein geben den Verlauf der atmosphärischen Strömungen
rein wieder, während an den tiefergelegenen Stationen meist
nur solche Winde beobachtet werden, die schon vorher von
ihrer ursprünglichen Richtung durch den Verlauf der Gebirgs-
züge abgelenkt worden sind. Für diesen Einfluß der topo-
graphischen Verhältnisse des Landes auf die Windrichtung
seien hier nur wenige Beispiele herausgegriffen. Die Beob-
achtungen auf Kap Sparte! müssen naturgemäß ganz besonders
von der schmalen Meerenge beeinflußt sein. Durch alle Jahres-
zeiten hindurch ist E. der bei weitem häufigste Wind, er umfaßt
meist nahezu 30 ^/o, im Sommer sogar 38®/o aller Windrichtungen.
2
— 18 —
Zur vollen Entwicklung kommt daneben nur der über den
Ozean herwehende SW.- und einigermaßen auch der W.-Wind
Alle übrigen Windrichtungen sind mehr oder weniger selten,
da sie durch die im Norden und Süden anlagernden hohen
Landmassen in ihrer Entwicklung gehindert werden. Ähnliche
Verhältnisse weisen die in dem mit der Straße von Gibraltar
parallel verlaufenden großen Längstale zwischen der Küsten-
kette und dem eigentlichen Tell-Ätlas liegenden Stationen auf.
So werden an der Station Orleansville durch alle Jahreszeiten
hindurch vorwiegend W.-Winde beobachtet, am häufigsten nach
ihnen sind die E.-Winde, während die übrigen Windrichtungen,
besonders die direkten N.- und S. -Winde fast gar nicht vor-
kommen. Daß in jeder Jahreszeit durchschnittlich an 60 ^/o
Calmen notiert werden, dürfte auch bei der eingeschlossenen
Lage der Station nicht wundernehmen. Nahezu ebensooft
werden in Gonstantine Windstillen beobachtet.
Noch wesentlicher als der soeben betrachtete Einfluß der
topographischen Verhältnisse auf die mittlere Windrichtung
eines Ortes ist ferner der Umstand, daß in Wirklichkeit sehr
selten der mittlere Zustand der Luftdruckverteilung erreicht
wird, und gerade hier im Mittelmeergebiet ist dies zu beachten.
Im Winter ist das Mittelmeer bedeutend wärmer als seine
Umgebung, was zur Bildung von Teildepressionen Veranlassung
gibt, die im Mittel 3-4 monatlich sich im westlichen Mittel-
meer bilden und es meist in seiner ganzen Länge durchziehen.
Im Winter kann es sogar vorkommen, daß 3 Teilminima zu
gleicher Zeit das Mittelmeer oder die im Norden in dasselbe
hineinragenden Halbinseln durchqueren. Die Teilminima bilden
sich besonders oft an der spanischen und an der marokkanischen
Küste. Die letztgenannten Depressionen, die uns natürlich am
meisten interessieren müssen, ziehen gewöhnlich nach ENE. den
Atlas entlang oder nach NNE. über Korsika und Sardinien
hinweg.^) Die Schnelligkeit, mit welcher diese Depressionen ihren
Weg an der afrikanischen Küste zurücklegen, ist eine je nach
der Jahreszeit wesentlich verschiedene. Es liegt dies in dem
Gegensatze der Erwärmung von Land und Meer begründet.
Im Sommer empfangen die Minima im Osten, also auf ihrer
*) Jedina, die Teildepressionen des Mittelmeeres und die Borastttrme
Triests. Metr. Zeitschr. 1892,
— 19 —
Stirnseite, die stark erwärmte Luft, die von den Hochplateaus
und aus der Sahara zuströmt, während auf ihrer Westseite
nördliche Winde wehen, die kältere und feuchtere Luft herbei-
führen. Durch die warmen Winde auf der Ostseite wird hier
eine fortwährende Luftverdünnung hervorgerufen, und dies
bewirkt, daß die Depression sich schnell nach dieser Seite hin
weiter bewegt. Im Winter wehen dagegen auf der Vorderseite
Winde, die von den nunmehr erkalteten Hochflächen herab-
kommen. Daher kommt es in dieser Zeit häufig vor, daß die
Minima mehrere Tage lang an derselben Stelle verweilen oder
doch wenigstens nur ganz langsam nach Osten weiterziehen.^)
Unter diesen Verhältnissen ist es natürlich erklärlich,
daß besonders an der Mittelmeerküste es nicht zur Entwicklung
einer einheitlichen Windrichtung kommt, da bei dem Vorbeizuge
einer Depression nördlich der Küste der Wind auch sämtliche
Richtungen von S. über W. nach N. durchläuft. Nur im Osten
der Atlasländer, in Tunesien machen sich hierbei die nördlichen
Windrichtungen und von ihnen besonders die NW.-Winde ganz
besonders bemerkbar. Sie haben hier das ganze Jahr hindurch
die Vorherrschaft. Je weiter nach Westen, um so mehr treten
noch südliche Winde hinzu, die in T6n6s, Oran, Kap Falcon
besonders im Winter häufig sind. Doch diese Zunahme der
südlichen Winde findet auch ihre Grenze. Auf Kap Spartel
treten sie immerhin noch in einem ziemlich starken Prozent-
satze auf, aber an den übrigen marokkanischen Stationen,
sowohl an den Küstenstationen als auch in Marrakesch, gehören
sie zu den am seltensten beobachteten Windrichtungen. Der
Einfluß des Mittelmeeres und seiner Depressionen findet also
südlich von Tanger seine Grenze, das übrige Marokko steht
in seinem Windsystem ganz im Bereiche des höheren Luft-
druckes, der sich nordwärts von ihm befindet.
Durch eine der neuesten Untersuchungen der deutschen
Seewarte *) sind wir glücklicherweise mit dem Verlauf der Luft-
strömungen auf dem Mittelmeere selbst vertraut geworden. Die
Kenntnis dieser Luftströmungen ist gerade für vorliegende Zwecke
^) Tb^venet, Essai de climatologie alg6rienne. S. 102.
') Wind, Strom, Luft- ond Wassertemperatar auf den wichtigsten
Dampierwegen des Mittelmeeres. Nach den Beobachtungen deutscher Dampfer
bearbeitet von der Deutschen Seewarte. 190ö.
2*
— 20 —
von großer BedeutuDg, da die Regenverh<nisse des größten
Teiles der Atlasländer gerade durch sie bestimmt werden. Es
handelt sich hierbei um eine Verarbeitung des Materiales, wie
es in den Schiffstagebüchern aufgespeichert ist. Da gerade zwei
wichtige Schiff ahrtswege, nämlich Gibraltar-Neapel und Gibraltar-
Port-Said vor der algerischen Küste ihren Verlauf nehmen, der
westlichste Teil naturgemäß von allen Dampfern durchfahren
werden muß, so stützen sich die Ergebnisse, die man für diesen
Teil des Mittelmeeres gefunden hat, auf ein verhältnismäßig
reiches Material. Bei der Bearbeitung des Beobachtungsstoffes
ist man nun in der Weise vorgegangen, daß man sämtliche
Beobachtungen, die in einem Gradfelde, das sich über zwei
Breitengrade und fünf Längengrade erstreckt, zusammengefaßt
und in einem Windstern graphisch aufgezeichnet hat. Von
diesen Windsternen kommen für unser Gebiet folgende vier in
Betracht: 1. der westliche Teil des Mittelmeeres Se^'— 38^ N.,
5o_o« W.; 2. Küste von Algerien 36«— 38<> N., 0^—5» E.,
3. Zwischen Sardinien und der Küste von Algerien 36® — 40® N.,
5®— 10®E.; 4. Zwischen Sizilien und Tunis 36®— 38® N., 10®- 15® E.
Da die Seeleute nach der 16 teiligen Windi*ose beobachten und
diese Einteilung auch in der Arbeit der Seewaite beibehalten
ist, schien es notwendig, diese Beobachtungen auf die 8-Strich-
Windrose zu reduzieren, um sie mit den Beobachtungen der
Landstationen direkt vergleichbar zu machen. Die Umrechnung
geschah nach der fast allgemein üblichen Methode:
Tj AI' MI NNW.-f-NNE.
z. B. : N' = N -f- - '
Der westliche Teil des Mittelmeeres weist natürlich ganz
ähnliche Verhältnisse auf, wie wir sie schon am Kap Spartel
angetroffen haben. Östliche und westliche Winde streiten das
ganze Jahr hindurch um die Vorherrschaft. Nur der Juli weist
NE. mit 17,7 ®/o als häufigsten Wind auf, aber es ist zu be-
denken, daß längere Beobachtungsreihen die Zahlen leicht um-
ändern können. Die Häufigkeit von E. und W. spricht sich
jetzt aber auch schon darin aus, daß ersterer mit 14,1 und
letzterer mit 15,5 ®/o auftritt. NE. und SW. weisen dann die
nächst größten Häufigkeitsziffem auf. E.- und W.-Winde spielen
auch noch weiter nach Osten hin eine große Rolle. In den
Gewässern vor der algerischen Küste weht vom Oktober bis
— 21 —
zum März vorwiegend W.-Wind, vom Mai bis September vor-
wiegend E.-Wind, daneben wie im Westen häufige NE.- und SW.-
Winde und auch schon NW.-Winde. Je weiter man nun nach
Osten fortschreitet, um so mehr machen sich auch NW.-Winde
bemerkbar, was ja auch die Beobachtungen der Landstationen
feststellten. Zwischen Sardinien und der algerischen Ettste
herrschen sie in allen Wintermonaten bei weitem vor, zwischen
Sizilien und Tunis erreichen sie sogar in allen Monaten außer
August die größte Häufigkeit. Der Monat August weist 23,8^0
SE. und 21,5 ®/o NW. auf. Der NW. wird also in seiner Häufig-
keit auch hier so wenig übertroffen, daß man wohl annehmen
kann, daß spätere Untersuchungen seine Vorherrschaft auch in
diesem Monat erweisen können.
In seiner Darstellung des Klimas von Algerien betrachtet
Th^venet das Verhalten der meteorologischen Elemente bei dem
Vorbeizuge einer Depression längs der algerischen Küste. *)
Die Fälle, die für die Regenverteilung charakteristisch sind,
seien auch hier kurz angeführt und beschrieben. Am 24. Februar
1890 erscheint eine Depression vor der Meerenge von Gibraltar,
in Algerien wehen Südwinde und erhöhen die Temperatur. Am
folgenden Tage ist die Depression weiter nach Osten vorgerückt,
ihr Kern liegt ungefähr über Nemours. Da die Südwinde noch
andauern, kommt es im östlichen Gebiet noch nicht zur Regen-
bildung, nur Nemours mißt 4 mm. Mit größter Wahrscheinlich-
keit darf hier aber nun angenommen werden, daß westlich von
Nemours, also auf marokkanischem Gebiete, die dort auf der
Rückseite der Depression herrschenden Nord- und Nordwest-
winde Regen herbeiführen; leider liegen hierüber keine gleich-
zeitigen Beobachtungen vor. Am 26. liegt die Depression über
dem Golf von Bona. Der Wind ist nach West gedreht, die
Regenzone ist weiter nach Osten fortgeschritten, sie dehnt sich
nunmehr über ganz Algerien aus. Am 27. befindet sich die
Depression an der tunesischen Küste. Es regnet immer noch
über dem ganzen Gebiete und zwar mit größerer Heftigkeit
als am vorhergehenden Tage. Als Beispiel einer Depression,
die vom Nordwesten Frankreichs aus über den Golf von Genua
nach SE. hin wegzieht, wird die vom 12. Januar 1899 angeführt.
') Th^venet, Essai de cUmatologie alg^rienne. S. 105 o. S.
— 22 —
An diesem Tage fiudet man das Zentrum der Depression im
nordwestlichen Frankreich liegen, sie rfickt schnell nach Süd-
Osten vor und liegt am folgenden Morgen Über dem Golf von
Genua; in Algerien ist allgemeiner Regenfall eingetreten. Am
14. hat sich die Depression weiter ausgedehnt, indem sie noch
ein wenig nach SE. vorgerückt ist. Der Regen fällt in gi-oßen
Mengen, in den höher gelegenen Stationen in Form von Schnee.
Die Niederschläge halten auch noch während des folgenden
Tages an, da die Luftdruckverteilung mit nur einer geringen
Verflachung der Depression dieselbe geblieben ist.
Ganz neuerdings besitzen wir von demselben Verfasser
eine allgemeine Untersuchung über die Vorhersage des Wetters
in Algerien,^) oder vielmehr genauer gesagt, für zwei bestimmte
Witterungstypen, nämlich Regenwetter an mehreren aufeinander-
folgenden Tagen und mindestens fünf Tage lang anhaltendes
trockenes Wetter. Die Untersuchung erstreckt sich hierbei
nur auf die Wintermonate. Für alle die diesen Perioden vor-
hergehenden Tage wurden nunmehr die Luftdruckwerte nicht
nur der meteorologischen Stationen von Algerien und Tunesien,
sondern auch der des Mittelmeeres und des größten Teiles des
übrigen Europas gesammelt, zu Mittelwerten vereinigt, und so
die typische Luftdruckverteilung für eine herannahende Regen-
periode oder Trockenzeit dargestellt. Diese Bearbeitung wurde
zuerst getrennt für die drei Wintermonate Dezember, Januar
und Februar durchgeführt, doch konnten schließlich diese drei
Karten ihrer großen Ähnlichkeit wegen zu einer einzigen ver-
einigt werden.
Die für herannahendes Regenwetter typische Karte der
Luftdruckverteilung zeigt eine Depression mit einem Kern, der
unter 759 mm herabgeht, über dem westlichen Mittelmeerbecken,
ein Hochdruckgebiet über Osteuropa, ein nur wenig geringeres
zweites Hochdruckgebiet über dem Atlantischen Ozean und
schließlich ein Gebiet mittleren Luftdruckes, das sich zwischen
den beiden Maxima vom Mittelmeer nach der Nordsee hinzieht,
wo der Luftdruck immer mehr abnimmt. Die meisten Mittel-
meerdepressionen kommen vom Atlantischen Ozean her, doch
können sie an sehr verschiedenen Stellen auf den europäischen
') Th^venet. Rteherches aar 1a prtvision du Temps en Algfrie. Algier, 1905.
— 23 —
Kontinent übertreten. Das Studium einer sehr großen Anzahl
von Wetterwarten hat nun ergeben, daß die Wahrscheinlichkeit
des Übertritts einer gut ausgeprägten Depression auf das Mittel-
meer von dem Orte ihres ersten Auftretens an der europäischen
Küste abhängt. Erscheint die Depression bei Gibraltar, so be-
trägt die Wahrscheinlichkeit 72, bei Spanien 92, bei Frankreich
59, bei England 37, bei Norwegen 33 und bei Nordrußland
14°/o. Liegt aber gleichzeitig noch eine Anticyclone über Ost-
europa, so steigert sich die Wahrscheinlichkeit, daß eine bei
Gibraltar und Spanien auftretende Depression auf das Mittel-
meer übertreten wird, fast bis zur Gewißheit. Für die Bahnen
über Frankreich, England und Norwegen steigt die Wahrschein-
lichkeit ebenfalls, während sie für Nordrußland vollkommen
Null wird. Die Gegenwart der Anticyclone im Osten bewirkt
also, daß die Depressionen stärker als sonst zum Mittelmeer
hingezogen werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit vermag man
demnach beim Erscheinen einer Depression über Gibraltar,
Spanien oder Frankreich in Verbindung mit dem hohen Drucke
über Osteuropa eine Reihe von Regentagen vorherzusagen. Die
dritte Bedingung der Typenkarte, das Maximum im Westen,
zeigt nur an, daß die allgemeinen Regenfälle erst dann wahr-
scheinlich werden, nachdem die Depressionen nach Westen hin
durch einen Wall hohen Druckes abgeschlossen sind. Ist dieser
Wall noch nicht vollständig entwickelt, so wird der Eintritt
der Regen sich noch um einige Tage verzögern. Das Gebiet
mittleren Luftdruckes zwischen Mittelmeer und Nordsee erklärt
sich nur dadurch, daß zahlreiche Depressionen durch diesen
Teil von Europa nach dem Mittelmeer hinziehen.
Steht jedoch eine mindestens 5 Tage andauernde Trocken-
zeit bevor, so befindet sich unser Gebiet im Bereiche hohen
Luftdruckes von etwa 770 mm, und dieser nimmt von Süden
nach Norden ab. Die Isobaren zeigen eine konvexe Form,
und zwar ist die konvexe Seite nach Norden nach dem niederen
Luftdruck zu gerichtet, der im Norden von Europa auf 747 mm
herabsinkt. Von der Isobare 760 mm an, die südlich von Irland
nach Nordnordwesten bis nach Moskau verläuft, ändert sich
die Form der Isobaren, sie kehren nunmehr ihre konvexe Seite
nach Südep. Die Bedingung für trockenes Wetter scheint also
offenbar darin zu bestehen, daß die Bahnen der Depressionen
— 24 —
einen mehr nördlichen Verlauf nehmen, ohne das Mittehneer zu
berühren.
Betrachten wir nun noch kurz die Winde nach ihrer
Fähigkeit, dem Lande Regen zuzuführen. Für unsere Breiten
kommen als Regenbringer hauptsächlich die Westwinde in Be-
tracht. Sie frischej) die Atmosphäre auf und bringen genügenden
Wasserdampf mit sich, der durch das Dasein zahlreicher Er-
hebungen mit der aufsteigenden Luftbewegung zur Verdichtung
und zur Ausscheidung von Regen gebracht wird. Anders liegen
die Verhältnisse in den Atlasländern. Den wohltätigen Einfluß,
den die Westwinde in Europa ausüben, können sie hier nur
auf einem ganz beschränkten Gebiete geltend machen. Ihr
Wasserdampfgehalt kommt nur dem westlichen Teil, also Marokko,
zugute. Die gewaltige Erhebung des marokkanischen Atlas-
gebirges bewirkt nahe an der Küste schon einen aufsteigenden
Luftstrom, wobei der größte Teil des Wasserdampfes ausge-
schieden wird. Das übrige Atlasgebiet liegt für die Westwinde
im Regenschatten des marokkanischen Atlas. Weiter nach
Osten vermag sich immerhin der Einfluß der Südwestwinde zu er-
strecken, da ihre Richtung mit dem Streichen des marokkanischen
Atlas übereinstimmt. Sie vermögen noch im westlichen Algerien
Regen herbeizuführen. Für das übrige Algerien und für Tunesien
sind aber die Winde aus nördlichen Richtungen die Hauptregen-
bringer. Sie streichen über das Mittelmeer hinweg und haben
so Gelegenheit Wasserdampf aufzunehmen. Zieht man hierbei
in Betracht, daß die Wassertemperatur des Mittelmeeres eine
ganz besonders hohe ist und man hier eine jährliche Verdunstung
bis zu 3 m und mehr annehmen kann, so wird man wohl auf
einen hohen Wasserdampfgehalt dieser vom Meere herwehenden
Winde schließen können. Andrerseits werden wir später aber
auch sehen, daß nur unter ganz bestimmten Verhältnissen die
nördlichen Winde Regen auszuscheiden vermögen.
Literatur nnd Beobachtangsmaterial.
Die bis jetzt über das Klima der Atlasländer und speziell
über die Niederschlagsverhältnisse derselben vorliegende Literatur
verteilt sich sehr ungleichmäßig über das ganze Gebiet. Die
häufigste Bearbeitung haben die Niederschlagsverhältnisse Al-
geriens erfahren, gemäß den hier am weitesten zurückreichenden
— 25 —
Beobachtuugen. Schon 1870 konnte Raulin^) die ersten Er-
gebnisse der Regenmessungen an 16 algerischen Stationen ver-
öffentlichen. Es handelt sich hierbei allerdings nur um eine
Mitteilung von Mittelwerten, aus denen dann Schlüsse auf die
Regeuverteilung des Landes gezogen wurden. Eine genauere
Bearbeitung erfuhren dann die algerischen Regenbeobachtungen
durch Angot.*) Von dem nunmehr in umfangreicherem Maße
vorliegenden Material wurden 20 Jahre (1860—79) heraus-
gegriffen, die kürzeren Reihen wurden mittelst der von Angöt
aufgestellten Formel auf die längere Periode reduziert und die
so vergleichbar gemachten Ergebnisse der einzelnen Stationen
zu einer Regenkarte vereinigt. Eine zweite Regenkarte von
Algerien wurde dann 1888 von der Akademie zu Algier heraus-
gegeben.») Sie stützt sich auf 10jährige Mittel 1877-86 von
31 Stationen. (Leider war mir diese Darstellung nicht zu-
gänglich.) Ungefähr zur selben Zeit erschien eine Bearbeitung
der Beobachtungen über die Hagelfälle.*) Die neueste Arbeit
über die Regenverhältnisse Algeriens ist die von Th6venet,
dem Direktor des „Service Meteorologique Alg6rien".*) Sie wurde
mir von dem Meteorologischen Institut in Algier in sehr liebens-
würdiger Weise zur Verfügung gestellt, wofür ich mir auch
hier erlaube nochmals meinen Dank auszusprechen. Die Arbeit
stellt einen recht ansehnlichen Band dar mit einem für die
algerischen Verhältnisse ungewöhnlich reichem Material, es ist
scheinbar eine vollständige Sammlung des bis dahin vorhanden
gewesenen Beobachtungsstoffes. Was nun aber die Bearbeitung
anbetrifft, so muß man leider feststellen^ daß sie eine nicht ge-
nügende ist, daß vor allen Dingen die angewandte Bearbeitungs-
methode sich nicht dazu eignet, um ihre Ergebnisse kartographisch
niederlegen zu können. Den von Th^venet angegebenen Mittel-
werten fehlt besonders eine Eigenschaft, die ein Haupterfordernis
>) Comptes Rendus. T. XXVIII, S. 942. Anszag Met. Zeitscbr. V. 1870
S. 495.
') Angot, Le climat de TAlg^rie. Annales du Bureau Central M^
t6oro1ogique de France. 1881. I.
') Quantit^s de pluies receuillies en Alg^rie de Pann^e 1877—86.
Algier 1888. Hrrsg. v. d. Akad. z. Algier. [Ref. Met. Zeitschr. 1889 S. 40.]
*) Statistique de la grele tomb^e en Alg^rie pendant les dix ann^es
1876-85. Service Meteorologique Algerien. [Ref. Met. Zeitschr. 1889 S. 39.]
') Tbevenet, Essai de Cümatologie Alg^rienne. Alger 1896.
- 26 —
aller klimatologischen Untersnchungen ist: nämlicli die direkte
Vergleichbarkeit der einzelnen Mittel. In vorliegender Arbeit
wurde nicht auf die Länge der Beobachtungsreihen Riicksicht
genommen, auch wurden sie nicht auf die gleiche Periode
reduziert. Eine Angabe über die Art der Bearbeitung des
Materials wird nicht gegeben, bei der Tabelle der Monats- und
Jahresmittel findet sich nur die Angabe: Moyennes r6duites de
toutes les observations receuillies. Dadurch, daß es versäumt
wurde einheitliche Mittelwerte abzuleiten, wird z. B. einer Reihe
von Algier von 58 Jahren dasselbe Gewicht gegeben, wie der
großen Anzahl der sehr viel kürzeren Beobachtungsreihen. Diese
Mittelwerte ffir Algier werden zudem aus einer Reihe gebildet,
die sich ihrerseits wieder aus nichts weniger als vier verschie-
denen kürzeren Reihen zusammensetzt und zwar: 1838-47
M. Dou, Ingenieur des dess^chements, 1848—70 Mole de la
Marine et Ponts et Chaussöes, 1871—83 Höpital militaire du
Dey, 1884-95 Hotel de ville d' Alger. Bedenkt man, daß bei
diesem Zusammenschmelzen von ganz verschiedenen Reihen gar
nicht beachtet wurde, daß die Aufstellung der verschiedenen
Regenmesser bei den ziemlich beträchtlichen Höhenunterschieden
keine absolut gleiche ist, so wird man den für Algier berechneten
Mitteln nur einen geringen Wert zuschreiben können.
Der Vollständigkeit wegen seien schließlich hier noch zwei
Arbeiten angeführt, die sich ganz speziell mit den Regenverhält-
nissen der Stadt Algier beschäftigen: Lambuc, Recherches sur
le climat d'Alger, Toulon 1897 und Gauckler, La pluie ä Alger,
Annales de Geographie 1903. S. 327.
Nicht so häufig ist die Verteilung der Niederschläge in
Tunesien bearbeitet worden, ganz analog den ja auch hier
kürzeren Beobachtungsreihen. Die erste Untersuchung : Jacques,
Meteorologie et climatologie de la Tunisie, Nancy 1896, war
mir leider nicht zugänglich. Um so größeren Dank schulde ich
der Direction G6n6rale de TEnseignement Public, Service Mfeteoro-
logique in Tunis für die liebenswürdige Überlassung von: Gi-
nestous, Les pluies en Tunisie, Tunis 1901. Ich beschränke mich
hier anf eine bloße Erwähnung der Untersuchung, da ich später
noch häufig Gelegenheit haben werde näher darauf einzugehen.
Für den dritten hier in Betracht kommenden Staat, für
Marokko ist die Literatur noch geringer. Eine klimatologische
— 27 —
UntersachuDg besitzen wir bis jetzt nur in der Darstellung
Tli. Fischers.*) Es ist dies eine Bec'irbeitung des Beobachtungs-
raateriales, das von den wenigen Küstenstationen und von Marra-
kescli vorlag, mit Einschluß der Beobachtungen, die der Ver-
fasser auf seinen Reisen im Atlasvorlande angestellt hatte.
Von der Eiwägung ausgehend, daß es bis jetzt noch an
einer einheitlichen Karte der Regenverteilung der Atlasländer
mangelt, und ferner, daß die spärlichen Beobachtungen Marokkos
jetzt immerhin einige kurze Reihen aufweisen, empfahl mir Herr
Geheimer Regierungs - Rat Prof. Dr. Th. Fischer vorliegenden
Stoff zur Untersuchung. Jedoch muß hier gleich bemerkt werden,
daß die nunmehr vorliegende Arbeit, die auch mehr eine klima-
tologisch-geographische sein soll, nicht den Anspruch macht
eine streng meteorologische zu sein, dazu fehlte es an genügen-
dem Beobachtungsmaterial, vielmehr mußte für manche Gegenden
die Regenverteilung noch eine rein hypothetische bleiben, wenn
man auch möglichst bemüht war, sie in diesem Falle von an-
deren Gesichtspunkten aus zu bestimmen. Die Periode, für die
man die Mittelwerte des Niederschlags bilden mußte, war ohne
weiteres durch die Arbeit von Ginestons gegeben. Hier sind
die Beobachtungen der Jahre 1886—1900 verwertet worden,
und obgleich es ein leichtes gewesen wäre, für Algerien längere
Beobachtungsreihen zu bekommen, so mußte man auch hier mit
Rücksicht auf die für Tunesien vorliegenden 15jährigen Mitteln
dieselbe Periode wählen. Dies hat ja auch den Vorteil, daß
man auf diese Weise die mehr oder weniger unzuverlässigen
älteren Beobachtungen ausschaltet. Natürlich lagen nicht für
sämtliche algerische Stationen volle 15jährige Beobachtungs-
reihen vor, sondern man mußte die kürzeren Reihen mit Hilfe
von geeigneten Vergleichsstationen auf die längere Reihe redu-
zieren, was unter Anwendung der von Angot angegebenen und
jetzt allgemein angewendeten Methode geschah. In dem Falle,
wo es zweifelhaft erschien, ob die gewählte Vergleichsstation
auch wirklich für das Regenregime der betreffenden Gegend
maßgebend war, wurde noch eine zweite Station zum Vergleiche
herangezogen und aus beiden Ergebnissen das Mittel genommen,
1) Th. Fischer, Zur Klimatologie von Marokko. Zeitschr. d. Ges. für
£rdk. Berlin 1900. 35.
— 28 —
das nunmehr verwendet warde. Dieselbe Methode der Yer-
arbeitang ist auch von Ginestous angewendet worden, so daß
die algerischen und tunesischen Stationen durch direkt ver-
gleichbare Mittel dargestellt werden konnten. Leider war es
bei einigen wenigen algerischen Stationen aus Mangel an einer
geeigneten Yergleichsstation nicht möglich, sie auf die einheit-
liche Periode zurückzuführen. Bei den weit in die Wüste vor-
geschobenen Stationen El Golea und Ghardaja dürfte dieser
Umstand auch nicht allzusehr ins Gewicht fallen, da die obere
Grenze der Niederschläge hier eine sehr niedrige ist, die
Schwankung also nicht sehr bedeutend sein kann. Die übrigen
algerischen Stationen, deren Reihen nicht auf die Periode 1886
bis 1900 reduziert werden konnten, liegen sämtlich nahe der
tunesischen Grenze. Da ihre Mittelwerte aus den kürzeren
Reihen iu genügender Weise mit den reduzierten Mitteln der
unter gleichen Verhältnissen liegenden tunesischen Stationen
übereinstimmen, so scheinen sie auch nicht allzu beträchtlich
von dem Mittel der längeren Reihe abzuweichen. Schwerer
fällt es immerhin schon ins Gewicht, daß die marokkanischen
Stationen nicht direkt untereinander vergleichbar gemacht werden
konnten, aber man mußte sich mit den Ergebnissen, wie sie
bis jetzt vorliegen, begnügen, sie umzuarbeiten ist leider noch
ein Ding der Unmöglichkeit.
Das der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegende
Beobachtungsmaterial ist den Veröffentlichungen des franzö-
sischen meteorologischen Zentralbureaus entnommen, die Er-
gebnisse des tunesischen Beobachtungsnetzes entstammen der
schon erwähnten Ginestousschen Arbeit. Für Marokko lag
dagegen bis jetzt nur ein sehr kleiner Teil der dort angestellten
Beobachtungen gedruckt vor. W enn ich aber trotzdem annehmen
darf, daß es mir gelungen ist, mir das vorliegende Beobachtungs-
material vollständig zu beschaffen, so verdanke ich dies in erster
Linie der Liebenswürdigkeit des Herrn Geheimen Regierungsrates
Prof. Dr. Th. Fischer, der mir zum Teil das Material selbst
verschaffte, was manchmal mit nicht geringen Schwierigkeiten
verknüpft war, femer mir die Beobachtungen, die in seinem
Privatbesitz waren, zur Verfügung stellte und mir schließlich
auch bei der Herbeischaffung des übrigen Materiales zu jeder
Zeit mit seinem Rat zur Seite stand. Großen Dank schulde
— 29 —
ich ebenfalls der Deutschen Seewarte in Hamburg, die mir die
noch nicht veröffentlichten Beobachtungen von Mogador, Saffi
und Casablanca zur Verfügung stellte. Da diese marokkanischen
Beobachtungen also noch vollkommen unbekannt sein dürften^
halte ich es für angebracht auf sie näher einzugehen.
Die Beobachtungen, die an der Lloydstation auf Kap
Spartel angestellt werden, wurden Herrn Th. Fischer von dem
Beobachter Herrn Hathaway in sehr liebenswürdiger Weise in
einer Abschrift zur Verfügung gestellt. Sie umfassen den
Zeitraum vom 16. Mai 1893 bis Dezember 1904, mit Ausnahme
des Jahres 1903. Es scheinen allerdings auch für diese Zeit
Beobachtungen vorzuliegen, doch sind sie scheinbar durch ein
Versehen nicht mit den anderen Jahrgängen übersandt worden.
Die Höhe des Regenmessers ist ö8,5 m über dem Meeresspiegel.
Die Beobachtuugsreihe ist vollständig.
Von dem benachbarten Tanger liegen immer nur noch die
alten Beobachtungen vor, die von dem deutschen Minister-
residenten Weber vom 1. Oktober 1879 bis zum 30. September
1885 angestellt wurden. Sie sind von J. Hann in der Zeit-
schrift der Osterreichischen Gesellschaft für Meteorologie 1887
S. 26 bearbeitet und veröffentlicht. Das Jahresmittel (815 mm)
stimmt zufällig sehr mit dem auf Kap Spartel gewonneneu
(819 mm) überein.
Die zu Rabat von dem Leibarzt des Sultans angestellten
Beobachtungen umfassen noch nicht ein Jahr (Juli 1881 bis
Februar 1882). Sie seien nur der Vollständigkeit wegen mit
aufgeführt. ^)
Von Casablanca liegen zwei kürzere Reihen vor. Die
ältere Reihe umfaßt die Beobachtungen des Herrn Konsul
Fernau und erstreckt sich auf die vier Regenperioden von
September 1896 bis Mai 1900. Diese Reihe wurde von Herrn
Th. Fischer in seiner Klimatologie von Marokko (S. 391) be-
arbeitet. Die in der neuesten Zeit auf Antrag des Herrn
Th. Fischer im Auftrage der Deutschen Seewarte durch Herrn
H. Ficke ausgeführten Beobachtungen, deren Ergebnisse hiermit
veröffentlicht werden, umfassen lückenlos die Zeit vom Januar
1902 bis Dezember 1905. Die von Herrn Th. Fischer ein-
1) Mitgeteilt von HanD, Met.-Z. 1886 S. 369.
— 30 —
gerichtete Station liegt ungefähr 60 m von der Küste entfernt
in einer Höhe von 15 m.
Die für Saffi vorliegenden Beobachtungen beginnen mit
Februar 1896, Niederschlagsmessungen ei*st mit September 1896.
Die Beobachtungen sind leider nicht einheitlich, sie umfassen
mehrere kurze Reihen. Die erste Reihe reicht von September
1896 bis Dezember 1897, es fehlen aber die Beobachtungen
für Mai und August 1897. Dann beginnen die Regenmessungen
wieder mit Juli 1899 und reichen bis Januar 1900. Auf-
genommen wurden sie dann wieder mit Oktober 1900, fanden
aber ihr Ende schon bereits mit dem nächstjährigen Oktober.
Die neueste Reihe, die wir Herrn Vizekonsul Junker verdanken,
nimmt ihren Anfang dann mit Juli 1902; benutzt wurden von
ihr die bis Dezember 1904 angestellten Beobachtungen. Die
Höhenlage der Station und die Lage zur Küste hat leider
wiederholt infolge von Todesfällen und Wohnungswechsel der
Beobachter gewechselt und ist auch noch nicht genau fest-
gestellt. Sie war bis Januar 1900 wahrscheinlich Meeresniveau,
alsdann bis Oktober 1901 in vorzüglich geeigneter Lage un-
gefähr 95 m^ seitdem 1 km davon entfernt und 40 m Höhe.
Es ist in Marokko außerordentlich schwierig, wirklich geeignete
einwandfreie Aufstellung der Instrumente zu ermöglichen.
Ungleich größeren Wert besitzen die von Heri n Vizekonsul
v. Maur in Mogador angestellten Regenmessungen. Sie beginnen
mit April 1894 und werden noch heute fortgesetzt, es fehlen
nur die Beobachtungen für Februar und März 1897 und für
Januar 1902. Die Station liegt etwa 100 m vom Meere entfernt
in einer Höhe von ungefähr 10 m.
Von der einzigen meteorologischen Station im Inneren,
Marrakesch, umfassen die älteren Beobachtungen, die im franzö-
sischen Konsulat angestellt wurden, die Zeit vom Januar bis
März 1886 und von September 1886 bis März 1887. Seit
Januar 1900 werden Beobachtungen an einer von Herrn
Th. Fischer auf seiner letzten Reise, in dem Kaufhofe des
Herrn H. Marx eingerichteten Station angestellt. Die zur
Ableitung der mittleren Regen Verhältnisse von Marrakesch be-
nutzten Beobachtungen umfassen die beiden vollständigen Jahr-
gänge 1900 und 1901 und ferner die Zeit vom Mai 1902 bis
Mai 1905.
— Si-
lin ganzen liegen der entworfenen Regenkarte die Mittel
aus 82 Beobachtuugsreihen zugrunde.
Yerteilnng der Niederschläge.
Der am stärksten hervortretende Zug in der Verteilung
der jährlichen Regenmengen im Atlasgebiet sind die ungeheuren
Unterschiede, die die Jahressummen der verschiedenen Stationen
aufweisen. Hält man an den drei Stufen fest, in die Supan
die Regenverteilung einteilt: regenarm unter 250mm, mäßige
Niederschläge von 250— 1000 mm und regenreich über 1000 mm*)
und wendet man sie auf die Verhältnisse der Atlasländer an,
so findet man, daß hier auf verhältnismäßig kleinem Gebiete
alle drei Stufen vertreten sind. Mit den zu Ain Draham ge-
messenen 1641 mm im Jahre nimmt es Anteil an der regen-
reichen Stufe, während als regenarm die Steppengebiete und
der südliche Rand des Sahara- Atlas zu bezeichnen sind. Zwischen
diesen Grenzen sind alle möglichen Stufen vertreten.
Im großen und ganzen betrachtet nimmt die Regenmenge
von Norden nach Süden, also von der Küste nach dem Innern
ab. Am ausgesprochensten ist diese Abnahme auf tunesischem
Gebiet und im östlichen Algerien, weiter nach Westen hin wird
sie durch eine mit der Erhebung des Sahara-Atlas verbundene
geringe Zunahme der Niederschlagsmenge etwas unterbrochen,
im allgemeinen bleibt die Abnahme aber auch hier gewahrt.
In Marokko liegen die Verhältnisse anders, wir haben hier erst
eine langsame und nicht kontinuierliche Zunahme, dann eine
schnelle Abnahme der Niederschläge in westöstlicher Richtung.
Das am meisten durch die Regen begünstigte Gebiet ist
der sich am Mittelmeer hinziehende Teil-Atlas. Die Regen-
mengen, die hier im Laufe eines Jahres fallen, sind ziemlich
beträchtlich, ja an manchen Punkten höher als diejenigen, die
im größten Teile Europas fallen. Auf diesem schmalen Gebiet
vereinigen sich alle Faktoren, die zur Bildung kräftiger Regen
nötig sind: die unmittelbare Nähe eines stark erwärmten und
damit einer starken Verdunstung ausgesetzten Meeres und das
Vorhandensein beträchtlicher Erhebungen, an denen die durch
^) Supao, Physische Erdkunde, II. Aofl. S. 149.
— 32 —
gttnstige Winde herbeigef&hrten Wasserdampfmassen zur Ver-
dichtung and Ausscheidung gelangen können.
Aber nicht an jedem Teile des Küstengebietes kommen
diese günstigen Verhältnisse voll zur Geltung. Die Regen-
mengen sind im Gegenteil sehr ungleichmäßig über das Gebiet
des Teil-Atlas verteilt, es findet eine deutliche Abnahme der
jährlichen Regenmengen von Osten nach Westen hin statt. Die
Beobachtungen an den Eüstenstationen lassen diese Abnahme
deutlich erkennen: Tabarka 1094mm, Dellys 893 mm, Algier
733 mm, T6n6s 467 mm, Oran 414 mm, Nemours 616 mm. Auch
die auf den Höhen des Teil-Atlas gelegenen Stationen weisen
ganz genau die gleiche Abnahme auf: Ain Draham 1641 mm.
Fort National 1056 mm, M6d6ah 848 mm, Sidi Bei Abb^s 463 mm,
Tlemcen 648 mm. Die erneute Zunahme der Regen, die sowohl
aus den Messungen von Nemours als auch aus denen von
Tlemcen hervorgeht, dürfte wohl auf den sich schon hier geltend
machenden Einfluß des Atlantischen Ozeans zurückzuführen sein.
Ob diese größere Regenmenge jedoch auch dem nach Westen
sich ausbreitendem Küstengebiet zuzuschreiben ist, oder ob sie
vielleicht durch die örtliche Lage der Stationen bedingt ist
(dies scheint allerdings sehr wahrscheinlich zu sein), läßt sich
bis jetzt, da noch keine Regenmessungen aus dem Rif vorliegen,
nicht feststellen. Aus einer Beobachtung, die de Segonzac auf
einer Reise in diesen Gegenden machte, muß man eigentlich
schließen, daß im Rifgebirge die Regenmenge eine geringe ist,
daß sie auf jeden Fall weit unter 600 mm liegt. De Segonzac
trifft ungefähr 10— 20 km westlich von Melilla in den Tälern
reiche Gerstefelder an, doch es wird ihm auf seine Fragen
hin von den Eingeborenen mitgeteilt, daß dieser augenblick-
liche Wohlstand ein ganz außergewöhnlicher ist. Er erklärt
sich durch die in jenem Jahre gefallenen sehr starken Früh-
lingsregen. In gewöhnlichen Jahren sind die Ernten nicht
so ergiebig, seit sechs Jahren genügten sie nicht, um alle
Einwohner zu ernähren, und fast alle jungen Männer waren
gezwungen auszuwandern. ') Daraus muß man schließen,
daß die Niederschlagsmenge sogar noch unter 400 mm ge-
sunken ist.
^) de SegonsAC, Voyages en Maroc (1899—1901). Paris 11)03. S. 52.
— 33 —
An der Tatsache der Abnahme der Regenmengen von
Osten nach Westen an der Mittelmeerküste ist also nicht zn
zweifeln, es gilt nur noch die Grttnde festzustellen. Als Haupt-
ursache erkennt man sogleich die starke Differenz in der Breite
des Mittelmeeres, das den einzelnen Teilen vorgelagert ist, es
stehen z. B. den aber 700 km Wasserfläche, die im Meridian
von Bougie dem Atlasgebiet vorgelagert sind, nur etwa 200 km
in dem Meridian von Oran gegenüber. Diese Verschmälerung
nimmt nach Westen immer noch mehr zu, doch wird dies öst-
lich von Tanger schon wieder durch den Einfluß des Ozeans
ausgeglichen, dem westlichen Teil des Bif-6ebirges darf man
wohl mit Recht eine mittlere Regenmenge von 600— 800 mm
zuschreiben. Daß mit der abnehmenden Breite des Mittel-
meeres auch der Wasserdampfgehalt der Luftmassen ein ge-
ringerer sein muß, ist ohne weiteres erklärlich. Hierzu tritt
nun noch als verstärkender Grund der Umstand, daß nach
Westen hin die Bedingungen zur Kondensation des Wasser-
dampfes nicht mehr dieselben sind wie im Osten. In der
orographischen Skizze ist als ein großer Unterschied der Ge-
birge östlich und westlich von Algier festgestellt worden, daß
diese bei weitem nicht mehr die großen Höhen aufzuweisen
haben, wie wir sie im Djebel Babor und Djebel Djurjura
vorfinden. Von Osten nach Westen nimmt die Höhe der Küsten-
kette beträchtlich ab. Als dritter und letzter Grund kommt
das Dasein einer kühleren Meeresströmung in Betracht. Diese
Meeresströmung macht sich allerdings nicht durch eine ganz
besonders tiefe Temperatur bemerkbar, aber es genügt immerhin,
daß man sie aus verschiedenen Anzeichen nachweisen kann.
Th. Fischer war wohl der erste, der in seiner grundlegenden
Arbeit über das Klima der Mittelmeerländer auf sie aufmerksam
machte und den Einfluß des kühleren einströmenden Ozean-
wassers durch folgende Angaben zu beweisen suchte: „Oran
hat eine mittlere Jahrestemperatur von nur 17 ®C, wie Tarifa,
mehr als 3^C weniger als Algier, und zwar ist der Februar
der kälteste Monat, der März noch kühler als der Januar, was
sich, falls die Beobachtungen verläßlich sind, kaum anders als
durch eine kühle Meeresströmung erklären läßt. Auch die Tem-
peraturen des wärmsten Monats bleiben um mehrere Grad
hinter der von Algier zurück. Es wird dies erst nachzuweisen
S
- 84 —
sein, wenn einmal Beobachtungen der Meerestemperatur von
Oran vorliegen, die voraassichtlich sich als sehr viel niedriger
erweisen wird als weiter östlich im Mittelmeer. ^ ^) Diesen
großen Unterschied der Jahresmittel der Temperaturen von
Oran und Algier haben die neueren Beobachtungen allerdings
als nicht richtig erwiesen. Nach Angot hat Oran eine mittlere
Jahrestemperatur von 17,2® und Algier von 18,2® C. (Mittel aus
1860/79); nach den von Th6venet angegebenen Monatswerten
habe ich für beide Orte aus längeren Reihen 16,6 und 17,5® C.
berechnet (die Temperaturen sind aufs Meeresniveau reduziert).
Eine Temperaturabnahme von 1®C. bleibt also in jedem Falle
trotz dem Breitenunterschied bestehen. Daß die Temperaturen
des wärmsten Monats an den Stationen von Algier an nach
Osten zu höhere sind als an den westlicher gelegenen Stationen,
geht auch aus den neueren Beobachtungen hervor. Ob das
Minimum im Februar reell ist, oder ob es nur von der Länge der
Beobachtungsreihen abhängt, ließ sich noch nicht genau fest-
stellen. Nach den Angaben von Th^venet fällt das Minimum
der Temperatur bei Nemours, Arzeu und T6n6s allerdings auf
den Februar, bei Oran dagegen auf den Januar. Sicher ist
ferner auch, daß an den Stationen östlich von Algier das
Minimum immer auf den Januar fällt und, daß mit dem Fort-
schreiten nach Osten hin, die Zunahme der Temperatur vom
Januar zum Februar immer größer wird. Ihre Beträge an den
einzelnen Stationen sind folgende: Algier 0,0, Dellys 0,1®,
Bougie 0,2®, Djidjelli 0,4®, Bone 0,8®, La Calle 0,9®. Dies
würde also sehr wohl mit einem nach Osten hin abnehmenden
Einfluß des Ozeans zu erklären sein. Viel auffallender ist aber
die durch die schon erwähnte von der Deutschen Seewarte
angestellte Bearbeitung der Temperaturmessungen an Bord der
im Mittelmeer verkehrenden Dampfer gefundene Tatsache, daß
sich im westlichsten Teil des Mittelmeeres die mittlere Zunahme
der Temperatur vom April zum Mai in den Gewässern zwischen
Gibraltar und Tunis nur auf 0,9® C. beläuft, dagegen auf
2,5® C. in den nördlich davon gelegenen Gebieten. Weder im
Tyrrhenischen Meer, noch im Jonischen Meer, noch auch in
den Ägyptischen Gewässern kommen ähnliche Verhältnisse
1) Th. FiBcher, Klima der Mittelmeerländer. Pet. Mitt. Ergshf t. No. 58.
Gotha 1879. S. 26.
— 35 —
vor. Auch für die Wassertemperatur gilt dasselbe. Sie steigt
gleichzeitig im Norden um 1,8® C, im Süden nur um 1,3® C.
Die Unterschiede sind in diesem Falle zwar nicht so auf-
fallend, aber sie sind doch immerhin noch vorhanden. Die
Erklärung findet die Deutsche Seewarte auch in einem
Einfluß des Atlantischen Ozeans, und zwar indem einesteils
die kühleren Luftmassen, die vom Ozean herkommen, das
Ansteigen der Wärme auf der Strecke Gibraltar bis Tunis
verlangsamen, andernteils, daß die verzögerte Erwärmung der
Wassertemperatur durch eine in das Mittelmeer hereinkommende
Oberflächenströmung bedingt ist. ^)
In dem so reichlich mit Regen gesegneten östlichen Teile
des Teil-Atlas befindet sich auch das Gebiet, das überhaupt
den stärksten Niederschlag von dem gesamten Atlasgebiet auf-
zuweisen hat. Es ist die schon erwähnte Station Am Draham,
auf tunesischem Gebiet gelegen. Sie liegt in einer Höhe von
805 m auf dem Rücken zwischen dem Djebel-Fersig (900 m)
and dem Djebel Bir (1050 m). An dieser Stelle kommen die
günstigen Verhältnisse, die die reichlichen Niederschläge des
ganzen Teil im allgemeinen bedingen, am stärksten zur Wirkung.
Es kommt nicht selten vor, daß es an 10, 12 und selbst 17 auf-
einanderfolgenden Tagen hier regnet, und meist ist der Regen
von Nebel, heftigen Winden, und manchmal auch Hagel und
Schnee begleitet. An manchen Tagen kann die Regenmenge
sehr beträchtlich sein, so wui*den z. B. im März 1900 gemessen:
9. März 58 mm
10. „ 145 „
11. „ ■ 32 ,
285 mm 2)
Weit weniger günstig als die tunesische und die algerische
Küste ist das marokkanische Küstengebiet in bezug auf die
Niederschläge gestellt. Trotzdem dieses im Angesicht des
Atlantischen Ozeans liegt, weist keiner seiner Punkte ähnlich
große Jahressummen auf, wie wir sie im östlichen Teil- Atlas
antreffen. Der nördlichste Teil Marokkos hat noch die größten
^) Wind, Strom, Luft- und Wassertemperatur auf den wichtigsten
Dampferwegen des Mittelmeeres. Bearbeitet von der Deutschen Seewarte. S. 27.
') Ou^rard n. Bontineau, La Khronmirie et sa colonisation. Paris
1892. S. 19.
3*
— 86 -
Begenmengen aufzuweisen: KapSpartel 819 mm, Tanger 815 mm.
Dies ist offenbar eine Folge seines gebirgigen Landschafts-
charakters. Für das Innere des nördlichen Marokko und die
Rif-Küste liegen nnr die Beobachtungen vor, die Marquis de
Segonzac auf seiner Reise angestellt hat. Natürlich handelt
es sich hierbei nicht um genaue Regenmessungen, sondern eigent-
lich nnr um eine Angabe der Regentage und um die gebräuch-
lichen Aufzeichnungen über Wind und Wetter. Gerade während
dieses Teiles seiner Reise hatte der Marquis fast fortwährend
unter heftigen Regengüssen und häufigen Nebeln zu leiden.
Ungefähr eine Woche nach der Abreise von Tanger begann
bei Nord-West- und West- Winden die Regenzeit. Während des
mehrwöchigen Aufenthaltes in Fes, von Anfang Februar bis
Mitte März 1901, regnete es fast ununterbrochen und mehrmals
findet man unter den Aufzeichnungen die Angaben: Pinie
torrentielle, pluie diluvienne. Meist waren es West- Winde,
die hier den Regen herbeiführten, nur ganz wenige Male
regnete es bei Südwest- Winden. Der West- Wind hat überhaupt
in diesem Teile einen weiten Einfluß, trotz des gebirgigen
Landes, über das er hinstreichen muß. An dem Punkte, wo
de Segonzac das Mittelmeer erreichte, bei Qacba Selouen, am
innersten Teile der Bucht von Melilia gelegen, kam es noch
bei West- Winden zu Niederschlägen. Auch auf dem weiteren
Marsche an der Küste entlang, wurde bei West- Winden noch
eine dichte Wolkenbedeckung beobachtet. Andererseits führen
Nord- Winde in diesem Teile wenig oder gar keine Niederschläge
herbei, in Am Bou Adel, das ungefähr 70 km von der Küste
entfernt liegt, hatte man bei Nordwinden vollkommen klaren
Himmel.
Von Tanger aus nimmt nach Süden die Regenmenge im
marokkanischen Küstengebiet dann schnell ab. In üasablanca
ergibt das vierjährige Mittel 1897/1900 als Jahressumme 457 mm,
das Mittel aus der neueren Reihe 1902/04 dagegen nur 380 mm.
Das wahre Mittel wird voraussichtlich wohl nur wenig über
400 mm hinausgehen. Eine noch geringere Niederschlagsmenge
weist die Station Saffi auf, die Jahressumroe aus den Jahrgängen
1896/1904 beträgt nur 351 mm. Da diese Reihe aber sehr
große Lücken aufweist, möchte ich ihr keine absolute Bedeutung
beilegen. Überraschenderweise wurde jedoch auch das Mittel,
— 37 —
das man seither Megador beizulegen pflegte, in sehr wesent-
licher Weise verändert. Das aus den Jahrgängen 1894/98 be-
rechnete Mittel für die Jahressamme ergab 490 mm. Nachdem
nan die Beobachtnngen weiter fortgeführt worden waren, konnte
die Reihe auch um weitere sieben Jahre verlängert werden.
Diese vollständige Reihe setzte die mittlere Jahressumme auf
nur 402 mm fest. Bei diesen Angaben muß man natürlich
immer in Betracht ziehen, daß sie zunächst nur für einen sehr
schmalen Eüstengürtel gelten können. Mit dem Ansteigen
des Atlasvorlandes nach dem Innern zu werden die Nieder-*
schlage auch an Menge zunehmen. Dazu kommt noch, daß die
Luft stets einen hohen Feuchtigkeitsgehalt hat, Nebel- und
Dunstbildung eine häufige ist und daß vor allen Dingen die
Taufälle in sehr starkem Maße auftreten, was dem Boden auch
eine nicht zu unterschätzende Feuchtigkeitsmenge zuführt.^)
Gehen wir nun zur Betrachtung der Regenverhältnisse im
Innern der Atlasländer über. In Tunesien umschließt die Isohyete
von 500mm einen beträchtlichen Teil des Atlas, die außen-
liegenden Teile haben immerhin noch fast durchweg eine
mittlere Jahressumme von 400 mm und mehr aufzuweisen. Die
Küstengebiete, die im Regenschatten liegen, empfangen bedeu-
tend geringere Niederschläge. Tunis hat eine Regenmenge von
nur 471mm, trotz seiner großen Nähe zu dem regnerischsten
Gebiete. Sousse mit 415 mm und Sfax mit 216 mm können als
Repräsentanten für die nach Süden zunehmende Niederschlags-
armut gelten. Das Gebiet, das trotz seiner Entfernung vom
Mittelmeere noch bedeutendere Niederschläge aufweist, sind die
Gebirgszüge südlich von Orleansville, die von dem Bogen des
Ch^liff eingeschlossen werden. Hier fallen an der Station Tiaret
in einer Höhe von 1086 m im Durchschnitt noch 808 mm im Jahre.
Der Grund hierfür ist darin zu suchen, daß die vorliegende
Eüstenkette hier, wie schon mehrfach erwähnt, westlich von
Algier eine bedeutende Erniedrigung erfahren hat, so daß die
Regenwolken sie überfliegen können, ohne zu bedeutenderer
Regenabgabe veranlaßt zu werden ; erst die weiter vom Meere ab
folgenden größeren Erhebungen bewirken stärkere Regenfälle.
Sonst nimmt die Regenmenge auf algerischem Gebiete sehr
^ Th. Fischer, Zur Klimatologie von Marokko. 8. 394.
- 38 —
schnell von der Kttste nach dem Innern za ab; es folgen die
Gebiete der algerischen Steppen mit geringen Niederschlägen.
El Aricha mit 270mm gehört schon ganz der Steppe an. Erst
mit der Annäherung an den Sahara-Atlas nimmt die Regen-
menge wieder zu. Sonderbarerweise ist auf keiner der bisher
gezeichneten Niederschlagskarten Algeriens eine derartige Zu-
nahme der Regenmengen verzeichnet, und doch scheint sie ganz
sicher festzustehen. 66ryville (498 mm) und Aflou (384 mm)
weisen eine größere jährliche Regensumme auf, als sie das
Steppengebiet empfängt. Zudem ist es noch sehr unwahrschein-
lich, daß gerade diese Stationen einen wirklichen Begriff von
den dortigen Verhältnissen geben, in den höheren Teilen mag
die Jahresmenge immerhin noch einen etwas größeren Betrag
erreichen. Ein Teil des Sahara-Atlas ist allerdings auch ebenso
sicher von der Zunahme der Niederschläge auszuschließen. Es
ist dies der Teil zwischen dem Djebel Amour und dem Aures
Massiv. Hier sind die Höhen zu unbedeutend, als daß sie als
Wolkenverdichter wirken müßten. Für den übrigen Sahara-Atlas
spricht aber auch die wieder zunehmende Bewaldung, wie wir
später sehen werden, für größere Niederschläge.
Im Innern von Marokko haben wir ebenfalls eine selir be-
deutende Niederschlagsabnahme zu verzeichnen. Der Rand der
oberen Stufen des Atlasvorlandes bringt hier die Wasserdampf-
massen zur Verdichtung, wenn auch sicher nur zum geringen
Teile. Der größere Teil fällt sicher erst als Regen am Fuße
des Marokkanischen Atlas. Die einzige Station in diesem Gebiet
geringerer Niederschläge ist Marrakesch ; sie weist als mittlere
Jahressumme 237 mm auf, also einen sehr geringen Betrag, der
keinen Anbau ohne künstliche Berieselung mehr zuläßt. Mit
dem Ansteigen des Marokkanischen Atlas ist dann auch eine
Zunahme der Regen verbunden. Aus den Beobachtungen des
Marquis de Segonzac im Mittleren und Hohen Atlas kann man
für dieses Qebiet etwa folgendes herauslesen : Die Regenverhält-
nisse des Mittleren und des Hohen Atlas werden vorzugsweise
durch NW.-, W.- und SW.-Winde bestimmt. Hiervon kann der
SW. seinen Einfluß am weitesten geltend machen, da das Ge-
birge und also auch die Lücken in demselben in gleicher Rich-
tung verlaufen. In Reggou, am südöstlichen Abhänge des Mitt-
leren Atlas nahe an dem Wed Muluja gelegen, regnete es bei
— 39 —
SW. während des ganzen Tages und der Nacht (27. Juli). NW.-
Winde können natürlich auf diese Seite des Atlas als die Regen-
schattenseite keine Feuchtigkeit mehr herbeiführen. Die Reise
de Segonzacs in dem Tale des Muluja, also im Schutze des
Mittleren Atlas, war von gutem Wetter begüustigt, während
nach seinem Übertritt auf die SW.- Seite sich auch wieder die
Regen einstellten. Besonders wichtig fOr die Regenverhältnisse
des Mittleren und Hohen Atlas scheinen die Gewitter zu sein,
die hier im Sommer mit großer Regelmäßigkeit abends beobachtet
werden. Bei seiner Abreise von Azrou sagt de Segonzac unter
dem 6. Juni: «Wir kommen in die Region der Gewitter. Man hat
ans mitgeteilt, daß wir in dieser Jahreszeit an jedem Tage
Regen und Donner haben würden. Diese Mitteilung scheint sich
zu bewahrheiten, seit dem 2. Juni haben wir jeden Abend Gewitter
gehabt**.*) Diese Stürme werden dann während der Überschrei-
tung des Mittleren Atlas, der Besteigung des Hohen Atlas und
der Reise im Tale des Muluja bis nach Reggou, also bis zum
28. Juli beobachtet. Auch später treten sie noch einige Male
auf, aber bei weitem nicht mit dieser Regelmäßigkeit. An den
57 Tagen (vom 2. Juni bis 28. Juli) wurden an 34 Tagen Gewitter
konstatiert; und zwar war er an 18 Tagen von Regen oder
von Hagel begleitet. Da diese Gewitter den Eingeborenen be-
kannt waren, dürfen wir schließen, daß sie in jedem Jahre
wiederkehren; da ferner mit ihnen sehr häufig Niederschläge
verknüpft sind, die in einer sonst regenarmen Zeit fallen, sind
sie für die Bebauung des Landes von großer Wichtigkeit. Sie
können auch dem Boden in vollem Maße zugute kommen, da
sie meist am Abend fallen und ihre Wirkung nicht durch starke
Verdunstung, der sie am Tage ausgesetzt sein würden, wieder
aufgehoben werden kann. Etwas über die Natur dieser Stürme
zu sagen, ist noch nicht möglich. De Segonzac beschränkt sich
nur auf folgende Angaben: „11. VI. Heute Abend haben wir
sogar zwei Gewitter gehabt, von denen das eine besonders heftig
war. Diese meteorologischen Störungen stellen sich mit einer
ganz einzigartigen Regelmäßigkeit und Plötzlichkeit ein. Gegen
ein Uhr sieht man im Süd-Osten einige kleine Wolken aufsteigen,
sie sind die Vorläufer des Gewitters. Der Himmel überzieht sich
^) de Segonzac a. a. 0. S. 131.
— 40 —
mit einem dichten grauen Schleier, der Wind erhebt sich, das
Gewitter bricht los unter Begleitung von Regen und dauert eine
oder zwei Stunden. Alsdann verschwindet der Wolkenvorhang,
die Atmosphäre nimmt jene wunderbare Durchsichtigkeit an,
bei der das Auge fast unbegrenzt in die Feme schweifen kann.
Die Dämmerungen sind kurz, die Nacht legt sich fast unver-
mittelt auf die Täler und auf die Ebene, während die entfern-
teren Spitzen noch von den Strahlen der untergehenden Sonne
bestrahlt werden." *)
Daß die Verteilung der Niederschläge eng mit dem Relief
der Atlasländer zusammenhängt, folgt ganz augenscheinlich aus
einem Vergleiche der Regenkarte mit einer topographischen Karte.
Um diese Tatsache noch anschaulicher zu machen, wurden drei
Regenproflle beigefügt: Oran-Wed Namous, Kap Bougaroun-
Schott Melrir, Tabarka- Schott el Djerid. Sie sind ohne weiteres
klar und bedürfen keiner weiteren Erklärung.
Die jahrliche Periode der Niederschläge.
Außer der mittleren jährlichen Menge der Niederschläge
ist ihre jahreszeitliche Verteilung von großer Wichtigkeit. Da
Verdunstung und absolute Feuchtigkeit während der Sommer-
monate am größten sind, so d&rfte man auch erwarten, daß
das Sommerhalbjahr größere Niederschlagsmengen aufzuweisen
hat als das Winterhalbjahr. Diese Regenverteilung wäre also
die natürliche und ist auch für das Festland die Regel. Für
die Meere, mit Ausnahme der niederen Breiten, gilt jedoch
gerade das Entgegengesetzte. Winterregen sind also als der
ozeanische, Sommerregen als der kontinentale Typus anzusehen.')
Im Mittelmeergebiet schiebt sich der ozeanische Typus
weit in die große Festlandmasse Europa-Asien-Afrika hinein
und hat weite Landräume für sich erobert. Th. Fischer hat
1878 den heute selbstverständlich genauer zu bestimmenden
Verlauf der Grenzlinien zwischen den Gebieten mit ausge-
sprochenen Sommer- und Winterregen festzulegen versucht.
Die Linie, innerhalb der die Gegenden noch eine sommerliche
Regenmenge von 150 mm haben, greift im Mittelmeer auch
noch verhältnismäßig weit nach Norden hinauf. Südlich dieser
») De Segonzac a. a. 0. 8. 140.
') Sapan, Physische Erdkunde S. 158.
— 41 —
Orenzlinie nehmen aber die sommerlichen Regenmengen in dem
Maße ab, daß auf einen schmalen Gürtel mit regenarmen
Sommer ein sehr breiter mit völlig oder so gut wie völlig
regenlosen Sommer folgt. Rechnet man den Sommer, der eine
geringere Niederschlagsmenge als 50 mm aufzuweisen hat, als
regenlos, so hat die Polargrenze im Mittelmeergebiet folgenden
Verlauf: „Südlich Coimbra beginnend krümmt sie sich über dem
Iberischen Tafellande bis zum 42. Parallel nach Norden, erreicht
das Mittelmeer unter dem 40., schließt den Südwesten von
Korsika, Sardinien, Sizilien und ganz Ealabrien ein, dann den
Küstensaum der Balkan Halbinsel südlich vom 40. Parallel, den
größten Teil von Griechenland und Klein- Asien," ^)
Das Gebiet der Atlasländer liegt also innerhalb dieser
Grenze, ist also vorzugsweise ein Gebiet der Winterregen.
Inwiefern Ausnahmen von dieser Regel vorhanden sind, wird
ans dem weiteren Verlauf der Darstellung folgen.
Wie kommt es aber, daß eine derartige Verteilung der
Niederschläge in den Atla^ländem eintreten kann? Man sollte
doch auch erwarten, daß die nördlichen Winde, die ebenfalls
im Sommer mit genügender Häufigkeit vom Mittelmeer nach
Afrika hineinwehen, reichlichen Wasserdampf mit sich führen
sollten und so auch für {genügenden Regen sorgen könnten.
Daß dem aber nicht so ist, liegt in den thermischen Verhält-
nissen des Mittelmeeres begründet. Im Sommer kommen die
Winde vom Mittelmeere dampfärmer und mit relativ niederer
Temperatur an. Nur in den höher gelegenen Teilen des Landes
kann es noch zur Kondensation des Wasserdampfes kommen.
Die geringe Feuchtigkeit, die die nördlichen Winde im Sommer
mit sich führen, schlägt sich meist als Nebel nieder, die den
Boden oft für den ganzen Tag einhüllen. Man hat dann nur
den Anblick eines verschleierten Himmels, ohne daß es zu einem
Regengusse kommt. Zudem verdampft die Hitze des Tages eine
bedeutende Menge der Bodenfeuchtigkeit, die dann wieder durch
die Kühle der Nacht verdichtet wird und sich am Boden nieder-
schlägt. In den trockenen Jahren sind die Taufälle von großem
Nutzen für die Vegetation.«)
' Th. Fischer, Studium ttber das Klima der Mittelmeerländer. S. 9.
' Wahl, L'Algfoie, Paris 1897 Kap. IV.
- 42 —
Im ganzen Küstengebiet von Algerien and Tunesien tritt
die sommerliche Trockenheit scharf hervor. Die Regenzeit
beginnt hier meist im September und hält bis zum Mai an.
Platzregen können immerhin noch in den Sommermonaten auf-
treten, aber ihre großen Tropfen sind so schnell vertrocknet,
daß man sie gar nicht in Betracht ziehen kann, sie sind sozu-
sagen nur für den Regenmesser da. In den mittleren Werten
für die Jahreszeiten kommen an den meisten Stationen noch
5^/0 der Gesamtsumme der Niederschläge auf den Sommer, in
den einzelnen Monaten kann dieser Wert jedoch bis auf 0,2,
ja 0,1^/0 heruntersinken. Die anderen Monate sind ziemlich
ungleichmäßig mit Regen bedacht. Die Verteilung des Regens
ist unregelmäßig und in den einzelnen Monaten sehr verschieden.
Eine Prüfung der Tabellen lehrt, daß das Maximum des
Regenfalles im westlichen Algerien, an den Stationen Nemours,
Kap Falcon, Oran im Januar liegt, Algier, Dellys, Djidjelli,
La Galle, Tabarka, Bizerta, Tunis, also die östlicher gelegenen
Stationen, den meisten Regen durchschnittlich im Dezember
aufzuweisen haben. (Wenn auch einige dieser Stationen ein
Maximum im Januar haben, so steht ihnen der Dezember doch
nur so wenig nach, daß man diese Stationen wohl zusammen-
fassen durfte). Einige Stationen, wie Tabarka und Tunis,
haben noch ein zweites nicht so stark hervortretendes Maximum
im März. Allen diesen Stationen ist jedoch noch gemeinsam,
daß bei einer Zusammenfassung der monatlichen Mengen zu
Jahreszeiten der Winter den größten Prozentsatz hat. Gehen
wir aber weiter nach dem Innern zu, so verändern sich diese
Verhältnisse sehr wesentlich. Um diese Unterschiede in der
Regenverteilung an den verschiedenen Stationen kennen zu
lernen, ist es vielleicht angebracht, einmal eine Reihe von
Stationen zu betrachten, die ungefähr unter demselben Meridian
liegen. Fassen wir also zuerst die Reihe ins Auge, die uns die
Stationen im Meridian von Oran darbieten:
Die am Mittelmeergestade liegenden Stationen Nemours,
Kap Falcon, Oran können zusammengefast werden. An ihnen
stimmt der jährliche Gang der Regenverteilung sehr genau
überein. Die Kurven weisen ein Maximum im Januar und von
da nach beiden Seiten hin eine Abnahme nach dem Sommer zu
auf. Das sommerliche Minimum ist sehr stark ausgeprägt, es
— 43 -
liegt bei Nemours mit 0,5 ^/o im Juli, bei Kap Falcon fällt es
in demselben Monat sogar auf 0,3 ^/o, Oran hat im August mit
0,3 ®/o die größte Trockenheit. In starkem Gegensatze stehen
liierzu die Regenkurven der Stationen Sidi-bel-Abb^s (475,5 m),
Saida (867 m) und EI Aricha (1330 m). Das Wesentliche ist,
daß sich mit der Zunahme der Höhe die Regenzeit mehr in
den Frühling hinein verlängert hat, in Saida und El Aricha
fällt das Maximum sogar in den April. Nach der Verteilung
auf die einzelnen Jahreszeiten hat Sidi-bel-Abb^s noch ein sehr
ausgesprochenes Wintermaximum mit 44,5 ^/o, Saida weist im
Winter wie im Frühling dieselben Mengen auf, in Aricha hat
jedoch der Frühling mit 38,5 °/o den Hauptanteil an der jähr-
lichen Regenmenge. Weiter geht aus den Tabellen hervor,
daß mit der Zunahme der Höhe auch die sonunerliche Trocken-
heit nicht mehr so ausgesprochen ist, die Verteilung der Nieder-
schläge über das ganze Jahr ist eine viel gleichmäßigere als
an den Küstenstationen. Die weiter im Süden jenseits der
Hochplateaus zum Teil schon im Sahara- Atlas gelegenen Stationen
zeigen ebenfalls ein stark ausgeprägtes Frühlingsmaximum.
In den Reihen von M6cheria und G6ryville weist der April die
größte Niederschlagsmenge auf. Am Sefra empfängt seine meisten
Regen sogar erst im Mai. Die Mengen im Frühling sind:
M6ch6ria (1176 m) 37,9%, G6ryville (1305 m) 41% und Ain
Sefra (1072 m) 44,9 ^/o. Neben den Frühlingsregen treten im
Sahara-Atlas noch die Herbstregen deutlich hervor.
Ähnliche Ergebnisse folgen aus den Reihen für die un-
gefähr im Meridian von Algier liegenden Stationen. Ten6s (60 m),
Algier (38,5m), OrleansviUe (117,1m), M6d6ah (917,1m), Tizi
Quzou (234 m) und Fort National (930,2 m) empfangen sämtlich
den größten Teil ihrer Niederschläge als Winterregen, wenn
auch bei den letzten vier Stationen schon eine Verlängerung
der Regenzeit, d. h. eine Zunahme der Frühjahrsregen hervor-
tritt. Sämtlichen Stationen ist ebenfalls ein sehr tiefes Minimum
der Niederschläge im Juli und August gemeinsam. Mit der Sta-
tion T6niet-el-Haad (1139 m) wird dann wieder die Region der
Frühjahrsregen erreicht. Hier entfallen auf die verschiedenen
Jahreszeiten an Regen: Winter 32,7%, Frühling 37,2^/0, Som-
mer 1,8 ^/o und Herbst 24,5%. Das sommerliche Minimum tritt
hier noch stark hervor. Weiter nach Süden, an den Stationen
— 44 —
Bon Saada, Djelfa und Laghouat, ist es wesentlich gemildert.
Der Anteil des Sommers an den Regen beträgt hier noch 18,1,
14,9 and 15,4 ^/o. Das Frühlingsmaximum ist jedoch ähnlich
dem von Teniet-el-Haad vorhanden.
Ein weiteres Profil könnte man in gleicher Weise nun noch
mittels der weiter nach Osten gelegenen algerischen Stationen
konstruieren, aber es mag die Angabe genügen, daß die zu
findenden Ergebnisse vollständig mit den bereits gefundenen
übereinstimmen. Nähere Betrachtung sollen jedoch noch die
Verhältnisse des östlichsten Teiles der Atlasländer finden, in-
dem wir auch hier in ähnlicher Weise, wie wir es bei den
algerischen Stationen getan haben, die Kurven der jährlichen
Regen Verteilung von der Küste aus nach dem Süden zu fort-
schreitend betrachten. Die Küstenstation Tabarka hat ihr Maxi-
mum im Dezember mit einem nur wenig geringeren zweiten
Maximum im März, die Regenmenge des Winters mit 46,2^0
steht über der der übrigen Jahreszeiten. Der Sommer ist äußei^st
trocken, nur 3,3^0 des Gesamtniederschlags, davon entfallen
1,6^/0 allein auf den Juni. Die Kurve der Station mit der
größten jährlichen Niederschlagsmenge, Ain Draham, hat einen
sehr einfachen Verlauf mit dem Maximum im Dezember, dem
Minimum im Juli. Die folgenden Stationen Feidja Grandprey,
Souk el Arba, Souk el Khmis, Sidi Youssef haben ebenfalls
noch das Niederschlagsmaximum im Winter. Den 37,7 ^/o Anteil
an der Jahressumme bei Souk -el- Arba und den 33,8 ®/o bei
Souk -el- Khmis stehen aber schon für dieselben Stationen an
Frühlingsregen 35,2 ^/o und 32,7 ®/o entgegen. Hier stehen also
die im Frühjahr fallenden Regen den Winterregen nur sehr
wenig nach. In Le Kef haben dann die Frühjahrsregen die
Winterregen wieder an Stärke überholt, und dieses Regen-
regime bleibt weiter nach Süden hin bis nach Gafsa, ja bis in
die Gegend des Schott Djerid bestehen. An allen in diesem
Teile liegenden Stationen, wie Souk el Djemmaä, Feriana, Gue-
mouda, Gafsa, Tozeur, Nefta, überwiegen die Regen im Frühjahr.
Über die jährliche Regenverteilung der an dem Ostabhange
des Atlas und in der sich ihm vorlagernden Küstenebene liegen-
den tunesischen Stationen sei hier nur ganz weniges angeführt,
im übrigen muß auf die Tabellen verwiesen werden. Tunis weist
ein sehr deutlich ausgesprochenes doppeltes Maximum im März
— 46 —
und im Dezember auf. In Mactar, Kairouan und Sousse sind
die starken Herbstregen, in Zaghouan die Frtthlingsregen noch
zu erwähnen.
Faßt man die in den vorhergehenden Ausfahrungen gewon-
nenen Tatsachen noch einmal kurz zusammen, so kann man
sie dahin vereinigen: Die für das Mittelmeer charakteristische
periodische Regen Verteilung ist in dem algerischen und tunesi-
schen Küstengebiet ganz besonders ausgesprochen, mit einem
Maximum der Niederschläge im Winter und einem tiefen Mini-
mum im Sommer. Mit der Zunahme der Höhe wird die Regen-
armut der Sommermonate etwas gemildert; zu gleicher Zeit
verschieben sich die Hauptregen nach dem Frühling zu. In
manchen Gegenden ist dies so ausgeprägt, daß das Maximum
der Niederschläge auf den Frühling fällt.
Das Gebiet mit ausgesprochenen Frühlingsregen schließt
demnach in Algerien die südlichen Ketten des Teil-Atlas, die
Hochplateaus und den Sahara - Atlas , in Tunesien Zentral-
tunesien südlich von Medjerdah bis zum Schott-Djerid in sich ein.^)
Die Erklärung für diese eigenartigen Verhältnisse liegt
in folgendem: „Die Wasserdünste und Wolken, die aus dem
Mittelmeere kommen, verdichten sich im Winter hauptsächlich
an der wenngleich niedriggelegenen Küste, denn diese erste
Landfläche, mit der sie zusammentreffen, ist kalt. Im Frühling,
wenn die Erde sich erwärmt^ übersteigen die Dünste diese und
verdichten sich über den Plateaus, die wegen ihrer Höhe noch
kalt sind. Im Sommer widersetzt sich die hohe Temperatur
7on Luft und Erde jeglicher Verdichtung längs der ganzen
Küste (Gewitter ausgenommen); sie lassen sich nur mehr auf
den höchsten Plateaus nieder, allein der größere Teil der
Wasserdünste verteilt und verliert sich im großen Luft-Ozean
durch die Saharawüste und ganz Inner-Afrika. Im Herbst
endlich, wo die Erde sich allmählich wieder abkühlt, ist die
Regenmenge, die auf die Küste fällt, relativ größer als die,
welche auf den höheren Plateaus statthaben kann.^)
Mit Absicht sind die Verhältnisse der jährlichen Regen-
verteilung an den marokkanischen Stationen bis jetzt von der
') Vergl. die Karten: Verteilang der Gebieten mit Frühlingsregen.
') Raulin, Über das Regensystem Algeriens. Met. Zeitschr. V. S. 499.
— 46 -
Betrachtung ausgeschlossen worden. Da die Regen in diesem
Teile des Atlasgebietes unter anderen Bedingungen zustande
kommen, schien auch ihre jährliche Verteilung eine gesonderte
Betrachtung zu erfordern. Die Niederschläge sind auch auf
marokkanischem Gebiete durchaus periodischer Natur, doch ist
ein Unterschied zwischen dem nördlichen und dem südlichen
Teil Marokkos festzustellen. Im Norden weisen die Sommer-
monate immerhin noch eine, wenn auch nur geringe Nieder-
schlagsmenge im Mittel mehrerer Jahre auf. So fällt nach den
Beobachtungen auf Kap Spartel in den Monaten Juli und August,
die die geringsten Niederschläge haben, noch eine Regenmenge,
die 0,3 ^/o der gesamten Jahresmenge ausmacht. Die Mittel-
weite der Stationen Saffi und Mogador geben dagegen Juli und
August als vollkommen regenlos an. In den einzelnen Jahren
kann die Trockenheit jedoch noch, wie später gezeigt werden
wird, eine bei weitem längere Dauer erreichen. Nach der
längeren Beobachtungsreihe auf Kap Spartel fällt das Maximum
des Niederschlags auf den November, von da nimmt die Menge
zum Februar hin ab, um im März wieder etwas zu steigen.
Tanger weist nach den vorliegenden Beobachtungen allerdings
eine wesentlich andere Regenverteilung auf, was aber auf die
Kürze der Beobachtungen zurückzuführen sein dürfte. Auch
die Reihen vou Saffi und Gasablanca sind noch zu ungenau, um
sichere Schlüsse auf die jährliche Verteilung der Regen zuzu-
lassen. In Mogador ist die Verteilung eine derartige, daß das
Hauptmaximum im Dezember erreicht wird, ein zweites Maxi-
mum dann aber nochmals im März auftritt. Allen ' diesen
Küstenstationen, die einigermaßen sichere Beobachtungsreihen
aufzuweisen haben, ist gemeinsam, daß die Summe der winter-
lichen Niederschläge sich bedeutend gegen die der übrigen
Jahreszeiten abhebt. Bei der im Innern des Landes gelegenen
Station Marrakesch kommt jedoch die Menge der Frühlings-
regen derjenigen der Winterregen sehr nahe; auf den Winter
entfallen 36,7 %, auf den Frühling 34,6 ^lo. Die Verteilung in
den einzelnen Monaten weist ein Herbstmaximum im November
und ein Frühjahrsmaximum im März auf. Es findet hier also
dieselbe Verschiebung in der jährlichen Verteilung der Nieder-
schläge statt, wie wir sie schon beim Vordringen nach dem
Innern zu in Algerien und Tunesien feststellen konnten. Die
- 47 —
sommerliche Trockenzeit ist im Innern wesentlich kürzer als
an der Küste. In Marrakesch setzen sich die Regen zuweilen
noch bis in den Jani hinein fort, (Juni 1900 hatte noch
26,3 mm Niederschlag). Ganz ausnahmsweise kann auch der
Juli noch eine größere Menge aufweisen (im Juli 1904 wurden
noch 19,5 mm gemessen.) Die Trockenheit dauert meist nur
bis Mitte September, die Monate September der Jahre 1901
und 1904 hatten bereits wieder 16,3 und 14 mm Niederschlag.
Die vorjährige Regenzeit hat zwar erst im Oktober eingesetzt,
aber in ganz besonders starkem Maße. Seitdem die Beobach-
tungen angestellt werden, hat man noch keinen so regen-
reichen Oktober wie den vorjährigen gehabt. Die Regen ver-
teilen sich auf zwei Perioden, vom 11. bis 16. und vom 23. bis
26. Oktober. Die Gesamtsumme des Monats an Niederschlägen
beträgt 109,7 mm.
Aus dem Innern von Nordmarokko liegen allerdings leider
noch keine Messungen vor, aber nach den Mitteilungen der
einzelnen Reisenden herrschen hier dieselben Verhältnisse, wie
wir sie in Marrakesch vorfinden. „Nach dem gewöhnlichen
Verlauf der Dinge sollen die Frühjahrsregen das Hauptereignis
des Wetterjahres und die wichtigste Vorbedingung für eine gute
Ernte sein. Sie setzen meist Ende Dezember ein und dauern
dann, mit einer sehr merklichen Unterbrechung im Januar, bis
in den Mai hinein.'^ ^) De Segonzac beobachtete in Nordmarokko
die ersten Regen nach der eben erwähnten Unterbrechung der
Regenzeit im Januar am 31. Januar. Wie die Regenverteilung
sich in den höheren Gebirgsgegenden verhält, darüber wissen
wir noch fast gar nichts. Wir sind nur auf die spärlichen
Berichte der wenigen Reisenden angewiesen, die in das Gebirge
vorgedrungen sind. Aus diesen Angaben geht nun aber mit
ziemlicher Bestimmtheit hervor, daß die Regen sich hier sehr
weit in den Sommer hinein ausdehnen können, ja daß sie häufig
als Begleiter der Gewitter in allen Monaten auftreten. Im
Innern sind Gewitter eine sehr häufige Erscheinung und vor-
zugsweise gehen in ihrer Begleitung Regengüsse nieder. Nach
de Foncauld begann im Hohen Atlas die Regenzeit Mitte
Oktober. Es regnete von Ende Oktober bis Mitte November
>) Genthe, Marokko. S. 79.
— 48 —
fast täglich bei Tazenacht, das 1500 m hoch im Quellbecken
des Draa, also schon jenseits der Hauptkette liegt. Auf die
Dauer der Regenzeit läßt sich aus den Aufzeichnungen des
Marquis de Segonzac schließen. Im mittleren Atlas wurden
noch häufige Regenfälle bis gegen Ende Juni beobachtet, auf
dem weiteren Marsche im Tale des Muluja zwischen dem Hohen
Atlas und Mittleren Atlas kam es noch an mehreren Tagen im
Juli zu Regenfällen. Vereinzelte Regen fielen sogar auch noch
im August. Ende August begann dann schon wieder die Regen-
zeit am Mittleren Atlas, der 22. — 26. und der 28. — 31. August
waren sämtlich Regentage.
Fttr die Verteilung der Regenmengen auf die verschiedenen
Monate hat Angot einen sehr deutlichen Ausdruck aufgestellt.
Er beruht darauf, daß man die Regenmenge eines Monats in
Prozenten der Jahressumme ausgedrückt mit dem Prozentsatz
vergleicht, der diesem Monate im Verhältnis zu seiner Länge
zukommen würde, wenn die Regen ganz gleichmäßig über alle
Monate gleich verteilt sein würden. Die Differenz zwischen
beiden Zahlen wird der relative Exzess des Regenfalles in dem
betreffenden Monat genannt. Die Monate mit positiver Differenz
sind nasse Monate, die mit negativer Differenz sind trockene
Monate. Statt der Differenzen kann man aber auch den
Quotienten bilden und erhält dann das Verhältnis der wirklich
gemessenen mittleren Regenmenge eines Monats zu jener, welche
diesem Monate bei ganz gleichförmiger Verteilung über das
Jahr zukommen würde. Angot nennt diesen Quotienten den
relativen pluviometrischen Koeffizienten. Ist derselbe größer
als 1, so ist der Monat relativ naß, ist er kleiner als 1,
relativ trocken.*)
Die Bestimmung des pluviometrischen Koeffizienten ist
auch für vorliegende Arbeit durchgeführt worden, doch hat man
von einer Bestimmung desselben für die einzelnen Monate abge-
sehen und die Berechnung nur für die Jahreszeiten ausgeführt.
Ein allgemeiner Überblick der Tabelle zeigt die ausge-
sprochene Tatsache, daß der Sommer in den Atlasländern sehr
trocken ist, und zwar in dem Maße, daß die tiefergelegenen
Stationen größere sommerliche Trockenheit zeigen als die höher
^) Hann, Lehrbach derlieteorologie, II. Auflage, S. 252.
gelegenen. Der winterliche Überschuß an R^en, die Gebiete
mit FrQblingsregen treten auch deutlich hervor. Diese Ergeb-
nisse decken sich also vollständig mit den schon früher ge-
fundenen, es genüge daher nur dieser kurze Hinweis.
Diese in den vorhergehenden AusfUhrangen dargestellte
Verteilung der Niederschläge in den einzelnen Monaten findet
in Wirklichkeit nur höchst selten statt. Der Gang der Nieder-
schläge ist in den verschiedenen Jahren sehr verschieden. Das
Maximum der monatlichen Mengen liegt durchaus nicht immer
in ein und demselben Monat, es finden hierbei im Gegenteil
ganz bedeutende Abweichungen statt. Zur Veranschanlichung
dieser Verhältnisse mf^ folgende kleine Tabelle dienen. Es sind
hierbei nur wenige Stationen herausgegriffen, doch liegen sie
über das ganze Gebiet zerstreut und verra&gen also sehr wohl
einen guten Überblick zu geben. Die Tabelle besagt, wievielmal
das Mazimam der jährlichen Regenperiode auf einen bestimmten
Monat gefallen ist. Die Zahlen, die den Slationsnamen in
Klammem beigefügt sind, geben die Anzahl der Jahrgänge an,
die der Auszählung zugrunde liegen.
Das Regenmaximnm schwankt im allgemeinen zwischen
den Monaten November bis März bin und her. An den Stationen
mit Regen im FrQhjabr verschiebt es sich jedoch auch häufig
bis in den April und Mai hinein, ja Ain Sefra hat in den
Jahren 1895 und 1899 Aas Maximum sogar im Juni; dasselbe
var bei Laghouat im Jahre 1900 der Fall. Als Gegenstück
- 60 —
daza setzte 1886 die Regenzeit an der letztgenannten Station
so kräftig ein, daß in diesem Monat schon das Maximnm
erreicht wnrde.
Interessant ist anch ein Vergleich zwischen der größten
nnd der kleinsten Regenmenge, die die einzelnen Monate im
Lanfe einer l&ngeren Reihe erhalten haben. Man hat zn diesem
Zwecke die monatlichen Maxima nnd Minima von einer Reihe
Stationen, die fiber möglichst lange nnd vollständige Beobach-
tungen verfQgen, zusammengestellt. Die Tabelle ist ohne
weiteres verständlich, allen Gegenden sind sehr große Schwan-
kungen in den Monatsmengen gemeinsam. Die größte Monats-
menge, die im Atlasgebiet in dem Zeitraum 1886—1900 gefallen
ist, ist die auf der Station Ain Draham gemessene Menge des
Januar 1891, die 1155 mm beträgt. Diese Menge fiel in einem
Zeitraum von 13 Tagen. ^)
Auch die Mengen, die die einzelnen Regenperioden auf-
weisen, sind meist sehr verschieden. Trockene und nasse
Jahre wechseln immer mit einander ab, oder die Trockenheit
und die größere Feuchtigkeit halten ffir mehrere Jahre an,
so daß trockene und nasse Perioden aufeinanderfolgen. Nicht
allzu selten kommt es vor, daß ganz besonders trockene und
ganz besonders nasse Jahrgänge einander ablösen. Die lange
BeobachtUDgsreihe von Algier gibt hierfür eiuige schöne Beispiele :
1844/45 882 mm 1856/57 1049 mm
45/46 291 „ 57/58 581 „
46/47 826 „
47/48 1072 , 1860/61 796 „
48/49 588 „ 61/62 374 „
Auch an allen übrigen Stationen kehren diese Verhält-
nisse in mehr oder minder stark ausgeprägter Weise wieder.
In den Reihen der monatlichen Verteilung der Niederschläge
an den einzelnen Stationen wiesen auch die Sommermouate noch
im Mittel eine gewisse, wenn auch meist sehr geringe Niederschlags-
menge auf. Dies gibt aber eigentlich nur in sehr schlechter
Weise den wirklichen Zustand wieder und kann auch leicht den
Anschein erwecken, daß es auch in den Sommermonaten noch
regelmäßig zu einer ganz schwachen Regenbildung komme. In
^) Ginestoos, Les plaies en TunlBie, S. 57.
— 61 —
Wirklichkeit liegen aber die Verhältnisse ganz anders. Die
mittleren Zahlen werden sehr durch einzelne starke Gewitter-
regen beeinflaßt, sie sind jedoch nicht das Normale. Es ist
deshalb für gat befunden worden, einige längere Beobachtungs-
reihen auf diese sommerlichen Trockenperioden hin durchzu-
sehen. Hierbei wurden zwei Stufen unterschieden, einmal die
Sommer, die eine Niederschlagssumme von 20 mm und weniger
haben, und dann die Sommer, die vollkommen niederschlagslos
sind. In ihrer Wirkung könnte man die Sommer mit einer
geringeren Niederschlagsmenge als 20 mm allerdings auch als
niederschlagslos bezeichnen, denn diese geringen Regen nützen
der Vegetation fast gar nichts, sie tragen nichts zur Durchfeuchtung
des Bodens bei, sondern fallen bald der starken Verdunstung
anheim. (Die eingeklammerten Zahlen bezeichnen wieder die
Anzahl der Jahrgänge.)
Anzahl der Sommer mit einer Regensamme.
< 20 mm
= 0 mm
Cap Sparte!
(11)
5
' 1
Megador
(11)
11
6
Oran
(16) .
12
4
Sidi bei Abb^
(15)
10
2
Algier
(15)
10
0
Fort National
(16)
6
0
Ain Sefra
(11)
8
0
Laghouat
(15)
8
0
Bizerta
(14) .
9
1
Tnnifl
(8) ,
4
0
Mactar
(9) .
0
0
« « -rr« * •
^ •
1 t
m 1 11 1 •« /
ll »1 . .
Als Ergebnis dieser kleinen Tabelle läßt sich ungefähr
folgendes sagen: Die Häufigkeit der Trockenperioden, sowohl
der absoluten als auch derjenigen mit geringen Niederschlägen,
nimmt von Westen nach Osten und von der Küste nach dem
Innern, also mit der Höhe, ab. Für das Innere Marokkos läßt
sich ebenfalls aus den Beobachtungen von Marrakesch sagen,
daß hier die Trockenperioden nicht mehr die Häufigkeit haben,
mit der sie an der Küste Südmarokkos auftreten. In fünf
Jahren hatten drei Sommer eine geringere Niederschlagsmenge
als 20 mm, und ein Sommer war vollkommen niederschlagslos.
4*
— 62 —
Auf Kap Sparte! treten natürlich mit dem größeren Regen-
reichtum auch die Trockenperioden bedeutend zurück.
Hin und wieder kommt es jedoch auch vor, daß die Trocken-
zeit Ober die Sommermonate herausreicht, so daß eine alleinige
Betrachtung der niederschlagsarmeren oder niederschlagslosen
Sommer die mögliche Länge einer solchen Trockenperiode nicht
vollkommen würdigen läßt. In Mogador ist z. B. die Zeit vom
Mai bis September 1894 vollkommen niederschlagslos gewesen.
Die vorhergehende Regenperiode schloß am 9. April mit 2,5 mm,
die Herbstregen setzten erst am 8. Oktober mit 2,7 mm ein, es
fiel also nahezu sechs Monate lang kein Regen. Diese lange
Trockenzeit wiederholte sich dann nochmals während derselben
Zeit im Jahre 1902. Oran weist nur eine viermonatliche nieder-
schlagslose Zeit in 1898 auf. An den übrigen Stationen umfassen
die Trockenperioden in den Jahrgängen 1886/1900 nur die
Sommermonate. Dies wurde allerdings nur nach den Monats-
summen festgestellt, die eigentliche Trockenperiode kann also
möglicherweise ihren Anfang schon im Mai und ihr Ende erst
im Laufe des September haben, wodurch ihre Dauer sich natür-
lich Vergrößert.
Anzahl der Regentage, ßegenwahrscheinliehkeit.
Von großer Wichtigkeit für die Darstellung der Regen-
verhältnisse eines Ländergebietes ist auch die Angabe der An-
zahl der Regentage. Gerade für die Vegetation ist es sehr von
Bedeutung, ob die jährliche Regenmenge langsam an vielen
Tagen oder rasch, in heftigen Güssen, an wenigen Tagen fällt.
Den Quotient aus der Anzahl der Regentage einer Periode
dividiert durch die Gesamtheit der Tage der betreffenden Periode
nennt man die Regen Wahrscheinlichkeit.
Die Mittelwerte, die für die einzelnen Stationen berechnet
worden sind, konnten natürlich nicht alle aus ein und derselben
Periode abgeleitet werden, man war jedoch darauf bedacht,
nur möglichst lange Beobachtungsreihen hierzu zu verwenden.
Dies war um so leichter, da für die Zeiten, während der die
regelmäßigen Regenmessungen aussetzten, doch noch in den
meisten Fällen die Anzahl der Tage mit Regen notiert wurde.
Auch muß man bedenken, daß es zur Ableitung eines einiger-
- 53 —
maßen sicheren Mittelwertes der Anzahl der Regentage ffir
einen bestimmten Ort nicht einer so langen Beobachtnngsreihe
bedarf wie sie zu einem Mittel der jährlichen Regensnmme nötig,
ist. Hier ist die obere Grenze, die der Mittelwert erreichen
kann, sozusagen unbegrenzt, während die Anzahl der Nieder-
schlagstage ihre obere Grenze in der Anzahl der Monatstage
findet.
Sehr auffallend ist in dem ganzen Gebiet die geringe An-
zahl der Tage mit Regen, auch in den Teilen, wo die Jahres-
summe beträchtlicher ist. Die größte Anzahl der Regentage im
Jahre hat Djidjelli zu verzeichnen. Sie beträgt aber auch hier
nur 133, was eine Niederschlags Wahrscheinlichkeit von 0,36
bedeutet, oder mit anderen Worten: auf 100 Tage kommen
36 Tage mit Niederschlag. An diese Zahl reichen nur wenige
Stationen, wie Algier, Rouiba, Fort National, Tebessa, Mateur,
mehr oder weniger nahe heran, die anderen folgen erst in
weiten Abständen. Mehr als die Hälfte der Stationen weist
noch nicht einmal 100 Regentage im Jahre auf. Dies ganze ist ein
Beweis dafttr, daß in den Atlasländern die Regen nicht wie bei
uns sozusagen tropfenweise, sondern in heftigen, starken Güssen
fallen. In Marokko scheint die Anzahl der Tage mit Regen
besonders klein zu sein. Sie nimmt von Norden nach Süden ab,
Tanger hat 95, Mogador 51. Marrakesch hat im Mittel 55 Tage
mit Regen gezählt. An der algerischen Küste werden diese
geringen Beträge nicht erreicht. An den Küstenstationen nimmt
die Regenhäufigkeit von Westen nach Osten zu: Nemours 97,
Algier 125, Tabarka 113 Regentage im Jahre. Die auf den
Höhen des Teil-Atlas und in seinen Längstälern gelegenen Sta-
tionen stehen den Küstenstationen noch nahezu gleich. Dann
nimmt die Regenwahrscheinlichkeit nach dem Innern zu ab.
Von den Stationen im westlichen Teil des Sahara-Atlas hat
keine 100 Regentage im Jahr aufzuweisen. Nur Batna und
Tebessa im östlichen Teile erreichen 110 und sogar 132. Wenn
diese Zahlen jetzt auch noch nicht als feststehend angesehen
werden können, so kommt doch auch hier die größere Nähe
des Meeres neben der Höhe und der Lage vor dem hohen Aures-
gebirge zum Ausdruck. Auch in Tunis nimmt die Regenwahr-
scheinlichkeit schnell von Norden nach Süden, sowohl in dem
gebirgigen Teile als auch in dem flacheren Küstengebiete, ab.
— 54 —
Nördlich vom Medjerdah finden wir noch Stationen mit 100 und
mehr Niederschlagstagen im Jahr, südlich davon verteilt sich
die jährliche Regenmenge nnr auf 70 — 80 Tage im Mittel, noch
weiter nach Süden sinkt dann diese Zahl auf 50, ja an einigen
Orten auf 40 herab.
In den einzelnen Monaten erreicht die Regen Wahrschein-
lichkeit natürlich erheblich größere Beträge. In den Winter-
monaten ist es gar nichts seltenes, daß im Mittel jeder zweite
Tag ein Regentag ist. Ziemlich gering ist die Regenhäufigkeit
an den marokkanischen Eüstenstationen. Nach der kurzen
Reihe von Tanger wäre allerdings im März jeder zweite Tag ein
Regentag, doch ist dem aus den aui Kap Spartel angestellten
Beobachtungen abgeleisteten Mittelwerte größere Sicherheit bei-
zulegen, wonach der März 13 Tage mit Regen aufzuweisen hat.
Denselben Wert hat allerdings auch der Dezember der Reihe
von Casablanca, doch die Werte dieser Reihe stimmen noch
so wenig mit den übrigen längeren Reihen überein, daß sie
noch sehr weit von ihrem Mittelwert entfernt zu sein scheinen,
was sich natürlich aus der Kürze der Reihe erkläii. An den
übrigen Stationen werden diese Werte nicht erreicht, 9 Regen-
tage in einem Monat dürfte wohl der höchste Mittelwert auch
aus längeren Beobachtungsreihen bleiben. In Marrakesch erreicht
die Regenwahrscheinlichkeit mit 0,25 im Februar ihren höch-
sten Wert. An der algerischen Mittelmeerküste ist sie an allen
Stationen in den Wintermonaten sehr groß. Sie übersteigt im
Mittel für die Jahreszeit längs der ganzen Küste und auch an
den schon höher im Teil Atlas gelegenen Stationen 0,30. Die
höchsten Werte erreicht sie in Rouiba mit 0,51, Djidjelli mit
0,52, La Galle mit 0,52, Tabarka mit 0,54 und Ain Draham
mit 0,54. Und dies schon im Mittel der 3 Wintermonate. Für
die einzelnen Monate erhöhen sich zum Teil diese Werte noch
sehr. In Rouiba haben der März und der Januar eine Regen-
wahrscheinlichkeit von 0,55, in Djidjelli ist dieser Wert für
den Februar sogar 0,61. Ähnlich große Regenhäufigkeit weisen
noch viele andere Stationen auf, wie aus den Tabellen zu er-
sehen ist. Im Sommer ist die Niederschlagswahrscheinlichkeit
überall sehr gering. Es treten hier nur die höher gelegenen
Stationen hervor, die sich auch in bezug auf die Regenmenge
schon aus den übrigen Stationen hervorheben.
— 56 —
Die SchneeTerhältnisse.
Über das Vorkommen der Niederschläge in fester Form
stand mir wirkliches Beobachtnngsmaterial nur in sehr be-
schränktem Maße zur Verfügung. Zugänglich waren mir nur
die in den Annalen des französischen Zentralbureaus veröfFent-
lichten Angaben über die Anzahl der Tage mit Schnee. Um
das gleiche Material auch für die tunesischen Stationen zu
bekommen, wandte ich mich an den tunesischen meteorolo-
gischen Landesdienst, aber mein Brief blieb unbeantwortet.
Ich kann mich also außer dem eben erwähnten Material für
die algerischen Stationen nur auf die spärlichen Angaben stützen,
die in der einschlägigen Literatur zu finden waren. Da auf
die Schneefälle in den meisten Arbeiten gar nicht eingegangen
wird, ist es ziemlich wenig, was ich vorgefunden habe.
Die Beobachtungen, die für den marokkanischen Teil
unseres Gebiets vorlagen, sind von Th. Fischer schon zum
größten Teil bearbeitet worden. Sie seien hier nur in ihren
Hauptzügen wiederholt: Mann darf annehmen, daß von etwa
1000 m Höhe an jeden Winter vom November bis April Schnee-
fälle verkommen. Vereinzelt können sie auch noch im Mai
auftreten, denn Hooker hatte noch Mitte Mai 1871 südöstlich
von Marrakesch einen Schneefall beobachtet. Die Dauer der
Schneedecke wächst mit der Höhe. Thomson und de Foucauld
glauben das Vorkommen ewigen Schnees annehmen zu müssen.
Beide Forscher fanden mitten im Sommer auf dem Hohen Atlas
noch reichliche Schneelager. Th. Fischer scheint es auch keinem
Zweifel zu unterliegen, daß im Süden und Südosten von Marra-
kesch größere Schneeanhäufungen das ganze Jahr ausdauern. ^)
Als Davidson den Versuch machte, den Atlas von Marrakesch
aus zu besteigen, wurde er in ungefähr 1500 m durch die lockere
Beschaffenheit des Schnees zur Umkehr gezwungen.^) Hans
Fischer bemerkt hierzu, daß es wohl möglich sei, daß der Reisende
in einen Lawinenrest geraten wäre. ') Hierzu kommen nun noch
die Beobachtungen, die Marquis de Segonzac bei seiner Be-
^) Th. Fischer, Zur Klimatologie von Marokko, S. 407 n. 408.
«) Journal. R. Geogr. S. VII S. 153.
') Hans Fischer, Äquatorialgrenze des Schneefalles. Mitt. d. 6. f. Erdk.
ra Leipzig 1887. S. 141.
— 56 —
Steigung des Ari Aiach am 7. Juli 1900 machte. In einer
Höhe von ungefähr 3000 m traf man auf die ersten Schnee-
massen, die sich an schattigen und geschützten Stellen erhalten
hatten. Der Schnee hatte ein rötliches Aussehen, da er mit
dem feinen Verwitterungsstaub der Felsen bedeckt war. Nach-
dem mit dem Ersteigen des Gipfels ein Überblick über den
übrigen Kamm des Hohen Atlas gewonnen war, wurde festge-
stellt, daß auch auf den übrigen Gipfeln noch Schneeflecken
vorhanden waren: La crete 6tait mouchet6e de neiges, also
keine zusammenhängende Schneedecke ^). Das Vorhandensein von
ewigem Schnee darf man also als sicher annehmen, und zwar
für die ganze Ausdehnung des Hohen Atlas. Gletscherbildungen,
wie sie Hans Fischer in der Nähe des Tagherut Passes ver-
mutet*), sind jedoch mit der größten Wahrscheinlichkeit ausge-
schlossen. Eine zeitweilige Schneebedeckung kann natürlich
auch im Mittleren Atlas und seinen Yorbergen eintreten. So
fand de Segonzac Ende Januar die Berge von Ech-Chaoun,
von Lekhmes, Cenhaja mit Schnee bedeckt. An den Küsten-
stationen dürften Schneefälle wohl gar nicht vorkommen oder
äußerst selten sein, in den Beobachtungsjournalen ist in der
Zeit, seit der die Beobachtungen angestellt wurden, kein ein-
ziger Schneefall verzeichnet worden. Ähnlich liegen die Ver-
hältnisse an den algerischen Küstenstationen. Hier kommen
erst in einer ganzen Reihe von Jahren vereinzelte Schneefälle,
die sich auf den Dezember und Januar verteilen, vor. Nemours
hat z. B. in 14 Jahren 4 Tage, Kap Falcon in 15 Jahren nur
2 Tage mit Schnee verzeichnet. Mit der Zunahme der Höhe
nimmt dann auch die Anzahl der Schneetage schnell zu.
Nemours mit 4,2 m Höhe hatte in 14 Jahren 4 Schneetage, im
Mittel also 0,3 im Jahr, Tlemcen in 824 m Höhe hatte dagegen
schon im 5 jährigen Mittel 4,2 Schneetage jährlich, während
El Aricha (1330 m) sogar 11,7 Tage mit Schnee aufweist. Zu
einem direkten Vergleiche sind ganz besonders die beiden
Stationen Tizi Ouzou (234 m) und Fort National (930 m) geeignet.
Für beide Stationen konnten Mitteln aus der gleichen Periode
1886-1900 berechnet werden, und zwar kommen hiernach auf
0 de Segonjsac 8. 171.
') Hans Fischer, Äquatorialgrenze des Schneefalles. S. 144.
— 57 —
Ttzi Onzon jährlich 1,9 und auf Fort National jährlieh 16,1
Schneetage. Häufige Schneefälle kommen dann besonders an
den auf den Hochplateaus und im Sahara-Atlas liegenden
Stationen vor, was mit dem direkt als kontinental zu bezeich-
nenden Elima dieser Gegenden zusammenhängt. Das Mittel für
Sai'da aus 14 Beobachtungsjahren ist 8,0, für Tiaret 14,0, für
T6niet-el-Haad 19,2 (Mittel aus 12 Jahren) und für S6tif aus
einer 6 järigen Reihe 14,5 Schneetage im Jahr. Die Mittelwerte
für die Stationen im Sahara Atlas sind : M6cheria 8,3 (86, 88-89),
Gferyville 16,9 (87-00), Aflou 16,8 (86-88, 90/96, 98/00), Tebessa
10,2 (88-92). Laghouat dagegen am Rande der Wüste hat als
15 jähriges Mittel nur 1,9 Schneetage im Jahr.
Gewöhnlich treten die ersten Schneefälle im November
auf, nur ganz selten auch schon im Oktober und kommen dann
bis zum März vor. An einigen Stationen fällt Schnee nicht
selten noch im April und ganz selten sogar im Mai. El Aricha,
Setif, MechSria, Geryville, Aflou, T6bessa sind die Stationen,
die innerhalb einer längeren Beobachtungsreihe ein oder auch
zweimal im ganzen Schnee im Mai verzeichneten. Die Haupt-
anzahl der Schneefälle fällt aber in die Monate Dezember bis
Februar.
Im Teil muß man in die Berge steigen, um einen wirklichen
Winter zu finden. Schnee fällt hier in jedem Monat mehrmals, aber
er hüllt die Gegend meist nur auf eine ganz kurze Zeit in
eine dünne Schneedecke ein. Meist schmilzt er wieder unter
dem Hauch des Scirocco, oder eine wärmere Periode und
auch nur die normale Tageswärme genügen, um ihn zu
zerstören. Nur auf den höchsten Berggipfeln kann ei; sich für
eine längere Zeit halten und auch eine größere Dicke erreichen.
Der Gipfel des Djurjura ist oft bis Ende Juli mit Schnee be-
deckt, während er auf den weniger hohen Gipfeln mit 1500
bis 18(K) m Höhe bis Mitte April liegen bleibt. ^) In den Bergen
der Ehroumirie fällt Schnee auch ziemlich häufig, im Mittel
2—3 mal im Jahr. Die Schneedecke, die hier immer einige
Zeit liegen bleibt, hat eine durchschnittliche Dicke von 10 bis
15 cm, kann jedoch auch bedeutend höher werden. Im Winter
1) Battandier and Trabnt, L'Alg^rie. S. 13.
- 58 —
1890/91 erreichte sie z. B. 2,10 m. Nach den MessnDgen yod
Am Draham verteilte sie sich auf folgende Tage:
8. Januar
1891 .
. . 15 cm
14. ,
II
. . 20 ,
16. „
«
. . 20 ,
18. ,
T>
. 20 ,
19. ,
»
. 5 ,
20. ,
W
. . 30 ,
7. Februar
»
. 20 ,
8. .
J»
. 10 .
15. „
»
. 70 ,
2.10 m
Der Schnee blieb natürlich nicht in seiner ganzen Masse
während dieser Periode liegen, aber er schmolz anch nicht voll-
ständig weg, nnd der Boden war häufig mit einer Schneedecke
von 75 — 80mm Dicke bedeckt.^) In der am Fuße der Khron-
mirie liegenden Station Tabarka ist der Schnee fast unbekannt.
Nach langer Zeit fiel er 1891 mit einer Dicke von 25 cm und
hielt sich auch während eines ganzen Tages.') Im Massif von
Mactar gehören die Schneefälle auch zu den gewöhnlichen
winterlichen Erscheinungen. In den Ebenen kommt der ^chnee
weniger vor, da die Flocken nur in geringem Maße fallen und
sofort schmelzen. Im Gebirge kann es aber vorkommen, daß
starke Schneefälle das Reisen für mehrere Tage verhindern
oder doch wenigstens stark erschweren. Da die Bevölkerung
gar nicht auf derlei starke Schneefälle vorbereitet ist, können
sie sehr verhängnisvoll werden. Es soll schon vorgekommen
sein, daß Kinder und Greise, die im Freien vom Schneegestöber
überrascht wurden, umkamen. Im Februar 1898 brachen zehn
Häuser unter dem Gewicht der auf ihnen lastenden Schnee-
massen zusammen.')
Sicher ist aber trotzdem bei den manchmal sehr heftigen
Schneefällen, die auf algerischem und tunesischem Gebiet vor-
kommen können, daß die Schneemassen niemals von einem Jahr
') Ga6rard und Bontineaii, La Khronmirie et sa colonisation. Paris
1892, S. 19.
') Ebenda S. 23.
") Monchicoart, Le Massif de Mactar. Annales de Geographie X. 1901«
S. 354.
- 69 -
zum andern liegen bleiben. Im ganzen Atlasgebiet kann von
ewigem Schnee nur im Hohen Atlas die Rede sein.
Hans Fischer sacht die mittlere Grenze des Schneefalls in
dem algerischen Atlasgebiete zu bestimmen, worunter er die
Linie versteht, bis zu welcher Schneefall im Mittel jeden Winter
vorkommt. Gestützt auf die Tatsache, daß zu Tlemcen in einer
Höhe von 824 m fast jeder Winter Schneefall bringt, und ferner
darauf, daß im südlichen Spanien (Granada 669 m) die Hälfte
aller Winter als schneefrei konstatiert werden konnte, kommt
Fischer zu dem Ergebnis, daß für die Gegend von Tlemcen
die mittlere Schneegrenze zu etwa 850 — 900 m zu veranschla-
gen sei.*)
Ob die neueren Beobachtungen zu einer Bestätigung dieser
Annahme herangezogen werden können, erscheint sehr zweifel-
haft. Leider umfassen die Aufzeichnungen in Tlemcen eine zu
kurze Zeit, als daß sie wirklich beweiskräftig sein könnten.
In den mir zur Verfügung stehenden Jahrgängen wurde in
jedem Winter Schneefall beobachtet. Auffällig ist auch ferner
der Umstand, daß in dem bedeutend tiefer gelegenen Sidi bei
Abbös in 476m unter 14 Winter sich 11 befinden, in denen
Schneefall vorkam ; im Mittel kommen an dieser Station 2,8 Tage
mit Schnee auf das Jahr. Zieht man nun in Betracht, daß
es in diesen Gegenden, wo mancher Schneefall nur aus einigen
Flocken bestehen wird, sehr leicht möglich ist, daß der Beob-
achter manchen Schneefall übersehen kann, so hat die An-
nahme, daß durch künftige sorgfältige Beobachtungen Tlemcen
in die mittlere Schneegrenze mit einbezogen werden muß, einigen
Grund. Im Osten liegen die Verhältnisse etwas anders. Hier
hat Tizi-Ouzou in 234 m Höhe schon in drei Vierteln aller
Winter Schneefall zu verzeichnen, während Fort National (430 m)
natürlich in jedem Winter, und zwar im Mittel schon 16,1
Schneetage aufzuweisen hat. Diese Station liegt mithin be-
reits bedeutend über der mittleren Schneegrenze , der man viel-
leicht eine Höhe von etwa 500 m geben darf. Es findet also
ein Herabsteigen der Schneegrenze von Westen nach Osten
hin statt.
*) Hans Fischer, Die Äqaatorialgrenze des Schneefalles. Mitt. des Ver.
f. Erdkunde. Leipag 1887. S. 140.
— 60 -
Die WasserfBhmiig der Flflsse.
Die WasserfiihruDg wechselt in allen Flüssen mit der
Menge der Niederschläge im Flußgebiet und daher teils perio-
disch mit den Jahreszeiten, teils unperiodisch infolge ungewöhn-
lich starker Regen, besonders Gewitterregen. In einem Gebiete
mit einer solch ausgeprägten periodischen Regen Verteilung, wie
wir es im Atlasgebiet vor uns haben, muß man erwarten, daß
in ganz besonderem Maße die Wasserführung der Flüsse sich
an die Regenperioden anschließt.
Betrachtet man eine beliebige Karte der Atlasländer, so
wird man in dieser ein ziemlich dichtes Flußnetz eingezeichnet
finden. Dies ist aber leider nur allzusehr geeignet, eine falsche
Vorstellung von der Hydrographie des Gebietes zu erwecken.
Die Flüsse haben hier nicht den Wert, den wir den Strömen
unserer Breiten beizulegen gewohnt sind. Da der größte Teil
der Wasserläufe nur periodischer Natur ist und der Wasser-
stand derselben fast ausschließlich von den Niederschlägen, die
in dem Flußgebiet fallen, abhängt, so ist ihr Wert sehr gering;
für eine geregelte Schiffahrt kommen sie beispielsweise, außer
in Zukunft vielleicht Sebu und Um-er-Rbia, gar nicht in Betracht.
Große Schuld an diesen Verhältnissen trägt auch die stark vor-
geschrittene Entwaldung der Gehänge. In dem größten Teile
existiert keine neunenswerte Humusschicht, die einen geregel-
teren Abfluß der atmosphärischen Wasser bewirken könnte, im
Gegenteil geschieht der Abfluß noch meist unter starker Ab-
tragung des Bodens und unter Mitführung von viel Geröll und
Geschiebe. In den regenarmen Sommern versiegen die Flüsse
fast ganz, oder nur ein schmaler Wasserfaden bezeichnet die
Stelle des während der Regenzeit mächtig dahinbrausenden
Stromes. Bei dieser Lage der Dinge ist es nun offenbar von
sehr großer Wichtigkeit , in welchem Gebiete der Niederschläge
der Fluß seine Entstehung findet. Entspringen die Quellfiüsse
in einem Gebiete, das Frühlingsregen hat, oder werden sie
^ekt durch die Schmelzwässer der in den höheren Gebirgs-
tälern lagernden Schneemassen gespeist, so ist es möglich, daß
der Fluß auch die sommerliche Trockenheit gut überwindet,
d. h. daß er in dieser Zeit von dem Überschuß an Nieder-
schlägen zehren kann, der in den Wintermonaten gefallen ist.
— 61 -
Doch nur wenige Flüsse der Atlasländer vermögen diese Be-*
dingungen zu erfüllen.
Im Osten ist der Medjerdah der einzige Fluß Tunesiens,
der auch wirklich diese Bezeichnung verdient, Sein Flußgebiet
umfaßt ungefähr 25000 Q km ^), und zu ihm gehört fast das
ganze tunesische Gebiet, das einen reichlicheren Kegenfall
aufzuweisen hat, ja in seinem Einzugsgebiet liegt das Gebiet
der stärksten Niederschläge überhaupt. Doch nicht nur die
große Menge der Niederschläge ist für die beständige Wasser-
führung des Medjerdah ausschlaggebend, es kommt vielmehr
noch die Verteilung der Niederschäge auf die einzelnen Monate
und auch das Vorhandensein von Schneemassen, wenn diese
auch nur von kurzer Dauer sind, in Betracht. Die Nieder-
schläge reichen hier weiter in den Frühling hinein, als es ge-
wöhnlich der Fall ist, auch ist die sommerliche Trockenheit
nicht so ausgeprägt wie in den tiefergelegenen Gegenden,
ferner ist hier eine immerhin gute Regelung der Abflußver-
hältnisse durch die hier und da örtlich noch besonders dichte
Bewaldung gegeben. Alle diese Umstände vereinigen sich und
bewirken, daß der Fluß auch im Sommer noch eine beträchtliche
Wassermenge aufweisen kann. Alle übrigen Flüsse Tunesiens
sind mit Ausnahme des Wed Milianah periodischer Natur,
zuweilen sind sie stark angeschwollen im Winter und im Frühling,
gegen Sommer vertrocknen sie aber vollständig. Eine große
Zahl erreicht überhaupt nicht das Meer, sondern verliert sich
in den Sebkhas und Schotts. Der oben erwähnte Wed Milianah
erfreut sich einer reicheren Wasserführung, da er auf der
Nordseite der Berge von Zaghouan sein Quellgebiet hat und
so von den hier noch in reichlichem Maße fallenden Nieder-
schlägen gespeist wird.
Reich an fließenden Gewässern scheint auch das ganze
algerische Teilgebiet zu sein, das in seiner ganzen Ausdehnung
von Westen nach Osten von einem wirklichen Netz von Flüssen
durchzogen wird. Und doch ist kein einziger dieser Flüsse schiff-
bar. „Im Sommer ist jener ungeheure Einschnitt in der Ebene,
an dessen Grunde man vielleicht bei genauem Hinsehen einen
') L^^ude Bcientiüqae de la Tanisie. Revue generale des sciences
pures et appliqii6es. 1896. S. 343.
- 62 -
dttnnen Wasserfaden sich hinschlängeln sieht, vielleicht der
Seyboase, der Habra, der ChelifF. In einigen Monaten wälzen
sich jedoch hier gelbliche Wassermassen und überfluten die
Ufer/') Unter den algerischen Flüssen ist immerhin der CheliJS
noch der beträchtlichste und seine Wasserführung noch am regel-
mäßigsten. Er ist auch der einzige Flußlauf, der sowohl das
Hochsteppengebiet als auch das Teil durchschneidet. Von seiner
Quelle aus im Djebel Amour beschreibt er einen großen nach
Westen hin geöffneten Bogen und mündet bei Mostagenem in
das Meer, nachdem er eine Lauflänge von mehr als 700 km
erreicht hat. Trotzdem ist er mit den europäischen Strömen
verglichen nur ein sehr bescheidener Fluß, der nur zur Be-
wässerung der weiten Ebene, die er durchzieht, ausreicht. Seine
mittlere Wassermenge beträgt bei OrI6ansville, also ganz
nahe an der Mündung, im Mittel 3—5 Kubikmeter in den
Monaten Mai bis Oktober und 15—60 Kubikmeter von November
bis zum Februar.') Die übrigen algerischen Flüsse stehen dem
Cheliff an Wasserführung noch nach, sie geben ein vollständiges
Abbild der trockenen und feuchten Jahreszeit. Die Umstände,
die bei den Medjerdah in dem Abfluß ausgleichend wirken,
kommen hier nicht in Betracht. Es bestehen ungeheure Diffe-
renzen zwischen der sommerlichen und der winterlichen Wasser-
menge. Wie bedeutend diese sein können, kann man aus
folgenden Angaben ersehen:
Schwankungen in der Wasserführung einiger algerischer
Flüsse : »)
Cheliff: von 1,5 Kubikmeter bis 14050 Kubikmeter.
Mina: , 0,6 „ „ 1000 ,
Macta: „ 2,0 „ „ 800 ,
Seybouse: „ 150 Liter „ 1000 „
Weit günstiger sind die hydrographischen Verhältnisse des
westlichen Teiles der Atlasländer: Marokkos. Die bedeutende-
ren Flußsysteme haben hier meist ihre Quellen in dem Marok-
kanischen Atlas. Auf diese Weise steht ihre Wasserführung
unter dem Einfluß der hier sich bis in den Frühling, ja mauch-
>) Wahl, Maurice: L'Alg6rie. Paris 1897. Kap. V.
') Battandier and Trabnt, L'Alg^rie. Paris 1898. S. 7 u. 66.
') Wahl, Maarice: L'Alg6rie. Paris 1897. Kap. V.
— 83 -
mal sogar bis in den Sommer hinzielienden Regenzeit und
unter den in dieser Zeit ergiebigen Gewitterregen. Vor allem
aber bilden die Schneelager das Reservoir der Flüsse während
der sommerlichen Trockenzeit, so daß deren Einfluß in bedeu-
tendem Maße gemildert wird. Alle die größeren Flüsse, die das
Atlasvorland durchschneiden, wie der Wed Sebu, der Bu Begreg,
die Um-er-Rbia, der Tensift, führen das ganze Jahr hindurch
dem Ozean eine beträchtliche Wassermenge zu. Es kommt ja
allerdings auch vor, daß zeitweilig der Wasserstand ein beson-
ders niederer ist, wenn das Jahr vielleicht besonders trocken
war und wenn auch noch andere Umstände mitsprechen. So fand
Th. Fischer 1899 auf seiner Reise im Atlasvorlande von Marokko,
daß der Tensift bei Sidi A'lssa Bu Chabia einen sehr niedrigen
Stand hatte. Bei einer Breite von 48 m hatte er nur eine größte
Tiefe von 0.8 m. Dieser niedrige Wasserstand war aber nur
momentan, 1888 konnte Thomson den Strom an derselben Stelle
nur mit Lebensgefahr überschreiten. Der niedrige Wasserstand
von 1899 erklärte sich übrigens daraus, daß der verflossene
Winter in Süd -Marokko überhaupt regenarm gewesen und
daher um so mehr Wasser in dem subatlantischen Gürtel der
Berieselungsoasen zu Berieselungszwecken verbraucht worden
war. Anderseits hatte auch die Schneeschmelze im Atlas, die
bald nachher den Flüssen den Hochstand verleiht, noch nicht
begonnen.*) Die Schiffbarkeit der üm-er-Rbia konnte Th. Fischer
nicht feststellen, doch ist anzunehmen, daß der Fluß wenigstens
im Winter und Frühling bis zur Vereinigung mit dem Tasaut
befahren werden könnte. An der Meschra Ben Challu hatte er
eine Tiefe von 1,5 m und eine Breite von 60 m. Die Strömung
war stark, ja unterhalb von Meschra-esch-Schaer könnte man
geradezu von Stromschnellen sprechen.') Außer Frage gestellt
ist jedoch die Schiffbarkeit des Sebu, der im Jahre 1905 von
einer französischen Expedition unter Dr. Samn6 daraufhin sorg-
fältig untersucht wurde. Hierbei ergab sich, daß der Fluß für
flachgehende Boote bis 200 km von seiner Mündung hinauf schiff-
bar ist, und daß, außer bei sehr niedrigem Wasserstand, die
^) Tb. Fischer, Wissenschaftliche Ergebnisse einer Reise im Atlasvor-
lande von Marokko. Petermanns Mitteilungen, Ergzgshft. 133. Gotha 1900.
8.65.
*) Tb. Fischer, ebenda S. 107.
- 64 -
Schiffahrt bis nach Fes nnterhalten werden kann.*) Die An-
gaben fiber die Hydrographie des nördlichen Marokkos, die sich
in dem Reise werke des Marqnis de Segonzac vorfinden, sind
leider nicht allzu zahlreich, genauere Messungen über Wasser-
tiefen sind scheinbar gar nicht vorgenommen worden. Was die
Wasserfflhrung der Nebenflüsse des Wed Sebu anbetrifft, so
war diese allerdings sehr bedeutend, doch wäre es gewagt,
hieraus einen Schluß auf ihren Zustand während der Trocken-
zeit ziehen zu wollen, da der erste Teil der Reise des Marquis
de Segonzac unter fortwährenden starken Regengüssen zu lei-
den hatte, die offenbar ein starkes Anschwellen, ja zum Teil
auch Überschwemmungen der Flüsse bewirkt hatten. Bedeutend
interessanter ist aber die Beobachtung, die an den Quellflüssen
des Wed Muluja gemacht wurde. Dieser wird durch drei Flüsse
gebildet: den Assiff Agersif, der vom Mittleren Atlas kommt,
wo er am Fuße des Ari Bou Safou entspringt, die eigentliche
Muluja und schließlich den Assif Anzgemir. Der wichtigste
dieser drei Quellflüsse ist der Assif Anzgemir, seine Strömung
und Wassermenge kommen dem doppelten der vereinigten bei-
den anderen Ströme gleich. Bei seinem Überschreiten wurde
bei sehr starker Strömung eine Breite von 30 m und eine Tiefe
von 60 cm') festgestellt. Die niedrige Temperatur mitten im
Sommer (am 5. Juli) und die für einen Quellfluß sehr große
I Wassermenge lassen leicht erkennen, daß er hauptsächlich
I durch die Schmelzwasser des Hohen Atlas gespeist wird.
Ein von den soeben angeführten marokkanischen Flüssen
gänzlich abweichendes Verhalten zeigt der Wed Draa. Er führt
nur in seinem Oberlaufe eine geringe Wassermenge, in seinem
Unterlaufe liegt er meist ausgetrocknet da, doch lassen die an
und in seinem Flußbette liegenden Oasen auf unterirdisches
Wasser schließen.
Regenmenge und Yegetation.
Es ist ohne weiteres zu erwarten, daß die Verteilung der
Niederschläge einen bedeutenden Einfluß auf die Vegetation,
die doch vor allem von der Bodenfeuchtigkeit abhängt, aus-
üben muß. Bedenkt man nun, daß gerade in den Atlasländern
*) Geogr. Zeitschrift. 1906. XII. 2. Heft, S. 109.
• *) de Segonzac S. 164 u. 165.
— 65 -
die NiederschlagsmeDgen an den verschiedenen Orten sehr große
Differenzen auf einem verhältnismäßig kleinen Gebiete aufwei-
sen, so wird man auch dieselben Unterschiede in der Vegetation
erwarten dürfen. Im allgemeinen unterscheidet man gewöhnlich
folgende Typen der Vegetation:
1) das Waldland. ,,Es vergegenwärtigt die höchste Lei-
stung vegetativer Arbeit, indem hier organische Substanz in
mächtigen Holzstämmen durch viele Jahrzehnte aufgespeichert
wird." 0 Der Wald hat einen dauernden Wasservorrat im Boden
nötig, daher ist er in der Regel an Gegenden gebunden, die
eine größere Regenmenge aufweisen können. Es kommt hierbei
nur auf die Jahressumme an; die Verteilung der Regenmengen
auf die einzelnen Jahreszeiten, die jährliche Periode, vermag
keinen so großen Einfluß auszuüben, der Wald überwindet meist
eine sommerliche Trockenzeit. Der Grund hierfür ist in der
Humusdecke zu suchen, die sich in jedem Waldgebiet bildet
und das Ansammeln des Grundwassers bewirkt. Die Baum-
wurzeln suchen die Feuchtigkeit in der Tiefe, und es kann
sogar zur Entwicklung von immergrünen Blättern kommen.
Da wo die Niederschläge minder reichlich sind, geht der Hoch-
wald in Buschwald und schließlich in Gesträuch über.
2) das Grasland. Werden die Niederschläge und damit
auch die Bodenfeuchtigkeit noch geringer, so daß sie nicht
mehr genügen, um Holzgewächse irgendwelcher Art hervorzu-
bringen, so tritt an Stelle des Waldes das Grasland mit seinen
Halbsträuchern und Stauden, den Kräutern und Gräsern. Auch
im Grasland muß man noch Unterschiede machen, in unserem
Gebiete haben wir es vorzugsweise mit einer der dürftigsten
Arten, der Steppe, zu tun.
3) die Wüste. Sie repräsentiert den äußersten Grad von
Vegetationsarmut bis zur Vegetationslosigkeit.')
Dieser natürliche Znstand der Natur ist aber meist nicht
unverändert geblieben. Mehr oder weniger hat sich der Mensch
den Boden Untertan gemacht und so das Kulturland geschaffen.
Im großen und ganzen ist in den Atlasländern, vielleicht
mit Ausnahme des marokkanischen Teiles, die Anordnung der
*) Wagoer, Allgemeine Erdkunde S. 629.
*} Die Einteilung geschah in Anlehnung an Wagner, Allgemeine Erd-
kunde S. 628 ff.
— 66 -
Formationeii eine derartige, daß man auf einer Wanderung von
der Ettste ans nach dem Innern die Beihenf olge : Wald, Steppe,
Wfiste durchschneiden würde. Doch wäre die Vorstellung, es
handele sich hier um drei ununterbrochene Gürtel mit gleicher
Breite, durchaus falsch. Es finden sich bewaldete und angebaute
Inseln in der Steppe und in der Wüste, anderseits findet sich
Steppe im Waldgebiet.
Das Gebiet, das den stärksten jährlichen Niederschlag auf-
zuweisen hat, sind die Berge der Ehroumirie, im nördlichen Teile
Tunesiens gelegen. Sie sind durch ihr Relief und die große Nähe
des Meeres dazu ganz besonders geeignet, die schönsten Wälder
Tunesiens, ja des ganzen Mittelmeergebietes zu tragen. Und
zwar bezeichnet man in diesem Falle mit Wald nicht das, was
man in den Mittelmeerländern so häufig darunter versteht, son-
dern es handelt sich hier um wirklichen Hochwald aus Kork
und Zenneichen gebildet mit einem dichten Unterholz.^) Diese
dichte Bewaldung erstreckt sich nahezu auf die ganze Ober-
fläche der Ehroumirie, da, wo die Eichenwälder fehlen, sind sie
durch ein mehr oder minder dichtes Buschwerk ersetzt, das an
Höhe abnimmt je mehr man sich der Küste nähert.')
Hier ist es angebracht, gleich im Zusammenhange die
übrigen Waldbestände Tunesiens zu besprechen. Daraus ist zu
ersehen, daß sie ganz analog den jährlichen Regenmengen nach
Süden hin immer mehr an Dichte und Ausdehnung abnehmen.
Die tunesischen Waldgebiete lassen sich leicht in drei große
Gruppen einteilen, die durch den Medjerdah voneinander ge-
trennt werden. Die nördliche Gruppe umfaßt die Berge der
Khroumirie, mit einem Flächeninhalt von ungefähr 100000 Hekt., es
sind dies die Wälder von Nefza, der Mogods und von Porto
Farina. Der Waldbestand des westlichen und zentralen Tunesiens
ist von viel geringerer Bedeutung, zu ihm gehören die Wälder,
die zwischen Tunis, Zaghouan und Hammamet liegen, dann die
Wälder des oberen Tales des Wed Milianah, die Bestände von
la Kessera, der Zlaß, von Sidi Youssef, des Wed Mellögue, von
') ätade scientifiqae de la Tanisie. Dubois, La Nature Tunisienne,
8. 945.
') Qa6rard und Bontinean, La Khroamirie et sa colonisation. Paris
1892. S. 3.
— 67 —
Nebenr, der Massive von Haidra und von Mactar. Ihre Gesamt-
fläche ist nicht sehr groß, sie umfaßt ungefähr 30000 Hektar.
Ausgedelinter ist der Wald von F6riana mit 50000 Hektar,
und ihm folgen zuletzt noch 15000 Hektar zwischen Mehdia
und Sfax.')
Im allgemeinen zeigt die Nordseite der einzelnen Berg-
ketten eine besser entwickelte Vegetation, da hier die winterlichen
Niederschläge unter dem Einfluß der Nordwinde reichlicher sind,
während die im Begenschatten gelegene Seite den verheerenden
Wirkungen des Scirocco ausgesetzt ist. Die Dichtigkeit der
Bewaldung und der immergrünen Buschvegetation nimmt nach
Sfiden fortschreitend graduell ab. Nur tiefeingeschnittene Weds
zeigen neben zahlreichen Oleanderbuschen üppigere Vegetation.^)
Entsprechend der Regenmenge, die derjenigen der Berge
der Khroumirie wenig nachsteht, weisen die im Westen gelegenen
Massive der großen und kleinen Eabylei einen ähnlichen Wald-
bestand auf. Auch hier sind die Eichenwälder am stärksten
vertreten, nur am Djebel Djurjura weichen sie in einer Höhe
von 1300m den Koniferen, den Zedern und ihrem Unterholz,
dem Wachholder. Im Gegensatz zu der Khroumirie sind in der
Kabylei die Wälder nicht mehr so dicht, nicht mehr so aus-
gedehnt. Sie sind mehr von Kultur durchdrungen worden, und
Kultur ist in diesem Falle, wie in den meisten Mittelmeerlän-
dern, gleichbedeutend mit Wald Verwüstung gewesen. Dies hat
einesteils seinen Grund in der größeren Sicherheit, die ein
gebirgiges Terrain bietet, andernteils aber auch in einem klima-
tischen Faktor, nämlich in der größeren Regenmenge, die die
Oebirgsländer empfangen: „Dans TAfrique du Nord, les mas-
sifs montagneux sont non pas des poles des divergences, mais
des centres d'attraction".')
Die Waldbestände nehmen von hier aus nach dem Teil-
gebiet nach Westen hin immer mehr an Fläche ab. Diese Ab-
nahme tritt besonders in der Verbreitung der Korkeiche zu Tage,
^) £tade scientifique de la Tunisie. G. Lotb, Les forets et la qaestion
du reboisement en Tuoisie. 8. 1076.
') Fitzner, Die Regentschaft Tunis. Streif zttge und Stadien. Berlin
1890. S. 325.
') Bemard n. Ficheor, Les r^gions naturelles de TAlg^rie. Annales de
Geographie XI.
5*
- 68 —
die in dem ganzen Teil- Atlas zu finden ist. Die Gesamtheit der
Eorkeichenwälder von Tunis umfaßt ein Areal von 116000 ha.
Von diesen befinden sich, wie bereits erwähnt, die schönsten
und ausgedehntesten Bestände in dem Bergland der Ehrou-
mirie, hier nehmen sie allein, mit Quercus Mirbeckii vermischt,
eine fast ununterbrochene Fläche von 100000ha ein. Auf alge-
rischem Boden besitzt das Departement Constantine die präch-
tigsten und umfangreichsten Eorkeichenwälder. Sie bedecken
ein Gebiet von 403402 ha, von denen 306 531 ha allein auf die
Ettstenbezirke Bougie, Djidjelli, Collo, Philippeville , Böne und
La Galle entfallen. Im Innern des Departements sind die Eorkeichen-
wälder um die Stadt Constantine selbst hervorzuheben. Viel
geringer sind die Bestände des nach Westen hin sich daran an-
schließenden Departements Algier mit 42 07 1 ha. Die korkreich-
sten Gebiete sind hier die Nordabhänge des Djurjuragebirges.
Die Bezirke Tizi Ouzou und Azarga weisen allein die Hälfte
der Eork Wälder des Departements auf, nämlich 24000 ha. Die
andere Hälfte entfällt auf die Bezirke Bouira und Anmale am
Südabhange des Djurjura und auf die Eüstenbezirke T6n^,
Clierchel und Algier. Das Departement Oran besitzt nur wenig
mehr als den fünften Teil der Eorkwälder des Departements
Algier, nur 8347 ha. Ihr größter Teil liegt in der Umgebung
der Städte Tlemcen und Oran. In den Wäldern des Rif kommt
die Eorkeiche immerhin noch vor^ aber nicht mehr in so reinen
Beständen wie in Algerien und Tunesien. Größere Bestände
finden sich erst wieder in dem Gebiete reichlicherer Nieder-
schläge in der Nähe der Stadt Tetuan, in welcher sich viele
Spanier niedergelassen haben, um den Eorkeichenbau daselbst
zu betreiben. Auch die Landschaft Andjira zwischen Tanger
und Oeuta ist vielfach mit Eorkeichen bewaldet, zumal auf den
Bergen um die Stadt Genta selbst.^)
Im übrigen trägt die Flora des Tel] durchaus mediterranen
Gharakter, und zwar ähnelt sie sehr der Flora der südfranzö-
sischen Eüste, z. B. der Gegend von Montpellier, nur mit dem
Unterschiede, daß die exotischen Pflanzen, wie Opuntien, Agaven,
Eukalypten, Orangen und der Dattelbaum, im Teil häufiger vor-
M Anton Müller, Über die Korkeiche. Abhandlangen der K. K. Geogra-
phischen Gesellschaft in Wien. 1900 Nr. 7. S. 18—22.
- «9 -
kommen. Doch gilt dies soeben Gesagte streng genommen nnr
für die Gegend von Algier selbst. Westlich von Algier, in der
Nähe von Nemours, mischt sich mit Mediterranflora, wenn auch
nur in geringem Maße, die Steppenflora.^) Dieser Umstand in
Verbindung mit der Waldabnahme nach Westen hin ist eben-
falls ein Beweis für die schon konstatierte geringere Nieder-
schlagsmenge, die die Küsten dieses schmälsten Teiles des
Mittelmeeres empfangen.
Mit vorläufiger Überspringung der dazwischen liegenden
Steppenzone wenden wir uns nun der Betrachtung des Sahara-
Atlas zu, der wegen der Zunahme der Niederschläge auch noch
in gewissem Sinne für einige seiner Teile zum Waldland zu
rechnen ist. Auf jeden Fall nimmt er aber eine Zwischenstel-
lang zwischen der Steppe einerseits und der Wttste anderseits
ein. Vom Djebel Amour kann man sogar sagen, daß er allgemein
genommen „das Teil der Sahara^ ist. Durch sein gemäßigtes
Klima, seine ausreichenden Quellen, seine schönen Weideplätze,
seine Wälder sticht er in sehr vorteilhafter Weise gegen die
Steppen ab, die ihm im Norden vorgelagert sind. „II est tou-
jours apparu aux indigönes comme un pays f6erique que leur
imagination a par6 de couleurs enchanteresses.^ ^) Weniger
gunstig gestellt sind die sich nach Osten hin anschließenden
Berg;e der Ouled Nayl und der Zab, In diesen überragt der Sahara-
Atlas die Hochebene nur um 100— 200 m, und diese geringe
Höhe verhindert eine wesentliche Zunahme der Niedei*schläge.
Dies spricht sich auch in der Vegetation aus; wenn auch die
Kämme noch etwas bewaldet sind, so ist doch die Steppe all-
gemeiner.') Die im Aures-Gebirge erfolgende nochmalige starke
Erhöhung des Sahara- Atlas und die damit verbundene Zunahme
der Niederschläge verschiebt sozusagen den Teil -Atlas nach
Süden. Die Berge von Tebessa gehören in tektonischer Hin-
sicht zum Sahara-Atlas, in klimatischer und landwirtschaftlicher
Hinsicht muß; man sie jedoch zum Teil- Atlas rechnen.^)
*) Battandier a. Trabnt, L'Alg^rie, le sol et les habitants. Paris 1898.
8. 15 u. 16.
') Bernard u. Fichear, Les r§gions naturelles de TAlg^rie. Annales de
Geographie. 1902. XI. S. 429.
*) Ebenda S. 430.
*) Ebenda S. 435.
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— 70 —
Im Ettstengebiet von Marokko genttgen die Niederschlag
wiederum, um Wald hervorzubringen. Nord-Marokko kann ms
sogar in seiner Ausdehnung nördlich vom Sebu als natfirlich<
Waldland bezeichnen. In den südlichen Provinzen macht si(
die zunehmende Trockenheit allerdings schon bemerkbar, ab<
da, wo die dem Baumwuchs ungünstige ISchwarzerde nicht vo
herrscht, finden sich doch lichte Haine mit Beständen des fl
Südwest-Marokko eigentümlichen Arganbaumes.^) Die Eorkeicl
tritt in diesem Eüstengürtel natürlich mit zahlreichen und groß<
Unterbrechungen von Tanger im Norden bis nahe bei Gas
blanca im Süden auf, wo sie nahe dem 33. Parallel ihre sü
lichste Vegetationsgrenze überhaupt erreicht. Einige der groß
ren Bestände sind hier im Süden: nordöstlich von Rabat z^
sehen Sebu und Bu Begreg der Korkeichenwald von Mamoi
dann die Wälder im Süden und Nordosten von El Araüch, d
Wald an dem kleinen See Daiat es Skhira und die Bestäni
auf dem sich östlich von der Straße von Tanger nach Kaa
el-Kebir erhebenden Dar-el-Akläou. Im Innern erstrecken si(
die Eorkeichenwälder über die Grenze bis zum Becken d
Muluja.') Die Regenmenge, die für das Wachstum und das G
deihen der Korkeiche erforderlich ist, nimmt Müller mit mi
destens 600 mm an.') Ganz allgemein genommen scheint di
unzweifelhaft richtig zu sein, doch glaube ich diese Anga
nun genauer dahin aussprechen zu dürfen, daß* größere und diel
Korkeichenbestände eine jährliche Regenmenge von mindeste
700 mm nötig haben.
Der der Küste parallele Landgürtel in Marokko, c
noch unter dem direkten Einfluß des Ozeans steht, ist v<
hältnismäßig schmal und geht nach dem Innern, wenigstens
Mittel- und Süd-Marokko, durch einen sehr schmalen Üb<
gangsgürtel in das Steppenland über. Nach Norden reu
dieses jedoch nur ungefähr bis zum Sebu, da hier infolge (
allgemeinen Verschmälerung des Atlasvorlandes die Form (
Hochfläche gegen Berg und Hügelland sehr zurücktritt,
daß mit der Zunahme der Regenmenge in diesen nördlich |
>) Th. Fischer, Zar KUmatologie von Marokko. S. 395.
*) Anton Müller, Über die Korkeiche. S. 23.
i •) Ebenda S. 17.
•i;
— 71 —
legenen Gegenden das ganze Land znm Enltnrlandgttrtel zn
rechnen ist.^)
Mit der Annäherung an das Gebirge nehmen dann natür-
lich die Niederschläge wieder zu, da ja selbstverständlich das
Gebirge als Wolkenerzenger wirken muß. Nach Durchschreitung
des Steppengürtels findet man hier die meisten Holzgewächse
wieder, die nur im Küstengebiet vorkommen und die Steppe
ganz meiden. Aber die Zunahme der Feuchtigkeit und die da-
mit verbundene kräftigere Vegetation scheint verhältnismäßig
rasch eine obere Grenze zu erreichen, denn die Dürftigkeit des
Pflanzenkleides, die kahlen Hänge, die Geröllhalden zeugen doch
immerhin von einer gewissen Trockenheit.') Eichen und Zedern
scheinen am weitesten in die Höhe hinauf vorzudringen. De Segon-
zac macht hierüber bei seiner Überschreitung des Mittleren
Atlas in der Gegend südlich von Azrou folgende Beobachtungen :
Am Fuße der Berge ist die Vegetation nur schwach und dürf-
tig, sie besteht meist aus verkrüppelten Eichen. Mit der Zu-
nahme der Höhe wachsen die Eichen jedoch dichter und er-
reichen auch einen höheren Wuchs. In 600 m Höhe über der
Ebene befindet man sich in dem schönsten Eichenwald, er ist
sehr buschig, von Lichtungen und natürlichen Wegen durch-
zogen. Nach einer weiteren Erhöhung um 1000 m treten zu
den Eichen noch die Zedern, die schließlich ganz die Stelle der
ersteren einnehmen.') Auch die Höhen des nordöstlichen Teiles
des Hohen Atlas sind mit Zedern bedeckt ; 6—8 m Umfang und
20m Höhe sind nicht selten. Doch auch hier schreitet die Ent-
waldung stark vorwärts. Teils zerstört die Axt des Menschen
den wunderbaren Wald, teils wird aber auch bedeutender Scha-
den durch die Blitzschläge verursacht. Dadurch, daß die Zedern
das Niveau des übrigen Waldes überragen, geben sie günstige
Leitungen für die sehr häufigen elektrischen Entladungen ab.
De Segonzac hatte mehrmals Gelegenheit, diese verheerende
Wirkung des Blitzes beobachten zu können.^)
An Steppenland haben wir in den Atlasländern hauptsäch-
lich zwei zusammenhängende Gebiete zu unterscheiden, das
>) Th. Fischer, Zar Klimatologie von Marokko. S. 397.
*) Ebenda 8. 407.
'^ de -Segonzac, Voyages an Maroc (1899—1901). Paris 1903. 8. 125.
«) Ebenda 8. 130.
— 72 -
weit ausgedehnte Steppenhochland zwischen dem Teil- und dem
Sahara-Atlas und das marokkanische Steppengebiet. Ein klei-
neres und unbedeutenderes Steppengebiet schaltet sich noch
auf tunesischem Gebiet zwischen dem Ostabfalle des Atlas und
dem fruchtbaren Sahel ein. Ihrer Entstehung nach sind diese
Steppen als Windschattengebiete (nach Supan) zu bezeichnen.
Bei den algerischen Steppen wirkt die Teilkette schon wasser-
dampfverdichtend auf die Begenwinde ein, so daß sie als relativ
trocken auf der anderen Seite ankommen. Das ziemlich flache
Steppenland vermag keinen aufsteigenden Luftstrom und somit
auch keine Kondensation des wenigen etwa noch vohandenen
Wasserdampfes herbeizuführen. Diese Umstände bewirken hier
die geringen Niederschläge, die erst am Fuße des Sahara-Atlas
wieder zunehmen. Daß die tunesischen Steppen im Regenschatten
des nordwärts davon liegenden hohen Gebirgslandes mit sehr
reichlichen Niederschlägen liegen, ist leicht begreiflich. Nicht so
klar liegen die Verhältnisse bei dem marokkanischen Grebiet.
Es ist nicht durch eine nennenswerte Erhebung vom Meere
abgetrennt, doch ist es wohl als ganz sicher anzunehmen, daß
in diesem Falle die Meerferne des Gebietes eine bedeutende
Rolle spielt. Verdichtet werden, wenn auch in geringem Maße,
die Wasserdampf massen schon vorher an dem 100 m relativ
hohen Steilanstieg von der unteren Stufe, was dieser zugute
kommt. Die hauptsächlichste Kondensation findet jedoch erst
jenseits der Steppe durch Windstau an dem Atlasgebirge statt.
Die Feststellung der Regenmenge, bei deren Fehlen die
Form der Steppe auftritt, ist schon mehrfach versucht worden.
Th. Fischer nimmt für das marokkanische Steppengebiet eine
Niederschlagsmenge von 200— 400 mm an, und zwar wohl meist
näher an 200 mm als an 400 mm.') Auch Monchicourt gibt an,
daß bei dem Sinken der Niederschläge unter 400 mm man ge-
wöhnlich Steppe vorfindet.*) Aus einem Vergleiche der vor-
liegenden Karte der Regenverteilung und der Karte für die Ver-
teilung von Waldland, Steppe und Wüste kann man nur eine
Bestätigung dieser Ansicht finden; wo die mittlere Nieder-
schlagsmenge nicht mehr 400mm erreicht, kann kein regel-
*) Th. Fischer, Zar Elünatologie von Marokko. S. 405.
*) Monchicoart, La r^gion de Tanis. Annalee de Geographie. 1904. S. 151.
— 73 —
mäßiger Anbau mehr getrieben werden, die Form der Steppe
herrscht vor. Nur an den wenigen Punkten, wo eine Quelle
dem Boden entspringt, ist Anbau mit Hilfe künstlicher Beriese-
lung möglich. Der Khreider in der Nähe des Schott Chergui
ist einer dieser wenigen Punkte, an denen eine reichliche Quelle
entspringt, unter deren Benutzung man üärten unterhalten kann.
In vielen Teilen der Steppe fehlen aber auch die Quellen, so
daß die Karawanen auf dem Rücken ihrer Kamele das nötige
Trinkwasser mit sich führen müssen.^) Fließendes Wasser kennt
man in den algerischen Steppen nicht. Was man hier mit dem
Namen Wed bezeichnet, gleicht absolut nicht einem Flußbett.
Es sind nur lange schmale unregelmäßige Depressionen, die in
den Schotts ausmünden. Der Boden wird gewöhnlich von Grä-
sern und Kräutern bedeckt, ein Wasserlauf ist nur nach den
starken Regen zu sehen.^) In diesem ganzen Steppengebiet sind
die einzigen festen Wohnungen die befestigten Stationen der
Bahn von Arzew nach Am Sefra. Nur selten trifft man die zu
einem Duar vereinigten Hütten der arabischen Hirten.
Unter den Steppengräsern ist das am meisten vertretene
das Haifagras. Es tritt in den algerischen Steppen, besonders
in dem breiteren westlichen Teile, in solch großen Flächen auf,
daß die Eingeborenen häufig von einem „mer d^halfa" sprechen.')
Zwischen dem Verbreitungsgebiete der Haifa und der Regen-
menge besteht ein auffälliger Zusammenhang. Eine allzugroße
jährliche Regenmenge scheint an vielen Stellen das Gedeihen
der Haifa unmöglich zu machen. Wallrafi hat durch einen Ver-
gleich einer Niederschlagskarte mit der Karte der Verbreitung
der Haifa gefunden, daß dieselbe nirgends in die Gebiete mit
mehr als 600 mm jährlichen Niederschlag hineinreicht.*) Die An-
gabe, daß sie selbst an den Grenzen der Wüste, in Gegenden,
deren Regenmenge nicht einmal 200 mm beträgt, noch vortretE-
Uch gedeiht,^) läßt sich mit Berücksichtigung der neueren Regen-
messungen nicht mehr ganz aufrecht erhalten. Die von Wall-'
raf( angegebenen Regenmessungen, die er Reclus, Nouvelle G6o-
^) Battandier und Trabat, L'Alg6rie. S. 114.
«) Ebenda S. 111.
*) Ebenda S. 124.
^) Wallraff, Geographische Verbreitung-, Geschichte and kommerzielle
Bedentang der Haifa. Deutsche Geogr. Blätter Hill: 1890. Heft 3, S. 141.
») EbendaS. 142.
— 74 —
graphie universelle Bd. XI Abt. 2 S. 360 entnommen hat, haben
sich meist als beträchtlich zn niedrig erwiesen.
Nicht so ungünstige Verhältnisse, wie sie das algerische
Steppenhochland der Bewohnbarkeit darbietet, weist das marok-
kanische Steppenland anf. Leider durchqueren die großen Flttsse
das Atlasvorland nur in tief eingeschnittenen Tälern, so daß sie in
nicht allzu weitgehendem Maße zu Berieselungszwecken benutzt
werden können. Hinreichenden Ersatz bieten aber die in großer
Zahl vorhandenen Brunnen, so daß das Steppengebiet überall
dauernd durch Hirtenstämme bewohnt ist, zumal es ein gutes
Weideland für die großen Herden abgibt. An einigen Stellen liegen
die Verhältnisse sogar so günstig, daß Ackerbau, wenn auch nur
unter Mißernten in den trockenen Jahren, getrieben werden kann.^)
Die Grenze der im Süden des ganzen Atlas-Gebietes sich
hinziehenden Wüste ist häufig nicht scharf ausgesprochen. Sie
greift mehrfach auf die Anhänge des Sahara-Atlas über, ja so-
gar auf der nach den Steppen zu gelegenen Seite finden sich
wüstenhafte Inseln. In der Umgegend der Schotts und in der
Nähe der Berge bilden sich Sanddünen, die ganz den Anblick
der Wüste bieten. Im übrigen fällt das Wüstengebiet außer-
halb der Atlasländer und gehört nicht in diese Betrachtung.
Doch wollen wir nicht verfehlen, das Gebiet etwas näher
zu betrachten, wo Wüste und Kulturland am engsten zusammen-
stoßen, das Aures-Gebirge. Da sich die Breite des Atlas-Hochlands
stetig von Westen nach Osten zu verringert, so nähern sich
gleichzeitig die parallelen Zonen des Klimas und der Vegetation
einander immer mehr. Da das Aures-Gebirge sehr weit nach Osten
liegt, so befindet es sich dem Mittelmeer näher als irgend ein anderer
Teil des Sahara-Atlas. Die nördlichen Winde können hier also
noch verhältnismäßig wasserdampfreich ankommen und vermögen
ihre Feuchtigkeit als Regen abzugeben. Batna hat hier im
Mittel 461mm Regen, für die höhergelegenen Teile kann man
eine noch höhere Jahressumme annehmen. Der Nordabhang ist
somit unbedingt als Kulturland anzusehen, der Südabhang ge-
hört jedoch schon mehr der Wüste als der Steppe an. Die
Höhenunterschiede auf beiden Seiten sind beträchtlich, Batna
1058m, Biskra 124m. Letztere Station, schon ganz in der
Wüste gelegen, repräsentiert mit 154mm die Niederschlags ver-
>) Th. Fischer, Zar KUmatologie von Marokko. S. 405.
— 76 —
bältnisse des Sfldabhangs. Besonders hervorzuheben ist hierbei,
daß sich diese gewaltigen Unterschiede auf eine Entfernung
von weniger als 100 km vollziehen. Der Übergang der Wüste
zur Kulturregion läßt sich ganz besonders schön im Tale des
Wed Abdi, der seine Wasser, soweit sie nicht schon gleich
bei dem Austritt aus dem Gebirge verdunsten, dem Schott el
Melrir zuführt. Die Vegetationsverhältnisse lassen sich in fol-
gender Weise darstellen: In dem südlichen Teile des Tales
lassen die sehr geringen Regenmengen, die jährlich fallen, dem
Boden noch seiue ganze Trockenheit. Dagegen bringt in einer
Höhe von 500 m, also ungefähr 400 m über Biskra, Djemora
im Norden von Branis seine 70000 Palmen hervor. Diese
Oasen, die sich an Quellen und an den Fluß anlagern, bieten
aber noch rein den Anblick von Sahara-Oasen dar. Die Palmen-
haine setzen sich dann noch den Fluß entlang auf eine Strecke
von 8—9 km fort, dann wird das Bett des Flusses immer enger,
die Palmen verschwinden immer mehr, und die Oleanderbäume
bleiben allein zurück. Amentac in 700 m Höhe bringt die letzten
Datteln hervor, sie sind auch schon von sehr geringer Güte.
In 926 m werden bei Menaa Palmen nur noch als Zierbäume
angepflanzt, die Früchte würden hier doch niemals reifen. In
1100 m bringen es die Aprikosen- und Feigenbäume von Chetr
Anfang April kaum zum Knospen, aber nun erscheinen schon
neue Bäume, und zwar sind sie alle laubabwerfend. Besonders
zahlreich sind die Nußbäume. Gleichzeitig dehnen sich aber
auch die Felder im Grunde des Tales aus, sie nehmen immer
mehr an Ausdehnung zu und erstrecken sich sogar über die
untersten Gehänge der Berge. Die Gipfel derselben, die bis
hierher kahl und stark von den Atmosphärilien angegriffen
waren, zeigen sich mehr und mehr bewaldet. Amentac war
die letzte Sahara-Oase, Menaa war der Typus einer Steppen-
Oase, Cheir zeigt schon den Beginn der Eulturregion. Dies
wird einesteils durch die in Cheir schon stärker gewordenen
Kegen bewirkt, andernteils machen die Schneemassen des Mahmel
in der Nähe des Ghelia aus dem ganzen Lande zwischen Cheir
und Batna in einer Höhe von mehr als 1000 m eine gleichsam ge-
mäßigte Region mit zahlreichen Weiden und imposanten Wäldern.^)
*) BassoD, Les vall6e8 de TAar^s. Annales de Geographie IX. 1900
S. 46 o. 47.
TerifliehBis der Stationen
mtt Angaben der Höhen nnd der geogr. Koordinaten.
Hohe
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LftDge
V. Qt.
Bobe
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Lau»
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32" 65'
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33" 52'
1 7*63'
HiclierU . .
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1305
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1 Djerba . . .
4
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— 77 —
L Mittlere Regenmengen In den einzelnen Monaten nnd Jahreszeiten.
Die Mittelwerte sind auf die Periode 1886—1900 redoziert worden, mit Ausnabme der
Stationen, bei welchen die Jahre, aas denen die Mittel gebildet wurden, in Klammern
beigefügt sind.
Cap Spartel (1894-04)
Tanger (1879-85) . .
Rabat (1881—82) . .
Casablanca | ^'^^'-^^
l (02—04)
Mogadar (94—04) .
Marrakeech <
loO-Ol, 02-
Saffi (96-04) lückenhaft
Nemours
Cap Falcon
Oran . . .
Tlemcen
Sidi-bel-Abbes
£1 Aricha .
Saida . .
Tfenfes . .
Orl^ansTÜle
Tiarei .
Teniet-el-Haad
Boufarik
Htaou^li . .
Algier . .
BoQzarfeah
Bouiba . .
El Biar . .
MM^ah . .
Anmale . .
Üellys . .
Tijuouzon .
Fort National
8*tÜ . . .
Djidjelli
Constantine
Üoelma (86—91)
U Galle (86-88)
Ain Sefra (89—99)
M6ch6ria (86 - 98)
ticrytille . . .
Aflou ....
05J
343|214| 19 243
318 31o! 73 104
259163
162 77
197 110
1278 183
206
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154162
(?)3 138
162111; 8 99
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87l 82 12^ 56
169
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49104
193193
222
165
109:
132
2881320
174198
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95
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62
80
85
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110
*) Ans UiDeatous: Les iiluiea en Tanisie.
Tl. Kittlere Begenwafarseheiitllehbelt.
Inhaltsübersicht.
Seite
Bodenplaatik der Atlasländer 5
Lnftdmck und Windverhältnisse 14
Literatur und fieobachtnngsmaterial 24
Verteilung der Niederschläge 31
Die jährliche Periode der Niederschläge 40
Anzahl der Regentage, Regenwahrscheinlichkeit 52
Die Schneeverhältnisse 55
Die Wasserftthrang der Flüsse 60
Regenmenge und Vegetation 64
Tabellen.
I. Verzeichnis der Stationen mit Angabe der Höhen and geographischen
Koordinaten 76
II. Mittlere Regenmengen in den einzelnen Monaten und Jahreszeiten 77
III. Jährliche Periode der Niederschlagsmengen, dargestellt durch Pro-
zente der Jahressumme 79
IV. Maxima and Minima der Monatsmengen 81
V. Plnviometrischer Koeffizient nach Angot 82
VI. Anzahl der Regentage 83
VII. Mittlere Regenwahrscheinlichkeit 86
Karten.
Verteilung der mittleren jährlichen Regenmenge im Atlasgebiet. Hierzu als
Deckblatt: Die Hauptregionen der Vegetation in den Atlasländern.
Das Gebiet mit Frühlingsregen in den Atlasländern.
Regen-Profile.
Oraa — Wed Namons.
Kap Bongaronn— Schott Melrir.
Tabarka— Schott el Djerid.
Aus den Vorträgen
Tom 18. Oktober 1905 bis 2. Mai 1906.
Mit Benutzung der Mitteilungen der Herren Redner
zosammengestellt
von
Dr. H. Traut.
Mittwoch, den 18. Oktober 1905.
Herr Hofrat Dr. Bernhard Hagen-Frankfurt a. M.:
Berieht Ober meine diesjährige Reise nach Sumatra und Banka.
(Lichtbilder und phonographische Vorführungen.)
Mein heutiger Vortrag boU Ihnen nnr eine allgemeine Übersicht geben
über den Verlan! und die Ergebnisse der Beise, welche wir, meine Frau und
ich, im vergangenen Frühling nach meinem alten Forschangsgebiet, der Insel
Samatra, und zwar nach dem südöstlichen Teil derselben, nach der Stadt und
Provinz Palembang, sowie der nahebei liegenden, darch ihre Zinnproduktion
weltbekannten Insel Banka unternahmen.
Ich hatte diese Örtlichkeiten deshalb gewählt, weil ich glaubte, drei
Aufgaben, die ich mir gestellt hatte, dort am besten lösen zu können.
Die erste und im Vordergrande stehende Aufgabe war, möglichst viel
und authentisches Material über die Kultur der eigentlichen Malayen für
unser Frankfurter Völkermuseum zu sammeln.
Die Stadt Palembang schien mir deshalb am geeignetsten für diesen
Zweck, weil das alte Sultanat Palembang der direkte Nachfolger und gewisser-
maßen Erbe der beiden höchsten Kulturen war, welche die malayische Basse
beeinflußt und gemodelt haben, nämlich des alten autochthonen Malayenreiches
von Menangkabau im südlichen Zentral-Sumatra und des bramanisch-buddhisti-
sehen Hindureiches von Madjapahit auf der Nachbarinsel Java, und weil es
drittens der Brenn- und Gipfelpunkt der später auf den Trümmern der beiden
vorgenannten sich aufbauenden islamitischen Kultur war. Ich will Ihnen dies
kurz des Näheren erläutern.
Palembang, heute eine Stadt von 70—80000 Einwohnern und Haupt-
stadt einer der größten und fruchtbarsten Provinzen Sumatras, liegt etwa
75—80 km landeinwärts in der großen sumpfigen Alluvialebene des Südost-
— 90 —
liehen Teiles der iDSel zu beiden Seiten der Ufer des großen Mnsi-FIasses,
der ein nngehenres, sich über zwei Breitegrade erstreckendes Quellgebiet
entwässert, eben jenes obengenannte reiche nnd fruchtbare Gebiet des alten
Malayenreiches von Menangkaban, zu dem Palembang also den Schlüssel, die
Eingangspforte bildet. Übervölkerung nnd angeborene Reiselust veranlaßten,
daß dieses Reich seinen Überschuß an Menschenkräften in die Feme hinaus-
sandte. Der Strom dieser Auswanderung ging natürlich ebenfalls über
Palembang, so daß es begreiflich ist, wenn diese Stadt schon an die 2000 Jahre
als bedeutender Handelsplatz bekannt und berühmt war. Die Fürsten von
Madjapahit, dessen Macht zu seiner Blütezeit (im 11.— 13. Jahrhundert) über
den ganzen malayischen Archipel ausgebreitet war, hatten ebenfalls in Palem-
bang festen Fuß gefaßt und es znletzt, im 14. und 15. Jahrhundert, fast ganz
unter ihren Einfluß gebracht, so daß, als der Islam die alten Hindureiche
auf der Mutterinsel Java stürzte, die Nachkommen der letzten Fürsten nach
ihrer besten Kolonie Palembang auswichen. Aber die um ihres Glaubens
willen Geflohenen entgingen ihrem Schicksal nicht ; sie wurden in Palem-
bang selbst zum Islam bekehrt und das Herrscherhaus von Palembang
ward ein rein muhammedanisches. Es regierte von 1520 ab bis 1823, in
welchem Jahre der letzte nominelle Sultan von den Holländern abgesetzt nnd
verbannt wurde, und hat während dieser 300 Jahre dem Lande 17 zum Teil
hochbegabte Herrscher geschenkt. Die Blütezeit des Sultanats war das
18. Jahrhundert, namentlich die zweite Hälfte desselben. Die Entdeckung
des Zinns aof Banka im Jahre 1710, welche Insel damals zu Palembang
gehörte, schüttete ungeheure Reichtümer über das Sultanat ans. Unter den
drei großen, klugen nnd weisen Herrschern, Machmud Badarudin (1716—1751),
Achmad Nadjamudin (1751—1776) nnd Mohamad Bahandin (1776-1804)
blühten Handel, Gewerbe und Kunst, und die beutige hochentwickelte Industrie,
Brokatweberei, Spitzenklöppelei, Lackwaren, Metallarbeiten besonders Waffen-
schmiede, Töpferei, Schiffbau, ist ein Nachklang aus der alten Sultans-
herrlichkeit. Der konservative, pietätvolle Sinn der Malayen hat noch eine
Menge von Überresten aus jener großen Zeit bewahrt Der Überfluß an
indischen Stoffen, persisches und siamesisches Steingut und Porzellan, prächtige
Waffen und Edelmetallarbeiten aus Java, von denen ich gar Vieles für unser
Völkermuseum erwerben konnte, sind heute noch stumme Zeugen der reichen
ausgebreiteten Handelsverbindungen des palembangschen Reiches im 18. Jahr-
hundert.
Heute ist Palembang trotz seiner immer noch bltlhenden Industrie nnd
seines auch jetzt nicht unbeträchtlichen Handels doch hauptsächlich eine
Toten- und Gräberstadt, in der noch Hunderte von Nachkommen der alten
Herrscherfamilie düster ihren Erinnerungen an die alte Herrlichkeit nach-
hängen, deren letzte Augenzeugen vor noch gar nicht langer Zeit dahin-
gegangen sind. Noch steht, zur Kaserne herabgewürdigt, das feste, imposante,
gewaltige Mauerviereck des «Kraton^, der ehemaligen Sultansfeste, erbaut
von Mohamad Bahaudin, noch wandelt man am Freitag fromm zu der großen,
vom Sultan Machmud Badarudin erbauten Moschee, lange Zeit der schönsten
und größten des ganzen Ostens, und das dankbare Volk legt heute noch in
treuer Verehrung seine Basilicum (Ocimum-) Sträußchen auf den sorgfältig
— 91 —
gepflegten Gräbern in den Mausoleen seiner alten geliebten Fürsten und
Fürstinnen nieder.
In der Umgebung Palembangs aber erinnert ein wunderbares, viele
Meilen langes, verwildertes Lotosfeld zu beiden Seiten des Ogan-Flusses, wohl
das ausgedehnteste Lotosfeld der Welt, an die alte, vorislamitische halb
sagenhafte Hinduseit.
Wie Alles auf Erden seine Zeit hat, so auch die Trauer um Gewesenes.
Die ungeheuren Schätze an Petroleum, die der Boden Sumatras, speziell
der Provinz Palembang seit 10 Jahren ergeben hat, haben dicht neben der
alten dahintrauernden Sultansstadt eine neue, modern europäische, mit aus-
gedehnten Raffinerien, Reservoirs, Leitungsanlagen usw., mit allem Lärm und
Getöse eines modernen Industriezentrums entstehen lassen, die Ansiedlung
Peladju. Eine neue Zeit ist für Palembang angebrochen.
Meine zweite Aufgabe war, einen Volksstamm aufzusuchen und zu
studieren, von dem in der wissenschaftlichen Welt bisher nur äußerst wenig
bekannt war, nämlich die Orang Kubu, oder Waldnomaden, die in den un-
geheuren Urwaldgebieten zwischen dem Musi- und dem nördlich davon gelegenen
Pjambi- oder Batang hari-Fluß hausen. Es sollte den Erzählungen nach
ein Menschenstamm von äußerst niedriger Kulturstufe sein, ohne Kleidung
außer einem Rinden-Schamgürtel, ohne Ackerbau oder sonstige geregelte
Nahrungsgewinnung, ja selbst ohne feste Wohnung. Die wenigen Bedürfnisse,
die sie sich nicht selbst verschaffen können, z. B. eiserne Lanzenspitzen, sollten
sie auf dem Weg eines äußerst primitiven Tauschhandels, wobei die beiden
Parteien sich gegenseitig nicht zu Gesicht bekommen, gegen Waldprodukte
(Guttapercha, Harz, Rottan) von den Malayen eintauschen. Über ihre körperliche
Beschaffenheit war ebenfalls kaum etwas Sicheres bekannt; zwei Skelette,
die der englische Forscher Forbes nach London gebracht hatte, sollten so
äußerst niedrige Merkmale aufzeigen, wie man sie noch bei keinem anderen
Volk gefunden hatte.
Diese scheuen Menschen in ihren Urwäldern aufzusuchen, wäre ver-
gebliches Bemühen gewesen ; ein derartiger Versuch war mir schon vor zehn
Jahren mißglückt, und ich hatte auch diesmal wenig Hoffnung. An den
sogen, zahmen Kubu, die schon seit Jahrzehnten ihr Nomadenleben auf-
gegeben und an den Ufern des Lalang-Flnsses sich in festen Wohnsitzen unter
Annahme malayischer Sitten und Kleidung niedergelassen hatten und nahezu
gänzlich Malayen geworden waren, konnte mir wenig liegen. Da kam mir
ein gütiges Geschick zu Hilfe. Wenige Monate vor meiner Ankunft waren
aus politischen und militärischen Gründen die noch wild herumschweifenden
Kubu halb mit Güte, halb mit Gewalt zur zwangsweisen Ansiedlung gebracht
worden; , wilde" Kubu gibt es jetzt in Palembang also nicht mehr. Mit
Hilfe meines alten Freundes, des jetzigen holländischen Residenten der Pro-
vinz Palembang, der diese Maßregel veranlaßt hatte, war ich so glücklich,
dort in Muara Bahar — so heißt diese Ansiedlung — eine größere Anzahl
dieser bisherigen wilden Kubu noch in ihrer ganzen Urwaldfrische und Un-
berührtheit mit aller Maße und Bequemlichkeit zu studieren, anthropologisch
zu messen, zu photographieren und zu — phonographieren. Es war ein
Häuflein äußerst liebenswürdiger und gutmütiger Menschen, die bald ihre
— 92 —
anfängliche Sehen nns gegenüber — meine Fran war mir während dieser
ganzen Expedition ein tapferer und hilfreicher Begleiter — ablegten. Leider
wird dieses harmlose Völkchen sehr bald aasgestorben sein, denn es herrscht
bedeutender Männerüberschnß and yon 4 Kindern, die eine Fran im Dorch-
schnitt gebiert, bleibt gewöhnlich nar eins am Leben. Die ganze Kaba-
Bevölkerang mag heute noch ca. 3000 Seelen zählen, die auf 31 Stämme,
jeder zu etwa 100 Personen, verteilt sind. An Waffen besitzen sie nur eine
lange Warflanze and ab and za ein von den Malayen erhandeltes Hiebmesser.
Die Kleidang bei beiden Geschlechtern besteht nar aas einem Schamgürtel
aas Baumrinde, infolgedessen leiden die Menschen fürchterlich an Hautkrank-
heiten ; doch führt die holländische Regierung jetzt allmählich die malayische
Tracht ein. Ebenso unterweist sie die Leute im Anlegen von Reisfeldern.
Bisher lebten sie nur von dem, was der Wald und die mit großem Geschick
mittelst Fallen und Netzen betriebene Jagd und Fischerei jeweils bot. Der
Kubu hat keine eigene Sprache, sondern spricht nur ein verdorbenes Ma-
layisch. Von Häuptlingen kennt er nur die von der Regierung eingesetzten
halbmalayischen aPasirah's'. Die Ehe ist meistens monogam.
Anthropologisch gehören die Kubu zweifellos zu den Urmalayen; sie
zeigen dieselbe Körperbeschaffenheit wie die übrigen Ur\'ölker Sumatras, die
Batak, Gajo usw.; in ethnographischer Hinsicht stellen sie sogar die tiefste
Schicht derselben dar. Doch sind auch sie bereits bedeutend mit fremden
Elementen gemischt ; denn wie bei den obengenannten anderen samatranischen
Urvölkem kann man auch bei den Kuba zwei Typen unterscheiden: einen
kleinen Typus mit langem Kopf, niederem breitem Gesicht und kurzer platter
Nase — der malayische Urtypus — und einen zweiten größeren mit kürzerem
Kopf, langem Gesicht und langer, oft sogar Überhängeader Nase, wahr-
scheinlich ein Misch typus mit fremden Elementen. Drei Skelette, die ich so
glücklich war, zu erhalten, werden gestatten, diese Verhältnisse, sowie die
Angaben des englischen Forschers Forbes näher zu prüfen.
Ich habe dann noch auf einer mehrtägigen anstrengenden Kahnfahrt
auf einem von Krokodilen wimmelnden Fluß, dem Batang Leko, mitten
durch wundervollen Urwald, eine andere, schon längere Jahre bestehende
Kubu - Ansiedlung , Ikan lebar, besucht und dort dieselben Verhältnisse
gefunden. Diese Ansiedlung war kurz vorher durch die Pocken entsetzlich
dezimiert worden.
Die Petroleumindustrie hat auch in das Leben der Kubu gewaltig
eingegriffen. Dutzende von Petroleumgeologen durchstreifen die Urwälder,
errichten Bohrtürme an Orten, wo bisher noch keines Europäers Faß hin-
gedrungen war und scheuchen die armen Waldmenschen aus ihren ver-
stecktesten Schlupfwinkeln auf. Schade um dieses harmlose Volk!
Meine dritte Aufgabe führte mich nach der nar 24 km von der Mündung
des Musi-Flasses und der Küste Sumatras entfernten Insel Banka, der be-
kannten Zinninsel. Eben dieses Zinnes wegen ist Banka geologisch so gut
durchforscht, wie kaum eine andere Insel des malayischen Archipels ; zoologisch
dagegen ist sie nur sehr mangelhaft bekannt. Und doch ist das genaue Be-
kanntwerden mit der Tierwelt dieser Insel von zoogeographischem Stand-
punkte aus von äußerstem Interesse. Trotz der großen Nähe Sumatras
— 93 —
gehört Banka geographisch wie geologisch za Maiakica. Von Valkanismas,
der auf Sumatra eine so große Bolle spielt, findet sich auf Banka keine Spar,
ebensowenig von den beiden großen Erdperioden, welche wir die sekundäre
(mesozoische) and tertiäre (känozoische) nennen. Das quartäre Dilavium and
Allavinm liegt hier direkt aal den alten paläozoischen Urgesteinen, Schiefer
and Granit aal, ein Zeichen, daß die Insel seit der paläozoischen Epoche nie
wieder unter das Meer getaucht war. Wo diese An- und Aufschwemmungen
fehlen, da liegen die Urgesteine offen zu Tage und sind bis tief hinab zu
einer eisenschüssigen roten Laterit-Erde verwittert. Aus diesem Laterit-Meer
mit seiner ziemlich dürftigen Vegetation (Eichen, Myrthaceen, Laurineen,
Dipterocarpeen, als Bodenpflanzen viele stachelige Gleichenia-Farne und Un-
mengen von Kannenpflanzen (Nepenthes), während die Bambusen merk-
würdigerweise fast gänzlich fehlen), ragen dann die Granite als einzelne oder
zasammenhängende, ziemlich niedrige (Durchschnitt 4— 500 m) Bergkegel
hervor. Das Zinn ist fast ausschließlich an den Granit gebunden, aus dessen
Verwitterungsprodukten es die Tageswässer heraus- und zu Tal waschen,
wo es von Chinesen im Tagesbau als Seifenzinn gewonnen wird, ca. 4 bis ö
Hill, kgm per Jahr.
Um mit Erfolg zoologische Sammlungen anlegen zu können, war es
nötig, von der Küste ab ins Innere des Landes sich zu begeben. Ich wählte
als Standort den Pasanggrahan (das von der Regierung erbaute Rasthaus
für europäische Beamte auf Dienstreisen) Simpang im Distrikt Muntok am
Treffpunkt dreier vorzüglich unterhaltener Staatsstrassen als den einzigen
Fleck, wo noch etwas von dem früheren, durch die schonungslos betriebenen
Holzkohlenbrennereien für die Zinnschmelzen auf ganz Banka nahezu ver-
nichteten Urwald stehen geblieben war. Hier inmitten einer herrlichen Natur
verlebten wir eine wundervolle, köstliche Jagd- und Sammelzeit. Der hollän-
dische Resident in Muntok, der Hauptstadt Bankas, hatte Auftrag gegeben,
daß die ganze Bevölkerung aller Dörfer auf viele Meilen in der Runde uns
im Fangen und Sammeln von Tieren behilflich sein solle, und diesem Befehl
kam man in der umfassendsten und liebenswürdigsten Weise nach. Tagtäglich
ward so viel Material angebracht, daß ich es mit Hilfe des von mir abge-
richteten malayischen Präparators kaum bewältigen konnte. Ich erhielt in
sechs Wochen über hundert Felle und Skelette von 28 verschiedenen Säuge-
tieren, 170 Vogelbälge von 70 verschiedenen Arten, 23 Arten Schlangen
(darunter 3 giftige) in nahezu 150 Exemplaren, 30 verschiedene Süßwasser-
fische, 7 Arten Schildkröten, 10 Arten Frösche und Kröten, sowie an 2000
Insekten. Diese Zahlen mögen ein Bild von der Reichhaltigkeit des dortigen
Tierlebens geben. Ein charakteristisches Tierchen ist der Gespenst-Maki
(Tarsius spectrum), der auf Malakka, Sumatra und Bomeo sehr selten, auf
Banka aber sehr häufig vorkommt, femer der ebenfalls sehr charakteristische
fliegende Maki (Galeopithekus) und das Schuppentier (Manis). Sehr häufig
sind femer Hirsche, Eichhörnchen, Wildschweine, von Vögeln besonders
Tauben und ein in großen, lärmenden Schwärmen fliegender Papagei (Palae-
orais longicauda), sowie Eisvögel.
Interessant und wichtig war das Fehlen mancher Tiere und Tier-
gruppen, die auf den benachbarten Inseln häufig vorkommen; so fehlen auf
- 94 —
Banka: Alle menschenähnliclien Affen, alle Raubtiere, alle Dickhäater, die
BrilleDBchlange, die Landblategel and von Schmetterlingen einige auffallende
Gruppen, allen voran die sogenannten Giftschmetterlinge oder Aristolochien-
Falter (Pharmakophagen), zu denen die große herrliche Gattung Ornithoptera
gehört.
An der Hand des von mir gesammelten Materials kann ich vorläufig
Folgendes tlber die Fauna Bankas sagen: Die Tierwelt ist im allgemeinen
diejenige der großen Sunda-Inseln mit näherer Hinneigung zuBorneo
als zu Sumatra oder Malakka. Durch das Überwiegen uralter Säugetier-
formen, wie Tarsius, Galeopithekui, Manis und das Fehlen von Katzen und
Dickhäutern bekommt sie jedoch einen eigenen archaischen Zug, der sehr
stark mit dem Ergebnis der Geologie harmoniert, wonach Banka eine uralte
Erdscholle ist.
Eine weitere Eigentümlichkeit ist, daß die Bankaformen fast alle in
mehr oder minder starkem Grade abgeändert sind. In unsere heutigen An-
schauungen übersetzt heißt das, daß Banka nicht lange und dauernd genug
isoliert gewesen ist, um die altüberkommenen Familien zu eigenen Formen
umzuprägen, daß aber die Trennung doch lange genug dauerte, um gering-
fügigere lokale Abänderungen hervorzubringen als Beginn neuer Artenbildung.
Mittwoch, den 25. Oktober 1905.
Herr Missionar H. Jannasch-Stnttgart: Labrador^
Land und Leute. (Lichtbilder.)
Die Halbinsel Labrador übertrifft an Größe ungefähr 4 mal das Deutsche
Reich. Sie gehört etwa 10 bis 15 Meilen landeinwärts politisch zu Neufund-
land, während der übrige größere Teil zu Ranada gerechnet wird. Die
fjordenreiche Küste wird bespült von dem Labradorstrom, dessen Temperatur
durchschnittlich -|- 1^ R. beträgt und der das ganze Jahr Massen von Treibeis
und ungeheuren Eisbergen mit sich führt und dadurch das Klima des Landes
beeinflußt. So beginnt beispielsweise der Winter schon Ende September, zu
Weihnachten beträgt die Temperatur durchschnittlich — 25^ R. und steigt
bis Ende Februar bis — 28 ^ (Vortragender hat während seines 25 jährigen
Aufenthaltes in Labrador mitunter sogar — 37^ erlebt), um dann wieder
Ende Mai und Anfang Juni dem Frühjahr Raum zu geben. Das Eis, welches
mehrere Meilen weit in die See hinausgeht, erreicht eine Dicke von etwa 2 m
und hält bis Ende Juni die Küste in seiner starren Umarmung, sodaß von
Oktober bis Anfang Juli aller Verkehr nach außen hin vollständig ruht. Der
Juni ist der Frübjahrsmonat, Juli und Anfang August bilden den Sommer
und Ende August bis Mitte September den Herbst, dann setzt der Winter
wieder ein. Dennoch ist zuweilen die Hitze im Sommer fast unerträglich,
da die Temperatur bis auf -^ 30° R. steigen kann, um gelegentlich bei ein-
setzendem Ostwind in einigen Stunden bis auf -f- 2® herabzusinken, so daß
selbst die zahlreichen Muskiten von dem Umschwung der Temperatur recht
belästigt werden, von den dort lebenden Europäern ganz zu schweigen,
Selbst die Eskimos haben stets an Erkältungskrankheiten zu leiden und be-
— 95 —
haapten, sogar die Hunde bekämen den Schnapfen. So bildet in Labrador
der Sommer die nngesuDde Zeit, während der Winter mit seiner strengen,
trockenen Kälte dem menschlichen Organismus viel zuträglicher ist.
Natürlich ist die Vegetation des Landes eine recht dürftige, sie läßt
sich nur mit der der Hochalpen vergleichen, wie denn auch die Flora des
Landes eine durchaus alpine ist. Das Land selbst besteht eigentlich nur
aus Berg und Tal ; im Norden kommen Höhen bis zu 2000 m vor. Im
Gestein herrschen Gneis der laurentischen Formation und Granit vor, selten
durchbrochen von Basaltadern. An der Küste kommt auch der bekannte
Labradorit vor, ein Feldspat, der seines schönen, in allen Farben schillernden
Glanzes wegen sehr beliebt ist. Banmwuchs findet sich im Norden des Landes
gar nicht; der Wald beginnt an der Küste erst bei dem 57.**, erstreckt
sich dann aber auch in reicher Abwechslung mit großen Flüssen und Seen
tief ins Innere des Landes, das von gewaltigen Urwäldern bedeckt ist. Am
weitesten nördlich gehen Tannen und Fichten, im Süden gedeihen Lärchen
und Pappeln. Und doch ist die alpine Flora herrlich und liefert einem
Botaniker reiche Ausbeute an schönen Blumen, sogar auch an verschiedenen
Beerenarten. Hauptsächlich wachsen Empetrum nigrum, (schwarze Rausch-
beere), und verschiedene Vaccinienarten in reicher Fülle, von denen besonders
ersteres die ausschließliche Pflanzennahrung der Eskimo bildet. Außerdem
genießen sie noch die Blätter der Weiden, die im Frühjahr abgestreift und
als Salat mit Seehundsöl gemischt werden. Auch verschiedene wohlschmeckende
Rubusarten wie rubus arcticus (nordische Himbeere) gedeihen noch, sie bleiben
aber klein und niedrig und kommen auch nicht in solchen Mengen vor wie
etwa Empetrum. Die Fauna des Landes entspricht der des übrigen nörd-
lichen Amerikas. Die verschiedenen Pelztiere, als Füchse, Marder, Luchse,
Bären, Fischottern, Moschusratten, Wölfe u. s. w. werden ihres Felles wegen
eifrig gejagt, ebenso auch mehrere Robbenarten, deren fettiges und traniges
Fleisch dem Eskimo hauptsächlich als Fleischnahrnng dient. In großen Herden
kommt dann noch das wilde Renntier vor, dessen Fleisch und Baut ebenfalls
hoch geschätzt wird, nicht zu vergessen die Sehnen dieses Tieres, welche
den Eingeborenen den so kostbaren Zwirn zur Anfertigung ihrer Stiefel und
Fellkleider liefern. Von kleinerem Wild wären noch zu erwähnen die Polar-
hasen, das Stachelschwein und Schneehuhn, die kanadische- und die Schnee-
gans, die besonders im Herbat und Frühjahr auf ihren Zügen von den Eskimo
erlegt werden. Dazu kommt dann außer Raben, einigen Eulen- und Adler-
arten noch eine unbegrenzte Zahl von Seevögeln, die aber leider an Zahl
abnehmen, da sie von den neufnndländischen Fischern, die im kurzen Sommer
die Küste des Kabeljaufanges wegen besuchen, zu Tausenden erlegt werden.
Aber auch an kleineren Singvögeln ist das Land nicht arm, doch ziehen
diese meist im Winter nach Süden.
Mit der Frische seiner Lebensmittel nimmt es der Eskimo nicht so
sehr genau, er verschmäht sie nicht, wenn Fleisch und Fisch auch schon
einen recht bedenklich vorgeschrittenen Hautgout angenommen haben.
Hauptsächlich gilt dieses von den Fischen, die, besonders der Kopf, so lange
in ein und demselben Wasser liegen müssen, bis sich das Fleisch von den
Knochen löst; in diesem Zustande werden sie dann von den Eskimo ge-
— ge-
nossen, die nach solcher Mahlzeit einen Geruch verbreiten, der für Earop&er
unerträglich ist.
Von Naturerscheinungen sei nur kurz auf das Nordlicht hingewiesen,
das hier in Labrador in ganz besonderer Schönheit fast alljährlich am Himmel
erscheint und mit seinem herrlichen Qlanz die dunkeln Wintemächte er-
leuchtet.
Seit dem Jahre 1780 entfaltet die Mission der Brüdergemeinde an der
Küste Labradors eine segensreiche Tätigkeit und hat unter dem Einfluß des
kulturbringenden Christentums aus dem einst so gransamen, rachsüchtigen
und tückischen Eskimo einen recht gesitteten und entschieden liebenswürdigen
Menschenschlag gemacht, unter welchem sich gar nicht schwierig leben läßt,
wie mancher meinen könnte. Die südlichste Station der Brüdergemeinde ist
Makowik, das der Vortragende vor 8 Jahren hat bauen helfen, die nördlichste
Hebron, das der fürchterlichen StUrme wegen nur aus einstöckigen Häusern
besteht. Die Eskimo, die sich selbst Innuit, d. i. Menschen nennen, während
die Missionare Kablunat, d. i. Fremdlinge heißen, sind nicht die Ureinwohner
des Landes ; es hat viiAmehr vor ihnen ein anderer Volksstamm hier gewohnt,
die Tunnit, die von den mongolischen Eskimo, welche über das Berings-
meer von Asien herüber kamen, verdrängt wurden. Nach den Erzählungen
der Eskimo sind diese Tunnit nach Grönland ausgewandert, und noch heute
finden sich die Überreste ihrer Wohnungen auf den Küsteninseln. Sie wohnten
in steinernen Häusern, wenigstens solchen mit steinernen Umfassungsmauern,
und man wundert sich heute noch, wie sie die großen Steinblöcke sosammen-
gefügt haben mögen, aus denen die Ruinen dieser Häuser bestehen. Auch
sie haben wohl ausschließlich von Hobbenfang gelebt, denn die alten Gerät-
schaften, die man noch gelegentlich bei Miesen Ruinen ausgräbt, sind bedeckt
mit einer Schicht halbversteinerten Seehundstranes. Die Eskimos behaupten
von den Tunnits, sie seien noch viel schmutziger gewesen als sie selbst.
Der Eskimo von heute ist, wie schon erwähnt, durch die Zivilisation und
durch das Christentum ein anderer geworden als der von vor 100 Jahren.
Zwar haben die Missionare versucht, so viel als möglich ihren Pflegebefohlenen
die alte Lebensweise als die ihnen dienlichste zu erhalten, sie haben so lange
es irgend ging, sich der Einführung von Luxusartikeln, als Kaffee, Tee,
Alkohol u. s. w. durch die Tauschhändler widersetzt, aber schließlich konnten
sie das auf die Dauer nicht hindern, und so hat dann auch hier die Kultur
nicht blos Segen gestiftet. Zwar hat zum Glück für das Volk die neufund-
ländische Regierung, welche die LabradorktLste als zu ihrer Interessensphäre
gehörig betrachtet, wieder ein strenges Verbot gegen jede Einfuhr von
Alkohol erlassen, aber die Widerstandsfähigkeit der Eskimo hat bereits er-
heblich abgenommen. Daß aber der Untergang des Volkes nur dadurch
beschleunigt würde, läßt der Vortragende dahingestellt, er betont aber aus-
drücklich, daß in der von vielen Philantropen gepriesenen Ueidenzeic Mord
und Blutrache so furchtbar unter dem Volke aufgeräumt haben, daß ihm
ein alter Eskimo einst gesagt habe: , Wäret ihr nicht gekommen und hättet
uns das Evangelium gebracht, so hätte die Blutrache uns schon längst auf-
gerieben und es gäbe jetzt keine Eskimo mehr.*
Für die Seehundsjagd bedienen sie sich auf offener See des Kajak,
— 97 —
eines langen, achmalen Fellbootes, welches oben nur eine so große Öffoang hat,
daß der Eskimo darin sitzen kann, der von da aus den Seehund entweder mit
der Flinte oder der Harpune erlegt. Im Herbe t dienen auch Netze zum Fang,
der im Frühling auf dem Eise vor sich geht, das bis zum Juni die See be-
deckt und von vielen sich sonnenden Seehunden bevölkert wird. Doch er-
fordert auch diese Jagd viel Geschicklichkeit, da dem bei aller Neugierde
sehr vorsichtigen Tiere nur schwer beizukommen ist. Je nach der Größe
wird für einen ausgewachsenen Seehund ein Preis von 28 bis 30 Mk. erzielt.
Leidenschaftlich betreibt der Eskimo auch den sehr gefährlichen Wallroßfang,
bei dem sich leider oft ernstliche Unglücksfälle ereignen. Ebenso eifrig
huldigt er auch der Eisbärenjagd, auf der er erstaunliche Kaltblütigkeit an
den Tag legt. So war der Vortragende einmal Zeuge, wie ein alter Eskimo,
der nur mit einer noch älteren Flinte mit gewöhnlichem Schrottlauf, der an
dem Schaft mit Bindfaden befestigt war, einen mächtigen Bären annahm und
ihn erlegte. Das Fell dieses Bären, das 1 1 Fuß 9 Zoll englisch maß, wurde
von den Uissionaren dem Fürsten Bismarck zugeschickt. Auch die Jagd auf
Bennüere, die im Innern des Landes in großen Herden vorkommen, ist
aoßerordentlich beliebt, besonders zur Zugzeit, d. i. im Herbst und Frühjahr.
Sie ist anstrengend, da die Eskimo den Tieren zuweilen 14 Tage bis 3 Wochen
nachsetzen müssen, dafür aber auch oft reiche Beute erlegen. Die getöteten
Tiere werden auf dem Platze, wo sie erlegt wurden, ausgenommen, mit
Schnee und Steinen zugedeckt, damit Wölfe und Füchse sich nicht an ihnen
vergreifen können, und im Winter in gefrorenem Zustand aus diesem natür-
lichen Eiskeller nach Hause geschleppt. Zwischen den Wölfen und Renntieren
herrscht erbitterte Feindschaft, und aus den häufigen Kämpfen gehen die
letzteren oft als Sieger hervor, da sie mit ihren scharfen Hufen den Wölfen
die Seiten aufreißen.
Aber der Eskimo liebt nicht nur die Jagd, er ist auch empfänglich
für idealere Güter. Wohl jeder christliche Eskimo kann lesen und schreiben,
auch für das Zeichnen haben sie ein entschiedenes Talent, am liebsten treiben
sie aber doch Musik, und es ist wunderbar, mit welcher Schnelligkeit sie
z. B. Melodien erfassen. Auch im Gebrauch der Instrumente erlangen sie
eine gewüto Fertigkeit, und es ist daher gar nicht so schwierig, auf jeder
Station eine kleine Kapelle zu bilden, die mit ganz respektablen Leistungen
aufweisen kann. Sonntags kommen sie gern ins Missionshaus und sind
glücklich, wenn man ihnen etwas vorspielt oder mit ihnen etwas einübt.
Eine nngUabliche Menge von Zuhörern drängt sich so — oft eine Gefahr
für das Hans — in der Stube des Missionars zusammen, und die Luft, die
üch da entwickelt, spottet aller Beschreibung.
Die Reisen in Labrador werden im Winter nur zu Schlitten gemacht,
im Sommer nur zu Boot. Wege gibt es nicht, höchstens getretene Fußpfade,
die im Winter vollständig verschneien. Man sucht sich dann seinen Weg
einfach nach der Himmelsrichtung. Bei Fahrten durch den Wald helfen sich
die Eingeborenen dadurch, daß sie die Bäume anhacken und sich so einen
Weg bilden, der aber auch nur kurze Zeit kenntlich ist. Der Schlitten ist
ein langes, schmales Vehikel, ca. 18 bis 20 Fuß lang und 2 Fuß breit. Er
besteht nur ans 2 starken Brettern als Kufen und kleinen aufgebundenen
7
— 98 —
Brettehen and ist außerordentlich leistnngsfäliig. Als Zagtier dient der
Eskimohand, ein dem Wolfe nahe verwandtes bissiges Tier, das nar darch
Farcht in Zacht gehalten werden kann. Za 16 bis 18 Stück werden sie yor
den Schlitten gespannt, jeder Hand an seiner eigenen bis 15 m langen, aas
festem Seehandsleder angefertigten Leine. Es dauert oft Standen lang, bis
der Treiber die Tiere gltlcklich zusammen hat, da sie gern das Weite suchen,
wenn sie ihn mit den Leinen sich nähern sehen. Sind sie glttcklich ein-
gefangen, so wird die Ladung sodann auf den Schlitten festgeschntlrt, damit
sie, wenn dieser auf der rauhen Bahn gelegentlich auch einmal sich um sich
selber wälzt, keinen Schaden leidet. Aber auch jetzt dauert es mit der Ab-
fahrt noch geraume Weile, da die Hunde, die sich bis dahin niedergelegt
haben, aufgetrieben, jedesmal eine regelrechte BeiAerei in Szene setzen, die
nur durdi Fußtritte und dergleichen Gewaltmittel der Umstehenden abgekürzt
wird, sonst würden die sich gegenseitig zerfleischen. Infolgedessen hinkt
zuerst eine ganze Anzahl auf 3 Beinen davon und erst nach geraumer Weile
hat sich die Schar gewissermaßen eingerenkt, so daß die Reise nun im
rechten Tempo losgehen kann. Ist die Bahn eben und hart, so kann ein
gutes Hundegespann bei den längeren Tagen des Frühjahrs etwa 80 km gut
zurücklegen, Redner kann sogar 95 km aufweisen; anders ist es freilieb,
wenn tiefer Schnee das Land bedeckt. Da muß der Beisende seine Indianer-
Schneeschuhe zur Hand nehmen und vor den Hunden hergehen, um ihnen
erst eine etwas festere Bahn zu treten, da sie sonst in dem tiefen, pulver-
artigen Boden versinken würden. Dann freilich ist man froh, wenn man
5 bis höchstens 10 km pro Tag zurücklegt, und das ist noch ein hartes
Stück Arbeit. Kommt nun der Abend heran und es ist keine menschliche
Wohnung in der Nähe, so muß man ein Schneehaas bauen lassen, worin die
Eskimo große Fertigkeit besitzen und es in einer halben Stunde herstellen.
Ein solches bienenkorbartiges Schneehaus ist ein herrliches Nachtquartier;
auf dem Boden werden die Hundeleinen ausgebreitet, damit sie die Hunde
nicht auffressen, die sich an allem Lederartigen vergreifen, darüber kommt
dann ein Eisbärfell, und auf diesem werden die von dickem Pelz gefertigten
Schlafsäcke ausgebreitet. Trotz der gproßen Kälte von — 25 bis SO* R and
noch mehr ist es doch in solchem Schneehaus verhältnismäßig warm, und
in seinem Schlafsack genießt man meist eine ausgezeichnete Nachtruhe. Die
Hunde bleiben draußen ; sie wissen, daß sie vom Menschen ihr Futter erhalten,
und es wird ihnen daher nicht einfallen, wegzulaufen. Braust gelegentlich
ein tüchtiger Schneesturm über das Land dahin, so lassen sie sich einschneien,
und wenn dann der Schnee zu schwer auf ihnen lastet, so schütteln sie ihn
ab, um sich wieder einschneien zu lassen. Bei einem solchen Schneesturm
kann einem die Zeit im Schneehause recht lang werden, besonders wenn er,
wie gewöhnlich, 3 Tage anhält, aber bei schönem Wetter gibt es nichts
Herrlicheres und Anziehenderes als eine solche Schlittenreise. Auch die
Nächte auf solchen Reisen haben etwas Erhabenes. Gar oft ist der Vor-
tragende noch vor dem Schlafengehen hinausgegangen und hat sich an der
wunderbaren Ruhe in der Natur erquickt. Über dem stillen Lande und das-
selbe hell erleuchtend, erstrahlt am Himmel in allen Farben das herrlichste
Nordlicht, wie es nur Labrador hervorzaubern kann, ab und su hört man
— 99 —
das Krachen des Seeeises, and ans dem Schnee heraus leaohtet das Hans
wie ein glühender Phosphorhanf en. Wahrlich auch Labrador hat seine Poesie,
und es gehört ein sehr abgestumpftes Gemüt dazu, um nicht auch hier sich
Aber die Wunder der Allmacht zu freuen und dieses Land lieb zu gewinnen.
Mittwoch, den 1. November 1905.
Herr Leutnant Wilhelm Filchner-Berlin: Bericht über
meine Expedition znm Oberlauf des Hoanglio in Osttibet.
(Lichtbilder.)
Der Hauptzweck der yon dem Vortragenden in Gemeinschaft mit seiner
jungen Gattin und dem Geologen Dr. med. Tafel auf Kosten des Expeditions-
leiters im Jahre 1904 ausgeführten Expedition war die Erforschung Osttihets,
nnd zwar des Oberlaufes des Hoangho und des Gebietes zwischen dem S-för-
migen Knie des Hoangho nnd Snng-pan-ting, also des Territoriums der
räuberischen Ngolok. Wiederholt war die Erforschung dieser Gegenden die
Aufgabe von hervorragenden Reisenden in den letzten Jahrzehnten gewesen,
aber keiner hatte das Ziel erreicht. Prjeyalsky hatte am oberen Hoangho
infolge der Schwierigkeiten der Verpflegung und der Angriffe seitens der
Ränberstämme umkehren müssen; ebensowenig gelang RockhiU 1892 und
Roboroyski 1895 die Durchführung ihrer Pläne. Die Deutschen Futterer
und Holderer, die von Kaschgar aus über den Kuku-nor zum Ostknie des
Hoangho vordrangen, kamen knapp mit dem Leben davon, und von den
beiden französischen Forschern Dutreuil du Bhins nnd Grenard, die von Süd-
westen vorstießen, wurde ersterer bei Tambuda im Jangtsegebiete von den
Ngolok ermordet, während Grenard sich nordwärts nach Sining durchschlug.
Der Plan Filchners war, auf demselben Wege wie Grenard, nur in
umgekehrter Bichtnng, von Nordosten an den Hoangho vorzudringen, östlich
von der Route des verdienstvollen Russen Koslow, dem es 1900 gelungen
war, die Qnelle des Hoangho festzulegen.
Za Weihnachten 1903 verließ Filchner Shanghai, fuhr den Jangtse
aufwärts bis Hankou und den Han-kiang bis Hsi-ngang, überschritt den von
West nach Ost streichenden Tsin-ling-schang auf einem bisher unbekannt ge-
bliebenen Übergang und gelangte nach der alten Kaiserstadt Si-an-fu und
?on dort über Lan- tschon durch das Tatung-Tal nach Sining-fu, östlich vom
Kuku-nor. Hier blieb seine Gattin zum Zwecke meteorologischer Beobach-
tungen nnd znm Anlegen von Sammlungen verschiedener Art zurück, wäh-
rend Filchner in Begleitung von Dr. Tafel mit einer Karawane, bestehend
tos ö chinesischen Soldaten, 3 Dolmetschern, 15 Mafus, mehreren Dutzend
Pferden und Yaks und Lebensmitteln für sechs Monate am 13. Juli 1904 das
Grenzstädtchen Tscharakuto verließ. Er beabsichtigte, auf der Route Gre-
ntrds zum Hoangho vorzustoßen, von dort aus nach Süden zu den Bajen-
kara-Bergen vorzudringen, sodann den Marsch nach Osten zum S-förmigen
Knie des Hoangho zu wagen und, diesem folgend, zu versuchen, nach Sung-
pan-ting in der chinesischen Provinz Setschuan durchzubrechen, eine riesen-
hafte Aufgabe, die, wenn sie gelingen sollte, an die Energie und Tatkraft
des Leiters der Expedition und an die physischen Kräfte von Menschen und
7*
— 100 —
Tieren die grOfiten Anforderungeii stellte. Dia Gllldc war den Tapferen hold^
sie wnrde glänzend gelöst.
Der Weg fflhrte znn&chst am Kuku-nor vorbei aber die einfönnigen
bis 6000 m beben Bftcken des Si-an-si-bei , an dessen südlichem Fuße der
Tosso-nor liegt, sodann über die nach Ostsüdost streichenden Ketten des
Amnje-matschin-Gebirges bis zur Hoanghoebene. Von Feindseligkeiten blieb
die Expedition auf dieser Strecke Terschont, was wohl in dem raschen und
unvermuteten Vordringen seine Ursache hatte, am so mehr aber litt sie in dem
öden Lande durch anhaltende Schneestürme nnd durch die großen Schwierig-
keiten beim Passieren zahlreicher Sümpfe und dorch Fattermangel. Die
chinesische Begleitung, die nach ihren späteren Aussagen insgeheim von
ihren Oberen den Befehl erhalten hatte, die Beisenden umzubringen, meuterte
fast täglich. Trotz aller dieser widrigen Umstände gelang es aber, die
geologische Beschaffenheit der Qebirge eingehend zu studieren und karto-
graphische Aufnahmen zu machen ; insbesondere wurde die Lage des von neueren
Forschern verschieden angegebenen Tosso-nor genau bestimmt. Da sich ein
Übersetzen über den Hoangho wegen der starken Strömung als unmöglich
herausstellte, wandte sich die Expedition stromaufwärts dem Oring-nor zu,
entdeckte westlich von diesem ein bis dahin unbekanntes, nordwärts gerich-
tetes Knie des Flusses und gelangte südlich davon zu dem 20qkm großen
Kala-nam-nor. Den riesigen Windungen des Bitzü, eines Nebenflusses des
Hoangho, folgend, der sich wieder ostwärts wandte, stieß die Expedition
nach Mühseligkeiten aller Art, nach empfindlichen Tierverlusten Mitte August
in dem sich stetig verbreiternden Flußtal aaf das erste größere Nomaden-
lager Bischowarma, dessen militärische Bedeckung zum großen Teil abwesend
war, weshalb Filchner und seine Leute diesmal von Feindseligkeiten unbe-
helligt blieben. Ungefähr einen Monat lang folgte die Elxpedition in ost-
südöstlicber Bichtung dem Strom entlang bis zur Mündung des von Süden
kommenden Scbatörtsch und des Dotzü und traf unterwegs noch mehrere
Ngolokdörfer an, so Korgan, Dodi und Dojnng, die alle unter dem Einfloß
fem gelegener Klöster stehen und den Fremden mit größtem Mißtrauen be-
gegneten. So war man in dieser unsicheren Gegend bis nach Wasserr, einem
700 Zelte zählenden Hanptorte der Ngolok, gekommen, da sperrte dessen Häupt-
ling, der in den Beisenden Europäer vermutete, diesen den Weg. Die Gefahr
war groß, bestätigte sich der Verdacht des Häuptlings, so stand den kühnen
Forschern Blendung und Pfäblung bevor. Die Gefahr ging glücklich vor ttber;
die Beisenden gaben sich als mohammedanische Priester aus dem westlichen
China aus nnd spielten, besonders Dr. Tafel, bei den rituellen Zeremonien
ihre Bolle so vollendet, daß selbst einige anwesende mohammedanische Kauf-
leute sich täuschen ließen und das Mißtrauen des Häuptlings so völlig be-
seitigt wurde, daß er ihnen sogar noch zwei seiner besten Freunde als Führer
mitgab, die in der Folge noch wertvolle Dienste leisteten. Trotzdem hatten
die Beisenden auf dem Weitermarsch mit stetig wiederkehrendem Verdacht
und gelegentlichen Gewalttätigkeiten zu kämpfen, denen man nur durch die
größte Wachsamkeit und Kaltblütigkeit des Leiters der Expedition entging.
Aber noch Schlimmeres stand bevor. Durch die Verräterei der Chinesen ge-
langte die Expedition auf dem schwierigsten Gelände und unter den größten
— 101 —
Entbelmiiigen mitten in das in einem schmalen Scblnchttale anf 5000 m Hohe
gelegene Hanpträabernest der Ngolok hinein, in die Stadt Qnaba, die aoB
iweistOckigen, steinernen Hänserreihen besteht. Hier wurde die Expedition
flberfallen und konnte nnr durch schleunigste Umkehr bei Nacht und Um-
gehung der Stadt nach Osten der Gefangenschaft entrinnen. An einen Kampf
mit der erdrückenden Übermacht war infolge Patronenmangels nicht zu
denken, so gingen alle Vorräte, die Yaks und die gesamte Ausrüstung ver-
loren, und nur die wissenschaftliche Ausbeute wurde gerettet. Mit Aufbietung
der letzten Kräfte mußte jetzt versucht werden, die chinesische Stadt Snng-
pan, das Endziel, zu erreichen, denn die Not war aufs höchste gestiegen.
Der Vortragende und Dr. Tafel eilten dortbin voraus, um der ermatteten
Expedition Hilfe entgegen zu senden. In der letzten Zeit hatte man mehrere
Pferde zu Nahrungszwecken schlachten müssen, die noch übrigen Pferde
glichen Gerippen. Die zu Tode erschöpften Leute drohten mit Meuterei und
Verrat, und nur die Todesfurcht trieb sie an, die unaufhörlich miteinander
abwechselnden Gebirgsrücken und Flnßlänfe zu überschreiten. Endlich am
11. Oktober 1904 wurde Sungpan erreicht. Von der weit über hundert Pferde
und Taks starken Expedition Filchners kamen nur wenige Tiere zurück,
dagegen war trotz aller Gefahren kein Menschenleben verloren gegangen.
Sechs Tage blieb die Expedition in Sungpan , dann setzte sie ihren Weg
nordwärts fort, und nach 22tägigem Gewaltmarsch erreichten Filchner und
Tafel Sining-fu, wo ersterer seine Gattin, die unterdessen ihre Beobachtungen
und Sammlungen fortgesetzt hatte, wohlbehalten antraf und mit ihr am
12. November die Rückreise nach Shanghai antrat.
Die Expedition hatte ihre Aufgabe glänzend erfüllt. Großes war ge-
leistet worden. Ununterbrochene Routenaufnahmen Filchners haben die ganze
durchforschte Strecke festgelegt, insbesondere ist die Lage der Seen am oberen
Hoangho genau bestimmt, das große, unbekannte Gebiet läng^ der Bajenkara-
kette und seine Höhenlagen sind erschlossen , wir kennen selbst die Richtung
der überschrittenen Gebirge und durch Dr. Tafeis Untersuchungen auch ihre
geologische Beschaffenheit. Filchner hat astronomische, meteorologische und
erdmagnetische Messungen vorgenommen und ethnographische, zoologische und
botanische Sammlungen angelegt; dazu kommen noch 800 pbotographische
und photogrammetrische Aufnahmen Filchners in Tibet.
Von den von dem kühnen Forscher geplanten Veröffentlichungen seiner
hochinteressanten Erlebnisse und wissenschaftlichen Ergebnisse ist bis jetzt
erschienen : Das Kloster Kumbum in Tibet. Ein Beitrag zu seiner Geschichte.
Berlin, Mittler & Sohn, 1906.
Mittwoch, den 8. November 1905.
Herr Hauptmann Ph. Engelhardt-Ingolstadt: Meine
Reise Ton Ost nach West durch den Sfiden yon Kamerun.
(Lichtbilder.)
Der Vortragende wurde im Herbst 1900 vom Auswärtigen Amte mit
der Leitung einer größeren Expedition beauftragt, die gemeinsam mit einer
— 102 —
französischen wichtige Punkte and Teile der Grenze des Schutzgebietes Ka-
merun gegen das französische Kongogebiet vermessen und feststellen sollte. Die
Südkamerun-Grenzexpedition und die Mission de d^Iimitation Congo-Kameroun,
wie die beiden Expeditionen offiziell hießen, begannen ihre Arbeiten im Januar
1900 am Campe im äußersten Südwesten von Kamerun, wo es ihre Aufgabe
war, den Schnittpunkt des 10. Meridians östlich Greenwich und des Talweges
des Campoflusses festzustellen, um darnach den sogenannten Parallel des
Campo d. i. den Breitenkreis zu bestimmen, auf dem der genannte Schnittpunkt
liegt. Dieser Parallel, dessen ziffernmäßiger Wert mit f = 2^2' 20" nördl.
Breite bestimmt wurde, bildet auf ungefähr 600 km die Südgrenze unserer
Kolonie. Nach neunmonatlicher entbehrungsreicher Arbeit in dem ungesunden
Urwaldklima Kameruns, während der die beiden Expeditionen fast die Hälfte
ihres weißen Personals wegen schweren Erkrankungen nach Hause entlassen
mußten, begaben sie sich nach der Südostecke von Kamerun, dem Langa
Nyoko-Gebiet, um hier eine längere Grenzlinie zu vermessen. Die Festlegung
der Grenze war in diesem Gebiet in besonderem Maße notwendig geworden,
weil hier die Konzessionsgebiete zweier Handelsgesellschaften, der deutschen
Gesellschaft Südkamerun und der französischen soci6t6 de Nyoko aneinander
stießen und sich infolge des Mangels einer festen sichtbaren Grenze wiederholt
Differenzen zwischen beiden Gesellschaften ergeben hatten. Nach Beendigung
der Grenzvermessungsarbeiten, die am 15. Oktober 1902 ihren Abschluß
fanden, nahm Hauptmann Engelhard t seinen Rückweg durch Kamerun. Auf
dieser Forschungsreise, die den Hauptgegenstand seines Vortrags bildete,
beabsichtigte Engelhardt insbesondere die Schiffbarkeit des Kadei und des Long
(Nyong) zu erkunden und durch astronomische Längen- und Breitenbestim-
mungen und Routenaufnahmen die Kartographie des Landes zu fördern.
Mit 20 schwarzen Polizeisoldaten und 30 Trägern schiffte sich Hauptmann
Engelhardt am 22. Oktober 1902 auf den Dampfern Kamerun und Dr. Plehn
bei der früheren deutschen Station am Nyoko ein. Die Expedition wurde
von dem Grafen Schlippenbach f, dem Direktor der Gesellschaft Südkameruo,
begleitet. Die Dampferreise führte von Wesso aus den Sanga aufwärts nach
Nola, von dort in den wenig befahrenen Kadei hinein, wo die Stromschnellen
beim Dorfe Sangoma der Weiterfahrt unerwartet rasch ein Ziel setzten.
Während Graf Schlippenbach mit den Fahrzeugen zurückkehrte, folgte Engel-
hardt dem Laufe des Kadei aufwärts bis Beri, soweit als möglich den Floß
im Kanu befahrend. Von Beri begab er sich nach Bertua. Nach mehr-
wöchentlichem Aufenthalte in diesem Sultanate, wo Engelhardt wie schon
vorher in Bua-Besimbo, eine geographische Längenbestimmung vornahm,
wandte er sich nach Westen und durchquerte das noch unbekannte von
Menschenfressern bewohnte Gokuin- und Makäland, folgte einige Tagemärsche
dem Laufe des Long und erreichte anfangs Februar 1903 über Simekoa die
Station Jaunde. Von hier reiste Engelhardt durch Bakoko über Lolodorf, dann
durch das Buliland zur Küste nach Kribi, wo er am 19. April 1903 eintraf.
Der Redner schilderte in seinem Vortrage, der von Lichtbildern nach selbst-
gemachten Aufnahmen begleitet war, nicht nur eingehend Land und Leute,
sondern besprach auch die Produktions-, Handels- und Verkehrs Verhältnisse
der von ihm bereisten Gebiete und beleuchtete deren Eutwickelungsmöglich-
— 103 —
keiten. Hauptmann Engelhardt sieht in dem Znsammengreifen einer ver-
nflnftigen Eingeborenenpolitik, die die Neger durch Einführung von Ein-
geborenenkultnren zur Arbeit erzieht, mit einer Verkehrspolitik, die planmäßig
und energisch mit dem Bau von Eisenbahnen und anderen Verkehrswegen
Torgeht, das einzige Mittel, unsere große und fruchtbare Kolonie Kamerun
wirtschaftlich zu heben und es zu ermöglichen, daß wir entsprechenden Ge-
winn ans ihrem Besitze ziehen.
Mittwoch, den 15. November 1905.
Herr Dr. Gottfried Merzbacher-Mfinchen: Die Er-
forsehiiDg der Hochregionen des Tian-Schan. (Lichtbilder.)
Der Vortragende, welcher zwei Jahre, 1902 und 1903, darauf ver-
wendete, um die höchsten, bisher nahezu unbekannten Regionen dieses ent-
legenen und schwer zugänglichen Gebirges zu erforschen, ist seit Jahrzehnten
als Hochgebirgsforscher weithin bekannt geworden und hat sich besonders
durch sein monumentales Werk »In den Hochregionen des Kaukasus" ^) unter
den Reisenden, welche sich diesem schwierigsten Teile der geographischen
Forschung zugewendet haben, einen rühmlichen Namen erworben.
Als Einleitung seiner Darlegungen gab der Redner zunächst seinen
Zuhörern ein allgemeines Bild vom orographischen Baue des Tian- Schau-
Gebirges. Dieses erstreckt sich mit einer Hauptachsenrichtung von NO. nach
SW. ; etwa in der Breitenlage des mittleren Italiens, d. h. zwischen dem 40.
und 46. Orad nördlicher Breite, auf eine Länge von etwa 2000 km, ist dem-
nach mehr als doppelt so lang, als die europäischen Alpen. Rings von
Steppen und Wüsten umgeben, durchzieht es das russische Tnrkestan und
das südliche Sibirien bis in die hochgelegenen, plateaugleichen Steppen der
Mongolei hinein. Wenn der Tian-Schan auch ein Kettengebirge ist, so zeigt
er doch nicht den komplizierten Bau unserer Alpen. Die einzelnen Ketten-
züge und Glieder weisen viel gewaltigere Verhältnisse auf, aber einfachere
Formen. Es wirkt hier mehr die ungeheure, erdrückende Wucht der Massen,
als die Mannigfaltigkeit der Gliederung. Infolge des Steppen- und Wüsten-
gttrtels ist die Besiedelung schon am Rande des Gebirges auf nur verhältnis-
mäßig wenige Punkte beschränkt ; das Innere des ungeheuren Gebirgslandes
ist mit Ausnahme der für menschliche Niederlassungen vorzüglich geeigneten
großen Senkungsbecken: Ferghanna, Issyk-kul, Ili und Bagrasch-kul fast
menschenleer nnd wird nur von nomadisierenden Kirgisen und Kalmaken
durchzogen.
Den Flüssen ist infolge der Anordnung der Kettenzüge der Lauf in
Längstälem vorgeschrieben, einzelne von ihnen aber schwenken jäh in die
Quertalrichtung ab und durchbrechen die Kettenglieder. Das Entwässerungs-
system ist aber ein durchaus kontinentales, da kein Tropfen der den großen
Eis- nnd Schneemassen entströmenden Flüsse das Weltmeer erreicht. Diese
versiegen entweder in den ungeheuren Transportanhäufungen am Rande des
^) Leipzig, Duncker & Humblot 1901.
— 104 —
Gebirges, oder ergießen sich in Binnenseen, welche in weiter Entfemnng
vom Rande des Gebirges sich erstrecken.
Die vertikale Gliederung des Tian-Schan übertrifft die der Alpen nm
über 2000 m. Wenn es dort nnn auch eine große Zahl von Bergen gibt,
die bis zn 6000 m nnd darüber ansteigen, so erreicht doch nnr ein einziger
die Höhe von etwa 7200 m; es ist dies der Khan-Tengri; seine schlanke
Pyramide ragt isoliert aus der weiten Gebirgsmasse ohne jeden Rivalen noch
um 800 m über ein Meer von Gipfeln hinaus. Dieses eigenartige Verhältnis
gab Veranlassung, ihn für den Knotenpunkt des ganzen Tian-Schan-Systems
anzunehmen, von dem aus die hauptsächlichsten Ketten auslaafen. Aach
glaubte man, daß in ihm eine vermutete kristallinische Achse des Gebirges
ihr höchstes Hebungsniveau erreiche. Selbstverständlich bildete daher dieser
wichtige Berg, dem bisher noch niemand nahezukommen vermochte, ein
Hanptforschungsobjekt Dr. Merzbachers. Aber erst nach vielen vergeblichen
Versuchen und nach mehrjährigen Anstrengungen konnte das ersehnte Ziel
erreicht werden, wobei sich dann herausstellte, daß beide eben besprochenen
Voraussetzungen falsch waren.
Da das Gebirge im Herzen des größten Kontinentes liegt und demnach
der vollen Wirkung des kontinentalen Klimas ausgesetzt ist, so hielt man
bisher die Ausdehnung seiner Vergletscherung für verhältnismäßig gering,
wiewohl bei der bedeutenden vertikalen Erhebung der Kämme diese schon
von ferne den Schmuck ihrer FimschneehüUen zeigen. Dr. Merzbacher hat
im Laufe seiner, mit ungeheuren Schwierigkeiten verbundenen Wanderungen,
den Nachweis erbringen können, daß die großen inneren Längstäler nng^
heure Vorräte an Firn bergen, welche Gletscher entsenden, die zu den
größten kontinentalen Eisströmen gerechnet werden müssen. Anknüpfend
an diese Tatsache widerlegte der Vortragende die in der Wissenschaft bisher
festgehaltene Hypothese von einer gegenwärtig noch zunehmenden Aastrock-
nung Zentralasiens.
Wenn diese nnd viele andere neue Tatsachen, besonders auf dem
Gebiete der Urographie, Geologie und Stratigraphie sowie der jetzigen und
einstigen Vergletschernng des zentralen Tian-Schan bedeutungsvolle Ergebnisse
der Merzbacherschen Expedition sind, so liegt dies daran, daß er eben der
erste Forscher war, der die innersten Täler des zentralen Tian-Schan, diese
ungeheuren Eiswildnisse bis zu ihrem Ursprünge durchwanderte und ihre
Umrandungen an vielen Stellen erklomm, wozu ihn seine große Erfahrung
und Übung in der Bereisung vergletscherter Hochgebirge befähigte, indem
er also den Alpinismus in den Dienst der Wissenschaft stellte.
Keineswegs verschwieg der Forscher jedoch die großen und rühmlichen
Verdienste, welche seine Vorgänger in der Erforschung des Tian-Schan sich
erworben haben, und gab einen kurzen Rückblick auf die Erschiießungs-
geschichte , wobei er der berühmten rassischen Forscher P. P. Semenow,
N. Sewerzow and J. W. Muschketow in besonders warmen Worten gedachte.
Aach die Förderung seiner schwierigen Pläne, welche ihm auf Veranlassung
der kaiserlich russischen Geographischen Gesellschaft durch die rassischen
Behörden zuteil wurde, hob Dr. Merzbacher mit dankbaren Gefühlen hervor.
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Am 15. Kai 1902 yerließ der Vortragende München in Beg^leitnng djM
bekannten trefflichen Alpinisten, Herrn Ingenieurs Hans Pfann aas Mflnchen,
des jungen Geologen Herrn Hans Keidel ans Freibarg i. Br., eines zoologi-
schen Präparators and eines Tiroler Bergführers. Die Reise führte anf der
tnrkestanischen Bahn bis Taschkent and von dort durch die Steppen Turkestans
and des südlichen Sibirien bis zum See Issyk-kul, wo das Städtchen Prsche-
walsk, am Ostnfer des Sees gelegen, den Ausgangspunkt für die Gebirge-
forschang bildete.
Die ungewöhnlichen Schwierigkeiten, welche auf einem mehr als 1000 km
langen, der richtigen Fahrstraßen meist entbehrenden Landwege bis zum Faße
des Gebirges, der Transport der umfangreichen Ausrüstung, besonders aber
der der empfindlichen und unersetzlichen Instrumente und Apparate ^hervor-
ruft, beleuchtete der Redner und erwähnte hierbei, daß ihm hierin die Er-
fahrungen zu statten kamen, welche er bei seiner 10 Jahre früher unter-
nommenen ersten Tian-Schan-Expedition gemacht hatte. Die Erzählung von
der Überschreitung des San-tasch-Passes gab dem Redner Gelegenheit zur
Schilderung des berühmten Kirgisenjahrmarktes von Karkara, dessen Schau-
platz ein etwa 2000 m hochgelegenes, in der Tertiärzeit von einem See aus-
gefüllt gewesenes ungeheures Becken ist, dessen Boden nunmehr von den
üppigsten Alpdnwiesen mit einer prachtvollen Flora bedeckt ist und von
einem Kranze mannigfaltig geformter, mit kleinen Gletschern geschmückter
Berge umschlossen wird. Für die in den Tälern des zentralen Tian-Schan
nnd in den weiten Steppen an seinem Foße nomadisierenden Kirgisenstämme
bietet dieser während des ganzen Sommers dauernde Jahrmarkt Gelegenheit
zum Austausch der Produkte ihrer Vieh- und Pferdezucht gegen die Erzeng-
nisse der Landwirtschaft und Industrie. Es spielt sich dort ein Verkehr ab
in Wirtschaftsformen, die einer in Europa seit Jahrhunderten entschwundenen
Kulturepoche angehören und er hat einen Wechsel von Bildern zur Folge,
die an malerischem Reize und Eigenart nicht leicht zu übertreffen sind.
Unter den dortigen Kirgisen hatte der Vortragende nicht nur die für seine
Hochgebirgsexpedition nötigen Pferde zu kaufen, sondern auch gebirgskundige
Führer anzuwerben, welche dazu bestimmt waren, die Ausrüstung, Instru-
mente, Apparate und Vorräte über weite Schnee- und Eisgefilde zu tragen bis zu
extremen Höhen. Von der Möglichkeit, hierzu geeignete Leute zu finden, hing
überhaupt der Erfolg der Expedition ab. Da aber die Kirgisen ein Reitervolk
sind, nicht gewöhnt an Lasten tragen und an lange Fußmärsche, ganz beson-
ders nicht an solche über Schnee und Eis, so entstanden dem Reisenden schon
bald die größten Schwierigkeiten, welche die Ausführung mancher Pläne stark
beeinträchtigten, andere auch ganz verhinderten. Indrasti scheu Darlegungen
erweckte der Redner eine anschauliche Vorstellung von diesen schwierigen
Verhältnissen und ging dann zur Schilderung der ersten Vorstöße ins eigent-
liche Hochgebirge über, wobei er die Beschreibung der wundervollen Hoch-
gebirgstäler durch sehr gelungene Lichtbilder ergänzte.
Insbesondere wurde der große Wildreichtum des Gebirges hervorge-
hoben (Wildschafe und Steinböcke). Die ausgedehnten Waldbestände wurden
geschildert, welche hauptsächlich von einer prächtigen Fichtenart, der Picea
Sohrenkeana gebildet werden. Auch der üppigen Alpenflora, die sich dort
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entfaltet, wntde gedacht, besonders der Häafi^^eit und weiten Verbreitung
des Edelweis.
An der Hand der bisherigen, vom rassischen Generalstab hergestellten
Karten, die der Vortragende projiäerte, und dorch Projektion einer anf
Grand seiner eigenen Aafnahmen hergestellten provisorischen Karte, welche
den in Petermanos Mitteilnngen, Ergänznngsheft 149, veröffentlichten Reise-
bericht begleitet, erläuterte der Vortragende, wie unrichtig die bisherigen
Darstellungen vom Baue des zentralen Tian-Schan waren, und in wie weit-
gehender Weise sie berichtigt werden müssen ; namentlich mit bexug auf die
Position des Khan-Tengri ergab sich sofort die Unhaltbarkeit der bisherigen
Annahmen und die Unrichtigkeit der Darstellung der bisherigen Karten.
Um die wirkliche Position des Riesenberges zu erkunden, wurde nan
eine Reihe von Hochgebirgstälern besucht, znnächst eines der größten nörd-
lichen Qaertäler, das Bayumkol-Tal durchforscht, wobei nicht nar die bisher
unbekannten ausgedehnten Gletscher in dessen Schlußweitnngen vermessen
warden, sondern auch zum erstenmale ein geologisches Qaerprofil durch den
zentralen Tian-Schan gelegt worde.
Die Schwierigkeiten und Fährlichkeiten, welchen die Expedition bei
Darchführung dieser Unternehmungen ausgesetzt war, entsprangen teils ans
der wilden Natur der Gegend, teils aus dem üblen Willen der kirgisischen
Begleitmannschaft, wofür der Vortragende dramatische Episoden anführte,
zum guten Teile aber auch aus den eigenartigen, hier herrschenden und
außerordentlich unbeständigen Witterungsverhältnissen. An! diese und ihre
klimatischen Ursachen näher eingehend, griff der Reisende zugleich auf die
Eigenart des zentralasiatischen Klimas überhaupt über und erläuterte hierbei,
wie sehr er auf Grund der von ihm im Tian-Schan entdeckten ausgedehnten
Längstalgletscher und der ungeheuren in ihren Nährbassins aufgestapelten
Firn- und Schneemassen die bisher in der Wissenschaft geltende Hypothese
von einer jetzt noch zunehmenden Austrocknung Zentralasiens anzweifeln müsse.
Hieran knüpften sich interessante, durch Lichtbilder anschaulich
gemachte Darstellungen über die Technik des Reisens im zentralen Tian-
Schan, insbesondere über die Überschreitung von hohen vergletscherten Pässen
mit beladenen Pferden und über das primitive und harte Leben der Forscher
in den im Banne des Schnees und Eises liegenden Hochregionen. Dort, unter
den ungünstigsten Witterungs- und Verpflegungsverhältnissen muß in niedrigen
Zeltchen von der Form und Größe einer Hundehütte biwakiert werden und
die dabei zu ertragenden Entbehrungen, liühseligkeiten und Sorgen bezeichnete
der Redner weit schlimmer, als alles, was unter normalen Verhältnissen
Nordpolfahrer bei ihren Forschungen zu erdulden haben.
Ein weiterer Teil des Vortrages handelte von der Durchwandernng
des großen Längstales Sary-dschaß und der trigonometrischen Aufnahme des
in seinem Hintergrunde sich dehnenden, etwa 30 km langen Gletschers, den
man zn Ehren des berühmten rassischen Forschers Semenow-Gletscher be-
nannt hat. Daran schlössen sich Mitteilungen über die in der Umrandung
dieses ungeheuren Eisfeldes ausgeführten Bergbesteigungen, welche haupt-
sächlich zu dem Zwecke unternommen wurden, um durch photographische
Aufnahmen Unterlagen für die Darstellung des Baues der schwer, oder gar
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nicht sagänglicheD, entfernten Teile des gänzlich in Schnee und Eis gehüllten
Hochgebirges zu gewinnen.
Dabei erläuterte der Redner an Beispielen, wie sehr dieser Zweck
durch die Telephotographie gefördert wurde. Prachtvolle Panoramen von
4 bis 6 m Länge, von dem Vortragenden zar Ausstellung gebracht, mit
Darstellangen der in wunderbar kühnen Formen aufgebauten gänzlich ver-
eisten, großen Parallel-Kettenzüge des zentralen Tian-Schan bewiesen, bis
zu welcher Vollendung die Technik der Telephotographie auf dieser Expedition
entwickelt wurde. Ein anderer Zweck dieser Besteigungen war der, die
wirkliche Position des Khan-Tengri zu entdecken, doch gelang es vorerst
nicht, dieses schwierige Problem zu lösen. Bei einer der Besteigungen —
es handelte sich um einen über 6000 m hohen Berg — wären die Teilnehmer
an der Expedition beinahe zugrunde gegangen, indem sie, schon ganz nahe
dem Qipfel, mit der lockeren, oberen Schneedecke, die dem gefestigteren
darunter liegenden Altschnee auflag, abwärts glitten; nur durch einen zu-
fälligen Umstand wurde der in Bewegung befiodlichen Schneemasse etwa
200 m tiefer Halt geboten und so entgingen die Bergsteiger einem tragischen
Schicksale.
Dieser Umstand gab dem Reisenden Veranlassung zu erklären, daß
im zentralen Tian-Schan infolge solcher in den Höhenlagen über 5000 m
als normal anzusehender Schneeverhältnisse die Besteigung der höchsten
Gipfel immer mit bedeutender Gefahr verbunden ist oder ganz unmöglich
sei. Hieran knüpfte er Erläuterungen über die eigenartigen meteorologischen
und klimatischen Verhältnisse, welche die trockene und pulverige Be-
schaffenheit des Hochschnees im Tian-Schan hervorrufen.
Ein weiteres Forschungsziel der Expedition war das große Längstal
Inyltschek, wo sich ein bisher für 12 km lang gehaltener Gletscher dehnt,
der jedoch nach der durch Dr. Merzbacher ausgeführten Vermessung in
Wirklichkeit eine Länge von mehr als 70 km besitzt, bei einer Breite von
3 bis 5 km. Das untere Drittel dieses gewaltigen Eisstromes ist, wie bei
den meisten Tian-Schanischen Gletschern, von einer etwa 100 m mächtigen
Schnttdecke gänzlich verhitllt, die infolge verschiedener Ursachen die Form
eines Gebirges im Kleinen angenommen hat. Die Begehung des Gletschers
ist daher in seinem unteren Teile außerordentlich mühevoll und mit großem
Zeitverluste verbunden, weshalb die Forscher bei ihrem ersten Besuche nur
wenig leisten konnten, zumal die Begleitmannschaft den Dienst versagte
und die Verproviantierung der Kolonne sich als unzureichend erwies. In
begeisterten Worten schilderte der Redner die gewaltige, den Gletscher im
Süden begrenzende Hochgebirgskette: «Eline Riesenkette der schroffsten und
wildesten Fimgipfeln in den mannigfaltigsten Formen, welche gipfel bildende
Kräfte je ausgemeißelt haben, dehnt sich in einer Länge von mehr als SO km
gegen Osten, eines der großartigsten Hochgebirgsbilder der Erde !"
Doch selbst jetzt konnte die wirkliche Lage des Khan-Tengri noch
nicht festgestellt werden, wie wohl man ihn auch hier an einigen Stellen in
großartiger Weise zu Gesicht bekam. Von einem Phänomen, einem starken
Brdbeben, das hier erlebt wurde, berichtete der Redner, daß durch die
starke £^chtttterung ungeheure Bismassen von zerborstenen Hängegletscbern
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sich ablösten nnd mit entsetzlichem Oetöse in die Schlacbten des Gebirges
hinabstürzten, von wo sodann Schnee and Etsstanb in mächtigen Sftnlen
emporstieg. Nach einem zunächst nnr flüchtigen Einblick in die weiter
südlich gelegenen bisher anbekannten Längstäler Kaündü and Koi-ka! warde
die Expedition durch heftige Schneefälle gezwangen sich wieder einen Weg
nach Norden za bahnen, wobei das prächtige Hochalpen tal Kap-kak seiner
ganzen Länge nach durchwandert warde. Nach einem abermaligen Besuche
des Bayumkol-Tales , bei welchem die geologischen und topographischen
Arbeiten dort ihren Abschloß fanden, sah sich die Expedition infolge der
bereits im September aufgetretenen, winterlichen Wittemng gezwungen, auf
dem Wege über den vergletscherten Musart-Paß den Hauptkamm zu über-
schreiten und zu versuchen, ob nicht noch eine Fortführung der Arbeiten am
Südabhange ausführbar sei. In bewegten Worten schilderte der Vortragende
einen schweren Verlust, von dem er hierbei betroffen wurde: Als man einen
reißenden Bergstrom überschritt, fiel ein Lastpferd in die Fluten, wobei
infolge Durchnässung eines Gepäckstückes 60 große photographieche Negative
vernichtet wurden: „Meistens Panoramas und Telepanoramas, aufgenommen
von heben Standorten, die Frucht unsäglicher Mühe und Sorgfalt, waren
unwiderbringlich dahin."
Da auf diese wichtigen geographischen Dokumente nicht verzichtet
werden konnte, war die Expedition im folgenden Jahre gezwungen, schon
besuchte Örtlichkeiten nochmals aufzusuchen, was in der Folge der Gründ-
lichkeit der Forschungen und ihren Ergebnissen sehr zu statten kam.
Durch ausgezeichnete Lichtbilder war die Schilderung begleitet, welche
der Reisende von der schwierigen Durchschreitnng der Seracs des Dschiparlik-
Gletschers entwarf, der den Musart-Paß bedeckt, sowie der Bericht über die
Wanderung durch das in vieler Hinsicht merkwürdige 80 km lange, südliche
Musart-Tal, wo Wüste und vereistes Hochgebirge, wie selten irgendwo, in
unmittelbare Berührang treten.
Die Reise der Expedition entlang dem Südrande des Tian-Schan nnd
durch die Steppen von chinesisch Turkestan konnte nur in flüchtigen Strichen
erwähnt werden, wobei jedoch verschiedenes Charakteristische von den dortigen
großen Handelsstädten Ak-su, Maralbaschi, Kaschgar und Bai mit ihrer
gemischten türkisch-chinesischen Bevölkerungen hervorgehoben und durch
Lichtbilder anschaulich gemacht wurde. Kaschgar bildete das Standquartier
der Expedition während des Winters, doch wnrde von dort aus eine Reihe
von Ausflügen in die südlichen Randketten und Täler des Tian-Schan unter-
nommen, vorzugsweise um paläontologische Sammlungen anzulegen, was
zur Aufbringung eines für die Stratigraphie Zentralasiens wichtigen, umfang-
reichen Materials führte.
Dem Studinm der tektonischen Störungen, welche sich dort gerade zu
jener Zeit fortgesetzt in besonders verheerender Weise in Form von Erd-
beben äußerten, wurde speziell Aufmerksamkeit zugewendet.
Im Frühjahr 1903 nahm die neuorganisierte Expedition, die nun über
besseres und geschulteres Trägerpersonal verfügen konnte, die Arbeiten im
Hochgebirge wieder auf, indem sie zunächst das große, am Südrande entlang
ziehende Längstal Kok-schaal, das in seinem weiteren Laufe Tausohkan-daija
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Spenannt wird, dnrchforsohte, dann aber sich weiter nach Osten wendete, am
einen bisher gänzlich unbekannten Teil des Tian-Schan, den Chalyk-Tau in
den Kreis der Forschongen einzabeziehen. Als Ausgangspunkt hierzu diente
die große sarto-chinesische Handelsstadt Bai. Nachdem man die wichtigsten
Qaertäler dieses Gebietes kennen gelernt und das auf den bisherigen Karten
unrichtig dargestellte hydrographische System des Chalyk-Tau festgelegt
hatte, wandte man sich wieder gegen Westen. Es galt die bisher unbekannten
großen stldlichen Qaertäler des zentralen Tian-Schan kennen zu lernen, wo-
bei ein wichtiges Problem gelöst werden sollte : Die aus den ungeheuren
Qletschern der großen Längstäler des zentralen Tian-Schan entspringenden
Flüsse vereinigen sich schließlich in einer Rinne, welche, beiläufig meridional
laufend, die sämtlichen Ketten durchbricht und so die vereinigten Gewässer
dem Tarim zuleitet. Man nahm bisher an, daß dieser Durchbrach im Tale
des Dschannart stattfinde, und so wurde die Sache auch auf allen bisherigen
Karten dargestellt. Es ist ein Verdienst der Merzbacherschen Expedition,
nach allerdings mühevollen Wanderungen festgestellt zu haben, daß diese
Ansicht falsch war. Es gelang dem Forscher schließlich, die wirkliche Durch-
bruchsstelle im Tale des Kum-aryk zu entdecken.
In den südlichen Quertälern konnte eine besonders überraschende
Tatsache festgestellt werden, daß nämlieh auch hier, am Rande der heißesten
Zone, also in einem Gebirge, das der vollen Witkung des kontinentalen
Klimas ansgeseizt ist, verhältnismäßig große Vorräte an Firnschnee ange-
häuft sind, die bedeutende Gletscher entsenden, von denen der Sabawtschö-
Gletscher mit etwa 18 km Länge der größte ist.
Auf dem Rückwege nach Norden wurde das Bedel-Tal durchforscht und
der vereiste Bedel-Paß überschritten. Nach einer Wanderung über eine Serie
ca. 4000 m hochgelegener Plateaus, zwischen den großartigen gänzlich ver-
gletscherten Ketten Ak-schirjak und Borkoldai, querte man die Kette des
Terskei-Ala-Tau über den schwierigen Paß Souka und gelangte durch das
gleichnamige, an landschaftlichen Reizen reiche Quertal wieder an den
Issyk-kal-See.
Nun wurden die Forschungen am Nordabhange wieder aufgenommen.
Die Vermessung der großen Gletscher Semenow, Muschketow und Inyltschek
wurden anter ungemein großen Schwierigkeiten zu Ende geführt. Bei
der Vermessung des Inyltschek-Gletschers gelang es Dr. Merzbacher, nach
Besiegung immer neu auftauchender Hindernisse endlich, nach unerhörten
Anstrengungen sich dem höchsten Berge des Tian-Schan, dem Khan-Tengr,
zu nähern und seine Lage festzustellen. In dramatisch bewegter und ge-
steigerter Schilderung gab der Redner unter Vorführung trefflicher Lichtbilder
Kunde von seinen Erlebnissen auf dem ungeheuren Eisfelde und von der
Besiegung aller Schwierigkeiten, aber auch von der stolzen Befriedigung, die
ihn erfüllte, als es ihm gelungen war, den geheimnisvollen Schleier zu lüften,
der bisher um den riesenhaften Berg gelegen hatte. ,Der Riesenberg, der
Beherrscher des Tian-Schan, zeigte sich jetzt meinen entzückten Blicken in
seiner ganzen, nackten Größe, von dem im Eise des Gletschers wurzelnden
Faße bis zu seinem von ziehenden, sonnendurchleuchteten Nebeln umspielten
Haupte. Nicht die geringste Vorlagerung verdeckte mehr etwas von dem
— HO —
80 lange geheimnisvoll versteckten Fuße des Berges. Unmittelbar an
seinem Südfaße befand ich mich nad betrachtete staunend, bewundernd,
forschend die nackte Gestalt. Die Spannung der letzten Wochen, bis zor
Üoerträglichkeit in den letzten Tagen gesteigert, war mit einem Male
gelöst, das mit aller Kraft des Denkens und Wollens erstrebte Ziel war
erreicht.*
Mit diesem Erfolge war nun auch festgestellt, daß der Tian-Schan
keineswegs, wie bisher vermutet, ein Hauptknotenpunkt ist, und daß ihm im
Baue des zentralen Tian-Schan überhaupt nur eine untergeordnete Rolle zu-
kommt, indem er sich gar nicht im Hauptkamme, sondern in einem von
diesem weit nach Westen vorspringenden Nebenaste erhebt. Als eigentlicher
Knotenpunkt im Tian-Schan ist vielmehr ein von Dr. Merzbacber im Bay-
umkol-Tale entdeckter gewaltiger Berg anzusehen, den der Forscher zu
Ehren des ersten Präsidenten der kaiserlich russischen Geographischen Gesell-
schaft, des Großfürsten Nikolai Michailowitsch, mit dessen Namen taufte.
Gleichzeitig ergaben die überall bei der Annäherung zum Hauptkamme ge-
machten Beobachtungen, daß die höchste und zentralste Achse des Tian-
Schan nicht, wie bisher allgemein angenommen wurde, eine kristallinische
sei, sondern aus alten Sedimenten (Schiefer und paläozoischen Kalken) auf-
gebaut sei, die wie z. B. am Khan-Tengri selber zum großen Teile in Marmor
umgewandelt sind.
Nach diesen großen Erfolgen wandte sich der Forscher wiederum nach
Süden, um die noch unbekannten großen Längstäler Kaündü und Koi-kaf
und deren Gletscher genauer zu untersuchen. Im letztgenannten Tale bot
jedoch der streckenweise cannönförmige Zusammenschluß der Tal wände,
zwischen denen gewaltige Wassermassen dahintosen, der Expedition uner-
wartet Halt und zwang sie zur Umkehr.
Es folgte sodann die Festlegung des nördlichen Teiles des Sary-dschaß-
Durchbruches, die Aufnahme des unteren Inylcschek-Laufes, worauf die Ex-
pedition in das große nördliche Längstal Tekes zurückkehrte. Von hier aus
unternahm Dr. Merzbacher die Durchwanderung und Erforschung der be-
deutenden nördlichen Qnertäler Klein Musart und Dondukol und ihrer Glet-
scher, bis endlich gegen Ende Oktober die Kälte besonders bei den nächtlichen
Biwaks in den Hochtälern unerträglich wurde und zum Abbruch der Forscher-
tätigkeit zwang.
Den Rückweg nahm die Expedition im Tekes-Tale abwärts, wo nach
etwa 100 km das berühmteste der buddhistischen Heiligtümer im westlichen
China, das Lamakloster Sumbe erreicht wurde. Ein unfreiwilliger, mehrtägiger
Aufenthalt, veranlaßt durch heftige Schneefälle, gab dem Reisenden Gelegen-
heit von dieser prächtigen Kultusstätte sehr interessante photographische
Aufnahmen zu machen, die er am Schlüsse seines Vortrages vorführte.
Über die nördlichen Vorketten des Tian-Schan, den Temurlik-Tau
querend, erreichte die Expedition unter anhaltenden Schneestürmen die Stadt
Kuldscha am Nordrande, von wo die Weiterreise nach Turkestan erfolgte,
bei welcher indes mitten in der Strenge des Winters die nördlichen Vor-
ketten über die Ischigart-Ketmen-Pässe nochmals überschritten wurden.
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Mittwoch, den 29. November 1905.
Fräulein Katharina Zitelmaun-Berlin: Die Frau in
Indien nnd Ostasien. (Lichtbilder.)
Typische Züge sind allen Völkern des Ostens gemeinsam. Einer
Ton ihnen ist die Stellung der Fran, die, kleine nationale Unterschiede ab-
gerechnet, in Indien, China and Japan ungefähr die gleiche ist. Die Frau
wird als ein minderwertiges Geschöpf betrachtet, das nur als Geschlechts-
wesen Bedeutung hat. Im öffentlichen Leben spielt die anständige Frau der
besseren Kreise gar keine Rolle, sie bringt ihr Leben in der Zenana, dem
Frauengemach, zu. Es hält sehr schwer, einen Einblick in das Familienleben
der Ostasiaten zu gewinnen. Nur die Missionärinnen, die an der Spitze der
Waisenhäuser und Erziehungsanstalten stehen, haben Eintritt in die Zenana
and erwerben so eine intime Kenntnis des Volkes. Mit ihrer Hilfe gelang es
der Vortragenden, etwas mehr von den Frauen Indiens zu sehen, als es sonst
möglich ist.
Mit dem dravidischen Sttden beginnend, besprach Fräulein Zitelmann
zunächst den traurigen Zustand des Paria, das Kastenwesen, die Stellung
des einzelnen zur Familie, deren Fortbestehen nur der Sohn sichert, die
Kinderheiraten, die noch häufig vorkommenden Morde neugeborener Mädchen,
die Stellung der Frau im Hause, zu ihrem Gatten, den Schwiegereltern und
den Kindern. Der Vortrag wandte sich dann den Muhammedanerinnen au,
Parsi und Jainfrauen, schilderte die Sitten der buddhistischen Himalaja-
Tölker und führte die Hörer nach ßirma, in das Land der Sonne und der
goldenen Pagoden. Hier ist von einer Unterdrückung der Frauen nicht die
Rede ; geschäftsgewandt erfreuen sie sich vielmehr eines geachteten Wirkens.
Ganz anders aber als die reizenden, stets lachenden und tabakrauchenden
Birmaninnen wirken die Chinesinnen mit ihren verkrüppelten Füßen. Fast
ausschließlich auf das Haus angewiesen, dessen Fenster nur nach dem Hofe
führen, verbringt die Frau im großen und ganzen ein trauriges Dasein, sie
wird gering geachtet aber nicht mißhandelt. Es hält für den Fremden
schwer, in ein chinesisches Haus zu gelangen, das, wie in der Türkei, für
ihn abgeschlossen ist. Die Stellung der Tänzerinnen und Sängerinnen gleicht
der der griechischen Hetären. Auch im japanischen Familienleben läßt sich
von Beformen noch nicht viel reden, wenngleich die soziale Stellung der
Frau hier eine höhere ist als in China. Doch da die Frauen in Japan jetzt
Unterricht erhalten, wird sich ein Umschwung mit der Zeit von selbst voll-
ziehen. Vorderhand verlangen die Japanerinnen allerdings noch gar nicht
nach der Frauenemanzipation. Von den Ehen wird ein Drittel geschieden,
die übrigen sollen sehr glücklich sein. Der Japanerin fehlt es an Indivi-
dualität; ihre Kleidung, eine Art Schlafrock, ist monoton, ihr Gang wegen
des fcblechten Fußwerks plump. Die Geishas sind anmutiger und infolge
ihres Verkehrs mit Männern auch gebildeter. Zum Schluß erzählte die Vor-
tragende noch von dem segensreichen Wirken deutscher Landsmänninen,
welche Japaner geheiratet haben.
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Mittwoch, den 6. Dezember 1905.
Herr Professor Dr. Otto Maas-Mfinchen: Streifsfige
aaf der iBsel Cj'pern. (Lichtbilder.)
Der Vortragende hat sich zu marin-ioologischen Stadien längere Zeit
auf der Insel Cypern aufgehalten. Die Tierwelt des östlichen lüttelmeer-
beckens bietet viele Besonderheiten und ist noch wenig erforscht im Vergleich
zu der des westlichen Beckens. Als Stützpunkt für Meeresuntersnchungen
konnten auch nach den eigenen Erfahrungen des Vortragenden türkische
Häfen nicht in Betracht kommen; es wurde darum Cjpem gewählt, wo die
englische, seit 1878 bestehende Herrschaft zu geordneten Verhältnissen ge-
führt hat. Redner bespricht kurz das englische Verwaltungssjstem , seine
erfolgreiche Tätigkeit in Flußregulierung , Straßenbau, sanitären Maßregeln
und die politische Bedeutung der Insel.
Die Landung geschieht im Haupthafen Larnaca an der Südküste, wo
aber weder von der historischen Vergangenheit der Insel, noch von ihren land-
schaftlichen Schönheiten Besonderes zu sehen ist. Den Vortragenden hielten
dort seine Küstenuntersuchungen auf, sowie die Erforschung eines im Sommer
trockenen, im Winter ausgefüllten und von mannigfachem llerleben strotzen-
den Salzsees. Eine Fahrt quer durch die Insel gibt Gelegenheit zur Orientie-
rung über die allgemeine Konfiguration, die Hauptgebirgszüge, den Troodos,
die vorgelagerten Tafelländer und das zackige Kalkgebirge der Nordküste.
Ein Aufenthalt in der Hauptstadt Nicosla galt weniger zoologischen Studien,
als den zahlreichen geschichtlichen Erinnerungen, besonders an die Kreuz-
fahrer und das Königtum der Lusignans, das dort als ein Zeichen eigen-
artiger Vermengung von abendländischer Kultur und morgenländischen Sitten,
wie sie sich in vielen bekannten Ritterromanen des Mittelalters spiegelt,
lange bestanden hat. Von Nicosia aus wurde die Kalkkette der Nordküste
auf dem Bogaspaß überquert und dann in Kerynia längere Zeit Quartier ge-
nommen, einem idyllischen Hafenort der Nordküste, die durch Qrottenbildung
und Felsen nicht nur malerisch, sondern auch für den Zoologen ergiebig ist.
Mit den bald eingeschulten Fischern wurden Dredgezüge der Küste entlang
gemacht, dabei das alte Kloster Acheropitu besucht; ferner zu Land die
merkwürdige mittelalterliche Abtei Bellapai's und die großartige Bergfeste
St. Hilarion , die stets in den Kämpfen um die Insel eine bedeutende Rolle
gespielt hat. Von byzantinischen Kaisern erbaut, von Richard Löwenhers
besetzt, von den Lusignans weiter ausgebaut, noch unter genuesischer Herr-
schaft wichtig, verlor dies Kastell unter den Venetianern seine Bedeutung
durch das Aufkommen der Geschütze und hatte bei der Einnahme der Insel
durch die Türken keinen Wert mehr. Heute ist es noch eine der großartig-
sten Burgruinen des Morgen- und Abendlandes; eine kleine Stadt hat darin
Platz, und die Aussicht von der Höhe über die Insel, die fruchtbare, fluß-
durchzogene Nordküste bis übers Meer nach Kleinasien und dem schnee-
bedeckten Taurus gehört zu den landschaftlich schönsten Bildern des ganzen
Mittelmeers.
Ein weiterer Aufenthalt galt der Ostküste, wo in der ehemals berühm-
testen Stadt der Insel, Famagusta, ein längerer Halt gemacht wurde. Von
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der «Iten Herrlichkeit der Lasignans künden noch die Ruinen zahlreicher
gotischer Dome, die sich zwischen den üppig wachsenden Palmen fremdartig
genug ausnehmen. Die Festungsanlagen, strategisch noch heute bewundert,
sind Zeugen der Macht der Eepublik Venedig, als deren Gouverneur unter
andern Othello hier wohnte. Aus der Zeit des Widerstandes gegen die Türken-
belagenmg sind zahlreiche Erinnerungen vorhanden Der ehemals günstige
Hafen ist heute zum größten Teil versandet, soll aber wieder in stand ge-
setzt und dann durch eine Eisenbahn, die bis jetzt auf der Insel fehlt, mit
der Hauptstadt verbunden werden. Dann wird Cypem auch militärisch wich-
tiger und ein wirklicher Stützpunkt für die Flotte sein, bei etwaigen Unter-
nehmungen in diesem politisch so umstrittenen Teil der Türkei. Auch der
Fremde, der nach Cypem gelangt und hier zuerst landen wird, wird dann
sofort den Eindruck bekommen, den er sich aus Sage und Geschichte von
dieser wunderbaren Insel gemacht, den einer eigenartigen Vermischung von
morgen- und abendländischer Kultnrwelt inmitten einer wunderbaren Natur.
Eine Reihe von Lichtbildern nach eigenen Aufnahmen des Vortragenden
wurden nach Beendigung der Ausführungen vorgezeigt, darunter die Haupt-
punkte Lamaca, Nicosia, Eerynia, Bellapai's, St. Hilarion, Famagusta.
Mittwoch, den 13. Dezember 1905.
Herr Prof. Dr. Georg Steindorff-Leipzig: Die neue-
sten deutschen Ausgrabungen in Ägypten. (Lichtbilder.)
Nachdem die preußische, von Richard Lepsius geführte Expedition in
den Jahren 1842—45 die wichtigsten Ruinenstätten Ägyptens und Nubiens
untersucht hatte, sind von deutscher Seite systematische Grabungen im Niltale
nicht wieder unternommen worden. In den Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts,
in denen Engländer und Franzosen wetteiferten, wichtige Ruinenstätten des
Pharaonenlandes vom Schutt zu befreien und längst vergessene Kunst- und
Kulturdenkmäler wiedererstehen zu lassen, haben sich die deutschen Gelehrten
meist darauf beschränkt, das zutage liegende oder von anderen Forschern
gefundene Material zu sichten und zu verarbeiten. Erst im Jahre 1898 ist
Deutschland in Ägypten wieder erschienen und hat auch praktisch begonnen,
an der Erschließung des ägyptischen Altertumes mitzuarbeiten.
Schon Lepsius hatte sein Hauptaugenmerk auf die Untersuchung der
Pyramiden und der sie umgebenden Gräberstätten gerichtet, und durch einen
eigentOmlichen Zufall des Schicksals haben sich über 50 Jahre später die
deutschen Untersuchungen wieder der Erforschung dieser ältesten und größten
Totenstadt der Welt zugewendet. Die größten Pyramiden sind die von
Uise, die fast vor den Toren Kairos nur 12 km von der Chalifenstadt ent-
fernt liegen. Sie sind aber nur eine von mehreren Gruppen, die sich am
Rande der libyschen Hochebene in einer Gesamtlänge von 110 km ausdehnen
und insgesamt die Totenstadt des alten Memphis bilden.
Über die Bedeutung der Pyramiden ist man sich seit langer Zeit im
klaren. Man weiß, daß diese berghohen, einfachen und schmucklosen Bauten
nichts anderes als die Gräber der alten Könige aus dem dritten vorchristlichen
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JahrtauseDd sind. Im Innern führt ein schmaler Gang schr&gabwärU in
eine Kammer, in der der Leichnam des Königs mhte. Die Pyramiden sind
aber nicht die einzigen Banwerke in der Totenstadt. Zu jeder Pyramide
gehört noch ein Tempel, der dem Kultus des verstorbenen Herrschers geweiht
war und von dem meist noch Trttmmer vorhanden sind. Von der Anlage
dieser Heiligtümer wußte man bisher so gut wie nichts. Außerdem gruppieren
sich um die Pyramiden zahlreiche größere und kleinere Gräber. Manche von
ihnen waren schon aufgedeckt und zeigten in ihren Kammern Inschriften
und Bilder, die für die Kunst und Kulturgeschichte von größter Wichtigkeit
waren. In vielen dieser Gräber waren auch Statuen aufgestellt. Endlich
wußte man, daß bei den südlich von Gise gelegenen Pyramiden von Abusir
Heiligtümer des Sonnengottes liegen mußten, über die die Wissenschaft fast
ganz im Unklaren war. So bot das am meisten bekannte und besuchte
Pyramidenfeld von Memphis noch wissenschaftliche Probleme und dankbare
archäologische Aufgaben in großer Fülle. Sie zu lösen hat jetzt die deutsche
Wissenschaft ihre Kraft eingesetzt und dabei in Betracht gezogen, daß aus
den Grabungen auch unseren heimischen Museen Denkmäler der ägyptischen
Kunst und Kultur zugeführt würden.
In den Jahren 1898—1905 sind drei Denkmälerstätten näher unter-
sucht worden:
1. Das Sonnenheiligtum von Abu-Guräb, durch das Berliner Museum
auf Kosten des Freiherm Dr. v. Bissing, unter Leitung von Dr. Borchardt
und Professor Schäfer.
2. Der Totentempel und die Gräber bei der Pyramide des Königs
Nuserr6 in der Nähe von Abusir (1902—04) von der Deutschen Orientgesell-
schaft, unter Leitung Dr. Borchardts.
3. Die Nekropole bei der Cheopspyramide (1903 — 1905) durch den
Vortragenden.
Der Sonnentempel vonAbu-Guräb ist von dem Könige Nuserr6
um das Jahr 2700 v. Chr. erbaut worden. Damals war es Sitte, daß jeder
Pharao seinem Schutzheiligen, dem Sonnengotte, ein besonderes Heiligtum
erbaute. Der Tempel erhob sich auf einem der Wüste vorgelagerten Sand-
hügel. Vor seinem nordöstlichen Abhänge lag die zu dem Heiligtum gehörige
Stadt, vielleicht die Residenz des Pharao. Von ihr aus führte der Eingang
der Tempelstraße durch einen auf einer Kaianlage errichteten gewaltigen
Torbau. Er wurde gebildet durch eine auf vier granitenen Palmensäulen
ruhenden Vorhalle, von der aus ein Gang zum Haupttor führte. Rechte und
links lagen in den Seitenfronten noch Nebeneingänge. Von diesem stattlichen
Portal führte nun auf einer mächtigen Steinrampe ein etwa 100 m langer,
allseitig geschlossener schmaler Gang, der durch schmale Schlitzfenster im
Dache nur spärlich erhellt wurde, zu dem Eingangstor des eigentlichen
Heiligtums. Dieses bestand aus drei Hauptteilen: Einem Hof mit großem
Alabasteraltar; einem 36 m hohen Obelisken, der sich auf einem 20 m hohem
Unterbau erhob, und einer Reihe von Magazinräumen und Schatzkammern.
Außerdem lagen im Hofe noch zwei Schlachthöfe und eine kleine, mit schönen
Reliefs ausgeschmückte Kapelle, vielleicht der Raum, in dem der König ange-
kleidet und geschmückt wurde, wenn er die Festfeiern im Tempel beging.
— 115 —
Mit Reliefs waren auch die überdeckten Gänge verziert, die zum Obelisken
and den Schatzkammern führten.
Ein in der Anlage vOlIig abweichendes Bauwerk istderPyramiden-
tempel des Nnserr^ bei Abnsir. Aach hier führt vom Tale ein mit
einem Torbaa beginnender Aafweg, dessen Wände tnit den feinsten Reliefs
geschmückt waren, zn dem Haapteingang des Heiligtams. Hat man diesen
darchschritten, so gelangt man in einen Vorhof and weiterhin in einen ofienen
Säalenhof, dessen Hallen von granitenen Papyrussäulen getragen worden.
Die folgenden Ränme, die sich nordwärts am Faße der Pyramide hinzogen,
enthielten n. a. das Allerheiligste, in dem eine riesige Scheintür den Eingang
zam Jenseits bezeichnete. Bei dem Totentempel liegen noch größere Grab-
bauten aus der Zeit des Nuserr6, Priestergräber aus der Zeit um 200() v. Gh.,
Massengräber aus der Zeit des , Neuen Reichs* und der Spätzeit. Außerdem
wurde ein kleiner griechischer Friedhof mit sehr interessanten Särgen entdeckt.
Bei einem fand man eine über 1 m lange Papyrusrolle, die zur Zeit Alexanders
des Großen geschrieben war und somit das älteste bisher bekannte griechische
Buch ist. Es enthält eine epische Schilderung der Schlacht bei Salamis aus
der Feder des Timotheus von Milet (400 ▼. Chr.).
Durch die Ausgrabungen des Vortragenden in der Nekropole
bei der Cheopspyramide wurden etwa 70 große aus Stein oder Ziegeln
errichtete wohlerhaltene Grabbauten freigelegt. Sie entstammen der Zeit der
ö. ägyptischen Königsdynastie (2850-2600 v. Chr.) und gehören ein und
derselben Gattung an, die man wegen ihrer äußeren Form in der Altertums-
wissenschaft mit dem Namen Mastaba, d. i. „Bank" zu bezeichnen pflegt.
Es sind dies Bauwerke mit rechteckiger Grundfläche und schrägen Wänden.
An ihrer Ostseite bezeichnet eine flache Nische die Stelle, an der man sich
den Eingang ins Totenreich dachte und wo auch die Hinterbliebenen ihre
Qaben für den Toten niederlegten. Gelegentlich wurde diese Nische durch
ein oder mehrere Kammern ersetzt, die meist mit Reliefs geschmiickt waren.
So war in einer Kammer der Verstorbene an der Seite seiner Gattin vor dem
Speisetische sitzend dargestellt; Diener kommen und bringen dem Paar
allerlei Speisen und Getränke. Auch sonst wiederholen sich an den Wänden
die Bilder von Dienern und Dienerinnen, die ihre Opfergaben, Körbe und
Schüsseln mit Ess waren, Gänse, Bierkrüge, feine Öle, Schmucksachen usw.
dem Veratorbenen spenden. — Unter der Mastaba waren in gewachsenen
Felsen Kammern angelegt, in welchen man durch tiefe Schächte gelangte
und in denen man die Toten beigesetzt hatte. Hier fanden sich bei den
Skeletten allerhand Beigaben, Perlenketten, kupferne Gefäße und Nachbildun-
gen von allen möglichen Werkzeugen, Krüge für die Eingeweide des Toten,
tteineme Kopfstützen, Alabastervasen und anderes mehr. In vielen Mastabas
war im Gemäuer auch noch ein kleiner Raum angelegt, in dem die Statuen
des Verstorbenen und seiner Familienmitglieder, häufig auch die seines Haus-
gesindes ihren Platz gefunden hatten. So traf man im Grabe eines Toten-
priesters, namens Zascha, auf nicht weniger als 18 zum Teil vorzüglich erhaltene
Kalksteinfiguren. Zwei davon stellen den Verstorbenen selbst in ehrwürdiger
Haltung, auf einem Sessel sitzend, dar; in zwei anderen sehen wir seine
^ttin und seinen jagendlichen Sohn, die übrigen zeigen das gesamte Haus-
8*
— 116 —
gesinde bei seioen verschiedenen Beschäftigangen : Den Koch bei seinem
Fleischtopfe, den Müller, der mit der Handmühle das Korn zerreibt, eine
Dienerin, die das Mehl siebt, einen Braner, der ähnlich wie es noch heute in
Ägypten geschieht, das Gerstenbier bereitet, einen Mann, der die Erttge für
das abzufüllende Bier zurechtmacht, einen Bauern, der das Korn in kleine
Vorratskammern schüttet u. a. m.
So ist uns auch hier in überaus charakteristischen Bildern ein kleines
Stück altägyptischen Lebens wieder greifbar vor Auge getreten.
Mittwoch, den 3. Januar 1906.
Herr Sekundarlehrer Ullrich Kollbrunner-Ztirich:
Meine Reise nach Abessinien^ Land^ Tolk und Herrseher«
(Lichtbilder.)
Das koptisch-christliche Reich Abessinien stößt im Norden an den
Ostsudan, im Westen nahezu an den weißen Nil, im Süden an die GhaUa-
länder und im Osten an die Wüste der Somali und Daneali. Eingeschlossen
von fanatischen Verehrern des Islam und tiefstehenden Fetischanbetem, hat
es doch trotz aller Angriffe sein im 4. Jahrhundert erhaltenes Christentum
bewahrt. In dieses Land kam vor 28 Jahren ein Freund des Vortragenden,
der schweizerische Ingenieur 1 1 g , der sich das Vertrauen des gegenwärtigen
Kaisers Menelik II. erwarb und sich zu seinem Minister und Batgeber empor-
geschwungen hat. Seinen unablässigen Bemühungen ist die Wüsteneisen-
bahn zu verdanken, die von Djibouti am Boten Meere nach Diridaua am
Bande des abessinischen Hochlandes führt, das Gebiet der wilden Somali und
Daneali durchzieht, unter beständiger militärischer Bedeckung der Arbeiter
vollendet wurde und bei deren Bau manchmal das Wasser 30 — 35 km weit
her auf Eamelsrücken hergeschleppt werden mußte. Von Diridaua, dem End-
punkt dieser Bahn, ab muß man mit der Karawane Weiterreisen. Es geht aber
nicht aufwärts zum Plateau auf einer ziemlich gleichförmig geneigten Ebene,
sondern lange Zeit immer über Bergketten hinunter in heiße Talgegenden.
In H a r a r , einer ummauerten Stadt von 35 — 40 000 Einwohnern, trifft man
in besonderem Viertel die Aussätzigen und lernt während der Nacht die
Hyänen als Straßenreiniger kennen. Weiter geht es durch Gegenden mit
wunderschön farbigen Vögeln und den prächtigen Guereze- Affen zum
H a w a s c h , dem Strome, der Schoa von den Gallaländem trennt, und in dem
Krokodil and Nilpferd massenhaft vorkommen. Die Weiterreise führt durch
viehreiches Weideland mit warmen Quellen und Wasserstellen, durch Wälder,
in denen die Sykomore in prachtvollen Exemplaren vorkommt und die von
zahlreichen Affenberden bevölkert sind. Auf ungefähr dreiwöchentlichem Bitt
gelangt man dann von Harar zur Hauptstadt Adis Abeba, der Besidenz
Meneliks mit etwa 80000 Einwohnern.
Auf dem abessinischen Plateau erheben sich Gipfel bis zu 4600 m
Höhe. Fast das ganze Land ist vulkanischen Ursprungs. Das Klima auf
den Hochebenen ist ziemlich gesund und gemäßigt; in den Tälern dagegen
quälen den Beisenden Hitze und Fieber, gegen das nur der regelmäßige
Genuß von Chinin schützt. Angebaut werden Durrahkom, Banane, Zucker-
— 117 —
röhr, Kaffee, Hülsenfrüchte nnd europäische Getreidearten. Seit dem Bau
der Wttstenbahn kommt der vortreffliche abessinische Kaffee mehr zur Geltung,
nnd die wilden Kaffeebaumwäldchen in den Gallaländern, auf deren Boden
mehrere cm hohe Schichten von Bohnen liegen , werden nach nnd nach ver-
schwinden. Die Tierwelt Abessiniens ist ungemein reichhaltig, und die Jagd
lohnt reichlich alle ausgestandenen Strapazen. Wo Herden und Versteck
vorhanden sind, findet sich der Löwe. Der geschmeidige Leopard jagt die
Affen auf den Sykomoren wie das Wildschwein am Flosse; kaum ist am
Abend das Zelt aufgeschlagen, so wird man begrüßt von Schakal und Hyäne.
An den größeren Flüssen sieht man die ausgetretenen Gänge des Rhinoze-
rosses und im Errer, einer warmen, vegetationsreichen Niederung gibt es
noch Elefantenherden von 300 Stück. Auf den Hochflächen weiden Scharen
von Antilopen und in den Lüften kreist Baabgesindel aller Art.
Der Abessinier, der sich nach der Unterwerfung der Galla als
Herr des Landes fühlt, hat dunkelbraune Hautfarbe, ist mittelgroß, kraus-
haarig, arbeitsscheu. Eheliche Treue gehört nicht zu seinen Tugenden.
Angenehm berührt die Anhänglichkeit der Kinder an die Eltern; dagegen
steht die geistige Kultur noch tief ; nur wenige Bevorzugte können schreiben
und lesen. Aus ausgewachsener Gerste bereiten die Abessinier ihr Bier
(Data), aus wildem Honig ihren Wein (Detsch). Selbst in der ärmsten Hütte
wird jeden Tag frisches Brot gebacken und zur Bereitung des Mehles das
Dnrrah zwischen zwei Steinen zerrieben. Als Zahlmittel gelten der Menelik-
nnd Mariatheresientaler ; dann Goldzylinderchen im Gewichte von 26 Gramm,
Patronen, Salzstangen, Kaurimuscheln und Baumwollstücke.
Die Geschichte Abessiniens zeigt einen beständigen Kampf
gegen die Mohammedaner (Mahdisten) im Norden und die Heiden (Galla) im
Süden. Womöglich noch ernstere Bewegungen fanden im Innern des Landes
statt, wenn sich beim Ableben eines Herrschers verschiedene Große (Ras, Kasai)
um den Thron stritten. So kamTheodorusI. empor, der nach erfolgreicher
aber despotischer Regierung schließlich mit den Engländern in Kampf ge-
riet, von ihnen in Magdala belagert wurde und sich selbst den Tod gab.
Sein Nachfolger war Johannes, der im Kampfe gegen die Mahdisten fiel,
und nun wurde der König von Schoa, M e n e 1 i k Negus Negesti, d. h. König
der Könige. Menelik, eine energische und intelligente Persönlichkeit, ist haupt-
sächlich bekannt geworden durch seinen Sieg über die Italiener. Verschiedene
unliebsame Erfahrungen mit den Weißen haben den König mißtrauisch und
weniger nahbar gemacht. Seine Arbeitskraft ist unglaublich; jeden Morgen
steht er um vier Uhr auf und arbeitet den ganzen Tag über. Sein Gedächtnis
ist von seltener Stärke; betrunken oder auch nur angeheitert sieht man ihn
nie. Seine Lembegierde trieb ihn eines Tags dazu, sich unter Ilg*s Anleitung
die Kunst des geometrischen Zeichnens, des Entwerfens von Grund- und
Aufriß eines Hauses mit den nötigen Schnitten und der vollständigen
Ausführung eines solchen Baues zu eigen zu machen. Hoffen wir, daß
die bestehende nnd noch weiter fortzusetzende Eisenbahn immer nur fried"
liehe Pioniere der Kultur, strebsame Handelsleute, geschickte Handwerker
and .fleißige Kolonisten in das Reich dieser merkwürdigen schwarzen Maje-
stät führe.
— 118 —
Mittwoch, den 10. Januar 1906.
Herr Geh. Reg. -Rat Professor Dr. Theobald Fischer-
Marburg: Marokko, nach den Ergebnissen meiner drei
Forschungsreisen. (Lichtbilder.)
Wir stehen unmittelbar vor der Konferenz von Alge^iras. Aach bei
nns sind hente alle Blicke an! Marokko gerichtet. Es bedurfte aber des Ein-
greifens des Deutschen Kaisers, um das zu erreichen. Bis dahin war die
Haltung unserer amtlichen Kreise dem Bestreben, die Aufmerksamkeit auf
Marokko zu lenken, eher ungünstig. Marokko war aber auch bis vor kurzem
ein völlig unbekanntes und ist bis heute ein wenig gekanntes Land. Erst
in den letzten Jahren ist es von den Franzosen, zum Teil um nicht hinter
den Deutschen zurückzustehen, mit Feuereifer erforscht worden, allerdings
im Anschluß an die bewundernswerten Forscherleistungen eines de Foucauld
und de Segonzac. Aber auch deutsche Forscher, wie Rohlfs und Lenz, sind
mit Ehren zu nennen. Geschichtliche und geographische Qrttnde haben die
solange aufrecht erhaltene Abgeschlossenheit bedingt. Die Küsten von Ma-
rokko, solange von den Christen, im Norden Spanier, an der Ozeanküste
Portugiesen, besetzt, bildeten jahrhundertelang die heißesten Reibungsflächen
zwischen Christentum und Islam. Die aus Spanien verjagten Mauren wurden
vorzugsweise die Träger des Seeräuberunwesens, das die Seehandel treibenden
europäischen Staaten solange zu Tributzahlungen an Marokko gezwungen
und jahraus jahrein Tausende von Christen in die Sklaverei geführt hat.
Gelegentliche Bombardements der schlimmsten Seeräubernester erhöhten nur
den mit Verachtung gepaarten Christenhaß. Dazu kam seit der Besetzung
Algeriens durch die Franzosen eine neue Reibungsfläche zu Lande. Die Eifer-
sucht der Mächte verhinderte jedes energische Vorgehen. So war jede Erfor-
schung ausgeschlossen. Aber auch die Landesnatur erschwerte dieselbe. Die
Ktlsten von Marokko, zumal die Rifküste am Mittelmeer, eine Längs- und
Abschließungküste, so buchtenreich sie auch ist, wie die Küste am Ozean,
eine wenig gebuchtete Schollenkttste, sind hafenlos. Diese entbehrt auch der
Landmarken und wird durch heftige Brandung und Nebel schwer zugänglich
gemacht. Das Innere birgt in den Gebirgslandschaften des Atlas und des Rif
große natürliche Festungen, deren Besatzungen, freiheitliebende Berbern, zu
allen Zeiten fremde Eroberer fernzuhalten vermocht haben und sich bis
heute der Unabhängigkeit erfreuen.
Unter Hinweis und als Erläuterung einer eigens für diesen Vortrag
angefertigten Kartenskizze legte der Redner dar, daß Marokko weder ein
Land, noch ein Staat ist, sondern eine Ländergruppe, die allerdings im Besitz
einer zentralen Landschaft, des Atlasvorlandes, die Möglichkeit eines festen
staatlichen Zusammenschlusses bietet, die noch dadurch erhöht wird, daß
diese Ländergruppe ein Sondergebiet der Welt des Islam bildet, in dem der
Sultan von Marokko als Nachkomme des Propheten zugleich kirchliches Ober-
haupt ist, eine Rolle, die er freilich mit dem Scherifen von Wazan teilt
Das Atlasvorland, die einzige große offene Landschaft von etwa SöOOOqkm
Flächeninhalt, steht durch die geologisch, geographisch, orographisch, für
friedlichen und kriegerischen Verkehr so wichtige Tiefenlinie, die von Ffts,
— 119 —
der nördlichen Hauptstadt, zwischen dem Rifgehirge und dem Atlas hindurch
Ober das so viel genannte Tasa, den Schlüssel desselben, nach Udjda und
Tlemcen führt, mit der ebenfalls offenen Landschaft im Flußgebiet der Muluja
in Verbindung. Nehmen wir nun die Oasenlandschaft von Tafilelt, die von
Fäs aus am leichtesten erreichbar ist, das Stammland der herrschenden Dynastie
der Filali hinzu, so bilden diese offenen Landschaften fast allein den Staat
Marokko, das BIed el Makhsen, von den etwa 600000qkra des ganzen Ge-
biets nur etwa 180000. Alles andere, also fast ausschließlich die verschlos-
senen Geblrgsländer, bilden das unabhängige Gebiet, das Bled-es-Ssiba.
Der Redner schilderte nun an der Hand von 30 Lichtbildern die Küsten
und die drei Gürtel des Atlasvorlandes, den Küstengürtel, der, zu etwa
20000qkm mit fruchtbarster Schwarzerde bedeckt, reiche Ernten an Getreide
hervorbringt, den Steppengürtel, ein Viehland, das aber unter künstlicher
Berieselung am Fuße des Atlas als Fruchthain schon heute ungeheure Mengen
von Olivenöl, Mandeln und dergleichen zu liefern imstande ist. Diese drei
Gürtel ergänzen einander so in ausgezeichneter Weise. Marokko könnte eine
der Kornkammern Europas bilden und wird sie bilden im Augenblicke, wo
der heutigen Mißwirtschaft ein Ende gemacht sein wird.
Marokko ist das reichste der drei Atlasländer. Es scheint namentlich
noch große innere Schätze des Bodens zu besitzen. Aber alles ist unent-
wickelt. Alles Kulturgerät europäischer Staaten, Straßen, Eisenbahnen, Häfen
n. s. w. ist noch zu schaffen, für europäische Betätigung liegt hier ein reiches
Arbeitsfeld. Wenn Marokko heute nur eine Handelsbewegung von 100 Mill.
Francs hat, so kann diese in fünfzig Jahren auf 1 Milliarde steigen. Und
die Bevölkerung von heute etwa 8 Millionen kann auf 40 Millionen an-
wachsen. Dies außerdem durch eine Ecklage und eine Lage an der wich-
tigsten Handelsstraße der Welt so wichtige Land hat also eine große Zu-
kunft vor sich.
Mittwoch, den 17. Januar 1906.
Herr Prof. Dr. Emil Deckert-Berlin (jetzt Frankfurt
a. M.) : StreifzOge und Stadien auf der Insel Kuba. (Licht-
bilder.)
In seiner Achsenrichtung und Tektonik auffällig von dem kaum 200 km
fernen Nordamerika abweichend, und hinsichtlich seiner Tier- und Pflanzen-
welt Nord- und Südamerika fast ebenso selbständig und fremdartig gegenüber-
stehend wie Neuseeland Australien und Asien — bis auf die Gattungen Capro-
mys und Solenodon und eine Anzahl Flatterer ganz ohne einheimische Säuge-
tiere, mit einer höchst eigenartigen Vogel-, Beptilien-, Fisch-, Insekten- und
Molluskenfanna — beansprucht Kuba zusammen mit den anderen Antillen
ein hohes wissenschaftliches, als erstes Tabakland und erstes Bohrzuckerland
der Erde aber zugleich ein hohes wirtschaftspolitisches Interesse. Ganz besour
ders hat Deutschland viel Veranlassung, ihm seine Aufmerksamkeit zuzuwen-
den, da Deutsche sowohl an der wissenschaftlichen Durchforschung der Insel
als auch an ihrer wirtschaftlichen Entwicklung in hervorragendster Weise
beteiligt gewesen sind. Alexander von Humboldt schuf im Anschluß an seine
— 120 —
Reisebeobachtniig^en die erste gründliche kultor- and wirtschaftsgeograpbische
Charakteristik von der Insel. August Grisebach verarbeitete das kubanische
Herbarienmaterial zu klassischen Werken. Job. Gnndlach brachte durch seine
auf 54 Jahre ausgedehnten Streüzüge und Sammlungen die zoogeographische
Kenntnis von Kuba auf einen festen Fuß. Hann schrieb das Beste über die
Insel in klimatologischer, Sueß in geologischer Hinsicht. Die deutschen Fir-
men Bock & Co., Upmann und Henry Clay dürfen als die ersten kubanischen
Tabakfirmen gelten , und in Havana, Matanzas, Cienf uegos, Trinidad u. s. w.
vermitteln deutsche Häuser zugleich den größten Teil der kubanischen Zucker-
ausfuhr. In morphologischer Beziehung fällt an verschiedenen Orten der Rüste
ein schöner Terrassenbau auf, der auf ein ruckweises Emporsteigen des Landes
während der Tertiärzeit schließen läßt. Die untersten Terrassenstufen sind
gehobene Korallenriffe, während in den höheren Stufen korallines Qefüge nur
stellenweise sichtbar, die herrschende Felsart aber Kalkstein ist. Im Nord-
westen ist der Terrassenbau am vollkommensten erhalten, und ebenso tritt
hier der paläozoische Grundbau am deutlichsten hervor, wahrscheinlich im
Zusammenhange mit der verhältnismäßigen Freiheit dieser Scholle von Erd-
erschütterungen. Im Osten und ganz besonders im Südosten ist die gesamte
Entwicklungsgeschichte der Insel unruhiger gewesen, was schon die weite
Verbreitung älterer Eruptivgesteine im Inneren andeutet, und öftere seismische
Katastrophen in der Gegend von Santiago de Cuba zeigen, daß die Unruhe
in gewissem Umfange andauert. Der ungeheure Grabeneinbruch der Bartlett-
Tiefe zwischen den phänomenalen Steilhängen der kubanischen Sierra Maestra
und der jamaikanischen Blue Mountains scheint in weiterer Ausbildung be-
griffen zu sein. Auf ausgedehnteren Strecken begleitet indes Seichtsee mit
Koralleninselfluren die kubanische Küste, und riffbauende Ifäandrinen, Asträen
u. s. w. arbeiten an deren weiterer Ausgestaltung. Im Inneren ist Kuba in den
weitesten Gebieten ein tropisches Karstland voller Höhlen, unterirdischer Flufi-
läufe, Dollinen und Poljentäler und mit großartigen Anhäufungen von roter
Verwitterungserde (tierra colorada), die eine vorzügliche Grundlage der kuba-
nischen Landwirtschaft bildet. Das tropische Klima ist durch den herrschen-
den Passatwind und öfters einbrechende Nordwestwinde im Nordwestteile
auch für Europäer zuträglich, während die Verheerungen des Gelbfiebers
gutenteils auf die Rechnung mangelhafter sanitärer Vorkehrungen kommen
und nach dem Zusammenbruche der spanischen Herrschaft viel von ihrer
Bedrohlichkeit verloren haben. Unter den zahlreichen sackförmigen Hafen-
buchten der Nordküste, deren Abschnürung von der offenen See durch ge-
hobene Korallenriffe bewirkt wurde, ist die von Havana für die große See-
schiffahrt die zugänglichste und beste, und hier ist durch den schmalen und
niedrigen Isthmus von Batabano zugleich der bequemste Übergang zur Südktkste
und der natürlichste Verknüpfungspunkt aller Küstenfahrerlinien gegeben,
während westlich von Havana die Vnelta Abajo mit ihrer berühmten Tabak-
produktion und östlich die Vuelta Arriba (die Provinzen Matanzas und Santa
Clara) mit der großen Mehrzahl der kubanischen Zuckerrohrpflanzungen und
Zuckerfabriken (ingeniös) liegen. Das Zuckerrohr braucht in den meisten
Gegenden erst nach dreißig Jahren, in manchen Gegenden erst nach fünfzig
Jahren neu angepflanzt zu werden, und manche Fabriken fördern Über
— 121 —
500000 Zentner Zucker im Jahre, während die ganze Insel nach dem Unab-
hängigkeitskampf wieder ttber 1 Hill. Tonnen im Jahre erzengt hat nnd nach
sachverständigen Gutachten an 6 Mill. Tonnen zu erzeugen fähig ist. Die 16000
vorhandenen Tabakpflanzungen (vegas) sind meist in der Hand von Klein-
bauern, und die höchste Qualität des Krauts wird unter ganz besou deren
klimatischen und natürlichen Bewässerungs- und Bodenverhältnissen erzeugt,
80 daß als .echte Vuelta* nur der Landstrich zwischen dem Rio Hondo und
Rio Cuyaguatege gilt. Mittelkuba (Puerto Principe) mit seinen Savannen ist
die Hauptstätte der kubanischen Rinderzucht', Ostkuba mit seinem echten
Tropenklima die Hauptstätte der KaSee-, Kakao-, Kokos-, Bananen- und
Ananaskultur.
Die kubanischen Streif züge und Studien des Vortragenden fielen in die
Zeit des Aufstandes und des spanisch-amerikanischen Krieges (1896 und 1898)
und waren dadurch mannigfach behindert.
Mittwoch, den 24. Januar 1906.
Herr Dr. Alfred Goetze-Berlin: Troja and seine Aus-
g^abnng. (Lichtbilder.)
Die sagenhaften Lieder der Dias haben durch Schliemanns Ausgrabungen
auf der Stätte des alten Troja einen historischen Hintergrund erhalten. Wäh-
rend sich die gelehrte Welt in Hypothesen ttber seine Lage auf Grund der
literarischen Berichte und oberflächlicher Betrachtung umherstritt, nahm
SchUemann den Spaten zur Hand und grub mit eiserner Energie viele Jahre
hindurch auf der Trttmmerstätte des Hügels Hissarlik (türkisch = Schloßberg),
bis er nicht weniger als 9 Ansiedlungen aus verschiedenen Epochen der Vorzeit
vor unsem Augen hat erstehen lassen. Wenn er sich auch in der Datierung
der einzelnen Städte vergriff, so hat er doch zweifellos die richtige Lage des
alten Troja aufgefunden und die Grundlage dafür geschaffen, daß in deti
beiden nach seinem Tode unter Dörpfelds Leitung ausgeführten Ausgrabungen
das wirkliche homerische Troja festgestellt und freigelegt werden konnte.
Von den 9 Ansiedelungen gehört die älteste und kleinste noch der jüngeren
Steinzeit an, aber schon hatte sie eine Umfassungsmauer ; ihre Zeit ist min-
destens auf 2500—3000 v. Chr. anzusetzen. Die II. Stadt nahm schon einen
größeren Raum ein. Die Kultur ihrer Bewohner ist die einer vollentwickelten
Bronzezeit. Sie war es, die von Schliemann für das homerische Troja gehalten
wurde, nicht zum mindesten wegen des Reichtums an wertvollen Funden,
unter denen die Goldfunde eine gewisse Berühmtheit erlangt haben. Für die
Prähistoriker ist sie von besonderem Interesse, weil sich in der Keramik
Einflflsse ans dem Gebiete der europäischen Steinzeit bemerkbar machen. In
der als Periode HI—V bezeichneten Folgezeit war der Hügel mit geringeren
Ansiedelungen dorfartigen Charakters besetzt, die Stilformen namentlich in
der Keramik schließen sich untrennbar an diejenigen der IL Stadt an. Erst
gegen das Ende dieser Periode treten neue Erscheinungen auf, die Vorboten
der nun folgenden VI. Periode, welche einen Glanzpunkt in der Besiedelungs*
geschiebte des Hügels darstellt. Der Hügel, welcher durch die Sohutt-
ablageniDgen an Höhe und Umfang inzwischen erheblich sugenommen hatte,
— 122 —
wird jetzt in Terrassen angebaut nnd dnrcli riesige Maaem an einer festen
Borg ausgestaltet. Die Ergebnisse der letzten Ausgrabungen lassen keinen
Zweifel, dass es die homerische Barg ist, deren Blütezeit in die mykenische
Periode fällt. Daneben bestand eine ausgedehnte Unterstadt, von welcher
bisher aber nur spärliche Reste freigelegt wurden.
Nach der Zerstörung Trojas siedeln sich zu Beginn des 1. Jahrtausends
Y. Chr. Leute an, deren Kulturformen sie als Griechen erkennen lassen (Periode
Vn und VIII). Eine Ünterbrechang findet nur in der ersten Hälfte des Jahr-
tausends statt durck eine zeitweise Besetzung des Hügels durch Barbaren-
horden thrakischer Herkunft.
In der römischen Eaiserzeit erhob sich Ilion unter der Protektion der
auf ihre sagenhafte Stammburg stolzen Kaiser nochmals zu hoher Blüte.
Der alte Burghügel wird zu einer einzigen großen Plattform umgestaltet
und für einen heiligen Bezirk der Athena und andere öffentliche Gebäude
reserviert. Die bürgerliche Ansiedelung breitet sich auf dem Plateau südlich
der Akropolis in großem Omfange aus und wird mit einer über 3 km langen
Mauer befestigt.
Wenn auch die Schuttschichten von Hissarlik unser Interesse in erster
Linie als die Baustelle des alten Troja in Anspruch nehmen, so haben sie
darüber hinaus noch die Bedeutung, daß sie in ihren Überresten einer
kontinuierlichen Besiedelung einen Ausschnitt aus der Kulturgeschichte der
Menschheit von der jüngeren Steinzeit bis in die römische Kaiserzeit
darstellen.
Mittwoch, den 31. Januar 1906.
Herr Dr. Theodor Koch-Grtinberg-Berlin (Nikolas-
see): Zwei Jahre unter den Indianern« Reisen am Oberen
Bio Negro und Yapur&. (1903—1905.) (Lichtbilder.)
Die Reise wnrde im Auftrag des Kgl. Mnsenms fttr Völkerkunde zu
Berlin ausgeführt und diente in erster Linie ethnologischen Forschungen
unter den Indianerstämmen des nordwestlichen Brasiliens, der Grenzgebiete
zwischen Brasilien, Colombia und Venezuela.
Von Man&os, der bekannten Handelsstadt nahe der Mündung des Rio
Negro in den Amazonenstrom , brach ich mit meinem deutsch-brasilianischen
Diener am 1. Juli 1903 auf. Ein kleiner Flußdampfer und endlich Indianer-
boote brachten uns über die Stromschnellen nach Säo Felippe, einer kleinen
Ansiedlung am oberen Rio Negro, die ich zum Ausgangspunkt meiner weiteren
Unternehmungen wählte.
Die erste Reise hatte das Flußgebiet des Rio Igana, eines rechten
Nebenflusses des Rio Negro, zum Ziel, wobei der südlicher fließende Rio Uaupte
auf einer kurzen Uberlandtour berührt wurde. — Auf der zweiten Reise wurde
zuerst das Curicuriary-Gebirge bestiegen und dann durch den gleichnamigen
Fluß mit Überschreitung der Wasserscheide der untere Rio Uaup6s erreicht.
Die nächsten Monate galten der Erforschung seines rechten Nebenflusses, des
RioTiqui6 und der zahlreichen, anwohnenden freien Indianerstämme. — Die
dritte Reise war dem Rio Uaup6s selbst gewidmet, jenem gewaltigen Tributär
- 123 —
des Bio Negro, der infolge seiner sahllosen Stromschnellen and Fälle einer
Befahmng die größten Hindernisse entgegenstellt. Ich gelangte his sehn
Tage oberhalb des Tampary-Cachoeira, des größten westlichen Wasserfalles,
an dem seinerzeit Graf Stradelli nmkebren mußte. Darauf wurde der Rio
Cadniary, ein linker Nebenfloß, bis in sein Qnellgebiet befahren. — Auf der
vierten und letzten Reise verfolgte ich den Rio Tiqm6 abermals bis in einen
Qaellflaß, ttberschritt mit Booten nnd Qepäck die sehr kurze Wasserscheide
und schiffte mich in einen Zufluß des Rio Yapur& ein, den ich, da uns unsere
indianischen Begleiter aus Furcht vor den Stämmen des Yapurä hier yer-
ließen, mit meinem Diener allein abwärts fuhr, bis wir nach mancherlei
Mfihen, Gefahren und Entbehrungen am Apaporis wieder Indianer trafen.
Mit ihrer Hilfe gelangten wir weiter bis zum Yapurä, an dessen Unterlauf
wir ein kleines brasilianisches Flußboot trafen nnd damit den Anschluß an
die Heimat erreichten. Am 4. Hai 1905 kamen wir wohlbehalten wieder in
Hanäos, dem Ausgangspunkt der Reise, an.
In zweijährigen Fahrten wurde so ein großes, teils wenig bekanntes,
teils gänzlich unbekanntes Gebiet durchreist. Der Lauf der Flüsse wurde
bestimmt und der nahe Zusammenhang der Flußgebiete des Orinoko bezw.
Guayiare, des Rio Negro bezw. Uaup6s und des Yapurä an mehreren Punkten
festgestellt, woraus sich Schlüsse ziehen lassen auf die Wanderungen der
sahireichen Indianerstämme, die in wohlgebauten Sippenbäusem die frucht-
iMtren Ufer bevölkern. Dadurch, daß ich mich monatelang bei den einzelnen
Stämmen aufhielt, nicht nur unter den Indianern, sondern auch mit ihnen
lebte und allmählich mehrere ihrer Idiome hinreichend beherrschte, war es
mir möglich, in ihr Leben und Treiben und in ihre geistigen Anschauungen
einen tiefen Einblick zu tun.
Meine große ethnographische Sammlung, die meist neue Stücke ent-
hält, darunter circa 140 aus bunt bemaltem Baststofi verfertigte Tang-
maskenanzüge und eine riesige, aus einem Baumstamm gearbeitete Signal-
trommel, befindet sich im Egl. Museum für Völkerkunde zu Berlin. Eine
kleine botanische Sammlung, u. a. mehrere neue Orchideenarten und eine
neue Orchideengattung überließ ich dem dortigen Botanischen Museum, eine
Sammlung von Gesteinen aus allen von mir besuchten Gebieten dem Musenm
fflr Naturkunde zu Berlin. Ein reiches linguistisches Material, das über vierzig
sar Hälfte bisher unbekannte Sprachen mit zahlreichen Texten enthält, stellt
die Gruppierung der Indianerstämme in vielen Punkten richtig. Über tausend
wohlgelungene Photographien geben ein getreues Bild von der großartigen
Natur, ihren Schönheiten und Schrecknissen , von dem Leben der Expedition,
dem steten Kampf mit den Stromschnellen, Typen der einzelnen Indianer-
stämme, von ihren Arbeiten in Haus und Feld, ihren Spielen und Tänzen.
Mittwoch, den 7. Februar 1906.
Herr Hans Hermann Graf von Schweinitz-Char-
lottenburg: Im Innern Kleinasiens. (Lichtbilder.)
Bedner berichtete tiber eine Reise, welche er gemeinsam mit seiner
Gfattin im Sommer 1906 im Innern Rleinasiens ausgeführt hatte. Er begann
— 124 —
seine SchildeniDgen mit einem knrsen historischen Bückblick, bei dem et
besonders an! die Glanzperioden persischer, römischer und seldschackischer
Herrschaft hinwies.
Die Reittonr nahm ihren Anfang in Konia und führte zunächst nach
dem Westen in das Gebiet des Beschehir- and des Sogla-Sees. Dieses Gebiet
ist interessant, einmal, weil es ein Kampfgebiet zwischen der deutschen und
der englischen Bahn ist, und zweitens, weil sich hier ein größeres deutsches
Bewässerungsuntemehmen vorbereitet. Durch letzteres soll das Wasser aus
diesen Seenbecken, welches jetzt in den unterirdischen Schlünden des Sogla-
Sees verschwindet, nach der Eonla-Ebene geleitet werden, wodurch die heute
nicht kultivierbare Ebene kulturfähig gemacht werden soll.
Der Vortragende hebt die Schönheiten des durch seine Lage und die
schneebedeckten Berge an den Genfer See erinnernden Beschehir-Sees hervor,
welchen die Reisenden ebenso wie den Sogla-See während mehrerer Tage
befuhren, und schildert dann weiter den Ritt durch das wildromantische
Sogla- und Tschertschembe-Defile, welches vorher noch von keinem Europäer
durchquert worden ist. Alsdann begaben sich die Reisenden in das Taurns-
gebirge. Im Ibristal begann der Aufstieg, den schneebedeckten Oktis-Kedik
erstiegen sie und besichtigten dessen Silber- und Bleiminen, dann ging es
weiter auf der großen Heerstraße nach Süden durch die dlicische Pforte
hindurch, bis hoch oben von den Bergen herab das Mittelmeer zu sehen war;
dann wandten sie sich wieder nach Norden, an den verfallenen Festungswerken
Ibrahim Paschas vorbei, auf anderen Wegen in das Hochland zurück. Bei
dem alten Tyana traten sie aus dem Taurus heraus und ritten dann nach
dem alten Cäsarea, dem heutigen Eaisseri, an dem Nordfusse des Erdschies,
des ArgäuB mens der Alten.
Fünf Tage weilten die Reisenden in Eaisseri, wo noch die Spuren der
armenischen Greuel zu sehen waren und besuchten darauf eine Tochterstadt
Eaisseris, Sinsidere, die am Abhänge des Erdschies liegt. Dieser Ort bildet
heute den geistigen Mittelpunkt des anatolischen Griechentums. Von hier
aus ging es in das Höhlengebiet Kapadoziens. Ausgedehnte Gebiete sind
hier mit eigenartigen Tuffgebilden bedeckt, die durch ihre bizarren Formen
und durch ihr massenhaftes Auftreten dem ganzen Gebiete ein eigenartiges
Gepräge aufdrücken. In jenen Tuffgebilden befinden sich längst verlassene
Höhlenwohnongen, man trifft ausgedehnte Troglodytendörfer und Troglodyten-
städte. Besonders im Soganli Dere sieht man viele Tausende dieser Höhlen-
wohnungen in vielen Etagen, oft bis zu 15 übereinander. Unter den Licht-
bildern, die Redner über alle berührten Gebiete voriührte, befanden sich auch
Bilder aus dieser Troglodytengegend und besonders waren es Bilder aus
einer Höhlenkapelle, welche zeigten, daß Künstler vor Jahrhunderten hier
die Höhlenbauten ausgeführt haben mußten. Am Halys endet dieses
Märchenland.
In vielen Kreuz- und Querzügen wurde sodann das Land östlich des
KyssyMrmak und seines Nebenflusses Dilidscher-Irmak durchstreift. Di^
Reisenden berührten den Ort des Heiligen Hadschi Bektasch, die schöne aus-
gedehnte und mächtig emporblühende Gartenstadt Kirschehir, dann die alte
Ruine Uetsch-AjiÜL, Joskat, das alte Tavium und die alte Fettung Pteria
— 12& —
and besichtigteii die Fdssktilpttireii der sagenhaften Cbetiten in Bogas-Köi
und Oejttck. Nach anitrengenden Bitten erreichten sie dann am 71. Tage,
nachdem sie Ronia verlassen hatten, Angora nnd henatzten von da ab wieder
die Bagdadbahn.
Bezüglich der Bahn hob Kedner den gewaltigen Einfloß hervor, den
sie auf das ganze Land ausgeübt hat, nur bedauerte er, daß sich die Ver-
waltung heute in einem deutschfeindlichen Fahrwasser befindet.
Der Vortrag schloß mit dem Hinweis darauf, daß Kleinasien aus
politischen Rücksichten als Auswanderungsgebiet nicht in Frage komme, daß
aber der deutsche Kaufmann und der deutsche Unternehmer hier noch ein
weites, zukunftsreiches Feld habe. Wenn man bedenke, daß der Weg, auf
dem anderthalb Jahrtausende hindurch der ostindische Weltverkehr statt-
gefunden hat, über kurz oder lang durch die Bagdadbahn wieder gangbar
gemacht sein wird, dann könne man heute mit den größten Hoffnungen auf
die Entwickelung des Landes blicken.
Mittwoch, den 14. Februar 1906.
Herr Prof. Dr. Johann Jakob Heß-Freiburg (Schweiz) :
Sitten nnd Oebräncihe der Beduinen. (Lichtbilder, phonogra-
phische Reproduktion von Liedern und Ausstellung von Kostümen.)
Bäduwi, oder, wie die Beduinen selbst sagen, Bedüwi, kommt von
b&die, die Wüste, und bezeichnet also den Wüstenmenscben oder Nomaden,
da die Wüste die Menseben wegen der Dürftigkeit der Hilfsmittel, die sie
ihnen gewährt, zum Wandern zwingt. Die Wüste ist freilich nicht eine öde
Sandebene, sondern sehr mannigfaltig geartet, manchmal geradezu großartig
als Landschaft, und im Winter nach dem Regen mit einem Teppich grünender
Vegetation überzogen. Zu dieser Zeit lagern die Beduinen in zerstreuter
Ordnung in der Wüste, im Sommer aber schlagen sie die Zelte in Form
einer Linie oder in einem Kreise am Rande des Kulturlandes auf. An der
Seite, Ton der man den Gast und den Feind erwartet, steht das Zelt des
Sch§che8. Die schwarzen Zelte sind aus Stoff yon Ziegenhaar gefertigt und
haben die Form eines länglichen Viereckes, das in eine Männer- und in eine
Weiberabteilung zerfällt. In letzterer wird auch das Kleinvieh oft unter-
gebracht.
Die Kleider sind einfach und bestehen bei Männern und Weibern aus
einem Hemde mit enorm langen Ärmelschößen und einem schweren wollenen
Mantel, der meistens schwarz und weiß oder braun und weiß gestreift ist.
Die Männer tragen ein Kopftuch, das mit der Kopfschnur zusammengehalten
wird. Alle sind auf dem bloßen Leibe mit einem wohl 30 Fuß langen,
dünnen Gürtel aus Gazellenhaut umgürtet, der eng umgewunden wird. Bei
den Männern ist er geflochten, bei den Frauen ein einfacher Riemen. Sein
Tragen soll verhindern, daß der Leib herabsinke.
Ihre Wafien sind Dolch, Pistole, Lanze und Feuerstein- oder Lunten-
flinte, deren sie sich mit einer erstaunlichen Geschicklichkeit bedienen. Ihr
Essen ist meist sehr primitiv : scheibenförmiges, aus ungesäuertem Teige ge-
— 126 —
bftckenes Brot wird in Stflcke serrissen and in der hölzernen, küvettenartig
ansseheDdeR Eßschüssel mit Butter gemischt. Man ißt etwas unappetitlich,
indem man die ganze Hand in die Schüssel steckt und das Essen zu Kugeln
ballt, die in den Mund gestrichen werden. Wenn Gäste da sind, wird Hammel-
fleisch mit Reis aufgetischt. Die Heuschrecken werden in Salzwasser gekocht,
gedorrt und in Säcken aufbewahrt, um später genossen zu werden.
Das Kamel ist für den Beduinen das wichtigste Haustier, da es Pferd,
Rind und Schaf ersetzt; man ißt sein Fleisch, kleidet sich mit seiner Wolle,
und als Reittier ist es unersetzlich. Es spielt daher eine große Rolle, nicht
nar im Leben, sondern auch in der Poesie der Beduinen. ,0 mein Kamel*,
ruft die Qattin beim Tode ihres Mannes aus, d. h. |,du hast mich ernährt und
durchs Leben getragen*. Mit einem sehr guten Reitkamele kann man 150 km
in 30 Stunden und 100 km Tag für Tag zurücklegen. Im Sommer hält es
den Durst 5—6 Tage, im Winter, wenn es sich von den Wtlstenkräutern
ernähren kann, 14 Tage und noch mehr aus. Die Menschen trinken dann
seine Milch, und so wird es möglich, auch die größten Wüsten trotz gänz-
lichem Wassermangel zu durchziehen. Unter den Beduinen wird von einem
wilden Kamele, Hiti genannt, erzählt, das sich im Rüba el-Ch&li, ,dem leeren
VierteV, d. i. die große Wüste im zentralen und südlichen Teile der arabischen
Halbinsel, aufhalten soll. Es ist klein, grau und soll auf jeder Seite nur drei
Rippen haben.
Theoretische Studien, Lesen und Schreiben beschäftigen die Beduinen
nicht. Man kann in dieser Beziehung nur von ihrer Kenntnis des gestirnten
Himmels sprechen. Sie kennen viele Konstellationen und haben hübsche Stem-
legenden. So fassen sie die sieben Sterne des großen Bären als sieben Mäd-
chen auf, die die Totenbare ihres Vaters herumtragen. Der Polarstem, der als
Freier von dem Vater der Sieben abgewiesen worden war, schlug diesen tot.
Die Mädchen schwören, ihren Vater nicht zu beerdigen, bevor sie sich ge-
rächt haben, und daher tragen sie den Leichnam beständig im Kreise hemm.
Die beiden Sterne des Drachen, die zwischen dem großen Bären und dem
Polarsterne stehen, verlassen nie ihre Stelle, um letzteren vor der Blutrache
der Mädchen zu schützen.
Handwerke werden bei den Beduinen nicht betrieben außer der Schmiede-
kunst, die jedoch nur von Pariahstänunen ausgeübt wird. Dagegen steht die
Dichtkanst in hohen Ehren. Ihre Gedichte sind sehr formvollendet und oft
reizenden Inhaltes. Es werden etwa fünf Gattungen dem Metrum nach unter-
schieden, und ftlr jeden Vers einer jeden Gattung gibt es nur eine Melodie.
Ein Reitmarschlied, das der Vortragende von Leuten aus den verschiedensten
Teilen Arabiens hörte und von dem einige Verse vor fast hundert Jahren
von L. Burkhardt in der syrischen Wüste aufgezeichnet wurden, lautet in
der Übersetzung:
0 Onkel, steh auf und gib mir ein schlankes Kamel, ein rötliches
von den auserlesenen,
Refestige auf ihm den schönen Sattel mit einem Schlauche aus treff-
licher Schafhaut,
Und laßt uns damit nach dem W&di es-Summ&n gehen, dem Lande
mit wenig Wasser,
— 127 —
Damit wir nach derjenigen fragra, die mein Hers geraobt hat, ein Mäd-
chen von dem Stamme der Aor&zim aas dem Clan des Raschid.
Ihre Brüste sind wie Kaffeetassen, ihr Hals ist wie der Hals der
Gazelle,
Ihre Zöpfe könnten einem jnngen Kamel als Sattelgart dienen, und
ihr Ange ist das Ange der Antilope.
Die Melodie dieses Liedes ist:
RPP J|.^JJ'J|JT^^^
Ja 'amm gnm den-ni li ham-rä.
Von ErsiehnDg kann nicht gesprochen werden, die Kinder werden ridi
selbst überlassen. Sie zeigen große Ehrfurcht vor ihren Eltern, folgen aber,
sowie sie entwickelt sind, niemandem mehr als ihrem eigenen Willen. Die
Ebezeremonien sind sehr einfach; Brantkauf ist nicht üblich, und die Frau
wird nm ihre Zustimmung befragt. Selten hat ein Beduine mehr als ein Weib,
aber man entschädigt sich dafür, daß man oft wechselt. Die Scheidung liegt
ganz im Belieben des Mannes, der der verstoßenen Frau nur ein Kamel
mitzugeben hat. So oft er ein solches anwenden will oder kann, kann er
auch scheiden. Eigentümlich ist das Recht, das jeder auf seine Cousine hat.
Diese darf niemanden ohne die Einwilligung ihres Vetters heiraten und muß
ihm, wenn er es wünscht, ihre Hand reichen. Wenn der Vetter auf dieses
Recht verzichtet, so tut er es mit dem Ausspruche: Sie war mein Pantoffel,
und ich hab ihn weggeworfen (vgl. Buch Ruth 4, 7).
Eine staatliche Gewalt in unserem Sinne gibt es nicht. Der Schech
regiert nicht, da er keinerlei Macht oder Polizeimittel zu seiner Verfügung
hat, sondern lenkt den Stamm bloß durch sein Ansehen; man gehorcht ihm,
nicht weil man muß, sondern weil man ihn für den Klügsten hält. Dasselbe
gilt vom Richter, der nach uraltem, ungeschriebenem Recht, manchmal auch,
in schwierigen Fällen, nach dem Ausgange von Gottesgerichten urteilt. Letz-
teres besteht gewöhnlich darin, daß der Angeklagte einen rotglühenden Löffel
ablecken muß. Verbrennt er sich dabei die Zunge, so gilt er als schuldig. '
Wenn trotz des Mangels an staatlicher Ordnung die Stammes verbände zu-
sammenhalten, so ist es hauptsächlich wegen der Blutrache, die verhindert,
daß der einzelne in die Rechtssphäre des andern üb^greift.
Im Kampfe sind die Beduinen tapfer, aber lieben es nicht, sich un-
nütz zu opfern ; man sucht daher mit möglichst großer Übermacht eine kleine
Minderzahl ohne Kampf zu überwältigen, schon um keine Blutrache herauf-
zubeschwören. Daher unternehmen sie die Raubzüge nach möglichst weit
entfernten Gegenden, um den Feind völlig unvorbereitet zu überrumpeln.
Solche Raubzüge sind in der arabischen Halbinsel überaus häufig, sie sind
geradem eine Erwerbsquelle für den Beduinen.
Was ihren allgemeinen Charakter betrifft, sind sie gegen Gäste, Freunde
und Schutzbefohlene überaus ehrlich und zuverlässig; sittlich stehen sie im
Gegensätze zn den ansässigen Arabern sehr hoch. Dabei sind sie voll von
Witz und Humor und geradezu gemütlich.
— 128: —
Mittwoch, den 21. Februar 1906.
Herr Alexander Wagner -Wien: Das kanadische Do-
miniam^ Skizzen und Bilder aas einem werdenden Knltnr-
grofistaate« (Lichtbilder.)
Das Riesengebiet des kanadischen Dominiams, durch dessen 9 Provinzen
der Vortragende vor Jahresfrist eine längere Studienreise unternahm, macht
den dritten Teil des gesamten britischen Kolonialbesitzes oder den fünfzehnten
Teil der Landmasse unseres Planeten aus. Es erstreckt sich über 90 Meri-
diane und reicht vom 42. Breitegrad bis zum magnetischen Nordpol. Es ist
um ca. 185 000 qkm größer als die Vereinigten Staaten von Nordamerika mit
allen ihren Kolonien und Dependenzen (Portorico, Havaii-Gruppe, Philippinen
und Alaska) zusammengenommen. Freilich reicht die eigentliche Enltarzone
nur vom südlichsten, dem Breitegrade Roms, bis zum 60. oder dem Breitegrade
von St. Petersburg, aber dieser Raum genügt vollauf, um einer Bevölkerung
von 50 bis 60 Millionen ausgiebigstes Fortkommen zu sichern.
Die geographischen Charaktereigenheiten Kanadas sind:
Die Großzügigkeit und Einfachheit seiner vertikalen Glie-
derung: Das laurentinische Hochplateau, das fast ^/6 des Areals einnimmt,
die Kordilleren im Westen und die Appalachen- Ausläufer im Südosten, die
alle drei der archaischen Formation angehören, in der Mitte die über
paläozoischer Unterlage sich erstreckende unermeßliche Tiefebene. — Die
Menge großer Ströme und Flüsse, die das Gebiet nach allen Rich-
tungen durchziehen und eine Fülle vou Wasserverbindungen geben, (vier Welt-
ströme ersten Ranges : St. Lorenz, Saskatchewan-Nelson, Mackenzie und Yukon).
— Ungeheurer Reichtum an Süßwasserseen, über 20 000 innerhalb
der Kulturzone allein. Das Gesamt-Seenareal des Dominiums einschließlich der
großen Seen beträgt 200000 Quadratmeilen = ^'s Million qkm. Gegen 40000
Inseln aller Formen und Größen finden sich. Das Klima der Kulturzone ist im
Innern gemäßigt-kontinental und im Bereiche des Atlantischen und Pazifi-
6chen Ozeans maritim-gemäßigt. Im Westen macht sich die Einwirkung des
warmen Ssivo Kouro oder Chinook bis auf 1000 Meilen landeinwärts geltend.
Der Sonnenscheinreichtum der großen Ebene beträgt im Jahresdurchschnitt
5,82 Stunden pro Tag, oder 2125 Stunden im Jahre und gleicht dem von Süd-
frankreich und Oberitalien.
Bevölkerung: Kanada tritt in das neue Jahrhundert mit 6 Mil-
lionen e|n, der gleichen Bevölkerungsziffer, mit der die Vereinigten Staaten
das 19. Jahrhundert begonnen haben. Franzosen mit 2 Millionen bilden den
Grundstock, Engländer und Iren zählen je eine Million, Schotten und Yankees
je eine halbe Million, der Rest verteilt sich, von den Indianern und Eskimos
abgesehen, auf ein Völkergemisch fast aller europäischen Stämme: Skan-
dinavier, Finnländer, Deutsche, ()sterreicher, Russen, Italiener, Juden und
schließlich ca. 50000 Chinesen.
Die natürlichen, reichen Grundlagen des kanadischen
Wirtschaftslebens sind: Ein unerschöpflicher Waldbestand,
— 129 —
der gering gerechnet über 2V's Millionen qkm umfaßt und die wertvollsten
Natzholzarten birgt. Der Wert der Jahresproduktion beträgt 100 Millionen
Dollar. — Ein Mineralreichtnm (Kohle, Eisen, Nickel, Kupfer, Gold,
Silber, Blei, Asbest, Petroleum etc.), der erst im Anfangsstadium der Aus-
beute sich befindet und dennoch bereits in solcher Ausgiebigkeit und solcher
Mannigfaltigkeit festgestellt worden ist, daß er fast den der großen Nach-
barrepublik zu übertreffen verspricht. Die letztjährige Ausbeute wurde auf
ca. 70 Millionen Dollar bewertet. — Der Landwirtschaft dienen bis
jetzt 30 Millionen Acres mit einer Jahresproduktion von 365 Millionen
Dollar. Die große Ebene mit ihrem wunderbar produktiven jungfräulichen
Boden ist bestinmit, in nächster Zukunft die Komkanmier der Welt abzu-
geben. Der Obstertrag ergab 21 Millionen Bnshel, = ca. 7Vs Millionen
Doppelzentner, Weintrauben 25 Millionen Pfund, Tabak 12 Millionen Pfund.
— Die Fischereien Kanadas mit der gewaltigen Salmen- und Robben-
aasbeute an der Pazifischen Küste, dem Dorsch-, Schellfisch-, Hering-
und Hunmierfang an der Atlantischen Ktlste und in den Flüssen und
Süßwasserseen betrug 38 Millionen Dollar. — Die fabelhaft großen
Vorräte an mechanischer Energie, die ans den Tausenden von
Wasserfällen, Stromschnellen etc. als „Weiße Kohle Kanadas" nutzbar
gemacht werden können, finden bereits in ein paar Millionen Pferdekräften
Verwendung.
Alle diese Schätze samt den in reißendem Aufschwang befindlichen
Industrieen und dem Handel, den ausgezeichneten Kommunikationsmitteln zu
Lande und zu Wasser, bringen das Land in eine so rasche Entwicklung, daß
Kanada heute bereits in der Weltwirtschaft der Erde den Rang eines Kultur-
großstaates einnimmt. Mit der Tonnage seiner Handelsflotte ran-
giert das Dominium bereits an fünfter Stelle, unmittelbar hinter den Flotten
Großbritanniens, der Vereinigten Staaten von Nordamerika, des Deutschen
Reichs und der skandinavischen Länder. Frankreich kommt hinter Kanada
an sechster, Österreich-Ungarn gar an vierzehnter Stelle. Kanadas Handels-
bilanz macht '/i des gesamten Außenhandels der Österreich-ungarischen
Monarchie aus und steht weit vor der Spaniens, Japans und Australiens.
Mittwoch, den 28. Februar 1906.
Herr Prof. Dr. A. W. Nieuwenhuis-Leiden: Die kör-
perliehe and geistige Entwicklung der Dajak auf Borneo.
(Lichtbilder.)
Die Ethnologie, Völkerkunde, bildet einen der jtingsten und am wenigsten
geförderten Zweige der Wissenschaft, weil die Erscheinungen, welche der
Mensch und sein Gemeinwesen zeigen, sehr kompliziert sind und nur mit
Hilfe vieler anderen Wissenschaften begriffen werden können. Ein richtiges
Verständnis für die hoch kultivierten Menschengruppen erhält man durch
das Studium der jetzt noch lebenden primitiven Völker ; diese befinden sich
in Entwicklungsstadien, welche die anderen vor langer Zeit bereits durch*
9
— 130 —
laufen haben müssen. Die folgende Skizze Ton der körperlichen nnd geistigen
Entwicklang der Dajak soll in dem Hörer eine richtigere Schätznng der Vor-
züge, welche ein Koltorrolk genießt, erwecken.
Die Insel Bomeo ist nach Nea-Goinea die größte der Erde, der nieder-
ländische Teil ist etwa so groß wie das Deutsche Reich; die Beyölkening
wird jedoch nnr auf 2—3 Seelen pro qkm geschätzt. Der Äqaator zieht mitten
über die Insel hin; ein starker RegenfaU ist ziemlich gleichmäßig über das
Jahr verteilt, der Pflanzenwachs ist daher äaßerst Üppig. Ein ananter-
brochener Urwald bedeckt die ganze Insel. Inmitten dieser reichen Natar
fristen die Dajak ein kümmerliches Dasein. Schuld hieran sind in erster
Linie die ernsten endemischen and von auswärts eingeführten epidemischen
Krankheiten, die bei ihnen herrschen, in zweiter Linie die niedrige geistige
Entwicklungsstufe, welche die Bewohner Bomeos einnehmen. Die Malaria
schwächt die meisten Individuen von Kind an und setzt ihre Leistungs-
fähigkeit herab. Gegen diese Krankheit ist nur eine partielle Immunität
bei ihnen zu konstatieren. Von sehr schädlichem Einfluß sind auch die
venerischen Leiden und Infektionskrankheiten, gegen die sie keine Heilmittel
kennen. Infolge ihrer niedrigen geistigen Entwicklung betreiben die Dajak
den Reisbau, auf den sie fast gänzlich angewiesen sind, auf sehr irrationelle
Weise. Sie wissen nicht, daß dasselbe Feld Jahre hintereinander Produkte
liefern kann und fällen daher beinahe alljährlich ein Stück Urwald zur An-
lage neuer Felder. Von der infolge schlechter Bodenbearbeitung sehr mittel-
mäßig ausfallenden Ernte fordern zuletzt auch noch Vögel, Affen, Wild-
schweine und Hirsche ihren Teil. Auf die gleiche primitive Weise bauen
die Dajak ihre Häuser und Böte und beschaffen sie sich ihre Kleidung.
Zweckmäßige Gerätschaften fehlen ihnen, auch kennen sie keine rationelle
Arbeitsteilung, sondern jede Familie stellt alle zum Leben erforderlichen
Dinge selbst her. Da die Dajak so wenig den Reichtum der sie umringen-
den Natur auszunützen verstehen und häufig zu körperlichen Leiden und
Tatenlosigkeit verdammt sind, fühlen sie sich in hohem Maße als ein Spiel-
ball über ihnen stehender Mächte. Ihrer Schöpfungsgeschichte nach stellen
sie sich nicht höher als die Tiere, Pflanzen und Steine ihrer Umgebung.
Sie leben in ständiger Angst vor einem Heer von bösen Geistern, die sie
ftlr begangene Vergehen schon hier auf Erden heimsuchen. Durch strenge
Befolgung eines Systems von Verbotsbestimmungen, das ihnen jede Freiheit
des Handelns nimmt, suchen sich die Dajak vor den bösen Mächten zu
schützen. Die Dajak sind in Wirklichkeit nicht die tapferen, blutdürstigen
Kopfjäger, wie sie bis jetzt von den Reisenden dargestellt worden sind,
sondern sanfte, ängstliche, friedliebende Menschen. Die Kopfjägerei ist bei
ihnen ein Pietätsakt. — Im Gebiet des Kunsthandwerks haben sie es sehr
weit gebracht. Ihre Schnitzereien in Holz, Bambus und Hirschhorn, ihre
Tätowierungen, Perlen arbeiten, Stickereien etc. deuten sogar auf viel Ge-
schmack, Fertigkeit, Kunstgefühl und vor allem auf eine außergewöhnliche
Darstellungsgabe. Unter anderen Lebensbedingungen würden die Dajak
voraussichtlich einer höheren Entwicklung fähig sein. Augenblicklich haben
wir jedoch keinen Grund, diese sogenannten Wilden um ihren idyllischen
Naturzustand zu beneiden.
— 131 —
Mittwoch, den 2. Mai 1906.
Herr Professor Dr. Emil Deckert-Frankfurt a. M.:
San Franzisko und seine Erdbeben. (Lichtbilder.)
Nächst Mexiko ist Kalifornien die am häufigsten von Erdbeben heim-
gesachte Landschaft des nordamerikanischen Erdteils, und von den 26 mit
Häasereinstnrz , Erdspaltenbildang , Verlast von Menschenleben etc. verban-
denen Katastrophenbeben, die das Unionsgebiet seit Beginn des 19. Jahr-
handerts betroffen haben, entfallen nicht weniger als 20 aaf Kalifornien,
nur 2 aaf die Felsengebirgsgegend, nar 4, daranter die Beben von Nea-
madrid and Charleston, auf den Osten. Der große geotektonische Prozeß,
welcher darch die Erderschütterangen znm Ausdruck gelangt, bat der kalifor-
nischen Landschaft auch in verschiedenfacher Beziehung ein ganz bestimmtes
Gepräge gegeben, das für ihre Kultur- und Wirtschaf tsentwickelnng von
hoher Bedeatung ist. Der Meeresbrandung und den atmosphärischen Kräften
gelang es nicht, dem 3000 km langen pazifischen Küstengebirgswalle irgendwo
eine durchgreifende Quergliederung zu geben, so daß er für den großen Ver-
kehr überschreitbar geworden wäre, oder daß sich an seiner Seeseite gute
Ankerplätze für die Schiffahrt gebildet hätten. Durch den ruckweise fort-
schreitenden säkularen Senkungsprozeß, den die Erdbeben andeuten, wurde
aber das Goldene Tor von San Franzisko geschaffen, das die größten See-
schiffe frei passieren läßt, und desgleichen die herrliche Bai von San Fran-
zisko, die Tausenden von Schiffen sicheren Schutz bietet und die mit gutem
Fuge als einer der vorzüglichsten Naturhäfen der Erde gilt. Dadurch er-
leidet der verkehrsfeindliche Küstengebirgswall in seiner ganzen Breite eine
durchgreifende Unterbrechung, und es ist ein Punkt gegeben, an dem sich
das Wirtschaftsleben Kaliforniens mit dem allgemeinen Weltverkehrs- und
Weltwirtschaftsleben verknüpfen kann. Auch das ungeheure kalifornische
Haupttal im Hintergrunde der San Franzisko -Bai und die merkwürdigen
Längstäler des Küstengebirges in der nächsten Umgebung der Bai, die
sämtlich anter der Hand des Kulturmenschen, zum Teil anter Zuhilfenahme
von künstlicher Bewässerung, reiche landwirtschaftliche Fähigkeiten entfaltet
haben, sind ihrer Entstehung nach Grabensenkungen, an deren weiterer Aus-
gestaltung und Tieferlegang die abyssischen Kräfte unablässig weiter ar-
beiten. Die fraglichen Täler, vor allem aber die unmittelbarste Umrahmung
der Bai und des Goldenen Tores sind weitaus am häufigsten und stärksten
Ton Beben heimgesucht, dergestalt, daß daselbst seit dem Jahre 1800 im
ganzen gegen 500 Beben, darunter 10 verwüstende Katastrophenbeben ver-
zeidinet worden sind. Zwei Katastrophenbeben, die rasch aufeinander folgten
(1865 und 1868), hatten ihr oberflächliches Schütterzentrum in dem Weich-
bÜde von San Franzisko, und wenn man die Beben einer Jahresreihe ftLr die
Gegend kartographisch fixiert, so erscheint San Franzisko immer wie in den
wildesten seismischen Strudel, in dem der berührte geotektonische Prozeß
kräftiger als anderweit fortschreitet, hineingebaut. Darin ist die hohe Gunst
seiner verkehrsgeographischen Lage begründet, zugleich war darin aber für
die Stadt eine schwere Bedrohung und Gefahr gegeben. Die südliche hohe
Sierra Nevada, die beinahe unübersteiglich ist, wird verhältnismäßig selten
9*
— 132 —
und in der Regel nur schwach yoq den kalifornischen Erdbeben mitbetroSen,
so daß sie in einem gewissen Grade wie ein geologischer Horst erscheint.
Daß die Sierra Nevada Ostlich vom Goldenen Tore eine allgemeine Ernie-
drigung ihres Kammes und zahlreiche Sparen einer nnl&ngst erloschenen yoI-
kanischen Tätigkeit, sowie reiche Erzlagerstätten aufweist, ist aber wieder
nicht ohne inneren Zusammenhang mit den seismischen Verhältnissen. In
diese G^egend des Gebirges wirken auch gegenwärtig noch verhältnismäßig
oft große Beben vom Gh)ldenen Tore her hinein und die chronischen Schütter-
herde von Carson und Independence, jenseits der Sierra, stehen mit den-
jenigen in der Umrahmung der San Fransisko-Bai in einem engen Wechsel-
verhältnisse.
Das große Beben vom 18. April 1906 fügt sich in sehr strenger Weise
in das allgemeine System der kalifornischen Beben ein. In erster Linie
handelt es lieh bei ihm um ein Fortschreiten der Grabeneinbrüche des Santa
Clara-Tales, des Saunas - Tales , des Petaluma- und Santa Rosa-Tales, der
Rnssian Gelch und anderer. Dabei wurde aber der Gesamtbau des Küsten-
gebirges nördlich und südlich vom Goldenen Tore bis zur Coosbai und bis
Los Angeles, in starke Mitleidenschaft gezogen, und ebenso auch das ganze
kalifornische Haupttal, sowie in abgeschwächtem Maße vielleicht der Gesamt-
bau der Sierra Nevada. An Unhell für die Menschen brachte das Beben eine
größere Summe, als sonst die Beben eines ganzen Jahrhunderts zu bringen
pflegen, und auf der 300 km langen Linie von Ukiah bis nach Salinas legte
es Städte in Trümmer und verursachte den Verlust an Menschenleben. Auf
dieser Linie, noch stärker aber auf einer weiter westlich liegenden Parallel-
linie, öffneten sich auch ausgedehnte Erdbebenspalten mit deutlichen Spuren
plötzlicher Schichtenstörungen und Verwerfungen. Die furchtbare Kraft der
unmittelbaren Stoßwirkung ist am besten sichtbar an den Ruinen der Palo-
Alto-Universität, während sie bei den Ruinen von San Franzisko vielfach
durch die nachfolgende Brandwirkung verdunkelt worden ist.
Daß San Franzisko aus seinen TrtUnmem wieder erstehen wird, um
seine wichtige kultur- und wirtschaftsgeographische Funktion am Goldenen
Tore weiter auszuüben, kann nicht bezweifelt werden. Allerdings werden
ihm weitere starke Erschütterungen an der fraglichen Planetenstelle nicht
erspart bleiben. Aber man wird aus der Katastrophe lernen, erdbebensicherer
zu bauen, sorgsamer zu ftlgen und fester zu fundieren.
Die Erdkunde in den letzten zehn Jahren.
Festrede
bei der siebzigjährigen Jubelfeier des Vereins am 12. Dezemberl906,
gehalten von
Professor Dr. Siegmund Günther aus Mttnchen.
Hochgeehrte Anwesende!
Fast könnte mir der Mut entsinken, meine Ansprache über
die Fortschritte der Geographie in den letzten zehn Jahren zu
beginnen, weil uns soeben von zuständiger Seite gesagt worden
ist, dafi wir uns heute nicht mit Rttck-, sondern nur mit Vor-
blicken beschäftigen sollen'^), und das, was ich zu bieten habe,
kann doch wohl nichts anderes als eben eine Rückschau sein.
Ich werde jedoch, so gut es geht, meine Aufgabe in dem Sinne
zu lösen versuchen, wie er uns von dem Vertreter der jüngeren
Oruppe — der Altersunterschied zwischen Herrn Hofrat Dr. Hagen
und mir beträgt etwa fünf bis sechs Jahre — vorgezeichnet
worden ist; in dem Sinne nämlich, daß zugleich der Zukunft
and der aufstrebenden Tätigkeit entsprechend gedacht wird.
Hat ja doch die Erörterung der innerhalb eines gewissen Zeit-
raumes gemachten Fortschritte nur insofern Berechtigung und
Bedeutung, als zugleich die aus dem bisher Erreichten sich
ergebenden Folgerungen für das, was nun weiter zu geschehen
hat, gezogen werden.
In dem kurzen mir zugemessenen Rahmen eine zusammen-
fassende Schilderung der Entwicklung unseres Wissens von der
Erde zu geben, ist gewiß keine leichte Sache, und ich bin mir
der Schwierigkeit der übernommenen Verpflichtung voll bewußt.
Vielleicht ist dieselbe etwas weniger schwierig, als sie es war,
♦) Vgl. Seite 167.
— 134 —
da ich vor gerade zehn Jahren zu dem gleichen Zwecke an der
gleichen Stelle stand, denn eben das damals abgelaufene Jahr-
zehnt war besonders reich an großen geographischen Neuerungen.
Gewiß, dieselben fehlen auch diesmal durchaus nicht, aber immer-
hin war das letzte Dezennium, wenn man das Gesamtfazit zieht,
mehr der intensiven Arbeit als der expansiven Bereicherung
des erdkundlichen Wissens gewidmet, und damit ist eine sehr
erfreuliche Erkenntnis gegeben, indem wir eben unserem Ideale,
die ganze Erdoberfläche uns wissenschaftlich Untertan zu machen,
um ein beträchtliches Stück näher gekommen sind. Die Menge
und Größe der Gebiete, welche noch als ganz unerforscht zu
gelten haben, treten mehr und mehr zurück, während die Zahl
der Erdräume, welche für die Geographie gewonnen worden
sind, entschieden zunimmt. Wir haben es jedoch nicht lediglich
mit den Resultaten der Entdeckungs- und Forschungsreisen zu
tun, sondern auch die wissenschaftliche Geographie als solche
ist in das Auge zu fassen, und es liegt in der Natur der Dinge,
daß, wenn nach der erstgenannten Seite hin ein gewisses Nach-
lassen bemerkbar wird, auf der anderen Seite ein überreicher
Ersatz geboten werden muß.
Leider ist an erster Stelle an das Hinscheiden so manches
hervorragenden und führenden Geistes auf unserem Arbeitsfelde
zu erinnern, und der Nekrolog nimmt einen unerwünscht weiten
Platz in Anspruch. Nicht Alle, die sich um die Erdkunde in
ihren verschiedenen Teilen verdient gemacht haben, können
wir hier aufzählen, vielmehr muß es bei der Nennung einiger
besonders ausgezeichneter Persönlichkeiten sein Bewenden haben.
Dahin gehört Adolf Bastian, den wir ohne Befürchtung,
widerlegt zu werden, als den Begründer der modernen ver-
gleichenden Ethnologie feiern dürfen; dahin gehört Ferdinand
V. Richthofen, auf den die wissenschaftliche Länderkunde
in ihrer modernen Gestalt zurückgeht; dahin Friedrich Ratzel,
den wir neben so vielem anderen das Geschenk der „Anthropo-
geographie^ zu danken haben; dahin Sophus Rüge, der ver-
dienstvolle Geschichtschreiber der Geographie im allgemeinen
und des Entdeckungszeitalters im besonderen. Hiezu kommt
Eduard Richter in Graz, der uns als berühmter Forscher
im Bereiche der Alpenkunde diese geographisch so viel näher
gebracht hat, und wenn wir über die Grenzen unseres Vater-
— 135 —
landes hinausgehen, so haftet unser Blick an dem genialen
Franzosen Elis6e Reclus, der zu gleicher Zeit auch der
letzte Schüler unseres Karl Ritter war und es meisterlich
verstanden hat, die von diesem empfangenen Anregungen für
eine farbenreiche Länderbeschreibung zu verwerten, und der,
wie man wohl sagen mag, der Wissenschaft ihre liebenswürdigste
Seite abzugewinnen verstand. Und gar mancher bedeutende
Name wäre, stünde die Zeit dafür zu Gebote, den bereits Ge-
nannten noch anzureihen.
Zwei dieser Namen weisen uns allerdings darauf hin, daß
mit dem Anwachsen der Tatsachen und der Einsichten für
unsere Wissenschaft auch eine Art von Verlust notwendig ver-
bunden ist; Disziplinen, welche man als notwendige Unterab-
teilungen der Lehre von der Erde aufzufassen gewohnt war,
machen sich selbständig und beginnen die allzu enge und
hemmend gewordene Verbindung mit den schwesterlichen Wissens-
zweigen zu lösen. Bastian war bereits ausschließlich Völker-
kundiger, und Gelehrte vom Schlage R a t z e 1 s, die also zugleich
namhafte Vertreter der Erd- und der Völkerkunde waren, werden
von nun an immer seltener uns begegnen; nicht bloß deshalb,
weil immer mehr dem einzelnen Menschen die Kraft versagen
muß, so ungeheuere Stoffmassen in sich aufzunehmen und denkend
zu verarbeiten, sondern auch aus dem Grunde, weil inhaltlich
und methodisch beide Wissenschaften mehr auseinander gehen,
unbeschadet des Umstandes, daß zwischen beiden nach wie vor
tausende von Verbindungsfäden den gemeinsamen Ursprung und
die dereinstige Identität erkennbar machen werden.
Ratzeis Geographie des Menschen, welche er von allem
Anfang an als etwas von der Ethnographie durchaus Verschie-
denes hinstellte, hat uns etwas ganz Neues gerade dann kennen
gelehrt, wenn wir sie mit Ritters teleologischer Betrachtung
der Erdoberfläche als des Ortes und der Bedingung der ge-
schichtlichen Hergänge in Parallele stellen. Gewiß war auch
letztere für ihre Zeit eine sehr erfreuliche Erscheinung, aber
in der Weitie der Perspektiven und hinsichtlich der Tiefe der
Analyse kann sie sich mit jener nicht messen. Und außerdem
haben wir, in Fortführung des maßgebenden Grundgedankens,
von Ratzel auch die , Politische Geographie '^ erhalten, die
absolut nicht mit jenen trockenen Stoffansammlungen, wie sie
— 136 —
fr&her unter dieser Bezeichnung geboten wurden, verwechselt
werden darf, die auch nicht eine bloße Staatenkunde darstellen
will, sondern ein bislang der einheitlichen Behandlung entbehren-
des Grenzgebiet der Erdkunde, der Geschichte, der Soziologie
und Volkswirtschaftslehre einer solchen Behandlung teilhaftig
machen möchte.
Die großen methodischen und sachlichen Fortschritte, deren
sich die Geographie gerade in der jetzt abgelaufenen Frist er-
freuen durfte, konnten auch nicht verfehlen, ihre Rückwirkung
auf den geographischen Unterricht auszuüben, der lange Zeit
so sehr im argen lag — womit freilich nicht gesagt sein soll,
daß er nicht da und dort auch jetzt noch im argen liege.
Gewiß, wir Fachgeographen sind die letzten, welche ein Loblied
auf die gegenwärtig bestehenden Zustände singen, aber es ist
uns auf der anderen Seite völlig klar, wie es besser gemacht
werden kann, und wenn trotzdem noch recht viel zu wünschen
übrig bleibt, so trifft die Verantwortung dafür nicht uns, son-
dern Verhältnisse, die außerhalb unserer unmittelbaren Einfluß-
sphäre liegen, an deren Besserung wir aber unentwegt mitzu-
arbeiten verpflichtet sind. Das deutsche Volk, welches sowohl
um die expansive als auch um die im engeren Sinne wissen-
schaftliche Geographie sich so mannigfache Verdienste erworben
hat, sollte wahrlich auch an der Spitze des geographischen
Unterrichtswesens stehen; soweit sind wir noch keineswegs,
aber wir lassen die Hoffnung nicht sinken, daß wir noch einen
kräftigen Ruck nach vorwärts auf diesem Gebiete erleben werden.
Hochschule und Volksschule beflnden sich längst auf dem rich-
tigen Wege; die letztere insofern, als sie von jeher die Not-
wendigkeit der Konzentration betonte und, dem allein richtigen
didaktischen Wege des Aufsteigens vom Leichteren und Beson-
deren zum Schwereren und Allgemeineren folgend, die Heimat-
kunde voranstellt und erst nach und nach in immer größer
werdenden Kreisen das Wissen der Jugend zu erweitern trachtet.
Nur die Mittelschule steht leider vielfach noch weit zurück.
Wir wissen indessen, daß auch da der stete Tropfen den harten
Stein erweichen wird, und daß jene wohlberechtigten Reform-
wünsche, welche noch auf jedem unserer Kongresse geäußert
worden sind, sich endlich auch zur Beachtung und Anerkennung
durchringen werden.
— 137 —
Ungemein große Förderang hat die Gesamt Wissenschaft
dadarch erfahren, daß das Vereins- und Yersammlungswesen
einen so ungeahnten Fortschritt gemacht, einen in jeder Hin-
sicht begrüßenswerten Aufschwung genommen hat. Die natio-
nalen und internationalen Kongresse greifen mit ihren Verhand-
lungen tief in den inneren Betrieb des wissenschaftlichen Lebens
ein, und auch bei den Vereinigungen der Vertreter verwandter
Wissenschaften — wir denken zu allererst an die Naturforscher-
versammlungen — wird unser Gebiet nicht vernachlässigt.
Insbesondere sei auch auf den Internationalen Kongreß hinge-
wiesen, der 1899 unter v. Richthofens Leitung in Berlin zu-
sammentrat und den Treffpunkt hervorragender Geographen des
ganzen Erdenrundes bildete. Die bei solchen Gelegenheiten
unumgänglichen Festlichkeiten treten gegenwärtig ganz in den
Hintergrund gegenüber der Summe dessen, was an fruchtbarer,
positiver Arbeit geleistet wird.
Gerade das letzte Jahrzehnt ist charakterisiert durch eine
überaus segensreiche Ausgestaltung der Karthographie ; wahre
Musterkarten können jetzt jedem Lernenden für einen ungemein
niedrigen Preis in die Hand gegeben werden. Welch stattliche
Reihe von vortrefflichen Atlanten ist nur allein in Deutschland
teils ganz neu, teils in einer den höheren Zeitanforderungen
angepaßter Überarbeitung erschienen, wie dies mit größter
Deutlichkeit „der neue Stieler" beweisen kann. Und nicht
etwa blos die technische Ausführung hat sich zu immer höherer
Vervollkommnung erhoben, sondern ganz ebensosehr trifft dies
auch für die theoretische Grundlage, die Kartenprojektionslehre,
zu, welche dem Zeichner, nach dem Vorgange von Tissot und
Hammer, die Hilfsmittel zur Verfügung stellt, jeweils die für den
konkreten Endzweck geeignetste Abbildungs weise auszuwählen.
Eine überaus dankbare Aufgabe wäre die Kennzeichnung
der von der mathematischen und physikalischen Geographie
erzielten Errungenschaften dann, wenn ein Dutzend Stunden
darüber zu sprechen verstattet wäre, wogegen so, wie die Dinge
jetzt liegen, nur eine kleine Auslese dargeboten zu werden
vermag. Jenes gewaltige Unternehmen, welches in den fünfziger
und sechziger Jahren durch den damaligen Generalstabshaupt-
mann und späteren General Baeyer inauguriert wurde, die zuerst
amitteleuropäische", nachmals „europäische" und nunmehr „inter-
— 138 —
national gewordene Erdmessung, hat noch bei Lebzeiten des
zu hohen Jahren gekommenen Urhebers eine wahrhaft großartige
Entwicklung gesehen, und gerade in den letzten zehn Jahren
ist uns die Möglichkeit verschafft worden, von jener Fläche,
welche „als Geoid'' mit dem ruhigen Spiegel der Erdmeere
zusammenfällt und weder eine Kugel noch auch nur ein geo-
metrisch exaktes ümdrehungsellipsoid ist, eine bis ins einzelne
zutreffende Vorstellung gewinnen zu können. Die nach Meri-
dianen und Parallelen fortschreitenden Gradmessungsarbeiten
haben uns jedoch, indem sie unausgesetzt mit Pendelbeobach-
tungen kombiniert wurden, nicht allein über die Erdgestalt,
sondern auch über die Beschaffenheit der festen Erdrinde auf-
geklärt. Nicht bloß auf dem Festlande und auf hohen Gebirgen,
sondern auch an den Meeresküsten und auf hoher See hat man
die Schwingungen des Pendels geroessen und so ermittelt, daß
unter den Gebirgsketten Massendefekte, unter der Meeresfläche
Massenanhäufungen vorhanden sind. Die von Helm er t und
V. Sterneck quer durch die Alpen gelegten „Schwereprofile**
und eine vom Deutschen Reiche veranlaßte Reise Heckers nach
Brasilien haben die endgültige Bewahrheitung der einschlägigen ,
schon in früherer Zeit, aber nur tastend, aufgestellten Hypothesen
geliefert. In naher Beziehung zu diesen Arbeiten steht eine
andere, ebenfalls nur durch das planvolle internationale Zu-
sammenwirken vieler Kräfte zu fördernde Untersuchung, die-
jenige, welche durch die tatsächliche Veränderlichkeit der bis
vor kurzem als konstant betrachteten geographischen Breite
oder Polhöhe aufgezwungen ward und gewissen kleinen Ver-
schiebungen der Drehungsachse im Inneren des Erdkörpers
nachzuspüren hat. Schon jetzt sind wir durch diesen „Inter-
nationalen Breitendienst^ darüber ins klare gesetzt worden, daß
die Erdpole unausgesetzt auf der Erdoberfläche wandern, und
wenn auch die von ihnen in längeren Zeiträumen beschriebenen
Wege nur sehr klein sind, so wird doch mit der Möglichkeit
gerechnet werden müssen, daß es in geologischer Vorzeit sich
anders verhalten haben könne, wodurch dann vielleicht auch
der Schlüssel zur Begreif ung der merkwürdigen, tiefgreifenden
Veränderungen des Klimas gegeben wird, die sich ehedem er-
eigneten und in der „Eiszeit" ihre großartigste Ausprägung ge-
funden haben.
— 139 —
In eine ganz neue Beleuchtung ward des ferneren gerückt
unsere Einsicht in das Wesen der oft katastrophalen Gleich-
gewichtsstörungen, welche wir als Erdbeben kennen. Nach
zwei Richtungen hat der neue Wissenszweig der ^Seismologie"
seinen Besitzstand gewaltig ausgedehnt. Neue instrumentelle
Vorrichtungen von außerordentlicher Feinheit besitzt die neueste
Zeit in den „Horizontalpendeln** von Milne, Visentini, v. Re-
beur-Paschwitz, Ehlert und, in noch höherem Ausmaße so-
gar, in dem „astatischen Schwerependel ^ von Wiechert; diese
neuen Apparate sind Indikatoren von so hochgradiger Empfind-
lichkeit, daß unsere Erdbebenwarten selbst solche Beben, welche
sich bei unseren Antipoden ereignet haben, nachzuweisen und
auf den Ort ihrer Entstehung zu prüfen in den Stand gesetzt
wurden. Konnte doch eben erst, zu Anfang des Dezember, eine
starke Erderschütterung allenthalben in Europa registriert wer-
den, von welcher man im Hinblick auf die Diagramme mit Recht
vermutete, sie müsse sich in Australien und Polynesien zu-
getragen haben. Gleichzeitig ist aber auch die mathematische
Theorie der seismischen Prozesse durch Wiechert, v. Koeves-
ligethy, Fürst Gallitzin und japanische Forscher, unter denen
der treffliche Omori hervorragt, derart ausgebildet worden,
daß sich die Bedingungen, wie sich die Erdbebenwellen von der
Herdregion aus durch das Gestein fortpflanzen, bis in die Einzel-
heiten hinein übersehen lassen. Dieser theoretischen Produkti-
vität aber ist für später ein ungemein reiches Erfahrungsmaterial
durch jene internationale Erdbeben-Assoziation gesichert, welche
durch die rastlose Agitation Professor Gerlands in Straßburg
i. E. ins Leben gerufen wurde und deshalb zunächst auch diese
Stadt als Vorort gewählt hat. In den fünf Jahren, seitdem der
erste Grund dazu gelegt ward, ist außerordentlich viel geschehen,
um den ganzen Erdball unter seismische Polizeikontrolle zu stellen ;
so hat das Deutsche Reich eine Station auf den Samoa-Inseln an-
gelegt, und fast alle größeren Städte unseres Vaterlandes sind mit
selbstregistrierenden Seismographen ausgerüstet worden. Selbst-
verständlich ist an eine „Erdbebenprognoise'* noch für lange, lange
Zeit nicht zu denken, und vor allem steht zu hoffen, daß wir mit
der Zeit zu zuverlässigen Kriterien der Frage durchdringen werden,
ob ein beobachtetes Phänomen dieser Art als ein „vulkanisches^, als
ein „tektonisches'' oder als ein „Einsturz-Beben'' aufzufassen ist.
— 140 —
Hiermit haben wir den Übergang gefanden zu der Lehre
vom Volkanismus, welche in den letzten sieben bis acht Jahren
ein sehr reges wissenschaftliches Leben sich entfalten sah. Der
inzwischen leider verstorbene Sadamerika-Reisende St Abel war
es, der darch seine in manchen Punkten neue Erklärung der
Vulkanentstehung und der vulkanischen Ausbräche den Anstoß
gegeben hat, indem er einerseits für die Annahme einer sehr
wenig tiefen Lage der vulkanischen Essen in der „Erdpanze-
rung^ eintrat, und anderseits, wie dies auch unabhängig seitens
des Berliner Geologen Branco geschah, der Humboldt sehen
Ansicht, daß die Eruption durchweg aus schon bestehenden
Spalten erfolge, die Berechtigung absprach. Geht auch wohl
die Meinung der Mehrzahl der modernen Vulkanforscher dahin,
daß diese letztere Anschauung eine zu einseitige sei, indem
vielmehr — wie namentlich Hans Meyer sich bei seinen Vulkan-
besteigungen in Ecuador überzeugte — mit der Spaltentheorie
nicht so schroff gebrochen werden dürfe, so wird doch allseitig
anerkannt, daß das durch St übel in eine etwas stationär ge-
wordene Abteilung der Geodynamik hineingetragene Ferment
höchst befruchtend gewirkt hat. Die Ausbrüche auf den Kleinen
Antillen hingegen haben ihrerseits dazu geführt, ein ebenso
altes wie umstrittenes Problem wieder auf der Tagesordnung
erscheinen zu lassen, nämlich die Rolle, welche dem nahen
Meere bei der Einleitung solcher Reaktionen des Erdinneren
gegen die Außenseite zuzuschreiben sein mag.
Allerdings kommen hier nur ganz oberflächliche Eraftäuße-
rungen in Betracht, und darüber, wie wir uns die innere Be-
schaffenheit der Erde in größerer Entfernung von der Ober-
fläche zu denken haben, geben uns die vulkanischen Erschei-
nungen nur unvollkommenen Aufschluß. Nach dieser Seite hin
ist als eine wichtige Etappe weiteren Vordringens in der
Erkenntnis eine Studie des berühmten Stockholmer Physiko-
chemikers Svante Arrhenius namhaft zu machen, der sich
auf Grund neuer Erwägungen für die schon wiederholt ausge-
sprochene und aus verschiedenartigen Gesichtspunkten begrün-
dete Hypothese erklärte, daß im Erdinneren alle nur vorstell-
baren Aggregatformen der Materie enthalten seien, und daß
vornehmlich ein gar nicht unbeträchtlicher zentraler Hohlraum
von Gasen im sogenannten überkritischen Zustande eingenommen
— 141 —
werde, mag auch einstweilen unsere Technik nicht vermögend
sein, im Laboratorium Gebilde herzustellen, wie sie nahe dem
Erdmittelpunkte unter ganz exorbitanten Druck- und Tempe-
raturverhältnissen zustande kommen.
Großartige neue Perspektiven hat die Meereskunde gewon-
nen durch zielbewußt organisierte Expeditionen, wie solche von
mehreren Kulturvölkern in unserem Zeitabschnitte veranstaltet
wurden. Deutschland beteiligte sich daran u. a. durch die zur
Erkundung des Sargasso-Meeres und der atlantischen Plankton-
zusammensetzung veranstaltete Reise des Dampfers ^National*',
den Hensen und Krümmel begleiteten, und durch die weit
ausholende, bis an die Eismeergrenze im Indischen Ozean vor-
dringende Fahrt der „Valdivia^, von welcher der Leipziger
Zoologe Ghun die wertvollsten Früchte für die Tiefseeforschung
mit heimbrachte. Neue Probleme tun sich auf; alten gelingt es,
noch verborgene Seiten abzugewinnen. Wenn der geniale Polar-
fahrer Fridthjof Nansen im Bechte ist, so muß unsere bis-
herige Auffassung der großen Meeresströmungen, die wir
mit dem System der Dauerwinde in ursächliche Verbindung zu
bringen gewohnt sind, ganz aufgegeben oder doch erheblich
abgeändert werden, und es wird nicht zu leugnen sein, daß die
Stellungnahme eines solchen Mannes, der eben seiner intimen
Kenntnis der nordischen Strömungsprozesse seinen Erfolg zu
danken hatte, von großem Gewichte ist. Und wie die Lehre von
den uns umgebenden Gewässern, so hat sich auch diejenige
von der Lufthülle mit zahllosen neuen Ideen bereichern können.
Allen voran steht die von dem französischen Meteorologen
Teisserenc de Bort in Aufoahme gebrachte Theorie von den
.großen Aktionszentren ^, d. h. von umfassenden Bereichen baro-
metrischen Hochstandes in der Gegend der Azoren, welche sich
bald nach Norden bald nach Süden hin- und herschieben und
auf die Wetterlage Europas wie Amerikas einen ganz bestim-
menden Einfluß äußern, dessen Berücksichtigung die Witterungs-
prognose sich nicht mehr entziehen können wird.
Gleicherweise ist in ein neues Stadium getreten die Lehre
vom Erdmagnetismus samt der ihr so nahe stehenden vom Polar-
lichte. Wie grundstürzend anders würde mein Bericht über letz-
teres heute, falls er ausführlicher sich gestalten dürfte, ausfallen
müssen verglichen mit dem, welchen ich vor einer längeren Beihe
— 142 —
von Jahren eben in Ihrem Vereine &ber dieses Thema zu erstat-
ten die Ehre hatte. Hat sich doch unser ganzer Gedankenkreis
hinsichtlich dessen, was mit den magnetischen und elektrischen
Kräften des Erdkörpers und der Erdatmosphäre zusammenhängt,
eine völlige Umwandlung durch die Einführung der ebenso küh-
nen wie fruchtbringenden „Working Hypothesis*' gefallen lassen
müssen, daß allüberall Stoff teilchen von einer unter alle Vor-
stellungsmöglichkeiten hinabsinkenden Winzigkeit umherschwär-
men, welche als „ Jonen ** und „Elektronen^ die ehemals ganz
anders gedeuteten Ladungs- und Entladungserscheinungen elek-
trischer Natur zuwege bringen.
Dieser kurzen Rückschau auf die Entwicklung der wissen-
schaftlichen Erdkunde im letzten Dezennium sei nun weiter eine
solche auf die Erweiterungen angereiht, welche unserem geo-
graphischen Horizonte zuteil geworden sind. An die erste Stelle
verdient nicht bloß wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung, son-
dern gerade auch wegen ihrer allerneuesten Fortschritte die
Polarfrage gestellt zu werden. Damals, als vor zehn Jahren
das Referat fällig wurde, war eben Nansen von seiner drei-
maligen Überwinterung zurückgekehrt, und sein Vorstoß gegen
den Nordpol hatte im besten Sinne des Wortes Schule gemacht.
Denn bald folgte ihm der Herzog der Abruzzen, dessen unter-
nehmendem Begleiter Cagni es vergönnt war, den von dem
norwegischen Vorläufer aufgestellten Rekord noch, wenn auch
nicht um ein großes Stück, zu schlagen. Und wieder ist eine
Strecke weiter gekommen im eben zur Wende sich neigenden
Jahre der nordamerikanische Seeoffizier Peary, dem schon früher
die Ermittlung des nördlichsten Küstenverlaufes der Rieseninsel
Grönland geglückt war, und der nun mit seinem Dampfer
„Roosevelt** auch den 87. Breitenparallel hinter sich gebracht
hat, so daß seinen Umkehrpunkt vom Endpunkte der Umdreh-
ungsachse nur noch ein Weg von 320 km trennt. Annähernd
gleichzeitig hat die von dem norwegischen Kapitän Amundsen
geführte „Gjöa*^, die hauptsächlich zur Wiederfind ung des magne-
tischen Nordpoles ausgegangen war, die im Eise erstarrten Sunde
der Nordwestlichen Durchfahrt bezwungen, so daß durch ihre
Reise, in Verbindung mit den Expeditionen von Harrison und
Mikk eisen, die Verhältnisse des nördlich von Amerika sich
ausbreitenden Meeres zum ersten Male seit MacClures Großtat
— 148 —
im Jahre 1851 einer gründlichen und allseitigen Durchforschung
zugänglich gemacht worden sind. Vereinigt man diese Tatsachen
mit Sverdrups erfolgreicher Bereisung der Inselwelt westlich
von Smithsund und Kennedykanal, so wird man zu dem Schlüsse
genötigt, daß auf der europäisch -amerikanischen Seite des
Nördlichen Eismeeres die erobernde Erdkunde mächtige Siege
davongetragen hat. Nicht gleiche Leistungen sind vom asia-
tischen Teile zu rühmen, wo jedoch immerhin durch Baron Tolls
wiederholte Reisen nach den Neusibirischen Inseln, welche zum
tiefen Schmerze aller, die sein Streben kannten, mit seinem
Märtyrertode im Dienste der Wissenschaft ihren Abschluß fanden,
zumal auch der physikalischen Geographie, die jetzt die Natur
des „ewigen Steineises ^ kennen gelernt hat, eine Fülle uner-
warteter Einsichten zugeführt wurde. Neben v. Tolls Ende darf
wohl auch des Ikarusfluges Andr6es und seiner tapferen Ge-
nossen ehrende Erwähnung getan werden.
Geschah für die Arktis schon viel, so hat doch, soweit
polare Forschung in Frage kommt, die Antarktis den Löwen-
anteil zu beanspruchen. Mit dem Jahre 1897 setzte die ener-
gische Tätigkeit Borchgrevinks ein, der nach einer ersten
Sondierung des Terrains, dem er seine Kräfte zuzuwenden
entschlossen war, in der Nähe von Kap Adare das erste süd-
polare Winterquartier bezog und praktisch dartat, daß die
für die entgegengesetzte Polarzone erprobte Methode des Aus-
sendens von Expeditionen auf Schlitten auch hier, wo die
Verhältnisse in mancher Beziehung anders gelagert sind, ihre
Brauchbarkeit beibehält. Ebenfalls den an Südamerika an-
grenzenden Teil des Südlichen Eismeeres wählte sich die
„Belgica^ De Gerlaches zum Arbeitsfeld, die sich zwar
mit einer geringeren Breite begnügen mußte, dafür aber
durch die systematischen Beobachtungsreihen der auf ihr ein-
geschifft gewesenen Geophysiker Arctowski und Dobrowol-
sky neues Licht über die Naturbeschaffenheit dieser unwirtlichen
Regionen zu verbreiten in der Lage war. An dritter Stelle er-
scheint, zeitlich genommen, die an geradezu dramatischen Vor-
kommnissen überreiche Reise der Skandinavier unter 0. Nor-
denskjöld, deren Teilnehmer so lange, bis ein aus Argenti-
nien herübergeschicktes Entsatzschiff sie abholte, die unglaub-
Uchsten Strapazen ertragen mußten, u. a« aber dafür auch den
— 144 —
aberzeagenden Beweis erbriDgen konnten, daß in ferner geo-
logischer Vorzeit diese jetzt in Schnee nnd Eis begrabene Welt
eines milden Klimas sich zn erfreaen hatte.
Nicht minder haben wir bei dieser Gelegenheit unserer
deutschen Forschungsfahrt zu gedenken, in deren Dienst das
zu diesem Behufe eigens bestimmte Dampfschiff „Gauß^ gestellt
war. Von der australischen Seite ausgehend und auf den
Eerguelen-Inseln eine Beobachtungsabteilung zurftcklassend,
drang E. v. Drygalski bis zum Polarkreise vor, mußte aber,
da das Eis, dessen wetterwendischer Charakter sich hier wieder-
um recht deutlich offenbarte, das Schiff gefangen nahm, seine
weitere Arbeit auf Schlittenreisen einschränken, durch welche
besonders die Existenz eines ehemaligen Vulkans, des „Gauß-
berges^ in „Kaiser- Wilhelms-Land", nachgewiesen wurde. Hatte
sich in diesem Falle das Glftck, das bei polaren Unternehmungen
immer eine ausschlaggebende Rolle spielt, nicht eben hold ge-
zeigt, so begünstigte es umsomehr die Expedition des Engländers
Scott, dem es erstmalig gelang, weit über die sechzig Jahre zuvor
von seinem Landsmanne James ßoss erreichte südliche Breite
hinauszukommen und sinnenfällig zu erhärten, daß selbst unter
82 ^ Polhöhe bei zweckmäßigen Maßnahmen noch Menschen leben
und der Erkundung des aller Hilfsquellen ermangelnden Landes
obliegen können. Indem noch kurz auf die von vornherein auf
weniger weitaussehende Ziele ausgehende französische Antarktis-
reise G ha reo ts hingewiesen wird, folgern wir aus der Gesamt-
heit all dieser mühevollen und wahrlich nicht fruchtlosen Er-
oberungsversuche gewiß mit Recht, daß auch um den Gegenpol
herum, wo aller Wahrscheinlichkeit nach nicht blos eine Insel-
welt, sondern ein stattlicher Kontinentalkomplex zu suchen
ist, dem menschlichen Streben ebensowenig unttbersteigliche
Schranken entgegenstehen, wie sich solche in der arktischen
Zone vorfinden.
Die Entdeckungszüge in den einzelnen Kontinenten nehmen
naturgemäß mehr und mehr räumlich bescheidenere Dimensionen
an, wogegen zur Kompensation die Forschungsleistung im engeren
Sinne sich mit jeder gelungenen Reise erhöhten Aufgaben gegen-
über sieht. In welch ausgedehnter Weise dies selbst für Gebiete
gilt, die man schon ahs ziemlich gut bekannte zu behandeln sich
gewöhnt hat, zeigt uns drastisch die halb geographische, halb
— 145 —
archäologische Literatur, welche im Anschlüsse an Delitzschs
,Babel and Bibel** betreffs des Zweistromlandes emporgewachsen
ist. Persien and Afghanistan, gleichfalls Länder einer alten
Ealtar, sind, das ersieht man ans Sven y. Hedins neaester
Bereisang der östlichen Wüste and den Ergebnissen mehrerer
englischer Expeditionen, zweifellos noch lange nicht in dem
Aasmaße der Geographie erschlossen, wie man dies wohl zn
glaaben geneigt sein könnte. Überhaupt bleibt selbst in West-
asien noch viel za tan äbrig, denn in dem direkt vor Europas
Türen liegenden Eaukasusgebirge mußte durch die Reisen und
Bergbesteigungen M. v. D6chys und vor allem G. Merzbächers,
denen sich unlängst noch eine Reihe alpinistischer Sportrekords
und auf der anderen Seite die Forschungen G. v . R a d d e s und
G. von Hahns anschlössen, so manches eine Terra incognita
darstellende Hochtal geradezu entdeckt und der Wissenschaft
eröffnet werden. Unverhältnismäßig schlimmer stand und steht
es zum teile noch jetzt um die zentralasiatischen Gebirge, ob-
wohl die Bemühungen der russischen Geographen und Geologen
um die Entschleierung dieser wenig zugänglichen Hochregion
voll anzuerkennen sind. Auch deutscherseits fehlt es nicht an
hervorragender Mithilfe; auf die Reise Friederichsens folgte
Merzbachers überaus umfassende Durchforschung der Thien^
schan-Eette, durch welche, um nur ^in Hauptresultat hervor-
zuheben, die Lage des höchsten Berges, des Khan-tengri, auf
der Earte genau fixiert wurde.
Und weiter der Himalaya! Wie lange ist es her, daß
dessen Riesenmauer, von einigen Pässen abgesehen, geradezu
noch als ein ganz und gar unbekanntes Gebirge betrachtet
werden mußte? Lange Zeit waren britische Offiziere, die aus
strategischen Gründen die Wegsamkeit des Gebirgslandes zu
untersuchen hatten, und gelehrte Braminen, „Punditen**, denen
die Rektifizierung der Earten übertragen war, die einzigen
Exploratoren. Das ist ganz anders geworden. Die Reisen
C. Dieners führten in eine ganze Reihe bis dahin verschlossener
Gletscbergebiete, und in allerneuester Zeit zogen die Hochtouren
des Ehepaares BuUock-Workman das allgemeine Interesse
auf sich, bei welchen die höchsten bisher von einem Menschen
erklommenen Höhen überschritten worden sind ; 7000 m und
mehr waren weder im Himalaya noch in den Eordilleren erreicht
10
— 146 —
worden. Und diese alpinistische Masterleistang trag aach in-
sonderheit dadarch Früchte für ansere Wissenschaft, daß sie
anserem Landsmann Oestreich (Marbnrg) die Möglichkeit
sehr eingehender Stadien über den Baa and die Bildung der
Himalayatäler verschaffte.
Von Birma liegen die tief in das schwierige Hinterland
eindringenden Forschungen Noetlings vor. Was Slam und
Französisch-Hinterindien, China and Japan anlangt, so sind
diese Länder, wie jedermann weiß, längst nicht mehr jene Stief-
kinder der geographischen Erkandang, die sie vor nicht allza
langer Frist waren ; darch friedliche Unternehmangen and ganz
besonders im Anschluß an die mancherlei kriegerischen Ver-
wicklungen der jüngsten Vergangenheit ist von vielen Landes-
teilen und sonstigen Verhältnissen der verhüllende Schleier
herabgezogen worden. Vorzugsweise Japan ist ja jetzt selber
ein Brennpunkt intensivster geographischer Arbeit geworden,
an der sich fast ausschließlich die Landeskinder beteiligen, wie
denn kaum ein europäischer Staat sich einer so gründlich durch-
geführten magnetischen Landesvermessung zu rühmen hat, als
sie das Inselreich unter Tanakadates Leitung erhalten hat.
Der äußerste Westen Chinas und das angrenzende tibetanisch-
mongolische Grenzgebiet weist noch viele mangelhaft bekannte
Bezirke auf, aber durch sotbhe Vorstöße, wie sie von W. Filchner
in das obere Stromtal des Hoangho ausgeführt worden sind,
wird dem geographischen Dunkel Schritt für Schritt Terrain
abgewonnen. Solche Erkundungsarbeit möchte man ganz be-
sonders auch in noch größerer Zahl dem Oberlaufe der aus China
nach Indochina fließenden Ströme wünschen.
Durch den Feldzug der Indobriten gegen Tibet ist erst-
malig die heilige Stadt L'Hasa, die früher nur gelegentlich
katholische Mönche in Augenschein hatten nehmen dürfen, so-
zusagen in die Öffentlichkeit getreten. Was Sven v. Hedin,
der vorher durch seine originelle Tarimbefahrung eine neue
Epoche der zentralasiatischen Forschung eingeleitet hatte, noch
nicht durch Klugheit erreichen konnte, tat nun die Gewalt. Auch
durch den Burjäten Zybikow, durch den Württemberger Tafel
nnd den österreichischen Gelehrten Zugmayer sind neue und
sehr dankenswerte Beiträge zur Kenntnis Tibets geliefert worden,
und wenn auch manches noch der Folgezeit vorbehalten bleibt,
— 147 —
wie der endgiltige Nachweis der Identität von Dsangpo and
Brahmaputra, so sind doch die ersten und zugleich bahnbrechen-
den Schritte zur definitiven Entschleierung der geographischen
Sphinx getan.
Nur mit wenigen Worten möge auch die Hinterindische
Inselwelt gestreift werden. Borneo ist durch die Durchquerung
des niederländischen Zoo- und Anthropologen Nieuwenhuis,
Celebes ist durch die unermüdlichen Begehungen der Vettern
Sara sin aus Basel uns nach den verschiedensten Seiten näher
gerückt worden. Und die von der holländischen Eolonialregierung
patronisierten Fahrten des UntersuchungsschiSes ^^Siboga'' unter
M. Webers Leitung haben für die Sunda- und Molukken-See
zahlreiche neue Aufschlüsse gebracht.
Der Kontinent Australien ist, wie die Werke von Vohsion
und Vigouroux beweisen, schon wesentlich in das Stadium
ruhiger Erörterung der bestehenden Zustände eingetreten, und
große Explorationsreisen werden seltener. Wie viel aber z. B.
noch für die Ethnologie zu holen ist, darüber vergewissert der
mehrjährige Aufenthalt, den Elaatsch vorzugsweise im Nord-
osten genommen hat. Neu-Guinea ist — das traurige Beispiel
von Ehlers' verunglückter Expedition liegt noch nicht allzu
lange hinter uns — noch immer ein geographisches Schmerzens-
kind, aber es ist hier und im benachbarten Bismarck-Archipel
von deutschen Pionieren mit Erfolg an der Aufhellung des Dunkels
gearbeitet worden. Überhaupt ist die Ozeanische Inselwelt
durch deutsche Naturforscher — Voeltzkow, Reinecke,
A. Eraemer, den besten Eenner der pazifischen Eorallen-
gebäude — mehr als durch solche anderer Nationen dem Geo-
graphen dienstbar gemacht worden.
Der „Schwarze Erdteil*' hat viel von der dereinst auf ihm
lagernden Finsternis verloren. Selbst das noch vor kurzem
noch so unnahbare Abessinien ist jetzt der Zielpunkt einer
ganzen Reihe von diplomatischen und kommerziellen Reisen
geworden. Auch mit dem in starrer Zurückgezogenheit ver-
harrenden Marokko hat sich Europa wohl oder übel beschäftigen
müssen; die Literatur darüber weist eine rasche Vermehrung
auf, aber allerdings nur ausnahmsweise beruhen diese Schriften
auf so weitgehender Autopsie, wie sie sich Th. Fischer in dem
10*
— 148 -
fruchtbaren nördlichen Yorlande des Atlasgebirges erwarb und
zu aussichtsreichen Vorblicken auf eine bessere Zukunft des
Landes verwerten konnte. Zentraiafrika steht nicht mehr so, wie
frtther, im Vordergründe allseitigster Teilnahme, und viele der
sogenannten „großen Afrikaner **, wie u.a. auch H. Wißmann,
gehören nicht mehr den Lebenden an. Als vor zehn Jahren
der Vortrag gehalten wurde, bildete die Bezwingung des Eili-
mandjäro durch Hans Meyer und Purtscheller einen der her-
vorstechenden Punkte; heute ist zu erwähnen, daß 1899 auch
der Kenia von dem Oxforder Professor Mackinder und 1905 der
Bunsoro (nicht Buwenzori) von dem Herzoge von Savoyen
bestiegen worden ist. Im Sttden Afrikas wird uns durch die
englischen Pläne, von Bhodesia aus nordwärts in das Innere
vorzustoßen und eine meridionale Transversalbahn zu bauen,
reicher Gewinn erdkundlicher Natur versprochen.
Nordamerikas Norden bietet auch heute noch, vorab in
Labrador^ weite Flächen auf, die noch selten oder gar nicht eines
weißen Mannes Fuß betrat. Fälle von Hungertod bei Beisenden
sind im Waldterntorium östlich der Hudsonbay noch in den letz-
ten Jahren vorgekommen. Die nordwestlichen Bocky Mountains
und das Easkadengebirge sind, ebenso wie Alaska, von Geo-
logen und Geodäten, welch letztere bei der Festlegung der
Grenze zwischen Britisch-Nordamerika und der Union viel zu
tun hatten, regelmäßig besucht worden; der in den Alaska-Moun-
tains liegende Mount Mac Eanley ist bei solchem Anlaß gemessen
und mit 6240 m als die höchste Erhebung von Nordamerika
erkannt worden. Unerwartete Anregung wurde den Wanderungen
in das subpolare Gebiet durch die grandiosen Goldfunde von
Elondyke gegeben, welche Landschaft vielleicht noch West-
australien und Südafrika an Ergiebigkeit hinter sich zu lassen
bestimmt ist. Mittelamerika war in den Anfangsjahren unseres
Zeitabschnittes, so wie früher schon, die wissenschaftliche Do-
mäne E. Sappers, der für die physische Geographie und Völker-
kunde von Südmeziko, Guatemala und Honduras mehr wie
irgend einer seiner Vorgänger geleistet hat. Die Diskussion
der Eanalprojekte, von denen doch wieder dem alten Panama-
Plane der Vorzug gegeben zu werden scheint, kann nicht ver-
fehlen, auch unserer Wissenschaft da und dort Vorschub zu
leisten.
— 149 —
In Südamerika wird noch fttr lange Brasilien der Landesteil
bleiben, der zusammen mit der SUdhälfte der europäischen Be-
sitzungen in Guyana, die größten Anforderungen an den Geo-
graphen stellt. Die Reisen Steindachners und der Prinzessin
Therese von Bayern kamen vorzugsweise den beschreibenden
Naturwissenschaften zu gute. Chile hat seinen langjährigen
Vorkämpfer landeskundlicher Forschung in dem eingewanderten
Deutschen Philippi verloren, der das 96. Lebensjahr erreicht und
vielseitigste Anregungen gegeben hat, die so bald nicht nach-
zuwirken aufhören werden. Die noch von Gttßfeldt nicht zum
letzten Ende geführte Besteigung des höchsten amerikanischen
Berges, des Aconcagua^ ist inzwischen zur Tatsache geworden.
Nicht unerheblichen Nutzen hat ferner die Erdkunde aus den
lange währenden Grenzstreitigkeiten zwischen Chile und Argen-
tinien gezogen, welche eine exakte Aufnahme der zweifelhaften
Landschaften erheischten, und da wurde festgestellt, daß, was
man nicht gewußt hatte, im Süden die Andenkette als solche
zu bestehen aufhört und durch ein regelloses Hügelgewirre ab-
gelöst wird. Der äußerste Süden ist durch E. Nordenskjölds
Feuerland-Expedition und Gajardos Entdeckung einer nördlich
der Magellanstraße den ganzen Erdteil durchsetzenden Wasser-
straße gekennzeichnet.
Sogar in Europa könnte, von der unermeßlichen geogra-
phischen Kleinarbeit abgesehen, noch von Forschungstätigkeit
gesprochen werden. Diese gilt selbstredend fast einzig noch
der Balkanhalbinsel mit Bevorzugung Makedoniens und der
herb abgeschlossenen albanischen Gebirge. Cvijic, Steinmetz,
Oestreich haben uns gezeigt, wie viele und große Bereicherung
unser Wissen von dem fremdenfeindlichen Südosten des heimischen
Kontinentes noch vertragen kann. —
Daß dieser kurze Über- und Rückblick mit allen Ge-
brechen eines sehr aphoristisch gehaltenen Spazierganges um
unsere kleine Welt behaftet sein muß, steht niemand klarer als
dem Sprechenden selbst vor der Seele. Die Zeit drängt, und es
wird notwendig, den Rundgang sein Ende erreichen zu lassen.
Aber wenn wir, was heute gesagt ward, mit dem vergleichen,
was der vor zehn Jahren gehaltene Vortrag enthielt, so werden
wir wohl alle, seine Worte unserem Falle anpassend, mit dem
großen fi*anzösischen Schriftsteller auszurufen geneigt sein:
— 160 —
,La v6rit6 est en marche; rien ne Tarrfitera jamais". Den
Fortschritt unserer Wissenschaft kann nichts aufhalten. Nicht
unverborgen bleibt es uns, daß die Lösung vieler Einzelprobleme
erst in hundert oder gar erst in tausend Jahren zu erbringen
sein wird, aber gerade darttber freuen wir uns, daß noch so
viele Zukunftsprobleme vor uns liegen. Den kommenden Ge-
nerationen soll es, das wünschen und hoSen wir gerade in
ihrem Interesse, nicht an Rätseln fehlen, an deren Lösung sie
ihren Geist und Wagemut erproben können. Dnd soweit wir
unsere Wissenschaft überschauen, dürfen wir es ruhig aus-
sprechen, daß auf die Dauer eines Jahrtausends für lohnende
Aufgaben reichlich gesorgt ist.
Der Frankfurter , Verein für Geographie und Statistik",
auf dessen Jubiläumsversammlung ich meinen Dezenniumsbericht
wiederum zu erstatten die Ehre hatte, war auch in dieser
Zeit, wie sonst, redlich bemüht, sich einen Anteil an dem Fort-
schritte der von ihm gepflegten Wissenszweige zu sichern. Ich
ersuche seine Mitglieder, den Bericht in seiner natürlichen Un-
vollkommenheit so entgegenzunehmen, wie er von mir ihnen
dargeboten werden konnte.
Geschäftliche Mitteiinngen.
Bericht ttber die Tätigkeit des Yereins
Tom 1. Oktober 1905 bis 30. September 1906.
Wie auf die früheren Jahre können wir auch auf das ab-
gelaufene Yereinsjahr, in dem unser Verein stetig aufstrebend
seine gewohnte Tätigkeit entfaltete, mit großer Befriedigung
zurfickblicken.
Im Yereinsvor Stande traten seit Erstattung des letzten
Jahresberichts insofern Änderungen ein, als an Stelle der ver-
storbenen Vorstandsmitglieder der Herren Senator Dr. von
Oven und Sanitätsrat Dr. B' ritsch sowie für den aus dem
Vorstand ausgeschiedenen Herrn Professor Dr. Höf 1er die Herren
prakt. Arzt Dr. Theodor De mm er, Amtsrichter Dr. Alfred
Fritsch und Privatier Wilhelm Rehmer neu gewählt
wurden.
Der Verein begann seine Tätigkeit am 11. Oktober 1905.
17 Vorträge wurden gehalten, von denen der letzte in der
regelmäßigen Folge am 28. Februar 1906 stattfand. Sie hatten
sich sämtlich zahlreichen Besuches zu erfreuen und waren durch
Lichtbilder, zum Teil auch durch phonographische Vorführungen
und durch Ausstellungen erläutert. Aus Anlaß des furchtbaren
Erdbebens in Kalifornien veranstaltete der Verein sodann noch
am 2. Mai d. J. einen außerordentlichen Vortragsabend, in welchem
einer der besten Kenner der Erdbebenforschung, der neu an
die hiesige Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften
berufene Professor Dr. Deckert vor einem zahlreichen Audi-
torium über diese gewaltige Naturkatastrophe sprach.
Durch den Tod verlor der Verein am 6. Oktober 1905
sein berühmtes Ehrenmitglied, den Geheimen Regierungsrat
Professor Dr. Freiherrn von Richthofe n, Vorsitzenden der Ge-
sellschaft für Erdkunde und zweiten Präsidenten des Deutschen
— 1B4 —
und Oesterreichischen Alpenvereins zu Berlin. Jn der Mitglieder-
versammlung vom 11. Oktober 1905 widmete Herr Dr. Traut
dem Verstorbenen der uns seit dem Jahre 1876 als Ehren-
mitglied angehörte, einen warmen Nachruf, insbesondere schilderte
er in längerer Rede das Leben und die vielseitige Tätigkeit von
Richthofens. Bei der am 29. Oktober in Berlin stattgefundenen
Gedächtnisfeier war der Verein durch sein Ehrenmitglied Herrn
Professor Dr. Karl von den Steinen vertreten. Wir be-
klagen ferner den Verlust der korrespondierenden Mitglieder
Gabriel Gravier, des Ehrenpräsidenten und Generalsekretärs
der Soci6t6 normande de g^ographie in Ronen, gestorben am
18. November 1904, sowie des Geh. Regierungsrates und stell-
vertretenden Vorsitzenden des Vereins ffir Erdkunde in Halle
Professor Dr. Karl Freiherm von Fritsch, gestorben am
9. Januar 1906 in Groß-Goddula bei Dürrenberg. Einen weiteren
Verlust erlitt der Verein durch den am 30. Oktober 1906 er-
folgten unerwarteten Tod seines Mitgliedes des Herrn Buch-
druckereibesitzers Christian Knauer von der Firma Gebrüder
Knauer, welche seit Jahrzehnten die Drucklegung unserer Jahres-
berichte und aller sonstigen Drucksachen in mustergiltiger Weise
besorgt. Der Entschlafene war uns hierdurch nicht nur ge-
schäftlich, sondern auch persönlich nahegetreten und hatte stets
in freundschaftlichen Beziehungen zu uns gestanden.
Den Dahingeschiedenen bewahren wir ein dankbares und
ehrendes Andenken!
Unser Mitgliederbestand, der bei Abschluß des letzten
Jahresberichts 698 betragen hatte, ist wiederum ganz bedeutend
gestiegen. Er verminderte sich durch Tod oder Austritt um 54,
dagegen traten 102 neue Mitglieder ein, sodaß die Zahl der ordent-
lichen Mitglieder sich gegenwärtig auf 646 beläuft. Korrespon-
dierende Mitglieder zählt der Verein 8 (gegen 10 im Vorjahre),
Ehrenmitglieder 42 (gegen 43), so daß die Gesamtzahl aller
seiner Mitglieder 696 (gegen 651) beträgt.
Die Büppell-Medaille in Silber wurde dem Vorstandsmitglied
Herrn Hof rat Dr. Bernhard Hagen verliehen, einmal für seine
erfolgreiche Expedition nach den Sundainseln Sumatra und Banka,
besonders aber in Anerkennung seiner Verdienste um die Grün-
dung des städtischen Völkermuseums, von welchem bereits in
dem vorhergehenden Tätigkeitsbericht die Bede war.
— 155 —
Bei der Feier des 70. Geburtstages unseres langjährigen
Mitgliedes des Herrn Professor Dr. Theodor Petersen (7. April
1906) war der Verein, dem eine Einladung des Physikalischen
Vereins und der Chemischen Gesellschaft zu diesem Feste zu-
gegangen war, sowohl bei der akademischen Feier als auch bei
dem darauffolgenden Festmahl durch das Vorstandsmitglied Herrn
Stadtrat Professor Dr. Bleicher vertreten, der dem verehrten
Herrn Jubilar, welcher zu unseren treuesten Mitgliedern zählt
und den Bestrebungen des Vereins stets lebhaftes Interesse ent-
gegengebracht hat, unsere herzlichsten Glückwünsche übermittelte.
Ebenso hatte unser Ehrenmitglied Herr Professor Dr. Günther-
München die Freundlichkeit, anläßlich des am 21. Juni 1906
stattgefundenen 80. Geburtstages Seiner Exzellenz des Wirklichen
Geheimen Rats Dr. Georg Ritter von Neumayer in Neustadt
a. d. H. dem berühmten und ehrwürdigen Herrn Jubilar, den wir
mit Stolz seit 20 Jahren zu unseren Ehrenmitgliedern zählen,
bei dem Festakt am 17. Juni unsere Glückwünsche auszusprechen.
Eine persönliche Abordnung des Vorstandes zu dieser glanzvollen
Feier ließ sich leider nicht ermöglichen.
Unserem Ehrenmitglied Herrn Geheimen Regierungsrat
Professor Dr. Theobald Fischer in Marburg sprachen wir zu
seinem 60. Geburtstag am 31. Januar 1906 telegraphisch unsere
herzlichsten Glückwünsche aus.
Einladungen erhielten wir von der Academy of Science
in St. Louis zur Feier des 50jährigen Bestehens dieser Gesell-
schaft zum 10. März 1906, sowie von der American Phi-
losophical Society zu Philadelphia (gegr. 1743) zur Feier
der 200. Wiederkehr des Geburtstages von Benjamin Franklin,
dem Stifter der Gesellschaft, zum 17. bis 20. April d. J. Da
die räumliche Entfernung eine persönliche Teilnahme an diesen
Festen nicht gestattete, sandte der Verein schriftlich den ge-
nannten im Schriftenaustausch mit ihm stehenden Gesellschaften
seine besten Wünsche zu diesen Gedenktagen.
In dem Stande der regelmäßigen Tauschverbindungen des
Vereins ist keine Änderung eingetreten: ihre Gesamtzahl be-
trägt zur Zeit 236.*)
*) Das Verzeichnis der Behörden, Qesellschaften und Redaktionen ,
mit welchen der Verein in regelmäßigem Schriftenaastaasch steht, gelangt
im nächsten Jahresbericht wieder znr Veröffentlichung.
— 156 —
Zum Schiasse möge, dem nächsten Geschäftsbericht vor-
greifend, bereits an dieser Stelle Aber die Feier des siebzigsten
Stiftungsfestes, welches der Verein am 12. Dezember 1906 in
festlicher and offizieller Weise beging, berichtet werden. Eine
stattliche Zahl von Yereinsmitgliedem hatte sich trotz derUn-
gnnst der Witterung zu der abends 7 ühr im großen Saale
der Frankfurt-Loge stattfindenden Festsitzung eingefunden, an
der auf unsere Einladung hin neben zahlreichen sonstigen Ehren-
gästen auch die uns nahe stehenden hiesigen Institute und Gesell-
schaften, wie die Administration der Dr. Senckenbergischen
Stiftung, die Senckenbergische Naturforschende G^ellschaft, der
Aerztliche, der Physikalische und der Technische Verein, der
Deutsche und Oesterreichische Alpenverein, Sektion Frankfurt,
der Kaufmännische Verein, die Anthropologische Gesellschaft
und die Frankfurt-Loge durch Vertretungen teilnahmen. Die
Festsitzung selbst wurde mit folgender Ansprache des stellver-
tretenden Vorsitzenden Herrn Hofrates Dr. Hagen eröffnet:
HocbanBebnlicbe Versammlangl
Wenn ein Mensch das 70. Lebensjahr erreicbt bat, dann fängt er an
Jubiläen zu feiern, obwobl er zum Jubilieren eigentlicb gar keine Ursache bat
Siebzigster Gebnrtstag, goldene Hochxeit, öOjäbriges Doktor- oder Dienst-
Jnbilänm, alles das dringt auf ibn ein, nnd es gdiOrt scbon eine tüchtige
Portion Lebenskraft dam, diesem Ansturm ungefährdet Stand zu halten und
sich ungeechwächt hinflberzuretten in seinen Lebensabend, in die Jahre, von
denen es heißt: ,Sie gefallen uns nicht!'
Mit einem Vereine aber ist das eine andere Sache. Der kann unge-
straft eine ganze Reihe Ton Jubiläen vertragen und seinen siebzigsten, ja
sogar seinen bundertsiebzigsten Geburtstag feiern, ohne daß das Greisenalter
sich ihm zu nahen braucht. Wenigstens was unsem Verein für Geographie
und Statistik betrifft, so werden Sie alle, wie Sie hier sind, mit mir das
Gefühl haben, daß wir uns trotz unserer siebzig Jahre noch lange nicht auf
der absteigenden Bahn unseres Lebens befinden, ja noch nicht einmal auf
dem Höhepunkt desselben. Ich und meine Herren Kollegen im Vomtand,
die wir unser Ohr sozusagen am Herzen unseres Geburtstagskindes haben,
glauben sogar ein solches Pulsieren von überschäumender Jugend- und Lebens-
kraft bei ihm zu verspüren, daß ich mich beinahe zu dem Ausspruch hinreißen
lassen könnte, der Verein habe eben erst seine Kinderschuhe ausgetreten !
Sehen Sie sich nur das Kindlein an ! S o groß war es bei seiner Geburt
bezw. am Ende seines ersten Lebensjahres : diese vier Blättchen, die ich hier
in der Hand halte und die fast nur aus Titelblatt und Mitglieder- Verzeichnis
bestehen, sind der erste Jahresbericht des Frankfurter Vereins für
Geographie und Statistik vom Jahre 1S37. Vergleichen Sie hiermit den letzt-
— 167 —
enchieneneii Jahresbericht 1904/1905 mit seinem reichen wissenschaftlichen
Inhalt: er ist ttber 200 Seiten stark. Das ist gewiß eine schöne nnd aner-
kennenswerte Leistung, aber ich möchte doch nicht behaupten, daß wir
damit schon die Höhe unserer Entwickelungsfähigkeit erklommen hätten.
Brst wenn unsere Publikationen den Umfang von 500 Seiten erreichen, wenn
unsere Hitgliederzahl anstatt der jetzigen 600 tausend betragen wird,
dann erst dürfen wir vom Eintritt in unser kräftiges Mannesalter sprechen.
Und wenn wir — was ein gütiges Geschick uns noch lange fernhalten
möge — dereinst dazu kommen, dicke Bände von tausend Seiten und mehr
zu produzieren, erst dann will ich das als das erste Symptom beginnender
seniler Degeneration gelten lassen.
Erwarten Sie darum in dieser Periode des Aufschwungs Ton mir auch
keinen Bückblick, denn die Lust, Bückblicke zu werfen, ist ja ebenfalls
so ein Anzeichen herannahenden Alters. Nicht zurück, sondern im Gegenteil
vorwärts wollen und müssen wir schauen Toller Mut und Vertrauen in
die nächsten siebzig Jahre hinein ! Gewiß gedenken wir in hoher Verehrung
und Dankbarkeit der Männer, die unsere Gesellschaft gegründet und über
die ersten schwierigen Lebensjahre hinweg geleitet haben. Aber die Menschen
wandern unter die Erde, einer nach dem andern, und der Lebende hat
Becht. Über dem Hügel der Dahingegangenen erhebt sich und steht
dauernd ihr Werk aere perennius nnd uns, der lebenden Generation, liegt
das Eecht und die Pflicht ob, das, was unsere Väter geschaffen, auf unsere
Schultern zu nehmen und nach besten Kräften weiterzuführen.
Ich glaube, wir dürfen, ohne unbescheiden zu erscheinen, dies Verdienst
für uns in Anspruch nehmen. Dieser große Saal, der fast bei jedem unserer
Vorträge bis auf den letzten Platz besetzt ist, beweist es uns.
Es ist für uns ein Zeichen, daß wir uns auf dem rechten Wege be-
finden, daß wir zwischen Wissenschaftlichkeit und Allgemeinverständlichkeit
die richtige Mitte zu halten yerstehen.
Unsere erste Pflicht heute ist deshalb der Ausdruck des Dankes an
unsere Mitglieder für ihre treue Anhänglichkeit und ihre lebhafte Teil-
nahme an unseren Veranstaltungen, sowie ftlr die geduldige Nachsicht, mit
welcher sie auch einmal gelegentlich einen etwas weniger gelungenen Vortrag
über sich ergehen lassen.
Nicht minder aber richten wir unseren Dank auch an unsere B e d n e r,
welche von dieser Tribüne herab uns die Früchte ihrer Arbeiten und For-
schungen zugänglich gemacht und hauptsächlich dazu beigetragen haben,
den Verein zu seiner jetzigen Blüte heraufzuführen.
Der Forscher, welcher nach jahrelanger mühe- und gefahrvoller Arbeit
ans fremden Ländern zurückkehrt, hat, wie ich aus eigener Erfahrung weiß,
das lebhafte Bedürfnis, nicht blos durch Bücher und Schriften vom einsamen
Schreibtisch aus seine Besnltate zu verkünden, sondern dieselben Aug' in
Auge, von Mund zu Ohr dem größeren Publikum direkt mitzuteilen. Als
Sprachrohr dienen ihm die großen, populär-wissenschaftlichen Gesellschaften,
und wir dürfen es mit Stolz hervorheben, daß unser Verein ein gutes Sprach-
rohr gewesen ist, 4aß die größten und bedeutendsten Männer auf dem Gebiete
— 158 -
der Geographie gerne und mit Vorliebe nnserm Rufe Folge geleistet hal>eii.
Die meisten geographischen Großtaten der lotsten zehn Jahre haben wir aus
dem Munde der Helden selbst vernehmen dürfen.
Wir danken ihnen daftlr aufs wärmste. Um diesem Dank anch äoßeren,
greifbaren Ausdruck zu geben, haben wir beschlossen, denjenigen Forschem,
welche sich auf dem Gebiete der Geographie und Statistik, sowie um unseren
Verein ganz besondere Verdienste erworben haben, heute an unserem Jubel-
tage die Ehren und Auszeichnungen, über welche unsere Gesellschaft
verfügen kann, zu verleihen. Unser Herr Generalsekretär wird Ihnen nach-
her darüber nähere Mitteilung machen.
Und so heiße ich nun Sie alle, ganz besonders aber die Vertreter
der uns befreundeten Gesellschaften und Vereine und unsere verehrten
Ehrengäste, die zum Teil aus weiter Feme hierher geeilt sind, um den
siebzigsten Geburtstag mit uns zu feiern, von ganzem Herzen willkommen!
Herr Generalsekretär Dr. Traut verkfindete Dunmehr die
vom Vorstand aus Anlaß des Jubiläums vollzogenen Ehrungen
durch folgende Bede:
Hochansehnliche Festversammlung!
Es ist mir der ehrenvolle Auftrag zu teil geworden, Ihnen die Aus-
zeichnungen kundzugeben, welche der Vorstand aus Anlafi der heutigen Feier
zu verleihen beschlossen hat.
Auch diesmal, wie bei den vorhergehenden Vereinsjabiläen hat sich
der Vorstand veranlaßt gesehen, einigen Persönlichkeiten, die sich um die
Geographie, die Statistik und die denselben verwandten Wissenschaften ein
hervorragendes Verdienst erworben haben und mit denen wir zum Teil seit
einer Reihe von Jahren die freundschaftlichsten Beziehungen pflegen, Ehrungen
SU verleihen. Er glaubte umso eher mit seiner Anerkennung der Verdienste
dieser Männer nicht zurückhalten zu dürfen, als das abgelaufene Jahrzehnt
in die Reihe derjenigen, die unserem Verein als Ehren- oder korrespondierende
Mitglieder angehörten, große und schmerzliche Lücken gerissen hat, die zu
ergänzen unser lebhafter Wunsch sein mußte. Nicht weniger als 19 Ehren-
mitglieder sind in dem genannten Zeitabschnitt dahingeschieden. Von
ihnen möchte ich Ihnen nur nennen die Namen: Adolf Bastian, Carlo
von Erlanger, Heinrich Kiepert, Adolf Erik von Nordenskiöld,
Friedrich Ratzel, Ferdinand von Richthofen, Henry Stanley, Her-
mann von Wißmann, Eugen ZintgraS, besonders aber hebe ich den
Namen unseres unvergeßlichen Senators Emil von Oven hervor.
Die neu ernannten Ehrenmitglieder sind folgende:
Geheimer Hofrat Professor Dr. Karl Bücher in Leipzig in Aner-
kennung seiner hervorragenden Verdienste um die historische Statistik.
Als Verfasser des für die Wirtschaftsgeschichte der deutschen Städte wie
insbesondere Frankfurts bedeutsamen Werkes, «Die Bevölkerung Frankfurts
im XIV. und XV. Jahrhundert% worin er durch gründliche Forschung nut
— 159 —
scharfsrnniger Methode and in glänzender Darstellung zam ersten Male die
sozialen Verhältnisse der Beyölkening des mittelalterlichen Frankfurts auf-
klärte, hat Karl Bttcher neue Wege zur Erkenntnis der Vergangenheit des
deutschen Bürgertums gewiesen.
Professor Dr. Friedrich Delitzsch in Berlin , der hochverdiente
Gelehrte auf dem Gebiete der Erschließung von Altbabylonien und
Assyrien, der durch seine lichtvollen und genialen Forschungen das Interesse
für die Anfänge der Kultur des Menschengeschlechts neu belebt und in
die weitesten Kreise hineingetragen hat.
Dr. Gottfried Merzbacher in Mtinchen, bekannt durch sein monu-
mentales Werk 9 In den Hochregionen des Kaukasus'' und seine kühnen
Expeditionen bis zu den höchsten, nahezu unbekannten Gipfeln des ent-
legenen und schwer zugänglichen Tian-Schan-Gebirges, der nach unendlichen
Mühen zum Khan-Tengri, dem bisher unerreichten Hauptgipfel dieses
(Gebirges, vordrang und seine geographische Lage bestimmte.
Professor Dr. Theodor Petersen, eines der treuesten und ältesten
Mitglieder des Vereins, in Wtlrdigung seiner ausgezeichneten Verdienste
um die Erschließung der Alpen und seines unablässigen Bemühens die
Liebe zur Hochlandsnatur in Wort und Schrift, insbesondere auch in
unserer Stadt zu fördern.
Zu korrespondierenden Mitgliedern wurden ernannt:
Der a. o. Professor an der Universität Rostock Dr. Max Friede-
richsen, verdient um die Erforschung des zentralen Tian-Schan und des
dsungarischen Alatau, den er vor wenigen Jahren als Mitglied einer
rassischen Expedition bereist hat.
Der Privatdozent an der Universität Marburg Dr. Karl Oestreich,
ein Sohn unserer Stadt, der sich, wie schon durch seine Forschungsreisen
in Albanien und Makedonien, so auf dem Gebiete der Himalaya-Forschung
einen ehrenvollen Namen erworben und in diesen letzten Tagen eine vor-
treffliche Monographie über die Täler dieses Gebirges veröffentlicht hat,
and schließlich
Dr. Georg W e g e n e r , bekannt darch seine Reisen und wissen-
schaftlichen Studien in fast allen Weltteilen und als fesselnder Redner
ein lieber Gast des Vereins.
Im Namen des Vorstandes heiße ich die neuernannten Ehren- und
korrespondierenden Mitglieder als solche herzlich willkommen, insbesondere
begrüße ich zu unserer Freude die beiden heute hier anwesenden Herren
Professor Dr. Petersen und Dr. Oestreich.
Sodann habe ich Ihnen noch Kunde zu geben von der statutenmäßig
aas Anlaß des heutigen Tages erfolgten Verleihung derRüppell-Medaillen
fär besonders hervorragende Verdienste um die von unserem Verein gepflegten
Wissenschaften, zunächst der Rüppell-Medaille in Silber. Der Vor-
stand hat diese Auszeichnung, welche er, wie Ihnen bekannt ist, bereits im
Voijahre unserem verehrten Freund und Kollegen Herrn Hof rat Dr. Hagen
▼erliehen hat, dem Leutnant im k. b. 1. Infanterie-Regiment , König" kom-
mandiert zur kgl. Landes- Aufnahme nach Berlin Herrn Wilhelm F i l c h n e r
— 160 —
znerkaimt. Herrn Filchner ist es gelungen, in einer ktthnen und gefahrroUen,
aber auch von reichen wissenschafilichen Ergebnissen gelohnten Expedition
einen großen und anbekannt gebliebenen Teil Zentral-Asiens, Nord-Ost-Tibet,
za durchqueren und in der Erforschung und Festlegung des Oberlaufes des
Hoangho ein Problem zu lösen, das sich eine Beihe der hervorragendsten
Forscher in den letzten Jahrzehnten yergebens zur Aufgabe gestellt hatte.
Der kühne Reisende, den Sie schon von seinem Ritt über den Pamir her
kennen, ist zur Zeit mit der Ausarbeitung seiner Erlebnisse und Forschungen
beschäftigt, von denen bereits zwei stattliche Werke im Druck vorliegen.
Ich heiße Herrn Leutnant Filchner, der heute Abend bei uns weilt, herz-
lich willkommen und überreiche ihm die Rüppell -Medaille mit den besten
Wünschen. Insbesondere begrüße ich bei uns seine tapfere Gattin, die
ihren Gatten bis an die Grenzen Tibets begleitete und in Si-ning-fu die Er-
gebnisse der Expedition durch ihre meteorologischen Aufzeichnungen und
ihre botanischen, zoologischen und ethnographischen Sammlungen bedeutend
gefördert hat.
Zum Schluße darf ich Ihnen, hochverehrte Anwesende, Mitteilung machen
von der Erteilung der höchsten Auszeichnung, die der Vorstand zu verleihen
im Stande ist, der goldenen Rüppell-Medaille. Der Vorstand war
sich nicht lange zweifelhaft darüber, welche hervorragende Persönlichkeit
diesmal für ihn in Betracht kam, und freudige allseitige Zustimmung fand
daher der Vorschlag, mit dieser Medaille den Mann auszuzeichnen, der seit
einer langen Reihe von Jahren zu unseren Ehrenmitgliedern zählt, zu dem
Verein die freundschaftlichsten Beziehungen unterhält und dem wir für seine
unermüdete Teilnahme an den Interessen und dem Gedeihen unseres Vereins,
sowie für seine stete Beratung bei wichtigen Anlässen zu lebhaftestem Danke
verpflichtet sind, Herrn Geh. Begiemngsrat und Professor an der Universität zu
Marburg Theobald Fischer. Aber es galt für uns mit dieser Auszeichnung,
deren Annahme seitens des großen Gelehrten uns selbst am meisten ehrt,
nicht nur unsere Dankbarkeit zu bezeugen, wir hatten sie vor allem einem
Manne zu erweisen, der als einer der glänzendsten Vertreter der Geographie
an deutschen Hochschulen, hochverehrt und geliebt von seinen Schülern, die
von ihm gepflegte Wissenschaft in universellem Sinne umfaßt und als
Forscher sich die größten und bleibenden Verdienste um die Kenntnis der
Mittelmeerländer, insbesondere Marokkos erworben hat, das seit einem
Menschenalter den Gegenstand seines eingehenden Studiums bildet.
Es gereicht uns zur herzlichen Freude, Herrn Geheimrat Fischer
heute in unserer Mitte zu sehen und ihm die höchste Auszeichnung des
Vereins mit herzlichem Glückwunsch persönlich überreichen zu dürfen.
Nachdem die Versammlung ihre Zustimmung zu diesen
Ehrungen durch herzlichen Beifall zu erkennen gegeben hatte,
dankte hierauf Herr Geheimrat Professor Dr. Fischer im
eignen Namen wie in dem der Übrigen vom Verein ausgezeich-
neten Herren in folgender warmer und herzlicher Weise :
— 161 —
Hochgeehrter Herr Vorsitzender,
hochgeehrte Herren vom Vorstand und Mitglieder
des Vereins für Geographie and Statistik!
Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen sofort ein kurzes Wort des herz-
lichsten Dankes sage für die große Ehrung, die Sie mir erwiesen haben, und
ich darf vielleicht auch im Namen der übrigen Herren, die Sie so hervorragend
ausgezeichnet haben, sprechen, umsomehr als unter den Ausgezeichneten sich
drei meiner früheren Schüler befinden.
Der Verein für Geographie und Statistik, mit dessen Geschichte und
mit dessen Geschicken ich, wie der Herr Generalsekretär hervorgehoben hat,
seit genau 30 Jahren aufs Innigste verwachsen bin, hat sich im Laufe der
sieben Jahrzehnte seines Daseins einen stetig wachsenden Ruf in der Gelehrten-
welt, in den Kreisen der Geographen aller Erdteile erworben, er ist überall durch
seine wissenschaftlichen Publikationen, durch seine Mitteilungen, die, wie Sie
ij'esehen haben, aus so bescheidenen Anfängen hervorgegangen sind, bekannt
und geschätzt. Es gibt keinen Geographen, keinen Gelehrten auf der Welt,
der es sich nicht zur höchsten Ehre anrechnet, von dem Verein lür Geographie
und Statistik geehrt zu werden. In diesem Augenblick, wo sich aller Blicke
auf Nordwestafrika, auf Marokko richten, wo es scheinen will — aber es wird
bekanntlich nichts so heiss gegessen, wie es gekocht ist — als ob es um die
Unabhängigkeit dieses einen der beiden in Afrika noch unabhängigen Länder
geschehen sei, in diesem Augenblick denkt der Geograph vor allem auch an
das zweite noch völlig unabhängige afrikanische Land, das ein großer Sohn
dieser Stadt, Eduard Rüppell, vor jetzt etwa 70 Jahren für die Wissenschaf t
erobert hat, und es muß daher in allen, die wir durch den Verein ausge-
zeichnet worden sind, und namentlich in den beiden Herren, die durch die
Küppell-Medaille geehrt worden sind, das ernsteste Streben vorhanden sein,
jener großen Forscher, die vorher die goldene Rüppell-Medaille erhalten haben,
und vor allen Dingen des Mannes sich würdig zu erweisen, dessen Andenken
der Verein für Geographie und Statistik durch Schaffung dieser Medaille
geehrt hat und für alle Zeiten ehren wird.
Ich gelobe, und ich glaube, mit mir werden alle Herren, die in dieser
Weise ausgezeichnet worden sind, es ebenfalls geloben: wir werden alle
unsere Kräfte dareinsetzen, wir werden darnach streben, dadurch dem Verein
ooseren Dank darzubringen, daß wir jederzeit dieses großen Forschers
Eduard Rüppell uns würdig erweisen!
Hierauf folgte die Festrede über die Fortschrittte der
Erdkunde in den letzten zehn Jahren, zu welcher auch diesmal
wie gelegentlich des sechzigsten Stiftungsfestes unser Ehren-
mitglied Herr Professor Dr. Siegmund Günther aus München
sich gütigst bereit erklärt hatte. In gewohnter Meisterschaft vor-
getragen, fanden die Ausführungen des Herrn Redners, die dauk
seinem freundlichen Entgegenkommen weiter oben (Seite 133-150)
- 162 -
wörtlich zum Abdruck gelangt sind, lauten und anhaltenden
Beifall seitens der Zuhörer.
An die Festsitzung schloß sich sodann ein von zahlreichen
Damen und Herren besuchtes Festmahl im großen Saale des
Frankfurter Hofes an, welches, durch ernste und heitere
Trinkspräche gewürzt, einen stimmungsvollen Verlauf nahm.
Wir schließen diesen Bericht mit den herzlichsten Wünschen
für ein glückliches Gedeihen und eine fruchtbringende Tätigkeit
unseres Vereins auch in dem neuen Jahrzehnt!
Vorstand und Äinterverteilnng.
(Nach dem Stand vom 15. Pebrnar 1907.)
Vorstand.
Vorsitzimder :
Dr. Adolf von Harnier, kgl. geheimer Justizrat und Rechts-
anwalt.
Stellvertretender Vorsitzender :
Dr. Bernhard Hagen, groBherzoglich badischer Hof rat und
Leiter des städtischen Völkermnseums.
Generalsekretär :
Dr. Hermann Traut, Bibliothekar an der Stadtbibliothek.
Erster Schriftführer:
Dr. Hermann Traut, Bibliothekar au der Stadtbibliothek.
Zweiter Schriftführer :
Rudolf Stern, Privatier.
Kassenführer :
August Rasor, Kaufmann.
Beisitzer :
Dr. Heinrich Bleicher, Professor und Stadtrat.
Dr. Theodor Demmer, praktischer Arzt.
Eugen Grumbach-Mallebrein, Privatier.
Dr. Alfred Fritsch, kgl. Amtsrichter.
Friedrich Wilhelm Lejeune, Kaufmann.
Wilhelm Rohm er, Privatier.
Franz Rftcker, Privatier.
11*
— 164 —
Vertreter des Tereins in der gemeinsamen Kommission fflr
die Dr. Senekenbergisehe Bibliotlielc
Dr. Friedrich Clemens Ebrard, kgl. Eonsistorialrat, Professor
und Direktor der Stadtbibliothek.
Beyisoren.
Albert Flersheim, Kaufmann.
Philipp Heinz, Kanfmann.
Oeorg Völcker, Buchhändler.
Mitglieder-Verzeichnis,
(Nach dem Stand vom 15. Febmar 1907.)
I. Ordentliche Mitglieder.
Emilie Abrescb, Rentnerin. 1906.
Dr. Franz A dickes, Oberbttrg^ermeister nnd Mitglied des Herrenhauses. 1891.
Anton Ahrens, Bankbeamter. 1906.
Augnst Albert, Architekt. 1897.
Heinrich Alten, Privatier. 1903.
Ferdinand Andreae, Kaufmann. 1903.
Alhard Andreae-von Grnnelins, Kaufmann. 1893.
Fran Elise Andreae-Lemm6, Privati^re. 1894.
Victor Andreae-Majer, Bankier. 1904.
Jean Andreae-Passavant, kgl. Kommerzienrat, Präsident der Handels-
kammer, Direktor der Filiale der Bank fUr Handel nnd Industrie
und kgl. rumänischer Generalkonsul. 1H93.
Richard Andreae-Petsch, Bankier. 1874.
Gottfried Andreas, Kaufmann. 1906.
Julius von Arand, Privatier. 1896.
Alexander Askenasy, Ingenieur. 1902.
Karl Auffarth, Buchhändler. 1898.
Julius Aurnhammer, Kaufmann. 1904.
Siegfried Auwers, kgl. Hauptmann und Adjatant der 21. Feld- Artillerie-
Brigade. 1906.
Anton BalduB, Ingenieur. 1906.
Gottfried Alexander Bansa, Kaufmann. 1906.
Frau Marie Bansa geb. Winckler, Privatiöre. 1880.
Joseph Baer, Stadtrat. 1897.
Max B aer , Bankier und kgl. Generalkonsul von Schweden und Norwegen. 1903.
Simon Leopold Baer, Buchhändler. 1882.
Dr. Karl Bardorff, praktischer Arzt. 1 864 .
Karl Th. B a r t h e 1 , Kaufmann. 1900.
Jacob de Bary, kgl. Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1901.
Karl de Bar y, Privatier. 1889.
Heinrich de Bary-Jeanrenaud, Bankier. 1888.
— 166 -
Apollonias von Baamgarten, kaiserl. rassischer Kammerherr and General-
konsal, wirklicher Staatsrat, Exzellenz. 1903.
Alexander Bau nach, Fabrikant and kgl. spanischer Vizekonsul. 1904.
Dr. Hans Becker, kgl. Amtsrichter. 1902.
Dr. Beckmann, kgl. geheimer Regierangsrat und Landrat in Usingen. 1900.
Frau Carl Behrends. 1906.
Robert Behrends, Ingenieur. 1898.
Karl Elias Behrendt, Privatier. 1897.
Eduard Beit, kgl. Rommerzienrat und Bankier. 1903.
Dr. Alexander Berg, Rechtsanwalt. 1904.
Heinrich Berg, Kunsfgärtner. 190B.
Moritz Bern er, kgl. Hauptmann und Kompagnie -Chef im 1. knrhessischen
Inf. -Reg. No. 81. 1900.
Karl Best, Kaufmann. 1902.
Paul Oskar Bethge, Oberlehrer an der Humboldtschule. 1906.
Karl Beyerbach, Kaufmann. 1887.
Konrad Bin ding, Privatier. 1903.
Frau Joseph Binge, Justizratswitwe. 1904.
Sigmund Blank, Privatier. 1906.
Ludwig Adolf Blascheck, Kaufmann. 1900.
Dr. Heinrich Bleicher, Professor und Stadtrat. 1890.
E. H. Blumenthal, Fabrikant und Generaldirektor der Motorenfabrik in
Oberursel. 1906.
Ferdinand Bodesheim, Kaufmann. 1906.
Dr. Wilhelm B o 1 1 e r , Oberlehrer an der Klinger-Oberrealschule. 1899.
Wilhelm B. B o n n , Bankier. 1886.
Karl Borgnis, Bankier. 1901.
Frl. Friederike Bourgignon, Privatiere. 1900.
Otto Braunfels, kgl. Kommerzienrat, Bankier u. kgl. spanischer Konsul. 1904.
Ferdinand Breuer, Kaufmann. 1906.
Otto Brockmann, städt. Landmesser. 1906.
Franz Brofft, Bauunternehmer. 1878.
Wilhelm Bröll, Kaufmann. 1896.
Richard Brück, Rechtsanwalt. 1906.
Wilhelm Buckel. 1903.
Adolf Bühler, Hofmetzgermeister. 1904.
Dr. Julius B u r g h 0 1 d , Rechtsanwalt. 1899.
Adolf Freiherr von Büsing-d'Orville, Rentner. 1892.
Alfred Cahn, Bankprokurist. 1903.
Heinrich Cahn-Blumenthal, Bankier. 1903.
Hermann von Chappuis, kgl. Generalleutnant z. D., Exzellenz. 1901.
Carl Clemm, Privatier. 1906.
Franz Egon C 1 o 1 1 e n , Kaufmann und Ingenieur. 1901.
Frl. Collischonn. 1903.
Frau Maria Collischonn. 1906.
Carl Co est er, Privatier. 1906.
Wilhelm Coustol-Breul, Kaufmann. 1884.
— 167 —
Karl Gramer, Eanfmann. 1902.
Hermann Oreatzer, Inspektor der Providentia. 1903.
Alfred Magnus Cristiani, Optiker. 1906.
Dr. Hugo C u e r s , Professor. 1903.
Dr. Dietrich Cnnze, Fabrikbesitzer. 1890.
Dr. Theodor Curti, Direktor der Frankfurter Zeitung. 1904.
Max Emil Dann, Kaufmann. 1906.
Gottfried Daube, Kaufmann. 1893.
Dr. Kurt Daube, kgl. Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1889.
Dr. Emil Decker t, Professor an der Akademie fUr Sozial- und Handels-
wissenschaften. 1906.
Clemens Delkeskamp. Kaufmann. 1906.
Dr. Robert D e 1 o s e a , praktischer Arzt. 1877.
Dr. Theodor D e m m e r , praktischer Arzt. 1896.
Emil Deussen, Rentier. 1883.
Oskar von Deuster, Rentier. 1886.
Carl Dickhaut, Kandidat des höheren Lehramts. 1906.
Richard Diener, Kaufmann. 1904.
Dr. Friedrich Dieterich, Rektor a. D. 1906.
Friedrich Dieterichs, Apotheker. 1900.
Hermana D i e t z e , Privatier. 1899.
Ferdinand Dilthey, Kaufmann. 1906.
Dr. Ernst Doctor, praktischer Arzt. 1903.
Karl Philipp Donner, Kaufmann. 1871.
William W. Drory, Direktor der Englischen Gasfabrik. 1874.
August Du Bois, Bankier und Konsul der Schweizerischen Eidgenossen-
schaft. 1888.
Dr. Friedrich E b e n a u , praktischer Arzt und Chefarzt der chirurgischen
Abteilung des Bürgerhospitals. 1893.
Friedrich Eckhard, Privatier. 1902.
Georg Egly-Manskopf, Kaufmann. 1903.
D. Dr. Rudolf Ehlers, kgl. Ober-Konsistorialrat, Pfarrer der deutsch-evange-
lisch-reformierten Gemeinde. 1906.
Stefan Ehr mann, Kaufmann. 1903.
Hermann von Eichhorn, kgl. General der Infanterie und kommandierender
General des XVIII. Armeekorps, Exzellenz. 1904.
Dr. Wilhelm Eid mann, Chemiker in Griesheim. 1906.
Gustav von Einem, kgl. Senatspräsident am Oberlandesgericht. 1906.
Fritz Eisele, Dekorationsmaler. 1903.
Leo Ellinger, Kaufmann. 1893.
Moritz Adolf Ellissen, Kaufmann. 1884. (f)
Frau Louis E n d e r s Witwe. 1899.
Hermann Engel, kgl. Kriegsgerichtsrat. 1903.
Fritz Engel-Kaysser. 1903.
Otto Engelhard, Fabrikant in Hofheim. 1906.
Frau Luise Engelhard-Fay, Privatiöre. 1899.
Friedrich Engler, Kaufmann. 1897.
— 168 —
Jakob Hermann Epstein, Kaufmann. 1879.
M. E p t i n g , Direktor in Höchst. 1903.
Frau Baronin Lndwig von Erlanger in Niederingelheiin. 1901.
Wilhelm Freiherr von Erlanger in Niederingelheim. 1900.
Frau Josefine Etienne geb. Willemer, Privatiere. 1897.
Luise Eulenstein, geb. Sauerwein, Privatiere. 1906.
Christian Ewald, Lehrer an der Weißfrauenschule. 1904.
Wilhelm Eysen, Privatier. 1906.
Frau Emma Eyssen, Privatiere. 1906.
Remy Eyssen, Privatier. 1875.
Frau Alexandrine Eyssen- Du Bois, Privatiere. 1885.
Robert Falke, kgl. Militär-Oberpfarrer des XVIIL Armeekorps. 1906.
Frl. Victoria Favre, Privatiere. 1903.
Dr. Adolf Fester, kgl. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1903.
Frau Fides Fiedler-Kalb, Privatiere. 1903.
Kurt Fischer, Kaufmann. 1906.
Ludwig Fischer, Privatier. 1906.
Robert Fl au aus, Privatier. 1895.
Frau Cornelia Fleck geb. Kaiser, Amtsger ich tsratswitwe. 1904.
Albert Flersheim, Kaufmann. 1878.
Robert Flersheim, Kaufmann. 1871.
Wilhelm F 1 i n s c h , kgl. Kommcrzienrat. 1890.
Qustav Flörsheim, Kaufmann. 1906.
Dr. Richard Fösser, kgl. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1882.
Albert Frech, Kaufmann. 190(i.
Frau Mina Frenzel, Privatiere in Eschersheim. 1904.
Dr. Philipp Fresenius, Apotheker. 1875.
Dr. Peter Frey, Zahnarzt. 1900.
Richard F r i e d e r i c i , kgl. Landgerichtsrat. 1906.
Anna Friedlebeii-Martin, Doktorswitwe. 1906.
Heinrich Friedmann, Kaufmann. 18%.
Dr. Alfred Fritsch, kgl. Amtsrichter. 1893.
Frau Mathilde Fritsch geb. Eyssen, Sanitätsratswitwe. 1905.
Dr. Theodor von Fritzsche, Fabrikbesitzer. 1874.
Friedrich Fuchs, Kaufmann. 1906.
Konrad Fuchs, Kaufmann. 1901.
Franz Fuchs-Siesmayer, Kaufmann. 1906.
Karl Funck, Kaufmann. 1896.
Dr. Alfred Fürth, kgl. Landrichter. 1907.
Bruno Gabler, kgl. Landgerichtsrat. 1903.
Karl Gallo, kgl. Regiernngsrat. 1903.
Adolf Gans, Kaufmann. 1897.
Friedrich Gans, Fabrikbesitzer. 1888.
Dr. Leo Ludwig Gans, kgl. geheimer Kommerzienrat und Fabrikbesitzer. 1886.
Charles Gemmer, Privatier. 1904.
Dr. Eduard Gent seh, Oberlehrer am Wöhler-Realgymnasium. 1903.
Dr. Carl Ger lach, praktischer Arzt. 1906.
— 169 —
Moritz Getz. 1899.
Karl Gneist, kgl. Major im 1. karhessiscben Inf.-Reg. No. 81. 1891).
Harry Goldschmidt, beeidigter Wechselsensal. 1888.
Frau Bella Goldschmidt-Kirchbeim, Rentnerin. 1903.
Maximilian von Goldscbmidt - Rothschild, k. u. k. österreichisch-
ungarischer Generalkonsul. 1901.
Johann Gol lasch, Apotheker in Griesheim. 1904.
Frau Clara Goeschen geb. Keyl, Priyatiere. 1903.
Heinrich Göz, Professor und Oberlehrer am Wöhler-Realgymnasium. 1903.
Louis Greb, Architekt. 1903.
Ernst Grieser, Buchdruckereibesitzer. 1904.
Dr. Otto Grofi, praktischer Arzt. 1904.
Dr. Friedrich Großmann, Oberlehrer an der Klinger-Oberrealschnle. 1900.
Eugen Grumbach-Mallebrein, Privatier. 1902.
Konrad Grumbach-Petsch, Privatier. 1903.
Adolf von Grunelius, Bankier. 1871.
Eduard von Grunelius, Bankier. 1871.
Max von Grunelius, Bankier. 1904.
Heinrich Gunsenheimer, kaiserl. Postdirektor. 1903.
Alfred Günther, Architekt. 1901.
Frl. Helene Günther, Privatiere. 1895.
Karl Haack, Kaufmann. 1904.
I>r. Hermann Haag, kgl. Justizrat, Rechtsanwalt und Direktor der Frank-
furter Hypothekenbank. 1883.
Frau Luise Haag geb. Mettenheimer, Privatiere. 1904.
Frl. Josefine Haas. 190G.
Dr. Justus Haeberlin, kgl. Justizrat und Rechtsanwalt. 1870.
Georg Haeckel, kgl. Militär-Intendanturrat. 1906.
Dr. Bernhard Hagen, großherzogl. badischer Hofrat und Leiter des städtischen
Yölkermuseums. 1900.
Heinrich Hahn. 1906.
Otto Hahn, Kaufmann. 1901.
Frau Regina Hahn-Goldschmidt. 1902.
Charles L. Hallgarten, Kaufmann. 1884.
Karl Hamburg, Privatier. 1900.
Dr. Karl Hamburger, kgl. geheimer Justizrat, Rechtsanwalt und Notar.
1871.
Philipp H an hart, Kaufmann. 1897.
Fritz Happel, Privatier. 1902.
Dr. Adolf Harbordt, kgl. Sanitätsrat, praktischer Arzt und Chefchirurg
des Hospitals zum heiligen Geist. 1895.
Oeorg Harig, Kaufmann. 1906.
Dr. Adolf von Harnier, kgl. geheimer Justizrat und Rechtsanwalt. 1882.
Dr. Eduard vonHarnier, kgl. geheimer Justizrat und Rechtsanwalt. 1871.
Eugen Hartmann-Kempf, Professor und Ingenieur. 1898.
Franz Hasslacher, Patentanwalt. 1880.
Alexander Haack, Bankier. 1881.
— 170 —
Max Haack, Bankier. 1901.
Otto Hau ck- von Metzler, Bankier. 1893.
Frau Johanna Hechte 1 geb. Schmidr, Trivatiere. 1899.
Rudolf He er dt, Direktor der Frankfurter Sparkasse. 1893.
Karl Heicke, städt. Gartendirektor 1905.
Angnst Heimpel-Manskopf. Kaufmann. 1892.
Philipp Heinz, Kaufqiann. 1879.
H. H eist er, Kaufmann. 1903.
Heinrich Heitefuß, Kaufmann. 1904.
Frau Mina Held geb. Hausser, Privati^re. 1875.
Heinrich Ernst Hemm er ich, kgl. Major a. D. 1892.
Wilhelm Hemm er ich, kgl. Hauptmann und Kompagnie-Chef im 1. kurhes-
sischen Inf.-Reg. Nr. 81. 1902.
Felix von Herget, Kaufmann. 1906.
Karl Herrmann, kgl. Rechnungsrat. 1903.
Qeorg Hertzog, Privatier. 1902.
Karl Herzberg, Bankdirektor und Konsul der mexikanischen Republik. 1904.
Frau L. Herzfeld. 1906.
August Heß, Apotheker. 1904.
Dr. Jakob Heinrich Heß, Chemiker in Griesheim. 1902.
Dr. Georg Hesse, praktischer Arzt. 1902.
Dr. Lucas vonHeyden, kgl. Major a. D. und Professor. 1867.
Georg von Heyder, Privatier. 1891.
August Hinke 1, Ingenieur. 1902.
Hermann Hinüber, Lehrer. 1906.
Otto Hirsch, Kaufmann. 1906.
Dr. Raphael Hirsch, praktischer Arzt und Zahnarzt. 1903.
Heinrich Hobrecht, Kaufmann. 1882
Otto Höchberg, Kaufmann. 1877.
Zachary Hochschild, Direktor der Metallgesellschaft. 1893.
Dr. Ernst Hochstädter, Rechtsanwalt. 1906.
Willy Heinrich Hof er, Kaufmann. 1906.
Adolf Hoff, Kaufmann. 1903.
Alfred Hoff, Kaufmann und kgl. serbischer Vizekonsul. 1905.
Paul Hoffmann-Ebner, Fabrikant. 1884.
Dr. Franz Höfler, Professor und Direktionsgehilfe an der Klinger-Ober-
realschule. 1898.
Dr. Moritz H o f m a n n , Rechtsanwalt. 1902.
Otto Hofmann, Rentier. 1906.
Richard Hof mann, Kaufmann. 1891.
Moritz Wilhelm Hohenemser, Bankier. 1901.
Dr. Willy Hohenemser, Chemiker. 1903.
Frau von Holbach, Majorsgattin. 1906.
Frau Dora Holland geb. Gerson, Privati^re. 1897.
Georg Holtzwart, Kaufmann. 1903.
Hermann Holz, Kaufmann. 1903.
Wilhelm Holz, Kaufmann. 1903.
— 171 —
Leo Holzmann. Kunmakler. 1906.
Louis Hoerle, Privatier. 1875.
Philipp Alexander Julins Hoerlc, KatifinaDn. 1903.
Hans Hörn, Lehrer. 1906.
Georg Horstmann, Zeitangsverleger. 1897.
Franz von Hoven, kgl. Baarat. 1906.
Frau Josephine Hüllstrung geb. Daberkow, Rentnerin. 1893.
Dr. Gustav Adolf Humser, kgl. geheimer Justizrat, Rechtsanwalt und
Notar. 1871.
Friedrich Hungsberg, kgl. Rechnungsrat. 1906.
Adolf Hüttenbach, Kaufmann. 1903.
Heinrich Hüttenbach, Kaufmann. 1904.
Frau Susette Ihlee geb. Andreae, Privatiere. 1903.
Frau Marie Ihm geb. Rittner, Privatiere. 1898.
Leo Isaac, Bankier. 1903.
Frau Dr. H. Jacobi in Griesheim. 1906.
Norbert Jacobi, Ingenieur- und Bureauvorsieher des städtischen Elektrizi-
täts- und Bahnamtes. 1906.
Hermann Jacquet, Rentner. 1897.
Gustav Jaff6, Rechtsanwalt. 1903.
Dr. Theophil J a f f 6 , kgl. Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1898.
Fritz Jäger-Manskopf , Kaufmann. 1892.
Dr. August J a 8 s 0 y , Apotheker. 1901.
Louis Jay, Rentner. 1901.
Frau Sophie C. Jay geb. Pickersgill, Rentnerin. 1901.
Dr. Friedrich J e 1 k m a n n , Tierarzt I. Kl. 1900.
Dr. Oscar Jonas, Chemiker in Griesheim. 1903.
Frau L. M. Jordan de Rouville, Bankierswitwe. 1904.
Dr. Fritz Jucho, Kaufmann. 1903.
Dr. Heinrich Jucho, Rechtsanwalt. 1906.
Dr. Rudolf Jung, Direktor des Stadtarchivs. 1904.
Frau Emy Jung^ geb. Fritsch, Kaufmannswitwe. 1902.
Otto Junghanss, Fabrikbesitzer in Johannisberg im Rheingan. 1899.
£duard Jungmann. Kaufmann. 1896.
Gustav Junker, Direktor der Martins-Missionsanstalt. 1906.
Hermann Kahn, Kaufmann. 1871.
Richard Kahn-Freund, Fabrikant. 1900.
Frau Klara Kalb geb. Faust, Privatiere. 1904.
Leonhard Kalb, Privatier. 1897.
Moritz Kalb, Privatier. 1902.
Bernhard Kamel, Kaufmann. 1894.
Hermann Katz, Kaufmann. 1897.
Frau M. Kaysser, Privatiere. 1902.
August Keller, Buchhändler. 1901.
Otto Keller, Bachhändler. 1890.
Frl. Emma Kern, Privatiere. 1906.
Otto Key!, kgl Oberkriegsgerichtsrat. 1902.
— 172 —
Frau Emma Kirchberg geb. Nenbürger, Privati^re. 19<)8.
Raphael M. Kirchheim, Baokier. 1903.
Dr. Simon Kirchheim, praktischer Arzt und C-hefarzt des israelitischen
Gemeindehospitals. 1875.
Willi A. Klein, Kaufmann. 1904.
Franz von Klenck, kgl. Major und erster Adjutant des Generalkommandos
des XVIII. Armeekorps. 1906.
Karl K lim seh, Kunstmaler. 1904.
Frl. Paula Klotz. 1903.
Fritz Knauer. 1904.
Jean Knauer, Buchdruckereibesitzer. 188().
Hermann Knecht. 1906.
Louis Koch, Hof Juwelier. 1904.
Hermann Köhler, Bankier. 1897.
Karl Kohn, Direktor der Frankfurter Gasgesellschaft. 1903.
Karl Kolb, Kaufmann. 1879.
Adolf Kolligs, Kaufmann. 1906.
Heinrich Freiherr von Königs warter, Rentier. 1897.
Emmeline K o n i n g geb. Reiser, Professorswitwe. 1906.
Oskar K ö n i t z e r , Privatier. 1902.
Frau Anna Korn geb. Dollmann, Privatiere. 1903.
Jakob Kothe, Schreinereibesitzer. 1891.
Karl Kotzenberg, Kaufmann. 1903.
Joseph Kowarzik, Bildhauer. 1897.
Adolf Kr äfft, Kommerzienrat in Offenbach. 1903.
Dr. Robert Kramer, praktischer Arzt. 1906.
Georg Kranz, Privatier. 1906.
Dr. Karl Kratz, Chemiker in Mainkur. 1906.
Wilhelm Kratz, Kaufmann. 1903.
Dr. Alois Kraus, Oberlehrer an der städt. Handelslehranstalt und Privat-
dozent an der Akademie ftir Sozial- und Handelswissenschaften. 1903.
Frl. von Krause. 1906.
Rudolf Krauß6, Rentner. 1903.
Hermann Kreutzer, Privatier. 1906.
Frau Klara Kreuzberg. 1905.
Eduard Küchler jiin., Fabrikbesitzer in Rödelheim. 1903.
Eduard K Hehler sen., Privatier. 1888.
Karl Küchler, Kaufmann. 1893.
Konrad Adolf Kugler, Kaufmann. 1906.
Karl Künkele, Kaufmann. 1901.
Dr. Friedrich Kurtz, praktischer Arzt. 1901.
Theodor Kurz, Kaufmann. 1906.
Frau Emma Kyritz geb. Hagen, Privatiere. 1899.
Alfred Kyritz-Drexel, Kaufmann. 1897.
August Ladenburg, Bankier. 1902.
Ernst Ladenburg, kgl. Kommerzienrat und Bankier. 1897.
Willy Lampe, Schneidermeister. 1901.
— 173 —
Dr. Julius Lang, Chemiker und Direktor in Griesheim. 1903.
Frau Gabriele von Lang-Puchhof geb. Freiin von Reischach, Reotnerin.
1901.
Karl Langenbach, Kaufmann. 1904.
Dr. Benno La quer, praktischer Arzt in Wiesbaden. 1902.
Dr. Otto Lauf! er, Direktorial- Assistent am städt. Historischen Museum.
1904.
Georg Lausberg, Kaufmann. 1906.
Frau Sophie Charl. Lausberg, Kaufmannswitwe. 1906.
Franz Lauth-Becker. 1903.
Alfred Lejeune, Kaufmann. 188Ö.
Friedrich Wilhelm Lejeune, Kaufmann. 1906.
Franz Lemm6, Kaufmann. 1903.
Toni Freiherr von Lersner, kgl. AmtsanwaU. 1906.
Georg Leschhorn, Privatier. 1890.
Adolf Levi, Kaufmann. 1906.
Adolf Levi, Kaufmann. 1906.
Leopold Levi, Kaufmann. 1907.
Dr. Otto Lindenmeyer, Augenarzt. 1904.
Georg Lindheimer, Kaufmann. 1903.
Wilhelm Lindheimer, Domänen pächter. 1902.
Frl. Rosa Livingston, Privatiere. 1884.
Frau Anna L Ö f f 1 e r geb. Rttcker, Regierungsratswitwe. 1902.
Frau Luise L o r e y geb. Roeder, Doktorswitwe, Privatiere. 1906.
Hedwig Lösen er, Regierungsratswitwe. 1906.
Dr. Hugo Lotz, kgl. Gerichtsassessor. 1903.
Adam Ludwig, Privatier. 1903.
Frau Richard Ludwig. 1904.
Ferdinand Haas, Privatier. 1875.
Dr. Ludolf Maas, wissensch. Assistent des Statistischen Amtes der Stadt.
1903.
Robert Mack, Kaufmann. 1894.
John M. Mackenzie, Kaufmann. 1902.
Johannes Magdalinski, Kaufmann. 1903.
Dr. Ernst Mai er, praktischer Arzt. 1906.
Alexander Major, Bankier. 1906.
Frau Helene Manskopf geb. Keßler, Rentnerin. 1903.
Heinrich Mappes, kgl. sächsischer Generalkonsul und Konsul von Brasilien.
1888.
Gustav Marburg, Kaufmann. 1903.
Dr. Karl Marx, praktischer Arzt. 1906.
Alexander Matthes, Kaufmann. 1900.
Adam May, Fabrikant. 1890.
Dr. Franz May, Fabrikant. 1895.
Martin May, Fabrikant. 1884.
Robert May^ Kaufmann. 1893.
Ludo Mayer, Fabrikbesitzer. 1904.
— 174 —
Albert Mayser, Kauf mann. 1903.
Frau Heister geb. Haaswald, Privatiöre. 1904.
J. F. M e i X n e r , Arcbitekt. 1906.
Friedrich M eiber, Kaufmann und Konsul der chilenischen Republik. 1903.
Wilhelm M er ton, Kaufmann. 1888.
Julius Wilhelm Merz, Professor. 1899.
Theodor Mettenheimer-Breul, Kaufmann. 1901.
Eduard Metzener, kgl. geheimer Regierungsrat a. D. 1891.
Hugo Metzler, Bankier. 190').
Karl Metzler. 1903.
Albert von Metzler, Bankier, Stadtrat u. kgl. bayrischer Generalkonsul,
Mitglied des Herrenhauses. 1893.
Dr. Paul Meyer, kgl. Oberregiernngsrat. 1903.
Frau Dr. Rosa vonMeyer geb.Vielhauer vonHohenhau, Professorswitwe. 1889.
Emil Michel-Speltz, Privatier. 1906.
Heinrich J. F. Minoprio, Bankier. 1903.
Beinhold von Mohrenschildt, Chemiker in Griesheim. 1906.
Franz Moldenhauer, Ingenieur. 1902.
Fritz Mönch, Kaufmann in Offenbach. 1892.
Eduard Morel, Kaufmann. 1884.
Wilhelm Mössinger, Kaufmann. 1906.
Frl. Helene Müller, Privati^re. 1885.
Wilhelm Mttller, Kaufmann. 1899.
Frau Susette Mttller-Kolligs, Rentiere. 1897.
Frau Emma Mumm von Schwarzenstein geb. Passavant. 1876.
Frl. Marie Mumm von Schwarzenstein, Privatieie. 1902.
Dr. Max Nassauer, Chemiker. 1906.
Dr. Edmund Naumann, Direktor der Zentrale für Bergwesen. 1899.
Andreas Neander, Kaufmann. 1903.
Ludwig Neher, kgl. Baurat. 1893.
Dr. Max Neißer, Professor und Mitglied des kgl. Instituts für experimen-
telle Therapie. 1903.
Richard Nestle jun., Kaufmann. 1893.
Curt Netto-Nothwang, Professor und Ingenieur. 1903.
Dr. Otto Neubürger, praktischer Arzt. 1906.
Robert de Neufville, Kaufmann. 1897.
Adolf von Neufville, Bankier. 189Ö.
Karl von Neufville, Bankier und Generalkonsul a. I). 1904.
Hermann Ochs, Privatier. 1884.
Franz Oechsler, Kaufmann. 1906.
Gustav Eduard Oehler-Denner, Buchhändler. 1906.
Dr. Hermann Oelsner, kgl. Jnstizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1903.
Frau Juliette Oplin geb. Godchaux. Privatiere. 1875.
Hermann Oppenheim, Kaufmann. 1873.
Moritz Oppenheim, Kaufmann. 1887.
Francis Oppenheimer, kgl. großbritannischer Generalkonsul. 1900.
Karl Oppermann, Privatier. 1904.
— 175 —
Dr. Karl Oppermann, Oberlehrer a. D. and Gütsbesitzer in Niederjoßbach
bei Eppstein. 1887.
Frl. Adele Osterrieth, Privati^re. 1904.
Heinrich Ostertag, Kanfmann. 1906.
Lndwig Oestreich, Lehrer a. D. 1869. (f)
Dr. Henry Oswait, kgl. Justizrat und Rechtsanwalt. 1871.
Frau L. Overhamm geb. Hilf. 1899.
Dr. Alexander Pagenstecher, Chemiker in Mainknr. 190o.
Juhann Friedrich Pahl, Kanfmann. 1904.
Frl. Elsie Pal mar, Pensions-Inhaberin. 1906.
Dr. Alfred Parrisias, Bankdirektor. 1903.
Anglist Parrot, Privatier. 1892.
Philipp Passavant, Kaufmann. 1901.
Hermann von Passavant, Kaufmann und kaiserlich japanischer Honorar-
konsul. 1901.
Richard von Passavant, kgl. Kommerzienrat. 1889.
Ilax Panlsen, kgl. Ober- Telegraphen-Assistent. 1906.
Dr. Eduard Pelissier, Professor und Oberlehrer am Lessing - Gymnasium
1882.
Karl Peters-Frensdorff , Kanfmann. 1906.
Dr. Theodor Petersen, Professor und erster Vorsitzender der Sektion
Frankfurt am Ilain des Deutschen und Österreichischen Alpen-
vereins. 1871.
Franz Petry, Kaufmann. 1906.
Eduard Petsch-Manskopf , Privatier. 1900.
Frau Dr. Hertha Pfefferkorn geb. Kessler. 1854.
Christian Wilhelm Pf eif f er-Belli, Rentner. 1883.
Dr. Arthur Pfungst, Chemiker. 1889.
Lucien Picard, Bankier. 1906.
Dr. Gustav Pistor, Chemiker in Griesheim. 1904.
Theodor Plieninger, Direktor der chemischen Fabrik Griesheim- Elektron.
1906.
Wilhelm Pohl mann, Kaufmann. 1897.
Karl Pollitz, Kursmakler. 1902.
Moritz Ponfick-Salom6, kgl. Kommerzienrat. 1897. (f)
Dr. Eduard Posen, Fabrikant. 1894.
Sidney Posen, Fabrikant. 1883.
Dr. Wilhelm Posth, Chemiker in Griesheim. 1903.
Hermann Quincke, kgl. Landgerichtsdirektor. 1902.
Dr. Otto Rang, kgl. Oberlandesgerichtsrat. 1903.
Gustav Rasche, Kaufmann. 19U6.
August Rasor, Kaufmann. ISiK).
Walther vom Rath, Rentner. 1897.
Emil Rau, Kaufmann. 1901.
Simon Ravenstein, Architekt. 1871.
Dr. Ludwig Rehn, Professor und Oberarzt der chirurgischen Abteilung des
städtischen Krankenhauses. 1900.
— 176 —
Frl. Anna Reichard. 1901.
Fritz Reichard. 1906.
Frl. M. Reichard. 1903.
Gottlieb Reichard-Frey, Kaufmann. 1900.
Angnst Reichard-Marbnrg. Kaufmann. 1877.
Leopold Reiss. Prokurist. 1896.
Dr. Paul Reiss, kgl. Jastizrat und Rechtsanwalt. 1886.
Otto Renner, Kaufmann. 1906.
Ferdinand Richard, Kaufmann. 1881. (f)
Dr. Alexander Riese, Professor. 1897.
Max Rikoff, Privatier. 1892.
Frau Susanna Rikoff geb. Rindskopf, Privatiere. 1874.
Frl. Kathinka Rode, Lehrerin. 1898.
Dr. Paul Roediger. Rechtsanwalt und Direktor der Metallgescllschaft. 1893.
Karl Roger, Direktor der Filiale der Bank für Handel und Industrie. 1890
Wilhelm Rehmer, Privatier. 1900.
Dr. Fritz Römer, Direktor des Senckenbergischen naturhistorisehen Museums.
1907.
Heinrich Römheld, Kaufmann. 1900.
Dr. Emil Rosenbaum, praktischer Arzt. 1906.
Alfred Rosenthal, Kaufmann. 1903.
Dr. Rudolf Rosenthal, Rechtsanwalt. 1904.
Frl. Alwine Roth. 1906.
Emil Rothbarth, Privatier. 1903.
August Rothschild, Kaufmann. 1871. (f)
Ernst Rübsamen, Apotheker. 1904.
Franz Rück er, Privatier. 1890.
Julius Rueff sen., Privatier. 1897.
Louis Rühl, Maler.. 1900.
Theodor Rullmann, Kaufmann. 1890.
Heinrich Ruppel, Kaufmann. 1890.
Alfred Salin. Kaufmann. 1902.
Wilhelm Sandhagen, Kaufmann. 11K)3.
Dr. Richard Sartorius, Assistenzarzt. 1906.
Dr. Adolf Schäfer, Chemiker in Griesheim. 1903.
Heinrich Schäfer, Rektor an der Schwarzburgschule. 1906.
Fritz Schaeffer-Stuckert, praktischer Zahnarzt. 1906.
Frau Clara Schaffner geb. Albert, Privatiere. 1884.
Frau Carrie Schar ff geb. Otto. 1890.
Frau Gottfried Schar ff. 1895.
Charles A. Scharff-Andreae, Ingenieur. 1901.
Dr. Hermann Schcffen, praktischer Arzt. 1906.
August Scheible, Fabrikant. 1906.
Karl Seh eil er, Buchhändler. 1902.
Heinrich Theodor Schenck, Kaufmann. 1876.
Hermann Schepeler, Kaufmann. 1906.
Fritz Schiermann-Steinbrenck, Privatier. 1906.
— 177 —
Ladwig Schiff, Kaufmann. 1878.
PhUipp Schiff, Privatier. 1903.
Christ. Schlesicky, Kaufmann. 1903.
Emil Schlesicky, Privatier. 1902.
Gustav Schlesicky. Kaufmann. 1895.
Friedrich Schleussner, Fabrikdirektor. 1903.
Dr. Karl Schleussner, Fabrikdirektor. 1 897.
Dr. Wilhelm Schlömann, Chemiker in Qriesheim. 1903.
Isidor Schloß, Kaufmann. 1906.
Frl. Julie Schlosser, Lehrerin. 1903.
Georg Schlund, Juwelier. 1888.
Karl Schlund, Juwelier. 1901. (f)
August Schmidt, Kaufmann. 1906.
Dr. Isidor Schmidt, praktischer Arzt. 1906.
Wilhelm Schmidt-Diehler, Architekt. 1899.
Gustav Schmidt-Günther, Ingenieur. 1864.
Dr. Moritz Schmi dt- Metzler, kgl. wirklicher geheimer Rat und Pro-
fessor, Exzellenz. 1888.
Dr. Wolfgang Schmidt-Scharff, Rechtsanwalt. 1893.
Peter Schmölder, Kaufmann. 1872.
Friedrich Seh m öle, Rentner. 1903.
Alexander Schneider, Direktor der Deutschen Gold- und Silber-Scheide-
anstalt. 1875.
Heinrich Schnell, Privatier. 1875.
Dr. Bernhard Scholz, Professor und Direktor des Dr. Hochschen Konserva-
toriums. 1906.
Frau Lina Schöner geb. Holler. Privati^re. 1903.
Dr. Eugen Schott, kgl. Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1885.
Wilhelm Schott, Apotheker in Offenbach. 1906.
Heinrich Schreiber sen., Privatier. 1904.
Frau Margaretha Schreyer, Professorswitwe. 1904.
Adolf Schroeder, Privatier. 1906.
Frl. Charlotte Schulte, Privati^re in Cronberg. 1906.
Ernst L. C. Schulz, Kaufmann. 1901.
Frau Sofie Schulz-Euler, Privati^re. 1906.
Hans Schulze-Hein, praktischer Zahnarzt. 1885.
August Schumacher, Kaufmann. 1906.
Frl. Katharina Schumacher, Privative. 1898.
Dr. Gustav Schürenberg, Augenarzt. 1906.
Adolph Schürmann, Privatier. 1906.
Bernhard Schuster, Rentier. 1874.
Albert Schwarz, kgl. Landgerichtssekretär. 1906.
Lic. Dr. Karl Schwarzlose, Pfarrer der St. Katharinengemeinde. 1903.
Moses Martin Schwarzschild, beeidigter Wechselsensal. 1888.
Gustav Graf von Schwerin, kgl. Rittmeister, aggr. dem Thüringischen
Hns.-Reg. Nr. 12, kommandiert zur Militär- Lehrschmiede. 1906.
Dr. Eugen Scriba, praktischer Arzt. 1901.
12
— 178 —
Wilhelm S e e f r i e d , Direktor der Frankfurter Filiale der Deutschen Bank. 1888.
Fran Anna Seeger. 1901.
Qeorg Seeger, Architekt. 1897.
Georg Seitz, Finanzrat. 1899.
Hermann Seitz. 1904.
Fritz Sichel. ISOö.
Arthur Siebert-Müller, Direktor der Mitteldeutschen Kreditbank und
kgl. württembergischer Konsul. 1901.
Dr. Friedrich Sieger, kgl. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1903.
Ernst Simon, Kaufmann. 1906.
Dr. Julias Simon, kgl. Geheimer Justizrat und Oberlandesgerichtsrat. 1903.
Oskar Simon-Buss, Kaufmann. 1897.
Eduard Simonis, Kaufmann. 1903.
Hans Simonis, Kaufmann. 1903.
Dr. Emil Sioli, Direktor der Irrenanstalt. 1889.
Dr. Richard Solm, Augenarzt. 1904.
Friedrich Sommerlad, Kaufmann. 1904.
Frau Karl Sömmerring geb. Kretzer, Privati^re. 1866.
Leopold Sonnemann, Herausgeber der Frankfurter Zeitung. 1881.
Frau Georg Speyer geb. Gumbert, Rentnerin. 1903.
Frau Clotilde Spiess geb. Zickwolff, geh. Sanitätsratswitwe. 1904.
Karl Stauffer, Direktor der Bockenheimer Volksbank. 1898.
Frau Baronin Karoline von Stein, Pröbstin des adeligen von Cronstett-
und von Hynspergischen evangelischen Damenstifts. 1884.
Dr. Victor Steinohrt, Bankbeamter. 1903.
Dr. Johannes ^loritz 8 1 e i n t h a 1 , Rechtsanwalt. 1893.
Wilhelm Steitz, Lehrer am Wöhler-Realgymnasium. 1906.
Frau Anna Stern geb. Kalb, Privatiere. 1897.
J. Stern jun. 1903.
Dr. Richard Stern, praktischer Arzt. 1906.
Rudolf Stern, Privatier. 1890.
Frau Theodor Stern, Privatiere. 1871.
August Stern- Wiedebu seh, Kaufmann. 1903.
Karl Stiebel, Privatier. 1897.
Emilie Stiefel geb. Mayer, Privatiöre. 1906.
Friedrich Stock, Kaufmann. 1904.
Wilhelm Stock-de Neufville, Bankier. 1882.
Frau Elisabeth Stockmayer, Privatiere. 1906.
Frl. Lydia S t o 1 1 z e , Privatiere. 1903.
Otto S t r a ß f e l d , Kaufmann. 1903.
Frau Tony Straus-Negbaur, Privatiere. 1903.
Ernst Strauß, Kaufmann. 1906.
Isaak Strauß, Privatier. 1906.
Hans Streckeisen, Architekt. 1903.
Dr. Ignaz Stroof, Direktor. 1904.
Bruno S tr u b e 1 1 , Kaufmann. 1903.
Emil Sulzbach, Privatier. 1900.
— 179 —
Dr. Karl ö u 1 z b a c h , Bankier. 189().
HeiDrich Tausent, Privatier. 1906.
Dr. L. Thebesius, Rechtsanwalt und kgl. serbischer Generalkonsul. 1906.
Dr. Hermann Traut, Bibliothekar an der Stadtbibliotbek. 1893.
Dr. Gustav Treupcl, Professor und Chefarzt der medizinischen Abteilung
am Hospital zum heiligen Geist. 190H.
Jakob J. von Ueberfeld, Kaufmann. 1906.
Hermann Uhlfelder, Stadt- Bauinspektor. 1904.
Albert Ullmann, Kaufmann. 1901.
Otto Ulrich, Direktor der Diskonto-Gesellschaft. 1903.
Dr. Franz Vaconius, Pfarrer der Dreikönigs-Gemeinde. 1906.
Julius Valentin. Kaufmann. 1906.
August Velde, Oberlehrer an der Viktoriaschule. 1892.
Frl. Julie Velde, Oberlehrerin am Institut Schmidt. 1903.
Dr. Friedrich von den Velden, praktischer Arzt. 1899.
WUhelm Vogelsang, Direktor. 1902. (f)
Frau Emmy Vogtherr geh Weiler, Privati^re. 1899.
Dr. Karl Vohsen. praktischer Arzt. 1891.
Georg Völcker, Buchhändler. 1879.
Martin Vowinckel. Direktor der Providentia 1882.
Dr. Paul Wagner, Augenarzt. 1906.
Kall Wagner-Nurick, Ingenieur. 1903.
Frau Anna Wagner-Schaller, Privati^re. 1904.
Wilhelm Walb, Fabrikant. 1906.
Dr. Leopold Walter, praktischer Arzt. 1906.
Dr. Heinrich Weber, praktischer Arzt. 1902.
Karl Weber, Verwalter der Irrenanstalt. 1885.
Frl. Emilie Weigel, Privatiere. 1902.
Martin Weigel, Verlagsbuchhändler. 1902.
Jakob Hermann W ei Her, Bankier. 1871.
Karl Weinberg, Fabrikbesitzer und kgl. griechischer Generalkonsul. 1903.
Alfred Weinschenk, Bankier. liK)3.
Albrecht Weis, Kassierer der Englischen Gasfabrik a. D. 1874.
Richard Weise, kgl. Major a. D. 1902.
Ludwig Weiser, Lehrer. 1904.
Daniel Weismann, Bankier. 1902.
Adolf W e i 8 m ü 1 1 e r , Ingenieur. 1906.
Franz Weismüller, Fabrikant. 1906.
Joseph Werner, Kaufmann. 1892.
Frau Rosalie Wertheim geb. Ballin, Privatiere. 1884.
Emil Wetzlar, Bankier. 1900.
Fritz Christoph Wiemer, Mühlenbesitzer in Bonames. 1893.
Johann Wilhelm Wilke, Fabrikant. 1906.
Dr. Karl Willemer, Augenarzt. 1908.
Ludwig Willemer-Rücker, Kaufmann. 1893.
A. A. Wi nter, D. D. Ö., praktischer Zahnarzt. 1906.
Fritz Winter, Lithograph. 1903.
12»
— 180 —
GiiBtav Wiß, stellvertr. Direktor der Diskonto-Gesellschaft. 1906.
Bichard Wobith, Prediger. 1906.
Karl Wolf, Pfarrer der St. Petersgemeinde. 1903.
Frau Emma Wolfskehl geb. Feist, Kommerzienratswitwe. 1 874.
Aagast Wol sehen dorff, Kaufmann. 1904.
Siegmnnd W o r m s e r , Direktor der Deutschen Vereinsbank. 1898.
Emil Wnrmbach, Bentier. 1880.
Julius Wurmbach. Ingenieur. 1883.
Dr. Leo Wurzmann, Bechtsanwalt. 1906.
Ernst Wttsthoff, Kaufmann. 1906.
Otto Zacharias, Kaufmann. 1906.
Louis Zeiß-Bender, Kaufmann. 1906.
Theodor Zeltmann. Privatier. 1896.
Frau Johanna Zickwolff-Passavant, Privatiere. 1906.
Frau Johanna Ziegler geb. Kleyer, Professorswitwe. 1902.
J. Ziervogel, Oberingenieur des Dampfkessel-Uberwachungsvereins. 1904.
Frau Charles Zinn, Privatiere. 1906.
Frau Mathilde Zisemann geb. Oruner, Bentnerin. 1902.
II. Korrespondierende Mitglieder.
Dr. Hermann Vamb^ry, Professor in Budapest, ernannt am 11. Mai 1876.
Anton Goering, Professor in Leipzig, ernannt am 10. Oktober 1887.
Dr. Felix von Luschan. Professor und Abteilungsdirektor im Museum für
Völkerkunde in Berlin, ernannt am 10. Oktober 1887.
Dr. Karl Diener, Professor und Präsident des Osterreichischen Alpen-
klubs in Wien, ernannt am 20. Januar 1888.
Dr. Alexander Freiherr vunDanckelman, kgl. geheimer Begier ungsrat
und I^ofessor in Berlin, ernannt am 28. Juli 1890.
Dr. Alexander von Peez. Ehrenpräsident des Industriellen Club in Wien,
ernannt am 28. Juli 1890.
Dr. Paul Müller - Simonis. Ehrendomherr in Straßburg, ernannt am
29. Juni 1892.
Dr. Wilhelm Haacke in Jena, ernannt am 8. März 1893.
Dr. Max Friederichsen, Professor in Bern, ernannt am 12. Dezember 1906.
Dr. Karl O estreich, Privatdozent in Marburg, ernannt am 1 2. Dezember 1906.
Dr. Georg Wegener, Forschungsreisender in Berlin, ernannt am 12. De-
zember 1906.
— 181 —
III. Ehrenmitglieder.
Dr. Julins Ritter vonPayer, k. und k. österreichisch-angarischer Haupt-
mann a. D. in Wien, ernannt am 14. Oktober 1874.
Dr. Max Buchner, Professor und Direktor des kgl. bayrischen ethnologi-
schen Museums in München, ernannt am 17. Februar 1886.
Dr. Emil B 1 e n c k , kgl. wirklicher geheimer Oberregierungsrat und Präsident,
Direktor des kgl. preuß. statistischen Landesamts in Berlin, er-
nannt am 8. Dezember 1886.
Laigi Bodio, kgl. italienischer Staatsrat, Senator und Generaldirektor der
Statistik im kgl. italienischen Ministerium für Ackerbau und Handel
und Vizepräsident der SocietÄ geografica Italiana in Rom, ernannt
am 8. Dezember 1886.
Dr. Julius Euting, kaiserlicher geheimer Regierungsrat, Professor, Direktor
der kaiserlichen Universitäts- und Landesbibliothek und Präsident
des Vogesenklubs in Straßburg, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Theobald Fischer, kgl. geheimer Regierungsrat und Professor in
Marburg, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Georg G er! and, Professor in Straßburg, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Wilhelm Roheit, Professor und praktischer Arzt in Schwanheim, er-
nannt am 8. Dezember 1886.
Karl Eoldewey, kaiserlicher Admiralitätsrat und Abteilungs vorstand der
Seewarte in Hamburg, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Georg Ritter von Neumayer, kaiserlicher wirklicher geheimer Rat,
Professor und Direktor der Seewarte a. D., Exzellenz, in Neustadt
a. d. Haardt, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Karl von Obernberg, Vorsteher des Statistischen Amtes der Stadt a. D.,
in Frankfurt am Main, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Eduard Pechuel-Loesche, Professor in Erlangen, ernannt am 8. De-,
zember 1886.
Baron Max du Prel, kgl. bayrischer Kammerherr, kaiserlicher Ministerialrat
und Vorstand des stMistischen Bureaus im Ministerium für Elsaß-
Lothringen in Straßburg a. D., ernannt am 8. Dezember 1886.
Ernst Georg Ravenstein, Kartograph in London, ernannt am 8. Dezember 1886.
Ludwig Ravenstein, Kartograph in Frankfurt am Main, ernannt am
8. Dezember 1886.
Paul Reichard, Forschungsreisender, z. Zt. im Ausland, ernannt am 8. De-
zember 1886.
Dr. Johannes Rein, kgl. geheimer Regierungsrat und Professor in Bonn,
ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Wilhelm Reiss, kgl. geheimer Regierungsrat in Könitz (Thüringen),
ernannt am 8. Dezember 1886.
Georg Freiherr von Schleinitz, kaiserlicher Vizeadmiral und Landes-
hauptmann a. D., Exzellenz, in Hohenborn bei Lügde (Westfalen),
ernannt am 8. Dezember 1886.
— 182 —
Dr. Georg Scbweinfurth, Professor in BerliD, e. Zt. in Assaan, ernannt
am 8. Dezember 1886.
Blis Sidenbladh, Cbef direkter des kgl. scbwediscben statistiscben Central-
bnreans a. D. in Stockbolm, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Hermann Wagner, kgl. gebeimer Begiemngsrat nnd Professor in
Göttingen, ernannt am 8. Dezember 1886.
Reinbold von Werner, kaiserlicber Vizeadmiral a. D., Exzellenz, in Wies-
baden, ernannt am 10. Oktober 1887.
Dr. Karl von den Steinen, Professor nnd Abteilnngsdirektor am kgl.
Mnseom für Völkerkunde in Berlin (Cbarlottenburg), ernannt am
20. Febraar 1889.
Dr. Hans Meyer, Professor nnd erster stellvertretender Vorsitzender des
Vereins für Erdkunde in Leipzig, ernannt am 25. Februar 1891.
Dr. Siegmund Gttntber, Professor und Vorsitzender der geographischen Ge-
sellschaft in München, ernannt am 2. März 1892.
Guido Cora, Professor und Direktor des geographischen Instituts in Bom,
ernannt am 20. Dezember 1894.
Dr. Richard Böckh, kgl. geheimer Begierungsrat, Professor und Direktor
des Statistischen Amtes der Stadt a. D.. in Grunewald bei Berlin,
ernannt am 20. Oktober 1895.
Adolf Graf von Götzen, kgl. Major, kaiserl. Gouverneur von Deutsch-Ost-
afrika und Kommandeur der Schntztruppe für Deutsch-Ostafrika in
Dar-es-Saläm, ernannt am 9. Dezember 1896.
Dr. ing. Wilhelm Launhardt, kgl. geheimer Begiemngsrat und Professor in
Hannover, Mitglied des Herrenhauses, ernannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Fridtjof Nansen, Professor und kgl. norwegischer Gesandter in London,
ernannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Albrecht P e n c k , k. k. Hofrat, Professor und stellvertretender Vorsitzen-
der der Gesellschaft *ftlr Erdkunde in Berlin, ernannt am 9. De-
zember 1896.
Dr. Joachim Graf von Pfeil in Schloß Friedersdorf, ernannt am 9. De-
zember 1896.
Peter Petrowitsch von Ssemenow, kaiserlich russischer wirklicher geheimer
Bat, Senator, Mitglied des Beichsrats und Vizepräsident der
kaiserlich russischen geographischen Gesellschaft, Hohe Exzellenz,
in St. Petersburg, ernannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Sven von Hedin in Stockholm, ernannt am 16. November 1897.
Dr. Friedrich Clemens Ebrard, kgl. Konsistorialrat, Professor und Direktor
der Stadtbibliothek in Frankfurt am Main, ernannt am 17. Ok-
tober 1900.
Otto Schleifer, Hauptmann der Landwehr- Artillerie und Forschungs-
reisender in Bismarcksburg (D.-Ostafrika), ernannt am 18. De-
zember 1901.
Otto Neumann S verdrup, Kapitän in Christiania, ernannt am 22. Oktober 1902.
Dr. Fritz Sarasin in Basel, ernannt am 28. Oktober 19as.
Dr. Paul Sarasin in Basal, ernannt am 28. Oktober 1903.
Dr. Erich vonDrygalski, Professor in München, ernannt am 2. März 1904.
— 183 —
Dr. Karl Bücher, kgl geheimer Hof rat und Professor in Leipzig, ernannt
am 12. Dezember 1906.
Dr. Friedrich Delitzsch, kgl. geheimer Regierongsrat and Professor in
Berlin, ernannt am 12. Dezember 1906.
Dr. Gottfried Merzbacher, Forschangsreisender in München, ernannt am
12. Dezember 1906.
Dr. Theodor Petersen, Professor nnd erster Vorsitzender der Sektion
Frankfurt am Main des Deutschen und Osterreichischen Alpen-
vereins, ernannt am 12. Dezember 1906.
Verstorbene Ehrenmitglieder.
Dr. Karl Ritter, Professor in Berlin, ernannt am 29. August 1838, ge-
storben daselbst am 28. September 1859.
Dr. Friedrich Tiedemann, großherzogl. badischer geheimer Rat und
Professor a. D. in Frankfurt am Main, ernannt am 22. Mai 1851,
gestorben in München am 22. Januar 1861.
Karl Weyprecht, k. u. k. österreichisch -ungarischer Linienschiffsleutnant
in Triest, ernannt am 14. Oktober 1874, gestorben in Michelstadt
am 29. März 1881.
Dr. Eduard Rüppell in Frankfurt am Main, ernannt am 20. November
1874, gestorben daselbst am 10. Dezember 1884.
Dr. Gustav Nachtigal, kaiserlicher Generalkonsul in Tunis, ernannt am
2. Juni 1875, gestorben an Bord Sr. Maj. Kreuzers „Möve'^ am
20. April 1885.
Dr. Ferdinand Freiherr von Richthofen, kgl. geheimer Regierungsrat,
Professor, Vorsitzender der Gesellschaft für Erdkunde und zweiter
Präsident des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins in
Berlin, ernannt am 11. Juni 1875, gestorben daselbst am 6. Ok-
tober 1905.
Dr. Gerhard Rohlfs, kgl. Hof rat, kaiserlicher Generalkonsul a.D. in Weimar,
ernannt am 9. Januar 1877, gestorben in Rüngsdorf bei Bonn am
2. Juni 1896.
Dr. Georg Yarrentrapp, kgl. geheimer Sanitätsrat und Ehrenpräsident
des Vereins für Geographie und Statistik in Frankfurt am Main,
ernannt am 24. September 1881, gestorben daselbst am lö.März 1886.
Dr. Emil Holnb in Wien, ernannt am 1. März 1882, gestorben daselbst am
21. Februar 1902.
Dr. Ferdinand von Hochstetter, k. n. k. österreichischer Hof rat und Pro-
fessor in Wien, ernannt am 27. Dezember 1882, gestorben daselbst
am 18. Juli 1884.
Dr. Hermann von Wissmann, kgl. Major ä la suite der Armee nnd
kaiserlicher Gouverneur z. D., ernannt am 31. März 1883, gestorben
in Sting bei Weißenbach (Obersteiermark) am 15. Juni 1905.
^ 184 -
Henry M. Stanley, Parlamentsmitglied in London, ernannt am 8. Jannar
1886, gestorben daselbst am 10. Mai 1904.
Dr. Adolf Bastian, kgl. geheimer Regierangs rat, Direktor der ethnolo-
gischen Sammlung des Hnseums für Völkerkunde und Ehrenprä-
sident der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin, ernannt am 8. De-
zemberl886, gestorben inPort-of-Spain (Trinidad) am 3. Februar 190ö.
Dr. Karl Becker, kaiserlicher wirklicher geheimer Oberregiernngsrat und
Direktor des Statistischen Amtes des Deutschen Beichs in Berlin,
ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben in Charlottenburg am
20. Juni 1896.
Dr. Hermann Berghaus, Professor in Gotha, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 3. Dezember 1890.
Dr. Heinrieh Brugsch, kaiEerlicher Legationsrat und Professor in Berlin, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 9. September 1896.
Francisco Coello de Portugal y Quesada, kgl. spanischer Ingenieur-
Oberst a. D., Ehrenpräsident der Sociedad geogräfica und Präsident
der Sociedad espafiola de geograiia comercial, Exzellenz, inMadiid,
ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 30. Sep-
tember 1898.
Dr. Ernst Engel, kgl. geheimer Oberregierungsrat und Direktor des kgl.
statistischen Bureaus a. D. in Oberlössnitz bei Dresden, ernannt
am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 8. Dezember 1896.
Dr. Friedrich August Finger, Oberlehrer a. D. in Frankfurt am Main, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 31. Dezember 1888.
Friedrich Anton Heller von Hellwald in Stuttgart, ernannt am S.De-
zember 1886, gestorben in Tölz am 1. November 1892.
Dr. Heinrich Kiepert, Professor in Berlin, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 21. April 1899.
Dr. Alfred Kirchhoff, kgl. geheimer Regierungsrat und Professor a. D.,
Ehrenvorsitzender des Vereins für Erdkunde in Halle, in Mockau
bei Leipzig, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am
8. Februar 1907.
Charles Maunoir, Generalsekretär der Society de g^ographie in Paris, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 22. Dezember 1901.
Baron Cristoforo Negri, kgl. italienischer außerordentlicher Gesandter
und bevollmächtigter Minister a. D., Senator des Königreichs und
Primo presidente fondatore der Society geografica Italiana in
Tarin, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben in Florenz am
18. Februar 1896.
Dr. Adolf Erik Freiherr von Nordenskiöld, Professor in Stockholm, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 28. August 1901.
John Wesley Powell, Major und Direktor des Bureau of ethnology und
des United States geological survey in Washington, ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben in Haven (Maine) am 23. September 1902.
Nikolai Michaile witsch von Prjevalsky, kaiserlich russischer Generalmajor
in St. Petersburg, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben in
Karakol im Gebiet Ssemirettchensk am 1. November 1888.
— 185 —
Dr. Friedrich Ratze 1. kgl. sächsischer geheimer Hofrat, Professor und
Vorsitzender des Vereins für Erdknnde in Leipzig, ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben in Ammerland am Starnberger See
am 9. August 1904.
Dr. Gastav von Eümelin, kgl. württembergischer geheimer Rat und
Kanzler der Eberhard-Karls-Universität, Exzellenz, in Tübingen, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 28. Oktober 1889.
Dr. Wilhelm Stricker , praktischer Arzt in Frankfurt am Main, ernannt
am 8. Dezember 1886. gestorben am 4. März 1891.
Dr. Bernhard Stnder, Professor a. D. in Bern, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 2. Mai 1887.
Dr. Pieter Jan Ve th , Professor a. D. in Arnhem. ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 14. April 1895.
Louis Vivien de Saint-Martin, Ehrenpräsident der Sociale de g6ographie
de Paris in Versailles, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben
daselbst am 3 Januar 1897.
Henry Yule, kgl. großbritaunischer Ingenieur-Oberst a. D. in London, ernannt
am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 30. Dezember 1889.
Dr. Emil von Oven, Senator und Ehrenvorsitzender des Vereins für Geo-
graphie und Statistik in Frankfurt a. M., ernannt am 26. Oktober
1887, gestorben daselbst am 27. November 1903.
Friedrich Jakob Kessler, Senator in Frankfurt am Main, ernannt am
26. November 1888, gestorben daselbst am 3. Mai 1889.
Dr. Wilhelm Junker in Wien, ernannt am 25. Februar 1891, gestorben in
St. Petersburg am 13. Februar 1892.
Dr. Hans von Scheel, kaiserl. geheimer Oberregierungsrat und Direktor
des Statistischen Amtes des Deutschen Reichs in Berlin, ernannt
am 9. Dezember 1896, gestorben daselbst am 27. September 1901.
Dr. Engen Zintgraff, ernannt am 9. Dezember 1896, gestorben in Tene-
rife am 4. Dezember 1897.
Dr. Carlo Freiherr von Erlanger in Niederingelheim, ernannt am 18. De-
zember 1901, gestorben in Salzburg am 4. September 1904.
Yom
Verein Ifir Geographie und Statistik yerliehene
Anszeichiinngen.
I. Die Nordenskiöld-Medaille :
rin Oemeinschaft mit den geoKraphischen Gesellschaften vun Berlin, Bremen, Dresden,
Halle, Hamburg, Hannover, l^elpzig und Manchen):
1885. Adolf Erik Freiherr von Nordenskiöld in Stockholm, (f)
II. Die Rflppell-Medaille in Gold:
1894. Hermann von Wissmann in Gut Weißenbach bei
Lietzen (Obersteiermark), (f )
1896. Julius Euting in Straßburg.
1903. Sven von Hedin in Stockholm.
1906. Theobald Fischer in Marburg.
III. Die Rfippell-Medaille in Silber:
1904. Karl G. Schillings in Düren.
190Ö. Bernhard Hagen in Frankfurt am Main.
1906. Wilhelm Fil ebner in Berlin.
Übersicht der Einnahmen und Ausgaben
im Jahre 1905/1906.
Einnahmen:
Saldo des Jahres 1904/1905 M 35.77
Zinsen , 652.90
Beiträge von 646 Mitgliedern , 9662 —
Verkauf von Beikarten „ 235.—
Verkauf von Vereinspnblikationen .... . „ 14 40
Ärarialbeitrag , 600.—
Ein Geschenk , lüü.—
M 11 300.07
Ausgaben:
Honorare Ji 2730.—
Saalmiete , 1410.—
Lichtbilder nnd Ausscellungen , 273.90
Inserate , 177.:^0
Bibliothekar iatbeitrag „ 450.—
Qehalt des Vereinsdieners , ,, 360.—
Anslagen für Versendung des Jahresberichts, für
Porti und bei Anwesenheit der Redner ... , 610.50
Vereinsregister „ 12.:i5
Buchbinder und Diplome „ 87.35
Drucksachen » 212.35
Rückstellung für den Jahresbericht , 1000.—
Kapitalanlage , 2987.05
Kleinere Auslagen 170.90
An die Vereinsbank .... ^ 747.25
Saldo auf neue Rechnung , 71.12
Ji 11 300.07
— 189 —
Inhaltsübersicht
Seite
Wissenschaftliche Mitteilnniron.
I.: Knoch, K: Die Nieder8chlag;8 Verhältnisse der Atlasländer. Mit
3 Karten und 3 Regen-Profilen 5
II. Ans den Vorträgen:
Deckert, E. : Streif züge und Studien auf der Insel Kuba 119
— — San Franzisko und seine Erdbeben 131
Engelhardt, Th. : Meine Reise von Ost nach West durch
den Süden von Kamerun 101
Filchner, W. : Bericht über meine Expedition zum Ober-
lauf des Hoangho in Osttibet 99
Fischer, Th. : Marokko, nach den Ergebnissen meiner drei
Forschungsreisen 118
Ooetze, A. : Troja und seine Ausgrabung 121
Hagen, B. : Bericht über meine diesjährige Reise nach
Sumatra und Banka 89
Hess, J. J. : Sitten und Gebräuche der Beduinen .... 125
Jannasch, H. : Labrador, Land und Leute 94
Koch-Grünberg, Th. : Zwei Jahre unter den Indianern.
Reisen am oberen Rio Negro und Yapurti 122
Kollbrunner, U. : Meine Reise nach Abessinien ; Land, Volk
und Herrscher 116
Maas, 0.: Streifzüge auf der Insel Cypern 112
Merzbacher, G. : Die Erforschung der Hochregionen des
Tian-Schan 103
Nieuwenhuis, A. W. : Die körperliche und geistige Ent-
wicklung der Dajak auf Borneo 129
Schweinitz, H. H. Graf von: Im Innern Kleinasiens . . 123
Steindorf f, G. : Die neuesten deutschen Ausgrabungen in
Aegypten 113
Wagner, A. : Das kanadische Dominium. Skizzen und Bilder
aus einem werdenden Kulturstaate 128
Zitelmann, Frl. K. : Die Frau in Indien und Ostasien 111
— 190 —
III. Günther, S. : Die Erdkande in den letzten zehn Jahren.
Festrede bei der siebzigjährigen Jabelfeier des Vereins am
12. Dezember 1906 133
B« Geschäftliche Mittellmigcn.
Bericht über die Tätigkeit des Vereins in der Zeit vom 1. Oktober
1905 bis 30. September 1906 153
Vorstand und Ämterverteilnng .163
Mitgliederverzeichnis .... . . 165
Vom Verein für Geographie and Statistik verliehene Anszeichnnngen 187
Übersicht der Einnahmen und Ausgaben im Jahre 1905/1906 . . 188
■^^wwWWAAA.'^
1
J
Jahresbericht
des
Frankfurter Vereins
für
Geographie und Statistik
Eimiiidsiebzigster
niKl
Zweiiiiidsiebziii^ter Jahrgang.
IJMM) |{)()7 und 1907— 1J)08.
Im Namen des Vorstandes herausgegeben
von
Dr. Uernianu Traut,
HibllDthekar an dor Stadtbibliothek,
ticnoralsekretiir des Vereins.
Frankfurt am Main.
Druck und Veiiiif^ von OhrUder Knauer.
1908.
Wissenschaftliche Mitteilungen.
OrundzUge der Bodenplastik yon Tunesien.
Von
Rudolf Bartenstein.
Einleitung.
I. Lage und Weltstellung Tnuesiens.
Die Nordküste des Erdteiles Afrika weist im Gegensatz
zu dem allgemeinen Charakter der afrikanischen Küsten ein
Gebiet auf, das sich durch größere Aufgeschlossenheit und reich-
lichere Gliederung auszeichnet. Es ist dies der Italien gegen-
überliegende Küstenstreifen. Hier dringen die großen Einbuch-
tungen der beiden Syrten in den ungefügten Erdteil ein, zugleich
recken sich zwei halbinselartige Vorsprünge neben ihnen in das
Mittelmeer vor: im Osten der Syrten Barka (Cyrenaika), im
Westen das am besten mit Tunesien bezeichnete Ostende des
Atlasgebietes.
Bei näherem Zusehen zeigt es sich, daß diese Aufge-
schlossenheit zum größten Teil nur eine scheinbare ist. Denn
die Küste der großen Einbuchtungen der Syrten ist im großen
ganzen als eine geschlossene zu bezeichnen, und wo wirklich
einmal Gliederung im kleinen auftritt, bietet sie keinen sichern
Hafenplatz wegen der besonders bei Nordwind überaus starken
Brandung und wegen der häufigen Stürme. Dazu kommen noch
längs dieser Küste Strömungen und zahlreiche Untiefen, alles
Umstände, die diese Küste in den Ruf großer Gefährlichkeit
brachten, namentlich im Altertum, was u. a. auch das horazische
Wort wiedergibt : barbara Syrtis, ubi maura semper aestuat unda.
Was die Küstenbeschatfenheit weiterhin anbelangt, so
behält von den beiden ins Mittelmeer vordringenden Halbinseln
Barka seine afrikanische Eigenart, nämlich Geschlossenheit der
Küste, die durch die Tafellagerung des ganzen Erdteiles bedingt
— 6 -
ist, bei. Weiter muß man ebenfalls von Barka an ostwärts
und von Bizerta an — etwa 120 km — westwärts die Küste
als eisern bezeichnen, da sie infolge Geschlossenheit und durch
Brandung und häufige Stürme schwer zugänglich ist, vor allem
westlich von Bizerta, wo sie auch noch durch verkehrhindemde
Bergketten vom Innern des Landes abgesperrt wird. Im Gegen-
satz zu diesen Küsten zeigt nun die kurze Küstenstrecke zwischen
Bizerta und Mahares eine ganz andersartige, für den Verkehr
viel geeignetere Beschaffenheit. Hier bietet sich durch eine
Anzahl eindringender Buchten, durch vorspringende kleine Halb-
inseln oder vorgelagerte Inseln hinreichender Schutz gegen
Brandung und Sturm. Deshalb finden sich hier fast die einzigen
guten und sichern Häfen an der ganzen Nordküste Afrikas;
vor allem konzentrieren sie sich auf die Strecke von Kap Blanc
bis Kap Bon. Alle diese Häfen haben meistens eine natürlich
feste Lage. Dazu sind die Verkehrsbedingungen mit dem Innern
des Landes an diesem Küstensaum weit günstiger als im be-
nachbarten Algerien und Barka, da hier die Falten des Atlas-
gebirges ausstreichen und breite Längstäler zum Meere sich
ötEnen, die bequeme Verkehrswege ins Landinnere schaffen.
Reclus sagt von diesem Gebiete treffend: la forme du relief ä
rinterieur n'est pas moins heureuse que le dessin des contours.
Durch die günstige Gestaltung wird dieser Teil der Küste
der einzige Ausgang für einen großen Teil der geschlossenen
afrikanischen Festlandsmasse. Die wichtigsten Karawanen-
straßen, auf denen sich der größere Teil des Handels mit den
transsaharischen (irebieten seit Jahrhunderten bewegt, münden
hier ans Meer.^) „Doch beruht die Wichtigkeit Tunesiens
weniger auf dem Handel mit Innerafrika als auf seiner gün-
stigen Lage und auf eigenen Hilfsquellen** (Th. Fischer, Mittel-
meerbilder p. 287). Ein Blick auf eine Karte des Mittelmeer-
gebietes läßt sofort die bevorzugte Lage und Weltstellang
Tunesiens erkennen.
Mit Tunesien dringt Afrika am weitesten nach Norden vor
(Kap Engela 37« 22' 30", Th. Fischer, Pet. Mitt. 1887, T. 1); es
greift mit ihm gleichsam hinüber nach Sizilien und Italien und
^) Die BeziehnngeD Nordafrikas zu den transsaharischen Gebieten be-
handelt näher : Hildebrand : Cyrenaika 1904 p. 28 f.
— 7 —
stellt mit ihnen eine nar wenig unterbrochene Landbrücke nach
seinem einzigen Gegengestade Europa her. Damit vermittelt
Tunesien — wenn hier auch nicht die Punkte der größten An-
näherung zwischen Afrika und Europa liegen — den kürzesten
und günstigsten Verkehr zwischen den in Handelsbeziehungen
besonders wichtigen Zentralgebieten der beiden Erdteile. Als
Brückenkopf an diesem viel benutzten Übergange nach Europa
wird Tunesien immer seine Bedeutung behalten.^) Dabei reckt
sich Tunesien gerade in die Mitte des Mittelmeeres vor, so daß
es nach allen Seiten hin im mediterranen Gebiet enge und gute
Verkehrsbeziehungen unterhält. Aller Verkehr zwischen dem
östlichen und westlichen Mittelmeerbecken, der seit Vollendung
des Suezkanals sich zum Weltverkehr und Welthandel erweitert
hat, bewegt sich meistens durch die nur 150 km breite Straße
von Pantelleria. So nimmt Tunesien durch seine in diese Straße
vorgeschobene Lage auch Teil an dem Welthandel, der „der
großen Achse des Mittelmeeres folgt". — Zugleich verleiht die
beherrschende Lage in der Flankenstellung dieser Welthandels-
straße dieser Landecke große strategische Wichtigkeit. Und
zwar kommt Tunesien bei der Beherrschung der Straße und
ihres Verkehrs um so mehr in Betracht, weil der Handel infolge
besseren Fahrwassers, durch eine an der Küste Afrikas entlang
laufende Strömung und durch zahlreiche Bänke auf der sizilischen
Seite nach der afrikanischen Küste von Sizilien weggedrängt wird.
Und „die Insel Pantelleria, welche mitten in der Straße liegt
und ihr den Namen gibt, ist für Beherrschung der Straße wert-
los, da sie keinerlei zu einem Ankerplatz geeignete Buchten in
ihrer Steilküste zeigt und selbst künstliche Hafenanlagen äußerst
schwierig sind" (Th. Fischer, „Mittelmeerbilder" p. 287).
Es hat also Tunesien eine äußerst bevorzugte Lage als
Schnittpunkt von wichtigen Land- und Wasserstraßen und von
starkem Meridional- mit WO -Verkehr. Außer seiner ausgezeich-
neten Küstenbildung besitzt es zudem eigene starke Hilfsmittel :
es ist reich an fruchtbaren Tälern und Ebenen, weist auch
Bodenschätze, wie Erze, Phosphate und gute Bausteine auf.
Gegenüber der Halbinsel Barka, seinem Nebenbuhler im Handel
^} Lage nnd Weltstellong der Küstenländer Nordafrikas, insbesonders
ihre Beziehungen und Bedeutung für Europa behandelt ausführlich : Th. Fischer
in .Mittelmeerbilder* p. 278f.
— g —
Nordafrikas, hat Tunesien infolge günstigerer Obertlächen-
beschaffenheit bessere Möglichkeit der Verdichtung der Bevöl-
kerung, der Bildung von Großstädten und leichtere Kultur-
entwicklung voraus. Alle diese Umstände trugen dazu bei, daß
sich hier an dieser Küste einige Punkte zu Brennpunkten des
Verkehrs und der Kultur entwickelten.
Deshalb mußte Tunesien für dasjenige Volk, welches das
Mittelmeer und seinen Handel beherrschen wollte, nicht nur ein
wertvoller, sondern sogar notwendiger Besitz werden und ein
Zankapfel sein durch alle Zeiten zwischen den jew^eils mächtigsten
Völkern im Mittelmeer. Aus den engen Beziehungen des Landes
nach allen Seiten hin im Mittelmeere erwuchs ihm ein wechseln-
des Schicksal, und seine Geschichte gibt ein verkleinertes Abbild
der wechselvollen Geschichte des ganzen mediterranen Kultur-
kreises. Ein Blick auf die Geschichte Tunesiens wird uns dies zeigen.
Ein solcher kurzer, geschichtlicher Überblick dürfte auch
für unsere Arbeit „Grundzüge der Bodenplastik von Tunesien"
von nicht geringem Werte sein. „Ist doch die ganze Geschichte
wesentlich ein großes Drama, in dessen Mitte wir jetzt noch
stehen, und welches sich auf dem Schauplatz und unter den
Bedingungen der Oberfläche der Erde vollzieht." (Geogr. Jahr-
buch 1880, p. 545.) Darum werden mehr oder minder in der
Geschichte eines Landes gewisse Eigenschaften seiner Ober-
flächengestaltung sich widerspiegeln, gewisse Wechselbeziehungen
zwischen Ort und Geschichte sich zeigen. Gewährleistet doch
nicht allein die Lage, sondern auch vor allem das Bodenrelief
einem Lande seine Zukunft und bedingt seine Geschichte.
Wenn wii- die geschichtliche Vergangenheit unseres heute
Tunesien genannten Gebietes kurz verfolgen, werden wir etwas
näher auf die jeweiligen Grenzen der Staatswesen, die einstmals
hier bestanden haben, eingehen. Die Ausdehnung eines „Staates"
ist ja im wesentlichen von der Oberflächenbeschaffenheit des
„Landes" abhängig.*) Denn „die Umschließung einer Summe von
*) Tb. Fischer definiert in „Untersuchungen znr Entwicklungsn^eschichte
der Apenninen-Halbinsel", Pet. Mit. 97, S. 194: „Land*, das Dauernde,
Naturgegebene, vom Menschen nur in geringem Maße zu Beeinflussende, und
9 Staat'', das vom Menschen Geschaffene, darum nur dann verbal tnismäbig
dauernde, wenn es geographisch begründet ist und namentlich an den Obor-
tlächeulormen haftet."
— 9 —
geographischen EigeutümlichkeiteD, die einer Erdenstelle ange-
hören, besonders bodenplastischer Art, trägt am allermeisten
zur historischen Individualisierung bei". (Ratzel, Anthr. Geogr.
1882, p. 121.) Zeigt uns nun der geschichtliche Überblick das
Gebiet als ein dauernd gut abgegrenztes Sondervvesen, so können
wir den Schluß ziehen, daß die geschichtliche Grenze boden-
plastisch bedingt ist. Dies hätte dann die Arbeit zu beweisen.
Einige der von geographischen Gesichtspunkten aus wich-
tigsten Erscheinungen in der Geschichte Tunesiens gibt Th. Fischer
in seinen Mittelmeerbildern bei der Betrachtung der Küsten-
länder Nordafrikas (S. 287), wobei er vorzugsweise darauf ein-
geht, wie sich die Küsteugestaltung sowie die sonstigen wich-
tigeren geographischen Faktoren in der Geschichte widerspiegeln.
Wir können uns deshalb hier kurz fassen und brauchen nur
diejenigen Kapitel der geschichtlichen Vergangenheit Tunesiens
etwas eingehender zu behandeln, in denen sich bodenplastische
Züge unseres Gebietes wieder erkennen lassen und die uns bei
Abgrenzung unseres Gebietes als Sonderwesen von Nutzen sind.
II. t berblick fiber die Geschichte Tunesiens.
Die Kenntnis und Nachrichten von unserem Gebiete im
Altertum waren sehr dürftig und unklar. Man rechnete es zu
Libyen, worunter man alles Land westwärts von Ägypten ver-
stand. Erst Herodot versucht eine weitere Teilung dieses
großen Gebietes. Er trennt es in einen Teil östlich vom Triton-
see - etwa von der Landenge von Gabes an — , wo Nomaden,
„Fleischesser und Milchtrinker" wohnen; „die Libyer aber west-
lich vom Tritonsee sind Ackerbauer und haben Häuser". (Meltzer,
Gesch. des Karthager, S. 82.) In der Verschiedenartigkeit der
Lebensweise der Bewohner zeigt sich also ein erster Unterschied
zwischen unserem und dem östlich von ihm gelegenen Gebiete.
Sonst hatte Herodot nur etwas gehört, daß Libyen westlich vom
Tritonsee gebirgig sei. (Pauly-Wissowa II, 2119. Realenzyklo-
pädie.) Den Phöniziern war diese Küste schon längst bekannt.
Denn bei Entwicklung des Schifisverkehres auf dem Mittelmeere
mußten sich sofort die günstigen Bedingungen der Küstengestalt
Tunesiens für die Seefahrt geltend machen. Zu Stütz- und
Ruhepunkten des Handels eigneten sich die vorspringenden,
- 10 —
darcb ihre zentrale Lage im Mittelmeer ausgezeichneten Küsten-
punkte Tunesiens bei der damals üblichen Küstenschiffahrt ganz
besonders. Deshalb begannen die Phönizier, das erste Handels-
volk im Mittelmeer, schon seit etwa 1100 v. Chr. sich hier
festzusetzen. (Pauly-Wissowa I, 715.) So gründeten sie das
wichtige Uthika und etwas später Karthago.^) Beide Städte
bildeten anfangs nur Durchgangspunkte für den lebhaften Ver-
kehr zwischen der Ost- und Westküste des Mittehneers, zwischen
dem schätzereichen Spanien und dem Heimatsstaat Phönizien.
(Meltzer 86.) Nur in geringem Maße trieben sie wohl zugleich
Handel mit den Eingeborenen. Der Landbesitz beider Städte
beschränkte sich auf die allernächste Umgebung.') Erst mit
zunehmendem Reichtum dehnte sich auch der Machtbereich
beider Städte aus, indem sie sich, vor allem Karthago, all-
mählich das Innere des Landes unterjochten, besonders „nach-
dem die Tochterstädte nach Verlust des Mutterstaates an die
assyrischen, babylonischen und persischen Eroberer sich ganz
auf eigene Füße stellen mußten". (Rüssel S. 17.) Es bemächtigten
sich die Karthager wohl zuerst der Medjerda- und der anderen
* äußerst fruchtbaren Talebenen in der nächstea Umgebung ihrer
Stadt; weiter dann der ganzen Küstenebene nach Süden bis
zum Innern Rand der kleinen Syrte, um die nächsten und leich-
testen Handelswege aus dem Innern Afrikas, die schon damals
hier ans Meer mündeten, in ihre Gewalt zu bekommen und da-
mit den Griechen, ihren Rivalen zur See, und besonders Cyrenaika
den innerafrikanischen Handel wegzunehmen.') „Die Berber-
dörfer (etwa 300 Gemeinden zur Zeit des zweiten punischen
Krieges) sind die Grundlage des karthagischen Städtewesens."
(Schulten, S. 29, nach Strabo, S. 833.) „Es bildete also Zeugitanien
das eigentliche Gebiet Karthagos, besonders die fruchtbaren
Getreideebenen, d. h. das Tal des Medjerda, des Mornag, die
Gegend um Tunis bis Zaghuan und zweifellos auch Eniida.^
(Coudray, S. 7.) Eine genaue Grenze des karthagischen Macht-
>) über die Gründung and Lage Karthagos vgl. Tb. F. : .Kttsten-
Stadien aas N.-Afrika.« Pet. Mitt. 1887, S. 89.
') Karthago zablte bis in die Zeiten seiner Blüte für den Boden, den
die Stadt einnahm, Qrundzins an die einheimischen Berbern. (Mommsen.)
') Sage vom Wettlaaf der beiden Gebr. PhUaeni. Vgl. Hildebrand:
Cyrenaika, S. 41.
— 11 —
bereiches wird nirgends angegeben und kann deshalb allein
auf Vermutung hin gezogen werden. Man kann annehmen, daß
das unmittelbar abhängige Gebiet, abgesehen von den zur Be-
herrschung wie zu Beobachtungsposten gegen die wilden Berg-
völker nötigen allernächsten Bergen, wie dem Zaghuan, nur das
offene Land umfaßt hat und dieses nach Süden auch nicht
weiter als bis Sfax. Denn in seiner Nähe (bei Thenae, dessen
Ruinen man wieder gefunden hat, in denen von Henchir Tina,
12 km SSW von Sfax) (Tissot II, 3, Plin. bist. nat. V, III) endigte
der sogenannte punische Graben, welcher vermutlich nichts an-
deres als ein alter Grenzgraben Karthagos war. Die Umgebung
des westlichen Syrtenbeckens, xa 'EfiTiöpca, ebenso wie die Inseln
Kerkenneh und Djerba(-Meninx) standen wohl nie in direkter
Abhängigkeit von Karthago, wurden daher nach dessen Fall
auch nicht zur römischen Provinz Afrika gezogen.^ (Kiepert:
Alte Geogr., S. 214.) Ungefähr wird die Grenze des karthagischen
Machtbereiches mit der übereingestimmt haben, welche später
die Römer ihrer Provinz Afrika (vetus) gaben. Nach Westen
erstreckte sich Karthagos Besitz bis zur Dakhla-Ebene.') Doch
bemächtigte sich derselben, der Stadt Tusca und der Gegend
um Beja bald Massinissa (161 v. Chr.) (= Numid. Militärsprengel.
Mommsen, R. G. V, S. 626). Karthagisch war also nur der
schmale, zunächst Sizilien gegenüberliegende Küstenstrich von
Afrika. Der Besitz dieses äußerst günstig gelegenen und frucht-
baren Gebietes bedingte den Reichtum und die Größe Karthagos,
verursachte ihm aber auch immerwährenden Streit mit Rom,
da diesen Küstensaum zu beherrschen für Italien unbedingte Not-
wendigkeit ist als natürlichste Verbindung mit Afrika.^) In dem
langwierigen Kampfe mit Rom um den Besitz dieses Gebietes
unterlag Karthago. Das eroberte *Land machten die Römer
zur Provinz Afrika. Die Grenze begann an der Nordküste am
Tuscafluß') und endigte an der kleinen Syrte bei Thenae.
^) Numidien und einen Teil von Mauretanien hat Karthago niemals,
auch nicht indirekt, beherrscht, wie Cat., 8. 283 meint, höchstens ihren Handel
yermittelst Besetzung der wichtigsten Küstenplätze.
') Die engen Beziehungen, welche zwischen den beiden Ländern Tu-
nesien und Italien bestehen, schildert in ausführlicher Weise Th. F. in seinen
Mittelmeerbildem S. 287 !.
') Plin. hist. nat. V, 3, (22, 23) : a Tusca Zeugitana regio et qua
proprie vocetur Africa est.
— 12 —
Nähere Angaben über den Verlauf der Grenzen der neuen
Provinz zwischen den beiden Endpunkten sind fast nicht vor-
handen.
161 V. Chr. hatte sich, wie erwähnt, Massinissa des kar-
thagischen Bezirkes ura der Stadt Tusca und der großen Felder
am Bagradas bemächtigt und seitdem auch behalten. Vasca,
Zama und Bulla gehörten schon zu Numidien. (Mommsen, R. G. II.,
S. 21 und 36.)
Danach würde die Grenze ungefähr so verlaufen sein, wie
Tissot (II, 6) annimmt: „Von der Tuscamündung gegenüber
Tabarca nach Osten ausbiegend über die Höhen längs des
Tuscaflusses weg — das Flußtal bildete den numidischen
Militärsprengel, den Massinissa 161 wegnahm — dann am Badja
entlang zum Bagradas, dem heutigen Medjerda. „Der Badja
bildete eine natürliche Verteidigungslinie, außerdem führte an
ihm ein Stück der großen Verkehrsstraße Karthago-Hippo Regius,
der direkte Weg von Stadt Badja (Beja) nach Tabarca entlang.*
(Tissot II, S. 6.) Vom Bagradas ging die Grenze über die Höhen
hinweg (südlich) zum Oberlauf des Siliana, diesen und dann
den Merguellil entlang bis in die Ebene von Kairuan und von
da geraden Weges ans Meer bei Thenae. ^) — Etwas anders
läßt Kiepert die Grenze verlaufen. Im Atl. ant. 6. Aufl. Taf. X
beginnt sie etwas westlich der Tuscamündung am Kap Roux
und endigt viel südlicher von Thenae an der kleinen Syrte bei
Gabes; sie biegt auch weiter nach Westen aus als diejenige
Tissots; so schneidet sie auf Taf. VII Atlant. 1876 den Zu-
sammenfluß des Medjerda und Melleg. Nähere Angaben gibt
Kiepert nicht dazu.
*) Vgl. Bull., arch. du Comit6 des trav. bist, et Bcient., p. 239: gMan
hat einen Grenzstein südlich der Ruinen von Henchir es Souar gefunden,
der heute noch den Namen el Haddada, „die Grenze**, trägt. Daraus ist zu
schließen, daß der berühmte Graben des Scipio nicht, wie Tissot glaubt,
westlich von Gorra nach Aquae Kegiae in der Nähe von Trozza vorbei, son-
dern östlich bei Henchir Dermoulia den Siliana schnitt, dann sich nach SU
wandte nach Henchir es Saar. Die Römer waren also 146 noch weniger ins
Innere vorgerückt, als man bisher glaubte." — „Auch das Gebiet südlich von
Thenae haben die Römer erst allmählich gewonnen. Sie legten hier zuerst
Städte an. Es entwickelten sich diese aus den zur Deckung der großen
Heerstraßen (nach Gabes, Gafza, Feriana-Tebessa) angelegten Kastellen,
cf Schulten, M\s dem röm. Afrika, S. G.
- 13 —
Ähnlichen Verlauf gibt der Grenze auch Spruner-Menke
ni. Aufl. 1880.
Diese weiter westwärts verlaufende Grenze dürfte diejenige
zur Kaiserzeit gewesen sein.
Die römische Provinz umfaßte nach ihrer Einrichtung
146 V. Chr. nur das bis dahin den Kartliagern noch verbliebene
Gebiet. Von 46 an wurde ihr das Reich des Massinissa ein-
verleibt und von 25 an wurde ganz Numidien bis zum Amp-
sagas endgültig als Afrika nova mit der bisherigen römischen
Provinz, nun Africa vetus genannt, vereinigt. (Strabo XVII^
840, Pauly-Wissowa I, 713, 714.) — Die Provinz Mauritana
Tingitana zogen die Römer zum spanischen Verwaltungsbezirk.
(Th. F., Mittelmeerbilder, S. 299.)
Als Grenze zwischen den beiden Provinzen Africa wurde
im 3. Jahrhundert von Severus eine Linie festgesetzt, welche
ungefähr in NS-Richtung von der Tuscamündung zum westlichen
Ende des Schott Djerid verlief. (Toutain, S. 16.) Tebessa blieb
westlich dieser Grenze. Auf Blatt 1 des Atl. ant. von Spruner-
Menke: „Europa zur Zeit Odoakars 476—493" zeigt die Grenze
diesen Verlauf.
Nach dem Verfall des Römerreiches bemächtigten sich die
Vandalen Karthagos und dehnten allmählich ihre Herrschaft,
wie die Römer vor ihnen, über das ganze Atlasgebiet aus. Das
Herzland und der Hauptsitz ihrer Macht blieb aber die ehe-
malige römische Provinz mit der Hauptstadt Karthago.') Das
Vandalenreich wurde von den Oströmern gestürzt, diese be-
schränkten aber ihren Besitz auf das ihnen zunächstliegende
und wichtigere Africa procoiisularis. -) Auf die Oströmer folgten
gegen Ende des 7. Jahrhunderts die Araber. Sie fügten ganz
Kleinafrika, das Djezirat el-Maghreb, „Insel des Westens", wie
sie es treffend nannten, dem Kalifeureiche hinzu, wodurch sich
dieses nunmehr vom ^atlantischen Ozean bis zum Euphrat er-
streckte. Eingeteilt wurde diese „Insel des Westens" in drei
Bezirke; der östlichste von ihnen, Ifrikija, bildete lange Zeit
den Hauptsitz der arabischen Macht, und Hauptstadt war (unter
Djoredjir 655) Carthadjina; (Ibn Khaldoun I, 305) nur im
*) Qeiserich hatte allerdings zuerst Bougie zur Hauptstadt seines
Eeiches gewählt. Bald wurde sie aber Karthago.
*) Grenzfestungen waren Gafza und Tebessa. cf. Diehl, S. 233—238.
— u —
Anfang der arabischen Herrschaft in N.-Afrika eine kurze Zeit-
lang Kaiman, auch Sbeitla. Genauere Grenzen Jfrikijas werden
nirgends angegeben. Wahrscheinlich hat die Grenze den NS-
Verlauf, wie schon früher, beibehalten. Wenigstens zählt Edrisi
S. 106 Tebessa unter den Städten auf, die zu Zentralmaghreb
(ungefähr dem heutigen Algerien) gehören. Doch umfaßte eine
Zeitlang Jfrikija auch Zab (das Gebiet um das Hodna-Bassin),
Constantine und Bougie. (Ibn Khaldoun I, 207.)
Vom 14. Jahrhundert an wird unser Gebiet allgemein mit
Tunis bezeichnet. Die Grenze, die es von seinem westlichen
Nachbarlande Tlemsen trennt, verläuft etwas westlicher als
diejenige zur römischen Eaiserzeit. (Vgl. Spruner-Menke, Blatt 6:
«Europa um die Mitte des 14. Jahrhunderts."^)
Im 16. Jahrhundert bildet das Atlasgebiet die drei Bar-
bareskenstaaten mit ungefähr denselben Grenzen, wie sie die
heutigen drei Staat engebilde des Atlas zeigen. Unter Karl Y
wurde Tunis 1535 erobert und das Land dem spanischen Reiche
als Lehen angegliedert, aber nur kurze Zeit. Von etwa 1575
an ist unser Gebiet schon wieder Vasallenstaat der Türken.
1881 haben es schließlich die Franzosen als Regence de Tunisie
in Verwaltung genommen. Die Grenze zwischen Tunesien und
dem schon seit 1830 französischen Algerien hat seitdem nur
noch konventionellen Wert ; sie besteht aber noch und verläuft
ähnlich wie die Grenzen der meisten Staatengebilde, die vorher
hier bestanden hatten, von Tabarca in NS-Richtung zum Schott
el Rharsa. Die Sfidgrenze unseres Gebietes bildete fast immer
die tiefe Einsenkung der Schotts als eine gute, natürliche Ab-
grenzung.
Wenn die Südgrenze des französischen Tunesiens heute
vom Schott el Rharsa quer durch die Wüste (südöstlich) zur
Grenze von Tripolis verläuft, hat dies nur den einen Grund,
sich den Einfluß auf möglichst viele von den hier verlaufenden
wichtigen Karawanenstraßen zu sichern ; natürliche Grenze bleibt
die Einsenkung der Schotts. Was jenseits liegt, gehört der
großen Wüstentafel an.
Überaus wechselreich und bunt ist die Geschichte unseres
Gebietes. Es liegt dies, wie wir schon oben bemerkten, in der
vielseitigen Berührung des Landes mit seinen Nachbargebieten,
besonders Italien, wie überhaupt in seinen engen Beziehungen
— 16 —
nach jeder Richtung im Mittelmeer hin. Jede aufstrebende
Macht im Mittelmeer mußte versuchen, diese Landecke mit ihrer
bevorzugten Lage und günstigen Küstenentwicklung in ihre
Hand zu bekommen. Denn erst der Besitz dieses Küstenstriches
sicherte einem Volke die führende Rolle im Mittelmeer. Deshalb
sehen wir in unserem Gebiete als Herren nacheinander die
Phönizier, Römer, Oströmer, Araber, Spanier eine kurze Zeit,
dann die Türken und heute die Franzosen. Ein Blick auf diese
Völkerübersicht zeigt, daß Tunesien sowohl mit einer Ost- wie
West- und Nordmacht (von T. ausgerechnet) sich im Laufe der
Geschichte verbunden hat. Der überzeugendste Beweis wohl
für die allseitigen Beziehungen Tunesiens im Mittelmeergebiet!
Weitaus am häufigsten und längsten war das Land im Besitze
der Völker um das östliche Mittelmeerbecken, die Römer mit-
einbegriffen, nur vorübergehend im Besitz von einem Volk am
westlichen Becken.^) Im großen und ganzen hatte also Tunesien
historisch immer gleichgerichtete Beziehungen. Es kehrt seine
„Geschichtsseite** nach NO und Osten. In der Oberflächengestalt
spiegelt sich dies wieder, indem Flüsse und Bergzüge derselben
Richtung (NO) im allgemeinen folgen und auch die Abdachung
des Landes in dieser Richtung erfolgt.
Der kurze geschichtliche Überblick läßt uns weiter er-
kennen, daß Tunesien im Laufe seiner Geschichte nicht immer
isoliert geblieben ist. Häufig dehnte es, jedesmal zu Zeiten
eigener, größerer Machtentfaltung, seine Herrschaft nachWesten
über die anderen Atlasländer oder wenigstens über das heutige
Algerien aus. So umfaßte es zur Römerzeit eine Zeitlang auch
Numidien; unter den Vandalen und Arabern erstreckte sich
sein Machtbereich sogar bis an den Ozean ; heute ist es wiederum
mit Algerien unter einer Herrschaft vereinigt. Die Grenze
zwischen beiden Ländern ist aber bestehen geblieben, auch die
Verwaltung beider ist getrennt.
^) Heute ist Tunesien allerdings wiederum im Besitz eines VoUtes
am westlichen Becken. Ob aber dieses Verhältnis lange Dauer haben wird,
ist eine andere Frage. Die Geschichte des Landes spricht wenigstens dagegen.
Ebenso sind die Beziehungen Italiens zu dem Lande viel zu eng, so daß —
nur nach geographischem Standpunkt gearteilt — eine dauernde Verzicht-
leistung ItaUens auf dieses Qebiet zu unwahrscheinlich erscheint. (Vergl.
Th. Fischer: Mittelmeerbilder, S. 287.)
— 16 —
Die ursächlichsten Gründe für dieses öftere Verbundensein
Tunesiens mit seinen westlichen Nachbarländern in der Geschichte
sind in seiner Bodenplastik zu suchen. Tunesien ist ein Teil
eines größeren geographischen Ganzen, des Atlasgebietes, und
hängt mit den übrigen Teilen desselben orographisch und hydro-
graphisch eng zusammen. Auch die Tatsache, daß Tunesien
häufiger nur mit Algerien allein, nicht mit dem westlichsten
Gebiete, Marokko, verbunden war, liegt in geographischen Fak-
toren begründet : Marokko ist der Ostküste Tunesiens, der eigent-
lichen Grundlage einer politischen Einheit in Nordafrika, zu weit
entrückt, dazu durch das ziemlich unwirtliche Algerien getrennt.
Es bildet somit Tunesien ein treffendes Beispiel für den innigen
Zusammenhang zwischen Geschichte und Oberflächengestalt!
Wenn uns die Geschichte zeigt, wie unser Gebiet nicht
immer auf sich ganz allein gestellt ist, sondern oft sich mit
seinem Nachbarlande verbindet, so läßt sie andererseits auch
wieder erkennen, wie Tunesien in dem bunten Wechsel seiner
Geschichte seine hervorragendere Bedeutung behalten und immer
wieder geltend gemacht hat, indem es immer als etwas Selbst-
ständiges, als ein eigenes Reich oder als Kern eines größeren
Staatswesens bestand.
Daß hier ein selbständiges Länder-Individuum liegt, können
wir schon aus der Tatsache schließen, daß die Westgrenze unseres
Gebietes trotz ihres scheinbar willkürlichen Verlaufes in NS-
Richtung quer über Täler und Höhenzüge hinweg die mannig-
fachen Schicksale des Landes überdauert und ihre Lage durch
Jahrhunderte hindurch mit geringen Veränderungen beibehalten
hat. „Diese Abgrenzung tritt uns so durch ihre Beständigkeit
als eine nicht zufällige Erscheinung entgegt'U und läßt deshalb
den Schluß zu, daß bei ihr weniger die Trägheit und Willkür
der Menschen, als die Natur selbst das Begrenzende ist** (Ratzel,
Anthrop. geogr. 1 14), und daß weiter die Länder, die sie scheidet,
zwei geographisch verschiedene Individuen sein müssen, daß
Tunesien nicht nur in seiner Geschichte, sondern auch in seiner
geographischen Natur ein Sonder wesen bildet. Wir werden
späterhin etwas näher auf diesen Punkt eingehen.
Bei all den Veränderungen, welche Tunesien in seiner
Geschichte durchmachen mußte, hat sich immer ein Punkt des
— 17 —
Landes hervorgehoben und ist ständig von dauernder Bedeutung
und Wichtigkeit geblieben. Es ist dies der Golf von Tunis.
Seine äußerst günstige Stellung im Mittelmeer machte sich immer
wieder geltend. Immer lag an ihm ein wichtiger Handels- und
Eulturmittelpunkt. So zuerst Uthika und Karthago. Nachdem
die Kömer letzteres völlig zerstört hatten, bauten sie schließlich
(19 V. Chr. unter Augustus) selbst die Stadt wieder größer und
schöner als vorher auf, da dieser Punkt zu günstig gelegen
war, um längere Zeit unbesetzt zu bleiben. ^) Heute liegt hier
Tunis, die volkreichste und bedeutendste Stadt des ganzen
Atlaslandes.
Neben den engen Beziehungen, welche der Golf von Tunis
zu allen Mittelmeerländern unterhielt, besaß er die innigste
Verbindung mit dem Innern des Landes. Das ganze Hinterland
gravitiert nach diesem einen Punkte hin, was sich schon äußer-
lich sichtbar ausdrückt durch die gleichsinnige Richtung der
Abdachung des Landes, der Bergzüge und Flüsse nach dieser
Stelle hin. So wird dieser Punkt ein Attraktionszentrum für
ganz Tunesien, ähnlich wie Paris für das ganze Seinebecken,
ja sogar ein Hauptausgang für den Handel mit den transsaha-
rischen Gebieten.*)
Die „merkwürdige Tatsache, daß die großen Mittelpunkte
des Verkehrs meist auch politische Mittelpunkte sind"", wird
ebenfalls durch diesen Punkt bestätigt. (Ratzel, Anthrop. geogr. II,
S. 477.) Denn mehrere Jahrhunderte hindurch ist die Geschichte
Karthagos nicht allein die Tunesiens, sondern auch die ganz
Nordafrikas. Das Schicksal Tunesiens und mit ihm des ganzen
Atlasgebietes wurde fast immer in den £benen am Golf von
^) Trotz großer SchwierigkeiteD, welche die Anlage einer Stadt hier
fand; die größte war der Mangel an Trinkwasser in der Nähe des Golfei.
So verschaffte sich Karthago Trinkwasser vom Zaghuan durch eine über
100 km lange Wasserleitung, die heute noch im Betrieb ist und Tunis ver-
sorgt. — Nachdem die Römer Karthago neu aufgebaut hatten, wurde es
sofort wieder Provinaialhauptstadt und bald wieder die drittvolkreichste Stadt
im 3. und 4. Jahrhundert. (Kiepert S. 217.) Es beherrschte dann lange Zeit
als .Brückenstadt für den Verkehr" (Ratzel, Kleine Schriften S. 451) den
gesamten Handel im Mittelmeer, behauptete sich sogar neben Alexandria.
') Jetzt hat Tunis mit den transsaharischeu Gebieten keinen Handel
mehr, wie schon auf dem Geographenkongreß 1875 festgestellt wurde (Th.Fiscber,
Mittelmeerbilder S. 298).
2
— 18 -
Tunis, um Karthago entschieden. ,,Der Besitz Karthagos, damit
der Besitz der Medscherdamündung und des Golfes bedeutet
den von Tunesien." (Th. Fischer, Mittelmeerbilder S. 288.)
Ständig lag hier am Golf von Tunis ein wichtiger Handels-
platz und Yerkehrspunkt , zugleich auch die Hauptstadt des
Landes und „zugleich das einzige politische Zentrum, welches
Nordafrika jemals besaß'*. (Tissot I, 2.)^)
Nach diesem von Natur so beg&nstigten Punkte, der das
Attraktionszentrum für das ganze Land bildet und dessen Ge-
schichte mit der des ganzen Gebietes identisch ist, können wir
mit Recht das Land kurz als „Tunesien" bezeichnen.
Der geschichtliche Überblick läßt klar die Selbständigkeit
der Geschicke unseres Gebietes hervortreten. Wir zogen obeu
den Schluß, daß dann Tunesien auch in seiner Oberflächengestalt
höchstwahrscheinlich ein Sonderwesen darstelle, welches sich von
seiner Umgebung gut abhebt und abtrennt. Betrachten wir
daraufhin einmal etwas näher die Grenzen unseres Gebietes,
wie sie uns seine Geschichte und ein allgemeiner Blick auf das
Land darbieten, insbesonders insofern die geschichtlichen Grenzen
bodenplastisch bedingt sind und ein nach seiner Bodenplastik
in sich geschlossenes und von seiner Umgebung wohl geschie-
denes Einzelwesen einschließen.
Tunesien ist nach drei Seiten hin natürlich scharf begrenzt.
Nach N und nach E durch das Meer. Nach Süden zu bildet
die tiefe Einsenkung der Schotts eine natürliche Grenze gegen
die Wüste, mit welcher nur zwei enge Landbrücken eine Ver-
bindung herstellen. Man kann Tunesien demnach als eine große
Halbinsel mit etwas breiter Basis ansehen (= „kontinentales
Extrem von Halbinsel", Supan S. 669). Die Abgrenzung dieser
Halbinsel an ihrer Basis scheint nun eine ziemlich willkürliche
zu sein. Denn die Westgrenze der heutigen R^gence de la
Tunisie verläuft von der Nordküste in ungefährer N-Südrichtung
quer über Täler und Gebirgsketten hinweg zu der Schottregion.
Diesen Verlauf hatte die Grenze durch Jahrhunderte hindurch
>) Nor zur Zeit, als die Araber, ein festländisches Volk, eben Tunis
erobert hatten, .noch meerscheu und den Griechen zur See nicht gewachsen
waren*, bildete Kairnan im Innern des Landes die Hauptstadt (Kiepert S. 217).
In der neuesten Zeit gewinnt Bizerta als moderner Hafen immer mehr an
Bedeutung und wird Tunis vielleicht einmal überflügeln.
— 19 —
mit geringen Veränderungen innegehabt, wie uns der geschicht-
liche Überblick zeigte. — Denn das erste Staatswesen, welches
hier bestand, das karthagische, umfaßte anfangs nur den schmalen
fruchtbaren Saum der Ostküste, dehnte sich aber bald mit zu-
nehmender Macht von den einzelnen Buchten die in sie münden-
den Flüsse entlang in das Innere des Landes aus. Man be-
mächtigte sich vor allem der fruchtbaren Ebenen am unteren
und mittleren Medjerda (der Dakhlaebene) bis in die Gegend
von Ghardimaou; dann der Ebene am Tuscafluß, weil hier die
kürzeste und beste Verbindung des mittleren Medjerdatales mit
dem Meere ausmündet. ^)
Von der Sebkhraregion (südl. von Tunis) aus bemächtigte
man sich naturnotwendigerweise, indem man auch an den Flüssen
aufwärts vordrang, der (früher) fruchtbaren Ebene um Kasserin
und Feriana und damit des wichtigen Verkehrsweges von Kairuan
nach Tebessa ; weiter dann des Hochlandes von Thala und Eef ,
welches die Verbindung des Medjerdatales mit dem Süden ver-
mittelte. Vor allem wird man aber getrachtet haben, die Um-
gebung von Gafsa in Besitz zu bekommen, weil Gafsa als ein-
ziger Durchgangspunkt durch die südlichen Bergketten nach
der Schottregion das Eingangstor war, durch welches die meisten
Sudankarawanen zogen. Volks wir tschaftliche^ in der Bodenplastik
begründete Faktoren waren es also, welche die Entwicklung und
Ausdehnung der Staaten hier bedingten. Alle die genannten
Einzelgebiete sind durch enge Beziehungen innig miteinander
verbunden. Zahlreiche Täler vermitteln den Übergang und
den Verkehr von einem Gebiete ins andere, auch die dazwischen
liegenden Bergketten bilden, weil alle von geringer Länge,
keine große trennende Schranke. Keine von diesen Landschaften
zeichnet sich aber vor den anderen durch besonders günstige
Lage, Größe oder eigene starke Hilfsmittel aus, daß sie über
die übrigen ein Übergewicht erlangen könnte, sondern alle sind
ziemlich gleichwertig und auf einander angewiesen zur gegeu-
seitigen Ergänzung. — Daß gerade diese Gebiete, die Ebene
um den mittleren Medjerda, das Hochland von Kef und Thala,
^j Der Hauptverkehrsweg von Karthago nach Üippo-Regius führt«
über Bulla und Tabarka. Daß eigentümlicherweise der Landweg hier befor-
zugt wurde, erklärt sich daraus, daß man den Seeweg um die nördlichen
Kapa wegen häuüger Stürme fürchtete.
2*
— 20 —
die Ebenen am Hatob und um Gafsa, sich zu einem politischen
Wesen zusammenschließen, liegt in einer allen gemeinsamen
Eigenschaft, die sie miteinander vereinigt, begründet. Alle
gravitieren nach der Ostküste ; es ist dies auch äußerlich schon
ausgedrückt durch den Aufbau des Landes; Flüsse und Berg-
züge streben meist in NO-Richtung der Ostküste zu, und mit
ihnen alle Verkehrswege.^) Indem der östliche Küstensaum die
einzelnen Täler, an welche die fruchtbaren Ebenen, der Reich-
tum der Einzelgebiete, und die Haupt- Verkehrswege gebunden
sind, vereinigt, wird er der Kern der politischen Macht Tune-
siens und sein durch guten Hafen und Lage ausgezeichnetster
Punkt, der Golf von Tunis, das natürliche Zentrum des Ganzen.
Durch den Aufbau des Landes wird hier ein Schwerpunkt ge-
schaffen, um den sich alles zentralisiert und der auf das ganze
Land einen beherrschenden Einfluß ausübt. Dieser Punkt ver-
einigt erst alle Einzelglieder zu einem geschlossenen Ganzen,
wie der Schlußstein in einem Gewölbe, dem alle Gewölbeab-
teilungen zustreben, und der alle zusammenhält. — Von diesem
zentralisierenden Punkte ist auch die Eroberung des Gebietes,
wie erwähnt, ausgegangen. Und zwar mußte man, um eine
politische Einheit zu bekommen, naturnotwendigerweise alle
jene Punkte zusammenfassen, welche unter dem alle ver-
einigenden Einfluß der Ostküste stehen. Es würden dies alle
Punkte sein, welche noch nicht 200 km Meerferne hätten.
Tunesien wäre demnach als die Einflußsphäre der
Ostküste, genauer als diejenige des wichtigsten
Punktes der Küste, des Golfes von Tunis, zu be-
zeichnen. Der Überblick über die Geschichte zeigt dies ja
auch deutlich genug in dem ständischen Hervortreten dieses
einen Punktes. Die politische Grenze des Landes hätte nach
diesen Gesichtspunkten zu verlaufen. — Es treten auch einige
Grenzpunkte in dieser Hinsicht natürlich scharf hervor. In N. ist
es zuerst die Ebene am Tuscafluß. *) Hier gelangen die Verkehrs-
wege aus dem Medjerdatal ans Meer (s. oben S. 12). Einen
zweiten guten Grenzpunkt gibt Ghardimaou. Denn westlich
^) Die Höhenschichtenkarte läßt diese Beziehungen deutlich erkennen.
*) Der Tuscafluß (heute Wed Kebir) ist immer als eine der politischen
Grenien Nordafrikas betrachtet worden und hat (wie die Ifulucha und Amb-
Baga) alle Umwälzungen in N.-Afrika überstanden. (Tissot II, 47.)
— 21 —
von diesem Flecken bilden unwirtliche, dicht bewachsene hohe
Bergketten, durch die sich in einem engen, fast unpassierbaren
Tale der Medjerda windet, eine natürliche Grenze mit Algerien.
Von Ohardimaou an, wo der Medjerda aus seinem engen Tale
heraustritt, durchfließt er bis zum Meere in NO-Richtung ver-
schiedene breite, fruchtbare Talebenen, die längst des Flusses
eine gute und leichte Verbindung mit der Ostkfiste besitzen.
Weiter im Süden ist dann die Niederung am Hatob in die Grenze
einzuschließen, da auch sie, wie schon die Flußrichtung an-
deutet, ihre offene Seite nach NO wendet und noch in der
Einflußsphäre der Ostküste liegt. Dazu schließt sie nach Westen
zu der dichtbewaldete, entvölkerte Dj. Zebissa wirksam ab.
Wenn wir diese vier gut hervortretenden Punkte, bis zu denen
jedes Staatswesen in Tunesien versuchen mußte, seine Macht
auszudehnen, durch eine Linie verbinden, so bekommt diese
eine annähernd NS-Richtung, und zwar ungefähr den Lauf,
den die politische Grenze unseres Gebietes durch Jahrhunderte
hindurch bis heute ziemlich beibehalten hat^) Es waren also,
wie wir schon aus der Dauer der Grenze geschlossen, boden-
plastische Gründe, welche die Abgrenzung des politischen Sonder-
wesens, das hier immer bestanden, verursachten, und es verläuft
die Grenze nicht, wie viele annehmen, ohne große natürliche
Gesichtspunkte. Toutain sagt sehr richtig (S. 24) : La limite
n'est pas une ligne saus largeur trac^e sur la carte; c'est la
bände de territoire, au seuil de laquelle s'arretent les voies de
Penetration naturelles qui viennent de la cöte Orientale, et ä
Touest de laquelle les relations et les grandes routes se diiigent
non plus de Test k Tonest mais du Nord au Sud. Das bildet
den leitenden Gesichtspunkt für den Verlauf der Grenze. Auch
äußerlich wird der innere Zusammenhang dieser Abgi*enzung
mit der Ostküste ausgedrückt durch den deutlichen Parallelismus,
der zwischen beiden besteht.
Vergleichen wir nunmehr einmal die beiden „Staaten** zu
beiden Seiten dieser Grenze nach den allgemeinen Grundzügen
ihrer Oberflächengestalt, um zu sehen, wie weit diese ihre
historische Grenze boden plastisch bedingt ist und zur Abgrenzung
eines Gebietes, wie es unserer Arbeit entspricht, dienen kann.
^) Grenze ist hier natürlich mehr als ein „Band" wie eine .Linie* zu nehmen.
— 22 —
Der erste Unterschied zwischen den beiden Ländern, den
wir fanden, war verkehrsgeographischer Art. In Tunesien
herrscht WE (NE) -Verkehr vor mit Bevorzugung eines Punktes,
des Golfes von Tunis. In Algerien überwiegt NS-Verkehr. Es
tritt dies schon deutlich bei Tebessa hervor, dessen Verkehrs-
beziehungen sich tiberwiegend nach Nord zur Küste richten.')
Alle Verkehrsstraßen (NS) laufen außerdem mehr oder weniger
parallel, so daß in Algerien nicht wie in Tunesien ein Punkt
durch besonders günstige Verkehrsverhältnisse ausgezeichnet
wird. Dazu findet sich in Algerien nur selten Querverbindung
zwischen den einzelnen Hauptstraßen des Verkehrs, aber häufig
in Tunesien. Diese verschiedenen Verkehrsverhältnisse liegen
begründet in der verschiedenen Oberflächenbeschaffenheit der
beiden Länder, wovon uns ein flüchtiger Blick auf eine Karte
überzeugen kann. In Algerien sehen wir geschlossene, verkehrs-
feindliche Bergzüge von bedeutender Höhe (WE-Richtung) und
zwischen den einzelnen Ketten ringsumschlossene Hochebenen. So
ist Algerien durch Bergketten nicht allein als Ganzes vom Meere
abgeschlossen, sondern auch seine einzelnen Becken unter sich.
Verbindung gewähren nur enge, schwer passierbare Quertäler.
In Tunesien dagegen finden wir fächerförmig auseinander-
laufende, in einzelne Stücke zerlegte Ketten, die zwischen sich
breiten, für Volkswirtschaft und Verkehr geeigneten Längstälern
Raum geben und zugleich auch leichte Querverbindung zwischen
den einzelnen Tälern zulassen. Dazu sind die Höhen der Berg-
ketten nur mäßige, der Charakter eines Berg- und Hügellandes
überwiegt. Geschlossene, schwer zugängliche Hochbecken wie
in Algerien finden sich nicht.
Durch diese großen Merkmale, die Tunesien scharf von
Algerien sondern, wird es zu einem selbständigen Länderindivi-
duum niederer Ordnung in der größeren Einheit des Atlasgebietes.
Es umfaßt, wie aus obigem hervorgeht, das Gebiet, in dem ein
gewisses Auseinandertreten der Falten des Atlas eintritt, zu-
gleich auch merkbare Höhenabnahme stattfindet. Wir können
') Toutain 18 : Les voies qni relaient Theveste ä Hipporegins, ä Cirta
et ... . formaient un r^seau rontier tout k fait distinct par son bistoire
comme par son developpement g^ographiqae du reseaa roatier, dont rorigine
86 trouyait aar la cote Orientale de TAfrica ä Carthage, ä Hadrum^te, k
Thacape. — Vgl. dazu aach die Amnerkang an! 8. 23 : Schalten . . .
— 23 —
also ToDesieii bodenplastisch als das östliche Abdachangsgebiet
des Atlas bezeichnen. ^) Danach ist Tunesien das Endland zn
Kleinafrika. (Penck.)
In seiner Geschichte hatten wir Tunesien als die Einfluß-
sphäre der Ostküste kennen gelernt. Wenn wir nun nach den
bodenplastischen Grundzügen Tunesien als das Endland zu
Kleinafrika bezeichnen müssen, so haben wir damit ein und
dasselbe Gebiet vor uns. Der Einfluß der Ostküste reicht eben
merkbar bis dahin, wo ein gewisses Auseinandertreten der Falten
eintritt und somit ausgesprochener WO-Verkehr möglich wird.
Es fällt also die historische Grenze im großen ganzen mit der
Abgrenzung des Gebietes nach bodenplastischen Faktoren zu-
sammen. Verfolgen wir sie einmal genauer.
Im Norden ist die Ebene am Tuscaflusse von jeher ein
Grenzgebiet zwischen Tunesien und Algerien gewesen (s.S. 11).
Wir rechnen sie Tunesien zu und begrenzen sie durch die
westlich liegenden Bergzüge, von denen besonders der NS ver-
laufende Dj. Haddeda „Grenzberg^ eine gute Grenze bildet.
Als Ausgangspunkt an der Nordküste nehmen wir das Kap
Roux, welches auch Reclus als allgemeine Grenze zwischen
Tunesien und Algerien betrachtet „infolge seiner Abdachung
und Ruinenbefestigung. ^) Vom Kap Roux ziehen wir die Grenze
in annähernd Südrichtung über den Dj. Haddeda auf der Wasser-
scheide entlang zu dem Gebirgsknotenpunkt Dj. Bir, von ihm
aus der Wasserscheide zwischen Medjerda und Kebir (in Algerien)
folgend über die SW— NE streichenden Gipfel des Argoub es
Senoussa, Gloub, Rorra, Oum el Diss, Guelaa, Guern Rzal bis
zu dem Punkt, wo der Medjerda oberhalb Ghardimaou in die
Ebene tritt.') Von hier an ist der Verlauf der Grenze an
^) Genau dieselben Verbältnisse finden sieb in den Ostalpen wieder.
Auch bier Auseinandertreten der einzelnen Falten nnd Höhenabnahme, und
der Karthago-Tunis entsprechende Sammelpunkt: Wien.
*) Kiepert nimmt auf den Karten der Bömerzeit auch schon dies Kap
als Grenze an, gibt aber keine Begründung dafür.
') Schulten : Aus dem römischen Afrika. Allg. Z. Beil. 67, S. 5.
„Diese Bergzttge sind wohl seit der römischen Kaiserzeit als Grenze
betrachtet. Denn jenseits der hohen Berge, die der Medjerda (Bagradas
bei Grardimaou, der heutigen Grenzstation, durchbricht, gravitieren die
Städte nach Cirta bin.'' Was die Schreibweise der Namen anbetrifft, richtete
sich Verfasser meist nach der Karte 1 : 800000.
-^ 24 —
manchen Stellen willkfirlich, nur durch einige Bergmassive wie
Dj. el Melah, Ledjebel, Harraba und mehr im Süden Dj. Zebissa
(vgl. Th. F. Mittelmeerbilder S. 307) vorgezeichnet. Diese ent-
völkerten Massive bilden durch ihr rauhes Klima und verhältnis-
mäßig dichte Waldbedeckung im Verein mit ihrem Relief eine
recht wirksame Abtrennung. Eine Überall scharfe Grenze läßt
sich aber hier nicht ziehen, weil auf dieser Strecke die beiden
Länder aufs innigste miteinander verbunden sind durch den Med-
jerda und seine Nebenflüsse. Hier haben beide die gemeinsame
Pforte, durch welche der Verkehr und die Kämpfe der Völker
stattfanden. Das vom Ksob und seinen Zuflüssen durchschluchtete
Gebiet rechnen wir — der Abdachungsrichtung gemäß — noch
zu Tunesien, so daß die Berge Quenza, Kradra, Hout el Kebir,
Dj. Dyr, Fed ez Rezaim den Grenzwall bilden. Nach Tebessa
zu bildet der gewaltige Engpaß Kranguet Muahad von nahezu
1000 m Höhe eine scharfe Grenze ; ^) weiterhin dann die tief
eingeschnittenen Täler des Safsaf-Ksob und die des Frid-Allenda,
dazwischen die Bergkette vom Dj. Serraguia (der südliche, westlich
von Feriana liegt der nördliche Dj. Serraguia) bis Dj. Fedj
Nahala.
Alle diese Punkte sind meistens natürliche, wirksame
Schranken, und so benutzt sie auch die politische Grenze.
Zwischen diesen Grenzpunkten aber verläuft die Grenze ziemlich
willkürlich, weil, wie schon erwähnt, gerade hier die Länder
eng verbunden sind, indem Bergketten aus Algerien nach Tunesien
herüberstreichen oder Flußläufe hinübergreifen. Es trennt jedoch
die Verbindungslinie dieser Grenzpunkte, die mit der politischen
Grenzlinie ungefähr zusammenfällt, offensichtlich ein Gebiet,
das nach Osten gravitiert und aufgelöste Bergketten zeigt, von
einem nach Norden gravitierenden Gebiet mit geschlossenen
Bergzügen. ^) Im Süden bilden die Schotts die Grenze. Die
beiden Landbrücken im Schottgebiet, die Tunesien mit der
Wüstentafel verbinden, haben beide als natürliche Abtrennung
eine nur wenig über 50 m liegende Einsattelung : diejenige von
el Hamma nach Degu^che und die von Oudref nordwestlich
von Gabes.
*) Th. F. S. 307, Mittelmeerbilder.
*) Ein Gebiet gleichsinniger und nogleichsinniger Abdachung. V. d. D.
G.-Tagee 1891. S. 29. Penck.
— 26 —
Die unendliche Mannigfaltigkeit der Oberflächenformen des
festen Landes ist nicht auf einmal und auf immer dieselbe Art
entstanden, sondern von einer Reihe von gestaltenden Faktoren
abhängig. Diese Faktoren beruhen einerseits auf der verschieden-
artigen, stofflichen Zusammensetzung des Bodens, also auf dem
Material, das an die Oberfläche tritt, und andrerseits auf der
Yerschiedenartigkeit der Kräfte, welche an diesem Material an-
greifen und es zu den heutigen Reliefformen ausgestalteten.
Ein Verständnis der Oberflächenformen eines Gebietes und ihr
Zusammenhang ist darum nur auf Grund einer genauen Kenntnis
des geologischen Aufbaues und der Gesteinsbeschatfenheit mög-
lich. Ohne Kenntnis der Natur des Bodens wird man die jewei-
ligen Formen der Oberfläche kaum verstehen und erklären können.
Diese Art der Betrachtung der Oberflächengestalt nach ihren
sie bedingenden Faktoren fällt weitaus in das spezielle Gebiet
des Geologen. Doch wird der Geograph auch das eigentliche
Gebiet des Geologen betreten müssen, wenn es gilt, gleiche oder
ähnliche Formen der Oberfläche zu gliedern.
Wir werden darum hier kurz auf den geologischen Werde-
gang unseres Gebietes eingehen, um die einzelnen Formen der
Plastik in ihrem ursächlichen Zusammenhange besser erkennen
zu können. Dabei wird es uns genügen, die geologische Be-
trachtung unseres Gebietes im allgemeinen nur so weit durch-
zuführen, als sie direkten Bezug nimmt auf die oberste Erd-
schicht, „der eigensten Domäne der Geographie^, (Richthof en,
Aufgaben S. 7) und dazu beiträgt, unser Gebiet als ein selbst-
ständiges Individuum in dem großen Ganzen des Atlas erkennen
zu lassen.
Die folgende Schilderung beruht weitaus auf der guten
Arbeit von Pervinqui^re. Es dürften hier ein paar Worte
über die Entwicklung unsrer Kenntnis vom Tunesien am Platze
sein. Die Schriften über Tunesien vor 1880 bieten recht wenig
gutes Material. Meistens sind es ungenügende Schilderungen
von „flüchtigen Touristenfahrten". Erst die Besitzergreifung des
Landes durch die Franzosen brachte wie auf anderen Gebieten
so auch in wissenschaftlicher Beziehung ihr Gutes ; wissenschaft-
liche Fragen traten mehr in den Vordergrund, so daß schließ-
lich die Regierung die Erforschung ihrer neuen Kolonie in die
Hand nahm und seitdem systematisch durchführt (etwa seit Ende
— 26 —
der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts). Seitdem finden
sich häufiger landeskundliche Darstellungen, meist aber noch
über nur kleinere Gebiete. Ich erwähne nur die Arbeiten von
Aubert, Parran, Rolland, Pomel, Le Mesle, Baltzer und andere.^)
Vorherrschend behandeln diese Schriften geologische Fragen.
So auch Pervinqui^re, der aber schon ein zusammenhängenderes
Gebiet geologisch erläutert und in seinem neuesten Werke:
„Etüde geologique de la Tunisie centrale^ 1900 eine Fülle von
Material für die landeskundliche, insbesondere bodenplastische
Darstellung des Landes liefert, so daß wir hauptsächlich dieses
Werk unsrer Arbeit zugrunde legten.
Die bis vor kurzem noch recht mangelhaften Kenntnisse
von Tunesien sind auch der Grund für die äußerst geringe An-
zahl von Gesamtdarstellungen unseres Gebietes. Die erste und
im großen und ganzen noch heute ziemlich richtige Gesamt-
schilderung entwirft Reclus in seiner „G6opraphie universelle
1886.« - Blankenhom 1888 (Pet. Ergh. XX 1888-89) und
etwas später Rothpletz 1890 versuchen den tektonischen Zu-
sammenhang unsres Gebietes mit dem Atlas klarzulegen. In
dem Werk: „La Tunisie" — Paris 1896 Revue generale . . . .
haben wir „die erste wertvolle Gesamtdarstellung des Landes;
wenn auch nicht eine systematische wissenschaftliche Landes-
kunde von Tunesien, so doch eine Fülle wertvollen Stoffes zu
einer solchen.«*) Ein weiteres vorzügliches Hilfsmittel bietet
dann noch fortgesetzt A. Bernard in seiner Bibliographie des
traveaux sur la geogr. de Y Afr. septenlrionale. ') Die ver-
schiedenen Einzelforschungen zu einer Gesamtdarstellung der
Bodenplastik, soweit es heute schon möglich ist, zusammen-
zufassen, ist Zweck und Ziel der vorliegenden Arbeit.
Die Geologischen Verhältnisse.*)
Geologische Formationen sind in Tunesien vertreten von
der Trias an bis zu den neusten Bildungen. Wir haben hier
also den sedimentären Außengürtel des alten Gebirges, das
1) Baltzer schreibt Doch 1895: Eine Gliederang des Berglandes ist
noch nicht möglich.
«) Th. Fischer. Pet. Mitt. Lit. B. 657.
•) S. geogr. Jahrbuch XXH.
^) Dieser Abschnitt beruht zum größten Teil auf Pervinqui^es gnter Arbeit.
— 27 -
jetzt zum' größten Teil auf dem Grunde des westl. Mittelmeer-
beckens liegt. Alle vorkommenden Formationen haben ziemliche
Ähnlichkeit mit denen in Algerien, zeigen aber bei näherer
Untersuchung kleine unterscheidende Merkmale. Alte Schiefer,
die in Algerien noch häutig auftreten, fehlen in Tunesien gänz-
lich; Eruptivgesteine, ebenfalls häufig in Algerien, meist an
der Küste, finden sich in unserm Gebiet nur auf der Insel
Galite und an einigen Punkten im Innern in geringer Aus-
dehnung. ^)
Die Trias, die älteste Formation,') spielt besonders in
Zentraltunesien und im Süden eine ziemliche Rolle bei Zusammen-
setzung von verschiedenen komplizierten Massiven. (S. 242.) Im
Maktarplateau fehlt Trias ganz. Diese Formation bildet keine
zusammenhängende Gebiete, sondern tritt nur in einzelnen Fetzen
zu Tage, am ausgedehntesten am Dj. Debabid. (S.-W. von Kef.)
Die einzelnen Fetzen sind manchmal wie an einem Bande hinter-
einander gereiht. Deutlich tritt dies z. B. hervor beim Senouber-
Saadine-Debabid. Der Formation gehören äußerst gute Bausteine
an. Auch Marmor findet sich. So wird bei Chemtou im Medjerda^
tal die beste grüne Varietät gebrochen. Auf das Aussehen
der Städte hatte das Vorkommen von gutem Baumaterial natür-
lich seine Wirkung ausgeübt. Karthago soll architektonisch eine
wunderbare Stadt gewesen sein! —
Die Lagerung ist sehr gestört. Es finden sich nirgends
zusammenhängende Schichten auf größere Strecken hin. Wo
immer Trias zu Tage tritt, zeigt sich der mannigfachste Wechsel
in den verschiedenartigsten Schichten, Auch die einzigen
Eruptivgesteine Tunesiens finden sich hier: Ophite z. B. am
Debabid und Saadine (Perv. 328). Meist ist die Formation
bunt zusammengewürfelt aus groben Blöcken und Fragmenten
von zerschnittenen Bänken zwischen bunten Mergeln und Tonen
(Perv. 18). Letztere, ziemlich verbreitet, sind leicht zerstörbar, so
daß große Erosionswirkung herrscht, die durch die starke Ver-
») Parran: B. 8. Geol. Fr. 1890 s. 218: ^Einige Trachyte bUden ver-
längerte Bergnasen, Spitzen (pitons) zwischen Changat ei Tnz und Cap Negro* —
Auch Ophite (mesozoische und noch jüngere Eruptivgesteine) sind meist da,
wo Trias auftritt, hindurchgedrungen.
') Trias, nicht Jura, wie Aubert und andere noch annehmen ist die
Utaete Formation.
— 28 —
lagerang noch verstärkt wird. Fast alle Aufragungen sind
durch die Erosion nivelliert. Die Flüsse haben sich gewaltige
Täler, schon mehr Schluchten, gegraben. So sind besonders
der Melah (S.-W. von Kef) und seine Zuflüsse tief in die
triasischen Tone eingeschnitten. Die Eingeborenen bezeichnen
diese tief eingegrabenen Flttßchen mit djeraouil. (Perv. S. 267.)
Häufig finden sich zwischen den Tonen harte Dolomitkalke. Der
Härtewechsel der verschiedenen Schichten prägt sich dann deutlich
aus, indem die Tone weg erodiert werden, die Kalke aber als steile
Aufragungen zurückbleiben ; auch häufiger Wechsel im Gehänge
wird dadurch verursacht, z. B. bildet am Eoudiat Haifa, der
nur durch einen Dolomitblock gegen Erosion geschützt ist, der
Kalk steile, die Tone sanfte Abhänge, dadurch oft Stufen von
über 5 m Höhe. (Perv. S. 25.)
Die triasischen Mergel (mittl. Trias) sind gips- und salz-
führend (Perv. S. 19). An ihrer Oberfläche bildet sich deshalb oft
eine Ait Kruste oder Rückenschild aus Gipskalk. Diese Kruste,
fast ganz vegetationslos (zumal im Süden infolge der Lufttrocken-
heit, im Norden finden sich spärliche Fichten- und Wachholder-
gesträuche), bedingt eine dem mediterranen Gebiet ganz eigen-
tümliche Landschaftsform. Auf die Entstehung dieser Kruste
werden wir später zurückkommen.
Die tunesische Trias unterscheidet sich von der algerischen
nur durch das Fehlen von Quarzkristallen (Perv. S. 18). Völlig
verschieden ist die tunesische Trias, da bei ihr lakustre und
marine Ablagerungen wechseln, von der nur marinen Trias in
Sizilien und Kalabrien. Um so mehr Analogien zeigt sie aber mit
der Trias in Mittelitalien (Perv. S. 25).
Jura, aus Lias und oberem Jura bestehend, tritt im Norden
(NO) Tunesiens und im äußersten Süden auf. In Zentraltunesien
hat ihn Pervinqui^re nicht beobachtet. Man findet Jura meist
längs einer Verwerfung, und zwar inselartig, so daß er eine
Reihe von isolierten Punkten (Horste) bildet. Die bandartige
Anordnung dieser Juragipfel tritt scharf hervor ; sie finden sich
z. B. längs einer Verwerfung vom Dj. Fkirin bis bou Kournin
erst in NE-, dann mehr Nordrichtung.
Der Lias zeigt fast keine Schichtung ; er kommt zuweilen
in Bänken von über 100 m Dicke vor. Er ist schwer zu falten
und neigt deshalb zu Bruchbildung. Meist bildet er ein ge-
— 29 —
schlossenes Profil und starre, wilde Formen, bald ausgedehnte
pittoreske Kämme, bald steile Zacken, ähnlich \?ie in den Ealk-
alpen (Pery. Bild VIII S. 255). Ein gutes Beispiel dieser wil-
den Schönheit des Jura ist der viel besuchte und bewunderte
Zaghuan südwestlich von Tunis (Bild V S. 253).
Der Jura in Tunesien hat große Ähnlichkeit mit dem alge-
rischen, auch mit dem italienischen im Zentralapennin. Den
tithonischen Kalk von Capri kann man mit dem vom Dj. Re^as
und Zaghuan vergleichen (Haug S. 367).^)
Die Kreideformation ist vertreten durch Neokom, Aptien,
Albien, Cenoman, Turon und Senon. Sie ist weit verbreitet und
setzt einen großen Teil der Oberfläche zusammen. Aptien z. B.
bildet das Gerippe der meisten großen Gebirgsketten Zentral-
tunesiens. Wahrscheinlich war ganz Tunesien während der
Kreidezeit fiberflutet. Ein Aufeinanderfolgen der einzelnen
Kreideschollen in NO - Richtung läßt sich häufig erkennen , so
bei der Kreideantiklinale Dj. Goubeul-Serraguia-Safsaf.
Die Kreidekalke finden sich in starker Entwicklung, oft
300— 400m mächtig; am Serdj der Aptien z. B. 500m stark.
Es ist ein ziemlich widerstandsfähiges Gestein und nimmt häufig
ein hartes, dolomitähnliches Gebilde an. Da die Kreidekalke
nicht zur Faltung neigen (besonders Aptien), fiberwiegt Bruch-
bildung (P. Ann. 438), ähnlich wie bei den Jurakalken.
Mergel und Kalkschichten wechseln fast regelmäßig mit-
einander ab. Die Mergel sind leicht zerstörbar. Deshalb treten
auch in der Kreide wie in der Trias durch das rinnende Ge-
wässer tief eingegrabene Erosionsschluchten auf (s. S. 28), die
das Gelände äußerst unwegsam und schwierig machen, so beson-
ders in der Gegend Rebaa Siliana und um Jama. Am Siliana,
auch am Foum el Guelta^) (P. 65) sind die Mergel bis 100 m
^) Was auf der geologischen Karte von Anbert 1 : 800000 als Jnra
bezeichnet ist, ist meistens Trias. Jura hielt man bis vor kurzem fttr das
älteste Gestein in Tunesien; auch Haug noch, s. S. 367. Überhaupt ist Tune-
sien geologisch noch nicht yöllig erforscht, so daß wir uns auch aus diesem
Grunde mit einer allgemeinen Übersicht begnügen müssen.
') Der Foum el Guelta wird dadurch zum einzigen Übergang über
das Mhrila massiv ; er ist auf Kosten des Cenomanm ergeis gebildet. (Cah. da
Serv. gfeogr. N. 16.)
— 30 —
tief eingeschnitten, nnd kleine Gewässer ^) haben sich oft außer-
ordentlich breite und tiefe Betten ausgewaschen.
Die Ereidekalke sind oft steil emporgerichtet und dann
herauspräpariert, da sie in der Regel mit leicht zerstörbaren
Mergelschichten abwechseln. Dadurch entsteht manchmal eine
Reihe von Barren, wobei zuweilen diese Barren bis 20 m hoch
wie eine Mauer auftreten. Der Eingeborene bezeichnet eine
solche Mauer mit „siouf^, wo mehrere zusammenkommen als
„srasif* (bei Perv. S. 12 u. 75). Beispiele von solchen Gebilden
finden sich am Cherichira (S. 249) und Foum el Guelta (S. 243).
Mannigfache Formen nehmen auch die Gehänge an durch
den Wechsel von Mergel- und Kalkschichten. Auf steile, senk-
rechte Stufen, bald groß (so am Dj. Serdj 15 m hoch), bald
klein, folgen sanfte Mergelabhänge. — Infolge des Wechsels
von harten und weichen Schichten sind auch karähnliche Tal-
buchten ^) (cirque) häufig zu finden. Meistens bilden, zumal im
Süden, die härteren Turonkalke die erhöhten Ränder. Die
Hohlform aber ist auf Kosten der weicheren (Cenoman) Mergel-
schichten geschaffen. (Ann. 1900 Perv. S. 438.)
Im Senon tritt hie und da auch „Dolmen" bildung auf.
Es sind diese „Dolmen''^) Erosionserzeugnisse, dadurch
entstanden, daß eine widerstandsfähigere Deckplatte die darunter
liegenden Steine gegen Erosion schlitzte. Die meisten dieser
Gebilde sind aber wohl ein Werk von Menschenhänden, so z. B.
im Gebiete Enfida. (Vgl. Rouire: Sur les Dolmens de TEnfida.)
Oft sind die Kalkbänke gehoben und bilden dann Koudiats
oder Kefs. (S. 96.) Koudiat ist meist eine isolierte sanfte Pyra-
mide, oben mit einer Kalkplatte (vorwiegend weiße Senonkalk-
bänke ; Koudiats kommen aber auch im Eocän vor.) Der obere
Teil eines Koudiats ist zuweilen ein Kef = felsiger Zacken.
(Koudiat el Haifa, der „Zuckerhut", gibt ein gutes Beispiel.) Am
Dj. Fkirin findet sich eine Doppelreihe von diesen weißen Hügeln,
den „Koudiats". Für die mittlere und obere Kreide sind noch
') So hat der Sabonn, ein Wässerlein bei Maktar, ein Tal 1 km breit
und 60 m tief sich geschaffen.
'^) Penck: Morphologie der Erdoberfläche 1894 S. 118 nennt sie
.zirkusförmige Talschlüsse ".
') „Dolmen* nennt man sonst megalithische Qräber. Hier ist der
Ansdrack anf Erosionsgebilde übertragen, die ähnlichen Eindrack hervorrufen.
— 31 —
eine typische Form die regoubats (Argoub, Ergonb), niedrige,
runde Hügel mit weichen Formen. Meist aus Kreide bestehen
femer die T. ganz besonders eigentümlichen Dome. Auf ihre
Entstehung werden wir später eingehen.
Es findet sich auch PlateaubilduDg. Plateaus sind z. B. die
sogenannten „Hamaden'^ = steinige Kieswüsten, die (nach Zittel)
entstanden sind durch Absprengung von kleinen Platten (Des-
quamation), wo intensive Insolation und Ausstrahlung herrscht.
Tertiäre Ablagerungen sind in unserem Gebiete sehr ver-
breitet, besonders Eocän und Pliocän. Oligocän und Miocän
haben geringe Ausdehnung. Eocän findet sich namentlich in
der Kroumirei (Caudray 19) und iii Zentraltunesien, auch in der
Kette von Tamerza (Hang S. 368). ^) Eine zonale, bandartige
Anordnung ist bei Eocän und Pliocän deutlich zu sehen. In
Nord- und Zentral-Tunesien haben die Eocänbänder ausgeprägte
NE-Richtung; dazwischen liegt das Pliocän.
Im unteren Eocän ist weißer, biegsamer Kalk ohne Nu-
muliten häufig. Deshalb tritt Fältelung auf, doch auch Plateau-
bildung. Man findet ebenfalls Koudiats oder Kroumats,^) die
ähnlich den weißen Hügeln aus Senonkalk gestaltet sind. (Perv.
Ann. S. 439.) Der Numulitenkalkstein des unteren Eocän ist
weit verbreitet ; fast zweidrittel von Zentraltunesien besteht aus
ihm. Er findet sich meist in Synklinalen, bildet aber durchweg
jetzt die Gipfel der Berge infolge Umkehr des Reliefs durch
Erosion. (B. et Ficbeur 434.) Der Numulitenkalk bietet starre
Formen, läßt sich schwer falten, zeigt deshalb ebenfalls häufig
Bruchbildung und steile Abstürze, letztere oft über 50 m hoch,
wie am Kalaat es Snam. (Perv. S. 146.) Am Ousselat^) finden
sich beide Arten von Kalkstein des unteren Eocän; der hier-
durch bedingte verschiedenartige Anblick der Nord- und Süd-
hälfte dieses Berges ist überraschend. Im Norden, wo der bieg-
same Kalk sich findet, herrscht Faltung, im Süden, wo Numu-
^) Es ist also zwischen der Nordzone, der Kroumirei and ihren Nach-
bargebieten (Sand and Namal.-Mergel des Eocän), and der Zentralzone (Jara
and Kreide), wie Caadray annimmt, diese scharfe Trennung nicht vorhanden.
(Caudray S. 19.)
'^) Kroumats sind niedrige, gerundete Hügel, («mamelon").
*) Westlich von Kairuan.
— 32 —
litenkalk, dagegen Bruchbildnng vor. (Ähnliche Verhältnisse
an der „Mauer* el Guerria vgl. Perv. S. 266.)
Die typische Form, in der der Nuroulitenkalk meistens
auftritt, sind die Kalaats. E^ sind dies Hochplateaus, die ringsum
von steilen Wänden begrenzt sind. Eines der besten Beispiele
ist die Kalaat es Snam westlich von Thala.
Im oberen Eocän wechselt wiederum Ton (Mergel) mit
kalkigen Sandsteinen ab. Deshalb finden wir hier wieder „siouf^
Bildung (S. 249, 215. 204).»)
Miocän kommt wenig vor. Es ist leicht erodierbar und
bildet deshalb höchstens kleine, runde HttgeL Häufig ist die
ganze Oberfläche, wo es zutage tritt, mit einem Kalkschild aus
Travertin bedeckt. Früher, geologisch gesprochen, war Miocän
viel weiter verbreitet. Das Miocänmeer bedeckte wahrschein-
lich ganz Tunesien mit Ausnahme des äußersten Südens, welcher
seit der Senonzeit Festland geblieben ist. Infolge der leichten
Erodierbarkeit ist das Miocän heute bis auf geringe Fetzen
abgetragen worden. Überhaupt ist das ganze Ende der Tertiär-
periode durch eine gewaltige Verwitterung und durch starke
Erosion durch das rinnende Wasser gekennzeichnet. Eine Menge
Denudationsprodukte sind damals geschaffen worden. So be-
steht das ganze Pliocän fast nur aus Trümmergesteinen. Meist
bildet es am Fuße der Berge gewaltige Schutthalden, z. B. am
Serdj (Perv. Ann. 1900, S. 440), Slata und Bargou. (Dejektions-
kegel.) Oft sind es weite flache Anhäufungen von Kieseln, Sand
und Ton, oft aber auch völlig wüste Hügel aus SteingeröUen.
Die ursprünglich eben abgelagerte Fläche dieser Denudations-
produkte ist häufig wieder durch Erosion in eine Menge von
isolierten Hügeln, sogenannten „gours^ zerlegt, deren Gipfel fast
alle gleich hoch sind. In Zentraltunesien besteht das Pliocän
meist aus solchen Trttmmergesteinen. Im Süden ist es dagegen
fluvio-mariner Entstehung.
Im Pliocängebiet ist mehr die Form von Faltenzügen
vorherrschend, im Miocän dagegen mehr die der Ebene. Es
') Dem häufigen Vorkommen des oberen Eocänmergel verdankte
Tunesien seinen Reichtum. Denn da dieser Mergel phosphathaltig ist, gab
er einen äußerst fruchtbaren Boden. Der Eocänmergel war es, der Tunesien
sur Kornkammer Roms machte.
— 33 —
hat dies vielleicht seinen Grund in der größeren Faltungsfähig-
keit des Pliocän. ') Das ist aber noch zu beweisen.
Das Pleistocän: Alluvium und Eluvium,') die jüngsten
Ablagerungen, sind gleichmäßig ausgebildet in den heutigen
hydrographischen Abteilungen. (Bernard et Ficheur S. 223.)
Pleistocän kommt fast nur in Mulden vor. Es ist besonders
im Osten weit verbreitet, wo es dreiviertel der Ebenen bildet.
(Caudray.) Im Norden, in der Medjerda- und Dakhla - Ebene,
ist es mehr tonig-quarzig (fruchtbar), im Süden von Kaiman
bis Gabes mehr sandig und wenig fruchtbar. An der Küste
linden sich meist marine Kalke. Auch bei diesen Gesteinen
tritt die festländisch gebildete, travertinartige, völlig unfrucht-
bare Kruste auf. Wo Pleistozän überwiegt, ist die Form der
Ebene vorherrschend.
Geologisch ist also Tunesien ein junges Land. Sein Boden
ist überwiegend aus Gesteinen jugendlichen Alters gebildet.
Von den mesozoischen Gesteinen tritt nur die Kreide in größerer
Ausdehnung auf, meist in der Form von massigen Kalken, Tief-
seekalken, wie im ganzen Mittelmeer. Die Grundform in der
geologischen Zusammensetzung des Landes bildet nächst den
quartären Gesteinen das Tertiär. Es wechseln, wie wir gesehen,
harte Kalke mit weichen Mergeln. Da an letzteren Tunesien
besonders reich ist, findet eine rasch vor sich gehende Abtragung
und ein Herausbilden von einem mannigfaltigen, abwechslungs-
reichen Relief statt. Durch die starke Abtragung wird sogar
häufig, ähnlich wie in Italien, die Lage der Siedelungen bedingt.
Sie schließen sich nicht, wie in Mitteleuropa, den Flüssen und
Tälern an, denn diese sind meist von Geröll und Schlammassen
erfüllt, welche die den größten Teil des Jahres überhaupt nicht
fließenden, manchmal aber infolge heftiger Regengüsse im Ge-
birge plötzlich anschwellenden Flüsse ablagern. Ebenso ver-
meiden die Siedelungen die durch den Wechsel von harten und
weichen Schichten meist sehr beweglichen Talgehänge. Deshalb
») Pet. Mitt. Bd. 36, 1890, S. 194: ,Im Miocänland zeigt der große
Atlas niedrigere Ketten und Ebenen treten hervor. Die höchsten Berge und
die gedrängtesten Ketten finden sich im Pliocänfestland.*'
') Eluvialregionen finden sich besonders häufig in Algerien. In Tu-
nesien eigentlich nur an den Sebkas. Nach Supan, Grundzüge S. 528, mttssen
allerdings auch die Hammadas dazu gerechnet werden.
3
— 34 —
findet man die Ortschaften Überwiegend hoch oben auf den
vorherrschend aus festen, wagrechten Kalkplatten bestehenden
Bergrficken, Adlernestern gleich, angelegt. Man betrachte nur
die wunderbare Kalaat es Snam , die eine der stärksten natür-
lichen Festungen darstellt und auch ständig als Zufluchtsort
gedient hat. Es liegen hier ähnliche Verhältnisse wie in Italien
vor. Man vergleiche Th. Fischer: Mittelmeerbilder S. 162.
Wenn Tunesien im einzelnen gewisse Ähnlichkeiten in dem
Material, aus dem es sich zusammensetzt, mit seinem Nachbar-
lande Algerien zeigt, trennt es sich im großen und ganzen doch
hinreichend scharf von ihm auch in geologischer Hinsicht. Algerien
zerfällt von Norden nach Sttden geologisch in (3) verschiedene,
gut voneinander sich abhebende Zonen. Tunesien läßt in ein-
zelnen Zttgen dies Verhalten auch noch etwas erkennen, — der
gemeinsamen Entstehung der beiden Länder entsprechend. Im
allgemeinen bietet aber Tunesien in seiner geologischen Zu-
sammensetzung ein Bild größerer Zerrissenheit und Buntheit
als Algerien, eine Folge der teilweise andersartigen Entstehung.
Geschichte des Aufbaues.
Die Sedimentgesteine von der Trias an, aus denen sich
Tunesien zusammensetzt, haben meist ihre ursprüngliche, hori-
zontale Lagerung nicht behalten, sondern die gebirgsbildende
Kraft der Erdrinde hat aus den verschiedenen Formationen
durch Verschiebung, durch Faltung und Verwerfung ein mehr
oder minder unregelmäßiges Bodenrelief geschafien. Diese Krusten-
bewegungen, welche die heutige Oberflächengestaltung Tunesiens
im Großen gebildet haben, hat unser Gebiet im großen und
ganzen mit dem gesamten Atlaslande und damit auch dessen
orographischen Hauptzüge gemeinsam. Im einzelnen aber zeigt
Tunesien infolge seiner teilweise andersartigen Entstehung eigene
Züge, die ihm den Stempel eines selbständigen Wesens in dem
großen Ganzen aufdrücken.
Wir geben im folgenden in großen Zügen ein allgemeines
Bild der Entstehung und dadurch bedingten Gestaltung des
Atlasgebietes, um dann die wesentlichen Züge der Entwicklung
und heutigen Gestaltung Tunesiens zu schildern, in denen sich
seine Eigenart besonders ausprägt.
- 35 —
Das Atlasgebirge zerfällt in mehrere/) längsgerichtete,
einander ziemlich parallele Ketten, die zwischen sich mehr oder
minder breite Mulden einschließen. Diese typischen Züge eines
Faltenlandes hat das Atlasgebiet nicht mit einem Schlage er-
halten. Sie sind ein Werk von langer Dauer und resultieren
aus wiederholten Bewegungen. Schon seit dem Mesozoikum
fanden in diesem Sti\ck der Erdrinde Krustenbewegungen statt,
doch hat erst die letzte und intensivste, diejenige der Tertiärzeit
(im Eocän und besonders im Miocän), dem Atlas die Grundzüge
seiner heutigen Urographie gegeben. Die faltende Bewegung,
veranlaßt durch Tangentialschub von Norden infolge Nieder-
sinkens der Scholle des westlichen Mittelmeerbeckens, scheint
im Westen des Atlasgebietes ihre größte Intensität gehabt und
nach Osten abgenommen zu haben. Man schließt dies aus dem
verschiedenen Bau des westlichen und östlichen Atlas.
Der westliche Atlas, der marokkanische, ist höher (bis zu
4000 m ) und massiger ; die Gegensätze der Höhenlagen sind
auf engem Raum zusammengerückt. Deshalb nimmt man an,
daß er schneller und kräftiger zusammengerafft worden ist als
der östliche Teil, der algerisch-tunesische Atlas, der nicht so
intensiv gefaltet wurde, indem bei ihm alle Züge des westlichen
Atlas viel gemilderter erscheinen. (Vgl. Fischer, Mittelmeerbilder
S. 159.) Seine Höhe ist beträchtlich geringer; seine Ketten
spannen sich weiter auseinander und die verschiedenen [Klima-
und] Höhenzonen sind breiter angelegt. Auch geologisch trennen
sich beide Teile gut voneinander, indem der marokkanische
Atlas sich ausschließlich aus paläozoischen und mesozoischen
Gesteinen zusammensetzt, der algerisch-tunesische aber nur aus
mesozoischen und jüngeren Gesteinen. (S. Siev.-Hahn S. 551.)
Der algerisch-tunesische Atlas gliedert sich wiederum in
einen, kurz gesagt, durch geschlossenere Bergketten unwegsamen
und einen durch Abnahme der Höhen und fächerförmiges Aus-
breiten der Bergzüge zugänglicheren Teil. — So kommt oro-
graphisch eine Dreiteilung des Atlas zustande, die sich auch
in seiner politisch-historischen Gestaltung wiederspiegelt: Fast
immer lagen hier, wie auch heute, drei Staatswesen. „Nur ihre
') Die folg^ende Darstellung beruht an! den Arbeiten von Pervinqui^re,
Hothpletz, Sievers-Hahn, Th. Fischer, Ficheur n. a.
3*
— 36 —
Grenzen verschoben sich zuweilen etwas, und nur yorttbergehend
machten sie einer Einheit (entsprechend ihrer Zugehörigkeit
zu einem Gebirgssystem) Platz." ^)
Der algerisch-tunesische Atlas (s. Fischer, Mittelmeerbilder
S. 159 f.), welcher für unsere Arbeit allein in Betracht kommt,
läßt orographisch zwei verschiedene Systeme erkennen: einen
Nordzug, den Teil- oder kleinen Atlas, und eine Südkette, den
Sahara- oder großen Atlas.
Der kleine Atlas, meist in WO-Richtung verlaufend [einige
Ketten SW-NO] (s. Bernard et Ficheur : Ann. Geogr. XI 1902,
S. 223) zeigt steilen Abbruch nach dem Mittelmeere mit vul-
kanischer Tätigkeit an der Bruchlinie. Einzelne Massive und
kleine Gebirgsketten, die unter sich ziemlich eng verbunden
sind, setzen ihn zusammen und verleihen ihm eine gewisse
Geschlossenheit, die einerseits die Unzugänglichkeit der Küste,
andererseits geringen Verkehr mit dem Innern verursacht.
Der zweite südlichere Gebirgszug, der große oder Sahara-
Atlas, ist zugleich mit dem vorigen entstanden,^) ist aber nicht
so intensiv gefaltet worden und deshalb einfacher gestaltet als
der kleine Atlas. Daß auf diesen südlichen Gebirgszug nur ein
schwacher orogenetischer Druck, verbunden mit schwachem
Widerstände wirkte, ist besonders im Süden erkennbar, wo sich
der Saharatlas mit mehreren, immer schwächer werdenden Falten
zur Wüste abflacht. (Anders am Schottgebiet. S. dazu S. 46
und 79.') — Drei große Faltenbündel setzen den großen Atlas
zusammen/) Die Richtung der einzelnen Falten (ONN) ist
schräg zur Richtung der Gesamtkette SW-NO. Letztere muß sich
>) Th. Fischer, Mittelmeerbilder 8. 280.
') Rothpletz: Pet. Mitt. 1890, S. 194, nimmt aD, daß der kleinere
Atlas der jüngere ist, daß seine Ketten in einer nachfolgenden Periode er-
neuter gebirgsbildender Kraft sich an das Gebirgsland des großen Atlas
allgeschart haben.
') Fichenr a. a. 0. : Ann. XI, S. 434 : „L' Atlas Saharien n'est pas
bom6 an sad par nne s6rie de failles, comme on le croyait. Ce sont plntöt
des ondulations de plas en plus faibles, qui vont monrir sur le Sahara, comme
les derniers remons de vagnes sur nne plage.*
^) Fichenr, ebenda 8.426: «L' Atlas Saharien se compose de trois
fasceaax principaux de plis: celui du massiv de Figoig et des monts des
Kioar, celai da Dj. Amoor et des monts des Oaled-Nayl, enfin celui de
r Aares et ses prolongements."
— 37 —
deshalb durch ihre Gesamtrichtung nach Osten zu immer mehr
dem WO streichenden Nordzag nähern, bis sie sich schließlich
mit ihm auf der Grenze von Tunesien verbindet, ja ihn aus-
schaltet und so „allein die Oberflächengestalt Tunesiens bis in
die Halbinsel Dakhla bedingt, indem sie neue Ketten bildet,
die die Richtung des gesamten orographischen Systems inne-
halten«.^)
Beide Ketten, Teil- und Sahara -Atlas, sind durch ein
Senkungsfeld, den Gürtel der Hochbecken, getrennt. Diese
Mulde, Reclus' Gebiet der großen Plateaus, ist eine ebene, mehr
oder weniger gewellte Zone pliocänen Alters. Schotts und
Sebkra^) sind in ihr häufig. Die Breite dieses Hochbeckens
(im Mittel 1000—800 m hoch) nimmt nach Osten zu ab, und es
findet sein Ende auf der Grenze von Tunesien, wo der nördliche
und südliche Gebirgszug zusammenstoßen.
Durch das Aufeinanderfolgen von langgestreckten, einander
ziemlich parallelen Gebirgsketten- und Tälern — sie folgen sich
wie Wellenberge den Wellentälern — kommt eine natürliche
Teilung des Landes, vor allem in Algerien, in lange Bänder zu
Stande. Der Parallelismus der einzelnen Bänder — sechs nach
Ficheur") — hebt sich um so mehr hervor, weil ihnen im all-
gemeinen auch klimatische und geologische Zonen entsprechen
und so ein scharfer Gegensatz zwischen den einzelnen Streifen
in Bodenbeschaffenheit, Klima, Produkten und Anblick geschaffen
wird. Dies Auf ein der folgen von langen, geraden, einander
merklich parallelen natürlichen Gebieten ist der charakteristischste
Zug in der Oberflächengestalt Algeriens.*)
1) Reclns : Geographie aniverselle XI, 1886, S. 138.
') Sebkra nennt man die salzigen Waflseransammlongen in abflußlosen
Becken. Sehr häufig trocknen sie ans nnd zeigen dann nur eine dicke Sals-
krnste. Schotts sind ebenfalls sebkra, nur von großer Ausdehnung.
') Er unterscheidet Ann. XI, S. 224: 1. Küstenkette; 2. Depression;
3. Mittelkette oder große Bergzone = Achse des Teil; 4. eine dritte, in der
Mitte sehr zerstückte Kette; 5. Steppe oder inneres Bassin der Schotte;
6. Saharaatlas. Rothpletz in Pet. Mitt. 1890, S. 290, hat nur drei Zonen.
*) cf. Ficheur, ebenda S. 221 : Mit «natürlichem Qebiet' bezeichnet
Ficheur dort ein geog^raphisches Individuum, bestimmt durch eine Menge
Faktoren, deren hauptsächlichsten die morphologische Beschaffenheit und dai
Klima sind.
— 38 —
Noch ein weiterer, wichtiger orographischer Charakterzug
Algeriens wird durch diese Anordnung der Berge und Täler
erzeugt. Es werden dadurch eine Menge isolierter Becken,
meist in der Streichrichtung des Gebirges mehr oder minder
in die Länge gezogener Ebenen, gebildet. Häufig sind diese
Becken, wie erwähnt, abflußlos, mit einem Schott oder einer
Sebkra an der tiefsten Stelle. Wo Entwässerung eines Beckens
eintritt, findet sie fast nur in NS- Richtung statt. In dieser
Richtung bewegt sich fast allein auch der Verkehr aus den
einzelnen Becken. Unter sich stehen sie in ganz geringer Ver-
bindung, da sie durch hohe unwegsame Ketten abgeschlossen
sind und unter sich nichts auszutauschen haben.
Gehen wir nun zur Entstehung und Gestaltung der Ober-
flächengestalt unseres Gebietes über.
Die Hauptfaltungen und -Erustenbewegungen des Atlas
machte auch Tunesien mit, und so entstanden hier ebenfalls
parallele FaltenzUge mit derselben Richtung im allgemeinen wie
in Algerien. Die Intensität des Tangentialschubes, der vor allem
in der Miocänzeit die Emporfaltung des Atlasgebirges bedingte,
nahm aber, wie erwähnt, nach Osten zu ab, und so äußerte
sich seine Wirkung in Tunesien nur mehr als leichte Fältelung
oder auch als nicht durchgeführte Faltung. ^) Infolgedessen
sind die kennzeichnenden Züge des Atlas, speziell Algeriens,
ebenfalls in Tunesien zu finden, jedoch in viel gemilderterem
Maße. Die äußerlich bestimmenden Prinzipien im eigentlichen
Faltungsgebirge, die tektonische Längstal- und Längsrücken-
bildung, wie Parallelismus einzelner Ketten sind deutlich wahr-
nehmbar, was schon ein flüchtiger Blick auf die Karte zeigt.
Ketten und Täler ordnen sich ziemlich in NO -Richtung als
Fortsetzung der algerischen Falten aneinander, so daß oro-
graphisch wie hydrographisch beide Länder eng unter sich ver-
bunden sind. Von Norden nach Süden folgen sich wie in Algerien
Anti- und Synklinalen im regelmäßigen Wechsel; deutlich tritt
wie dort ein Nord- und Südzug, getrennt durch eine breite Mulde,
^) Es gilt fiLr Tunesien ganz besonders, was Fichenr (a. a. 0. Ann. XI,
S. 424) vom ganzen Saharaatlas sagt: ,Les plissements sont reales k T^tat
d'6banche, qai permet de faire nne v^ritable etnde d'embryog^nie tectoniqae
et fournit comme une d^monstration de la maniöre dont nne sarface plane
commence ä se plisser.
— 39 —
hervor, wenn auch von zwei eigentlichen Ketten, die man früher
am Kap Blanc und Kap Bone beginnen ließ, nicht die Rede
sein kann. (Siev.-Hahn S. 552.) Dazu werden diese parallelen
Streifen ebenfalls in Tunesien durch klimatische und geologische
Faktoren zueinander in Gegensatz gebracht.
Dies sind lauter orographische GrundzQge, durch die unser
Gebiet nicht nur in äußerlich sichtbarem, engem Zusammenhang
mit Algerien und dem ganzen Atlaslande steht, sondern auch
durch ihre Anordnung dem Ganzen gewissermaßen wie durch
Familienzüge ähnlich wird : quales esse decet sorores. ') — Ein
Abbild dieses engen orographischen Zusammenhanges der beiden
Länder Tunesien und Algerien finden wir auch in ihrer poli-
tischen Gestaltung und ihrer Geschichte wieder, indem beide
Länder, wie wir sehen, mehrere Male sich zu einem Staatswesen
verschmolzen haben und gemeinsame geschichtliche Beziehungen
besaßen.
Neben der Ähnlichkeit in den orographischen Grundzügen
treten im einzelnen mannigfache Gegensätze zwischen beiden
Ländern auf, so daß sich Tunesien genügend scharf von seinem
Nachbarlande als selbständiges geographisches Individuum ab-
sondert.
Bedingt sind diese Verschiedenheiten durch die gegenüber
Algerien nur leichte Fältelung Tunesiens infolge des hier
schwächer wirkenden Tangentialschubes von Norden (für Tunesien
wahrscheinlich von NW) her. Durch diesen Druck von ge-
ringerer Intensität*) wurden die Schichten Tunesiens mehr in
flache Wellen gelegt und die Falten nicht so stark zusammen-
gepreßt, so daß hier, im Unterschied zu Algerien, Abnahme
der Höhe (im Mittel 944 m), Algier 1600 m, geringere Ge-
schlossenheit der Ketten und dazu ein gewisses Auseinander-
streben der einzelnen Faltenzüge sich bemerkbar macht, vor
*) ßernard: Revue tunis.
*) Hang: „Snr quelques points th^oriques relatifs ä la G6ol. de la T."
S. 371 spricht allerdings von starken Tangential bewegungen hier in Tunesien,
die z. B. weite liegende Falten verursacht hätten. Er gibt aber kein Beispiel
dafür an. — Auch sämtliche, dem Verfasser zu Gebote gestandenen Quer-
schnitte von einzelnen Bergen und ganzen Ketten Tunesiens zeigen keine
Überfaltung. Damit ist wohl Einfachheit im Bau der einzelnen Falten als
wahrscheinlich anzunehmen. Siehe auch Pervinquiere in Ann. IX, S. 434.
- 40 —
allem nach SO zu in immer breiteren Tälern und flacheren
Wellen. ^)
Diese Züge in der Oberflächengestalt unseres Gebietes
verursacht aber allein das System des Großen Atlas ; denn vom
Auresgebirge an streichen die Falten des Saharaatlas — vor
allem die nördlichen — scharf nordöstlich nnd dringen mit dieser
Richtung in Tunesien bis zur Nordküste vor, wobei sie den
Kleinen Atlas ausschalten, so daß man auch die nordtunesischen
Küstenketten, die man bisher als Fortsetzung des Kleinen Atlas
betrachtete, so z.B. Baltzer; Beiträge S. 28, dem Saharaatlas
zurechnen muß. Sicher muß man dies bei den Ketten östlich
der Linie Kap Serrat-Beja, besonders bei den südlichen, die
deutlich erkennbar Fortsetzung von Falten des tunesischen
Zentralmassivs sind.^) Zweifelhaft kann man bei dem Gebiet
um Ain Draham sein. Denn die Massive hier verbinden sich gut
mit dem Kleinen Atlas, da sie dieselbe Zusammensetzung (nu-
midischer Sandstein vorwiegend) und auch denselben Anblick
(Wälder aus Korkeichen schon äußerlich, in ihrem Bau: eine
Menge einzelner Massive) zeigen.') Infolgedessen hat man
diese Ketten und ihre östliche Fortsetzung dem Kleinen Atlas
zugerechnet (so Baltzer, Beiträge S. 29). Nach der Ansicht von
Haug^) und Blayac, ebenso von Ficheur^) muß man auch dies
*) Baltzer: , Beiträge zur Kenntnis des tun. Atlas« S. 29 hält es für
möglich, daß die Faltung des Saharaatlas jünger als die des kleinen Atlasses
ist and dadurch das Verhalten seines Ostendes beeinflußt wurde. — Rothpletz
(Pet. Mitt. 1890, S. 194) dagegen nimmt wiederum den kleinen Atlas als den
jüngeren an.
*) Siehe Pervinqui^re. Ann. G. IX, S. 435.
») Ficheur: Ann. 1902, S. 233.
«) Haugr a. a. 0 , S. 373. Östlich einer Linie Böne— Batna über
Guelma existiert kein kleiner Atlas mehr.
^) Ficheur: Ann. g6ogr. 1902, S. 425: les chaines k Test d'une lig^ne
passant approximativement par Batna, Souk-Ahras et la yal6e de la Medjerda
appartient ä TAtlas Saharien, qui forme seul le relief de la Tunisie — Ficheur
widerspricht sich aber damit selber: denn ebenda S. 364 sagt er: .cette
fonnaüon se continue le long de la c6te tunisienne . . . . il faut sans doute
y Yoir le prolongement d'une des zones de Souk-Ahras* ; nnd S. 339 ....
,,la chaine mediane (in Algerien !) s'^tend jusqu*aux environs de Souk-Ahras'.
Damit wäre also die tunes. Khroumirei die Fortsetzung der Mittelkette in
Algerien. Man sieht, daß die tekton. Zugehörigkeit dieses Grenzgebietes
noch nicht klar gestellt ist.
— 41 —
Gebiet als dem Saharaatlas zugehörig betrachten. Wir können
uns dieser Ansicht als der wahrscheinlichsten anschließen und
rechnen den „nordtunesischen Küstengebirgszug" ^) ganz dem
Saharaatlas zu, sodaß die Oberflächengestalt Tunesiens aus-
schließlich durch die Verlängerung des Saharaatlas gebildet wird.
Das Gebiet der Hochbecken in Algerien findet damit ebenfalls
keine Fortsetzung in Tunesien. Als solche hat man frUher häufig
das Einbruchsbecken des Medjerda betrachtet.
Zu erwähnen wäre noch bezüglich der Zugehörigkeit des
nordtunesischen Küstenzuges zum Saharaatlas die Ansicht von
Rothpletz. Er rechnet im großen ganzen dieses Bergland dem
Saharaatlas ebenfalls zu, merkwürdigerweise aber die nordöstliche
Küstenkette, ^) diejenige, welche das Kap Blanco bildet, dem
Teilatlas. Eine Begründung dafür gibt er nicht; wenigstens
konnte der Verfasser nichts darüber finden.
Das Bild, welches wir nach unserer Annahme bekommen,
stellt sich nunmehr ungefähr folgendermaßen dar:
Aus dem Auresmassiv, dem dritten Faltenbündel des
Saharaatlas, quellen einzelne Bergzüge hervor und verzweigen
sich nach verschiedenen Richtungen bis zur Nord- und Ostküste
Tunesiens, wobei sie im Anfang noch ein Stück Hochland (dem
alger. Hochplateau nur in der Höhe zu vergleichen!) ein-
schließen. Nach Osten zu wird die Divergenz der einzelnen
Züge infolge der Abnahme der Faltungsintensität immer größer
und die Höhe ständig geringer, zugleich die einzelnen Gebirgs-
züge immer kürzer. (Th. Fischer. Mittelmeerbilder S. 410.)
Das Auseinanderstreben der einzelnen Faltenzüge tritt
deutlich hervor. Im Süden des Landes finden wir als Fortsetzung
der Falten des Auresgebirges Ketten mit merklicher WO-Richtung,
während die nordwärts von ihnen verlaufenden Ketten mehr
^) Dieser Gebirgszug hatte bisher, da er ja meist als FortsetEung
des Kleinen Atlas gerechnet wurde, keinen besonderen Namen. Hie and da
bezeichnete man ihn nach seinem am besten sich abhebenden Teil wohl als
Ehronmirei allgemein. Blanckenhom (Pet. Ergh. Jahrg. XX, 1888—89) gibt
ihm den Namen , Afrikanisches Qebirge*. Diese für die alten Römer ver-
ständliche Bezeichnung glauben wir besser in die obige zu übersetzen. Mit
diesem Namen ist seine Selbständigkeit gegenüber dem ^ algerischen Küsten-
gebirge* oder dem Tellatlas genügend gekennzeichnet.
') Dj. Ahmar (ob. Eocän u. Oligocän) Perv. Ann. IX, S. 436.
— 42 —
und mehr NO-Richtung annehmeD. — Zwischen sich lassen die
Gebirgszüge ähnlich wie in Algerien Mulden und Einsenkungen,
erweitern sich in einem Teile des Landes sogar zu einem
plateauartigen Massiv von Hammadas, das ziemlich die Höhe
des Gebietes der algerischen Hochbecken hat. Alle diese Gebiete
sind aber durch Flfisse entwässert und entbehren die zentrale
Einsenkung und die Salzsebkras der algerischen Hohlformen. ^)
Die Entwässerung dieser Einsenkungen erfolgt — ein weiterer
Gegensatz zu Algerien — vorwiegend in NO-Richtung. In
dieser Richtung bewegt sich auch der Hauptverkehr, doch findet
er ebenso bequeme Querverbindungslinien, da die meisten tune-
sischen Gebirgsketten nur geringe Ausdehnung haben, und
dadurch der Verkehr nicht gezwungen wird wie in Algerien
die Bergzttge zu überschreiten, sondern leicht sie umgehen kann.
Wo sich dennoch ein Überschreiten einer Kette nötig macht,
ist es mit geringen Schwierigkeiten verknüpft, da die Höhen
fiberall eben wegen der leichten Faltung nur mäßige sind.
Die höchste Erhebung, der Dj. Chaambi in der Nähe von
Kasserin, reicht bis etwas über 1500 m und steht somit den
Höhen in Algerien, wo eine Menge Gipfel 2000 m und mehr
erreichen, beträchtlich nach. Ebenso ist die mittlere Höhe
Tunesiens 944 (diejenige von Maktar) (nach Monchicourt Annal.
S. 351; auf Karte 1:800000 nur 924 m) beträchtlich geringer
als diejenige von Algerien (1000 m nach Reclus, l'Afrique
septentrionale S. 307 für das Gebiet der Hochbecken).
Eine weitere Folge der geringeren Faltung neben Abnahme
der Höhe und Auseinandertreten der einzelnen Ketten ist das
Hervortreten eines gegenüber Algerien neuen Formenelementes
im Landschaftsbild: Häufig finden sich flachlagernde, durch
Faltung fast gar nicht, nur durch Brüche gegliederte Schichten.
Der Dj. Tioucha (östlich von Thala) z. B. ist ein Hoch-
plateau, das fast auf allen Seiten von mächtigen steilen Wänden
begrenzt wird. Er verdankt diese Gestaltung seiner Zusammen-
setzung aus kieseligen Senonkalken, die der Faltung Widerstand
*) Die abflußloBen Becken mit Salzsebkras im Osten und SO Tunesiens
sind hierbei unberücksichtigt gelassen, da dies Gebiet aus einem Vergleiche
mit dem eigentlichen Algerien herausfällt, da sie schon mehr dem Wüsten-
gebiet zuzurechnen sind.
— 43 —
entgegeDsetzten und Dur in Brüche zerlegt wurden.^) Ebenso
kann man den ganzen nördlichen Teil von Zentraltunesien, den
Kaidat des Quartan, Ealdat des Ouled Ayar und Ouled Aoun
als ein großes Plateau betrachten, das, vorwiegend aus Numu-
litenkalk bestehend, nur durch Brfiche und Erosion gegliedert
worden ist.*)
Mit der Emporfaltung zugleich mit dem ganzen Atlas-
gebiet ist die Entwickelnngsgeschichte Tunesiens aber noch
nicht abgeschlossen. Es kommt vielmehr für Tunesien be-
sonders eine Nachfaltung im Pliocän hinzu. Daß eine solche
existiert, beweist sich dadurch, daß die Pliocänflysche oft
steil empor gefaltet sind, so am Dj. Trozza bis 45^*) Diese
Nachfaltung wurde durch einen Tangentialschub von (0) NO
her infolge Einbruches des östlichen Mittelmeerbeckens bewirkt.
Der Schub war nicht so kräftig als der zur Miocänzeit, vgl.
Siev. Hahn S. 552, deshalb seine Wirkung auch viel geringer.*)
Vielleicht reichte die Kraft seiner faltenden Bewegung nur
wenig über die tunesische Grenze. Zu dieser Schlußfolgerung
kann der Umstand berechtigen, daß westlich der Grenze sich
nur einige wenige Querfalten und -Brüche nachweisen lassen.
So verdanken z. B. der Dj. Roumane, Hout es Srir, Quenza
und noch einige wenige der Querfaltung ihre Entstehung. *)
Durch diesen NO -Schub zur Pliocänzeit wurde eine teil-
weise Verschiebung und Zertrümmerung der schon vorhandenen
Falten in unserem Gebiete bewirkt. Er versuchte vor allem
das Land in SO - NW - Falten zu legen, traf dabei aber ziemlich
rechtwinklig auf das erste Faltensystem. ^) Aus der Verbin-
dung der beiden Systeme entspringen nun die verschiedensten
Richtungen der einzelnen Falten, die man beobachten kann.
*) Pervinqui^re : Annal. de 66ogr. IX, S. 441.
*) Ebenda S. 444.
') Pervinquiere : La TuniBie centrale, Ann. IX, S. 448. ebenso Per-
vinq., S. 328.
*) S. Pervinquiere : ebenda S. 434, ebenso Cabiers 19 : S. 12. Die Berg-
gipfel im NO sind um 300 m niedriger als die im SW bis NO.
') Vergl. Pervinquiöre S. 332.
') Es macbt sieb sogar nocb ein drittes Faltensystem NNW snweilen
NS (s. Pervinquiere S. 331) geltend; vorwiegend findet sieb aber die SW-NO
und SO-NW - Ricbtung, die beiden Systeme, welcbe nacb Dana (Manual of
Ge ol ogy 1895, S. 35 f.) auf der ganzen Erdoberfläebe yorberrscben.
— 44 —
Manche Ketten — die Mehrzahl der größeren Massive
verhält sich so — behalten ihre ursprüngliche WO- (resp. NO)-
Richtung bei, z. B. die Kette nördlich des Schott Djerid von
Tamerza bis Oabes und die NO-Richtung die meisten Ketten
in Zentral- und Nordtunesien. — Einige Ketten wiederum zeigen
annähernde NS- Richtung, z. B. Nasser Allah, ohne daß an-
scheinend an ein Erosionsgebirge gedacht werden kann (Baltzer
S. 28). Derartige Ketten finden sich um so häufiger, je weiter
man sich von der algerisch-tunesischen Grenze entfernt und der
Ostküste nähert. ^) Mehr im Innern des Landes haben ausge-
sprochenen transversalen (mehrNWN) Verlauf der Dj.Sekarna*)
und Ras Sidi Ali (östl. v. Thala). Bei beiden war die Trans-
versalfaltung so stark, daß sie vollständig das erste (SW-NO)
System unterbrochen hat. (Perv. S. 332.)
Bei einer Anzahl Ketten kann man sogar beide Falten-
systeme zu gleicher Zeit erkennen, z. B. am Dj. Mhrila, wo
ein Umbiegen der Antikliualachse um fast 90^ eintritt. Der
eine Flügel behält die NO-Richtung bei, der andere legt sich
fast in WO-Richtung. Der Dj. Trozza nimmt dann die NO-Richtung
wieder auf. Ein derartiges Umbiegen der Achse findet sich
noch einige Male. Der Dj. Mrhila und el Abeid bildet aber
das einzige Beispiel, wo die beiden Falten völlig miteinander
verbunden sind. Der Grund für dieses Umbiegen des Mrhila
ist noch nicht erkannt worden. Pervinqui^re glaubt, daß es
>) PervinquiÄre : a. a. 0. Aon. IX, S. 434.
') Dj. Sekarna ist eines der besten Beispiele der transversalen Faltung ;
er hängt im großen ganzen yon einer NW streichenden Antiklinale ab, deren
Ostseite der Barboa einnimmt. Fast auf der Achse der Antikl. hat sich der
Messemerh sein Bett gegraben (Pery. 269). — Die nördlich vom Sekarna
gelegene Synklinale Midad-Oasafa ist an ihrer Südseite stark gehoben and
diese Dissymmetrie scheint aus einer Qaetschang gegen die Seite des Barboa
hervorzugehen. Daraus könnte man den Schluß ziehen, daß die Antiklinale
Sekarna-Barboa vor der Bewegung, die die andere Faltung des Domes in
SW-NO-Richtung stellte, bestand. Damit wttrde die SO-NW- (ebenso NS)
Faltung die ältere sein. Dies dürfte wohl nicht der Fall sein. Eine Ent-
scheidung kann hierüber bei der noch nicht abgeschlossenen Erforschung
des Landes auch noch nicht getroffen werden. — Nach einer Bemerkung im
Cahier du S. g^ogr. Nr. 16: ,Dj. Sekarna verdankt seine Entstehung einer
Numulitenkalkplatte, deren oberste Schicht, fast horizontal gelagert, eine
Art Plateau bildet," könnte man sogar schließen, daß Dj. Sekarna ein bloßes
Erotionsgebilde ist.
— 45 —
mit dem Einbruch des Hatobtales im ZnsammcDbaDg stehe.
Diese Ansicht hat viel fttr sich. Denn man kann allgemein
feststellen, daß Umbiegung der Ketten stets mit einem Becken,
meist Einbruchsbecken, verbunden ist. Mau würde also die
Einsenkung als das Primäre, die Umbiegung als das Sekundäre
zu betrachten haben. ^)
Di- und Konvergenz der beiden Faltensysteme tritt be-
sonders deutlich im SO unseres Gebietes hervor. Hier zieht
sich fast genau in NS-Richtung eine Falte über 70 km lang
vom Dj. Meheri bis Dj. Touila. Von dem anderen Faltensystem
wird sie zweimal gekreuzt: Einmal im S im Dj. Sengdal und
etwas nördlicher ein zweites Mal im Dj. Kradif. Auch der
Dj. Zebbeus in der Nähe der Bahn von Sfax nach Gafsa ist
ein solcher Knotenpunkt der beiden Systeme.
Daß gerade hier im SO des Landes die beiden Falten-
richtungen so einfach und klar nebeneinander bestehen, könnte
seinen Grund darin haben, daß die Hauptkraft des von N
kommenden Tangentialschubes ihr Ende gefunden hat in der
großen Dislokationslinie, die sich vom Golf von Tunis am
Zaghuan vorbei quer durch fast ganz Tunesien zieht.') Die
Wirkung dieses Schubes würde sich demnach hier nur in einigen
wenigen niedrigen, sich immer mehr verflachenden Wellen äußern,
während die jüngere (von Ost erfolgte) Emporfaltung, soweit
es der geringe Druck zuließ, deutlicher sichtbar sein müßte als
in dem übrigen Tunesien.^) Das allgemeine Bild SO-Tunesiens
würde damit gut übereinstimmen. Es würde dagegen auch der
Umstand nicht sprechen, daß sich im äußersten Süden wiederum
die Faltenwellen enger zusammendrängen und zu bedeutenderen
Höhen ansteigen und die einzelnen Ketten sich dichter aneinander
legen. Dies ließe sich gut durch Stauung an der Wüstenscholle
') Ganz ähnliche Verhältnisse finden wir im französisch-BchweizeriBchen
Jura (auch in anderen Faltengebirgen), der überhaupt sehr viele Analogien
mit unserem Faltengebiet aufweist: Neben Umbiegung (oder Ausbiegung)
der Ketten verbunden mit Beckenbildung findet sich auch Di- und Konvergenz
der Faltenzüge.
') Rolland : Grande faille du Zaghouan p. 49.
') Als weiterer Grund käme noch hinzu, daß wir es hier mit einem
Gebiet „nngleichsinniger Abdachung zu tun haben, in dem sich die «aufge-
setzten Formen" besser erhalten. Vgl. Penck: .Die Formen der Landober-
fläche". Verbandl. des Deutseben Geographentages 1891, S. 34.
— 46 —
erkl&ren, oder, wenn wir das Einbruchsbecken wieder als das
Primäre ansehen, durch vermehrte Faltung von Süden her
infolge Einbruches des Schottgebietes. ^)
Trotz des, wie man annimmt, geringen Druckes von NO
her, der die NW-SO-Querfaltung verursachte, macht sich seine
Wirkung in ganz Tunesien geltend. So sind an der Grenze
des Gebietes deutlich vier Transversallinien zu unterscheiden:
1. Dj. Mouzia, ben Efif, Roumane (die beiden ersteren in Algerien
gelegen) ; 2. bou Kradra (in Algerien), Hamra, Chambi, Nouba ;
3. Quenza (Algerien), bou Jabire, Ajered, Semmama ; 4. Harraba,
Slata, bou Hanöche, Mhrila.') Nur einige von diesen durch
Qnerfaltung entstandenen Bergen liegen in Algerien. Es sind
dies auch die einzigen Punkte, wo sich in Algerien deutliche
Querfaltung bemerkbar macht. Dadurch sondern sich beide
Länder gut voneinander : der häufige Wechsel in der Richtung
der einzelnen Ketten, verursacht durch die Doppelfaltung, ist
allein in Tunesien zu finden, in Algerien nur in der Grenzzone.
Der Doppelfaltung muß man auch die eigenste Charakter-
form Tunesiens, die Dome, zuschreiben; doch ist ihre Entstehung
noch nicht völlig klargestellt. Ein enger Znsammenhang mit
den tektonischen Tälern ist unverkennbar — häufig finden sich
isolierte Dome aus Talebenen emporragend (Rebeiba, Maiza,
Han^che, Zrissa u. a.) — man hat aber verschiedene Deutung
dafar.
Die einen betrachten sie als die Wellenberge der tekto-
nischen Wellen. Diese sind, da die Faltung in Tunesien, wie
sie annehmen, nicht vollendet wurde, sondern im Beginne stehen
blieb, allein an die Oberfläche gelangt.')
Andere betrachten die Dome als den Schnittpunkt der
beiden erwähnten Faltensysteme. Dadurch, daß die jüngere
NW-SO-Faltung senkrecht auf die ältere SW-NO traf, wurde
^) Die Gebirge fallen nach Norden mit sanfterer Böschung and jähem
Absturz nach Süden ab, sind also nach der Sahara hin aufgestaut. Fitzner
S. 309.
«) Pervinqui^re S. 332.
*) Hang a. a. 0. S. 372: ,Die Dome sind zur Zeit einer ersten Fal-
tuigiphase gebildet worden.* — Baltzer (8.36) ftthrt sie zurück auf das Hin-
durohstoßen der Jurafalten durch die nachgiebigeren Kreidemergeln nach
Art «tektonischer Klippen'.
— 47 —
die Achse der letzteren vielen sichtbaren Schwankungen unter-
worfen, oft so sehr, daß die Kette verschwand = Synklinale
Mulde, und nur noch eine Reihe von einzelnen Antiklinalen
(= Interferenzmaximum), die Dome, übrig blieb. ') Beide An-
sichten — auf einige andere können wir, weil zu weit ab-
führend, nicht eingehen — decken sich gut mit dem allgemeinen
Bild, welches die Domlandschaft gewährt. Manche Dome be-
sitzen große Regelmäßigkeit in ihrer Gestalt: es sind meist
elliptische bis kreisrunde Bergkegel. Oft ist aber nur die eine
Hälfte da, während die andere in der Tiefe geblieben oder
hinabgesunken ist (Beiuta z. B. s. Perv. S. 26*3), manchmal sind
auch zwei miteinander verschmolzen, so Zafrane.
Fast alle lassen die kennzeichnenden Züge eines „ Domes **
erkennen: Jura und untere Kreide (diese am häufigsten), auch
Trias tauchen aus einem Mantel von jüngerem Gestein heraus.*)
Meist erheben sie sich jäh aus einer Ebene oder sind einer
Antiklinale aufgepfropft. Alle reihen sich aber hintereinander
wie die „Perlen eines Rosenkranzes**. Sie verleihen dem Land-
scbaftsbild einen eigenartigen Reiz. Sie bedingen einerseits die
mannigfache Zersplitterung der Ketten, den vorherrschendsten
Zug in der Urographie Tunesiens, so daß das Auge im ersten
Augenblick nur ein Gewirr von Linien sieht und sich bald auf
einen als den einzigen natürlichen Ruhepnnkt in diesem Gewirr
heftet. Doch nicht lange weilt es da, bald gleitet es an der
Kette der folgenden Dome zur weiten Ferne.
Neben den Domen machen sich im Landschaftsbild Tunesiens
noch besonders die Synklinalen Mulden geltend. Obwohl die
Dome häufig unabhängig von jeder Synklinalen Mulde sind, sind
doch viele der letzteren mit den Domen zusammen entstanden,
*) Siehe Pervinquiöre S. 206.
*) Haug a.a.O. S. 370: .Mitten in weiten Ebenen von mittlerer
and oberer Kreide tritt in den Domen Jnra und untere Kreide zutage. —
Ein sehr gutes Beispiel ist der bou Koumin in der Nähe von Tunis. Sein
Mittelstück besteht ans liasischem Kalk ; an den Seiten tritt wie konzentrische
Heiligenscheine oberer Tithon, umgeben wieder von Kreide, zutage" (ebenda
S. 371). — Vielleicht muß überhaupt der geologischen Beschaffenheit der
Dome — innen das härtere Gestein — mehr Bedeutung bei Bildung dieser
Bergform in Tunesien zugelegt werden. Nach Emporfaltang als Wellenberg
ist doch wohl hauptsächlich durch Denudation (äolische überwiegend) der
innere Kern herauspräpariert worden. Dazu kam dann noch die Brnchbildung.
— 48 —
indem sie bei dem Einanderschneiden der beiden Faltensysteme
die Wellentäler darstellen. Auf diese Art sind mit Beihilfe der
Erosion: die Bahiret oder Bahirat (= fruchtbare Niederung,)
Foussana, B. Oubira, Ebene von Sers^ Siliana und andere ge-
bildet worden. Diese Zerlegung der Schichten in Dome und
Mulden bringt den Hauptcharakterzug der Orotektonik Tunesiens,
die Unbeständigkeit der Ketten, hervor.^) Man kann ihn vor
allem im mittleren und nordöstlichen Gebiete erkennen, wo beide
Faltungen zusammentreffen. Im Süden herrscht dagegen Plateau-
bildung vor, da hier nur einige wenige und schwächere tek-
tonische Wellen beider Systeme auftreten, im Norden des Landes
Längserstreckung der Ketten nach einer Richtung, da fast nur
die SW-NO - Faltung sich hier zeigt.
Dome und Mulden sind aber nicht die einzige Wirkung
der Doppelfaltung; denn letzere verursacht auch noch häufige
Unterbrechung der Längsfalten durch Brüche. Oft hören die
Längsfalten plötzlich wie abgeschnitten auf, um erst wieder nach
einer gewissen Strecke aufzutauchen. Vielfach finden sich solche
Brüche im Verein mit den Domen, so daß von letzteren nur
die eine Hälfte vorhanden ist. Die andere ist meistenteils ab-
gesunken; kann auch in der Tiefe geblieben sein. Dieses zer-
stückte Aussehen zeigt die Mehrzahl der Dome.
Die Gesamtwirkung der Querfaltung kann man am besten
an der Synklinale, die sich vom Dyr de Tebessa durch die
Kalaat es Snam bis zum Kef Argueb fortsetzt, erkennen. Das
SW-Ende des Dyr ist von einer Reihe von Brüchen zerschnitten ;
Dann ist bei dem Schnitt mit der Linie Jaböre-Ajered die Achse
der Synklinale gehoben und so zugleich mit Beihilfe von Erosion
die Kalaat es Snam isoliert worden. Nördlich von ihr äußert
sich dann die Querfaltung wieder durch Brüche, z. B. am
Majouba und am Fuße des Houd.*)
>) Fichear : Ann. XI, a. a. 0. S. 433.
') Peryinqaiere S. 339 : Die Kalaat es Snam ist nach ihrer Entstehaog
also ein echter Dom. Wir behalten aber die Bezeichnung Kalaat für diese
Art Ton Dome bei and verstehen darunter einen Berg von derselben £nt-
stehnng wie die Dome, mit steilem Gehänge and ebener, aach nach innen
sich senkender Oberfläche (Tisch! örmig ; Pervinquiere : abradiertes Hügelplateaa
mit gehobenen Rändern), mit ,Dom* aber diejenigen antiklinalen Erhebangen,
deren Schichten sich von einem Zentralpunkt nach der Peripherie senken.
(Haag S. 370.)
— 49 —
QuerfaltuDg ist auch die Ursache zu dem großen Einbruchs-
tal des Wed Hatob, der den Dj. Semmama vom Ghambi trennt.
(Perv. S. 332.)
Die Anzahl dieser durch die Querfaltung entstandenen
Brüche wurde noch vermehrt durch die nach dem Pliocän bis
in die Quartärzeit andauernden Bodenbewegungen, die sich
besonders durch Verwerfung, Hebung und Senkung des Landes
geltend machten. Tunesien zeigt auch hierin seine enge Zu-
gehörigkeit zum Mittelmeergebiet, der großen Bruchzone. Die
Brüche setzen sich weit in das Innere des Landes fort und
bedingen in bedeutendem Maße die heutigen Reliefverhältnisse
unseres Gebietes.
Vorwiegend NO-SW, aber auch NW-SO verlaufend, tragen
sie bei zur Vergrößerung der Unbeständigkeit der Längsfalten
und zur Vermehrung der vorhandenen Mannigfaltigkeit der
Oberflächenformen, jedoch auch wieder zu ihrer Gliederung.^)
Ein solcher Längsbruch ist das ganze Medjerdatal bis
Ghardimaou; nicht allein wichtig als große fruchtbare Ebene,
sondern besonders als die einzige geographische Einheit im
östlichen Atlasgebiet, ^) von deren Besitz der des ganzen Landes
abhängig war. Zur Gliederung der Orographie Tunesiens trägt
dieses Längsbruchtal wesentlich bei, indem es deutlich einen
nördlichen Gebirgszug absondert.
Von den vielen andern derartigen Brüchen heben wir nur
noch die beiden wichtigsten hervor, welche ebenfalls gliedernde
Wirkung ausüben. Es ist dies einmal die berühmte Verwerfung
des Zaghuan, der „klarste orographische Zug Tunesiens".
Sie zieht sich vom Golf von Tunis in SW-Richtung durch ganz
Ost-Tunesien über 75 km hin manchmal mit einer Sprunghöhe
von über 1000 m. '*) Mit den ihre Verlängerung bildenden
Bergzügen Zentraltunesieus scheidet diese mächtige Verwerfung
ungefähr die Gebiete gleichsinniger (im N) und ungleichsinniger
^) Meist sind diese Querbrüche noch durch Denudation und Erosion
orographisch schärfer herausgearbeitet.
•) Th. Fischer : Mittelmeerbilder I, S. 288.
^) Siehe Rolland : Grande faille du Zaghonan etc. Näher auf diese groß-
artige, tektonische Linie einzugeben erübrigt sich, da fast jedes Werk über
Tunesien diesen besonders auffallenden orographischen Zug behandelt. Im
ttbrigen verweisen wir auf die ausführliche Darstellung von Rolland.
4
— 50 —
Abdachung (im S) voneinander. Sie bildet auch geologisch and
klimatisch eine Grenze: im Westen Jura und untere Kreide,
im Osten hauptsächlich jüngere Gesteine (tertiär) überwiegend ;
klimatisch im Westen Mittelmeer-, im Osten mehr Wüstenklima.
Eine dritte Bruchlinie ist die der Schotts. Tief eingesenkt,
an manchen Punkten bis unter den Spiegel des Mittelmeeres
bildet sie eine gute natürliche Grenze gegen die Wüstentafel.
Dies Gewirr von Brüchen wird verkehrsgeographisch
äußerst wichtig, da es im Lande eine Menge Längs- und Quer-
verbindungswege schuf. Ihnen ist aber auch die für den Verkehr
so überaus günstige Eüstengestaltung Tunesiens zuzuschreiben.
Sie ließen Buchten entstehen, mit denen das Meer weiter ins
Land vordringen und es aufschließen konnte^) und erzeugten
die für das Mittelmeer charakteristische Halbinsel- und Insel-
bildung; alles Gliederungselemente erster Ordnung, Brücken
für den gegenseitigen Verkehr der Völker ^) und das verbindende
Glied in der bunten Geschichte unsres Gebietes und der des
ganzen Mittelmeerbeckens. ')
Wirkungen der exogenen Kräfte.
Die Hauptkräfte des Luftkreises, welche umgestaltend,
meist zerstörend an dem von den endogenen Kräften geschaffenen
Relief arbeiten, sind: Wasser, Wind und Wärme, sowie ihr
Zusammenwirken nach den klimatischen Verhältnissen. Ihre
Wirkung ist eine äußerst mannigfaltige.
Vor allem wäre hier die Arbeit des Wassers zu erwähnen.
Wenn die Hydrographie unseres Gebietes auch direkt von dem
noch jugendlichen Relief abhängig ist, hat sie doch schon eigene
Arbeit geleistet. Erosion hat ganz allein weite Tafeln gegliedert,
indem sie tiefe Schluchten einriß, so die Sebaa Diar; ihr ver-
danken in manchen Gebieten Höhen ihre Herausarbeitung, so
daß häufig eine völlige Umkehr des Reliefs eintrat. So sind
*) Der Qolf von TudIs und das jähe Abschwenken der Küste von der
NO-Linie bei Ras Tarf nach SO ist auf eine solche Bruchlinie (die des Zaghnan)
znrttckzuftthren. Ursprünglich ging die Küste gradlinig weiter bis ihr Verlauf
durch diese Verwerfung gestört und das Kap Bon isoliert wurde.
') Siehe Richthof en : China, S. 4.
') Näheres über die Kttstengestaltung Tunesiens siehe Th. Fischer:
Kttstenstudien aus N-Afrika. Pet. Mit. 1887, S. 40.
— 61 —
der Dyr von Tebessa, Guern Halfaya und andere der heute
höchsten Punkte nichts weiter als Reste von Synklinalen. Die
Bänder derselben sind durch Erosion verschwunden.
Die auf Nivellieren gerichtete Wirkung des fließenden
Wassers führte sogar ein gegenüber Algerien neues Element
ins Landschaftsbild Tunesiens ein: die Erosionsebene.
Eine solche stellen z. B. die Ebenen vom Zouarin Sers
und Siliana dar. Sie bildeten sich durch Abtragung durch den
Fluß Rohia im Pleistocän.^)
Zum großen Teil durch Erosion (des Hatob und seiner
Zuflüsse) ist auch die Bahiret Foussana') entstanden. Eine
mächtige Schlammschicht ist hier abgelagert worden, in die
sich der Fluß dann wieder ziemlich tief einschnitt. Weitere Spuren
der ablagernden Wirkung des Wassers finden sich häufig. So
vor allem Schutthalden (meist pliocänen Alters) im Innern, an
der Küste aber Deltabildung, wieder eine der dem Mittelmeer-
gebiet eigenen Charakterformen. Zu erwähnen ist in dieser
Hinsicht der Medjerda, ein gewaltiger Deltabauer.')
Die Wirkung des Meeres auf die Umrißformen des Landes
macht sich in doppelter Weise geltend, einmal zerstörend, dies
besonders an der nördlichen Steilküste; dann auch anlagernd:
dies meist an der Ostküste durch Neerströme *) (verbunden mit
Hebung des Landes), so daß hier die ursprüngliche Schollen-
küste in eine Wattenküste umgewandelt ist.
Alle diese durch das erodierende Wasser bewirkte Formen
der Landoberfläche finden wir meist im Norden unseres Gebietes
als dem einigermaßen niederschlagsreichen Teil. Gehen wir
nach dem Süden, dem niederschlagsarmen Gebiet, so treffen wir
als Hauptausbildner des Reliefs den Wind und die Wärme.
Beide wirken meist gemeinsam. Von den Formen, die sie hervor-
bringen, sind einige typisch für das ganze Mittelmeergebiet.
Z. B. werden Tafelberge und kleine Tafelrückengebirge durch
*) Monchicourt: Le massiv de Mactar. Ann. de Geogr. IX, S. 351.
') Zum Teil auch, wie erwähnt, infolge der Qaerfaltang.
•) Näheres in dem Aufsatz: ,Am Golf von Tunis* von Th. Fischer,
Pet. Mitt. XXXIII, 1887.
*} Als Werk des Meeres kann man auch ganz Südost-Tunesien auf-
fassen. Es zeigt einen ausgesprochenen Terrassenbau, wie ihn nur das Meer
schaffen konnte.
4*
— 62 —
schuppen! örmige Ablösung der Gesteine herausgebildet, da starker
Wechsel der Tages- und Nachttemperatur in Sttdtunesien vor-
herrscht. Das abgesprungene Material wird vom Winde davon
geffihrt. — Neben diesen „Inselbergen" macht sich die Folge-
wirkung des mediterranen Klimas in der Bildung von fester,
völlig vegetationsloser Ealkkruste bemerkbar. Ihre Entstehung
kann eine doppelte sein. Der kohlensaure Kalk steigt bei langer
Trockenheit mit dem Wasser aus der Tiefe hoch und bildet,
nachdem letzteres verdunstet ist, allmählich die unfruchtbare
Kruste, oder aber es wird infolge plötzlicher heftiger Regen-
gtlsse ein Gebiet überschwemmt, das Wasser dringt wegen der
raschen Verdunstung infolge der hohen Besonnung nicht in den
Boden ein und der in ihm gelöste Kalk bleibt als Kruste zurück.*)
Auch das häufige Vorkommen von abflußlosen Becken und
Bildung von Salzpfannen im Süden ist eine Folge des Klimas,
ebenso die breiten Flußtäler = Wed (Wadis). Letztere entstehen
durch den periodischen AVechsel von starker Erosion infolge
plötzlichen Anschwellens durch heftige kurze Güsse mit lang
anhaltender Trockenheit. Man kann über 1 km breite Betten
finden, in denen gar kein Wasser oder nur ein kümmerliches
Bächlein fiießt.
Typisch für Südtunesien sind auch die „zirkusähnlichen
Talbuchten ** (vgl. oben S. 30), erzeugt durch Wind unter Mit-
wirkung selten fallender Strichregen bei wechselnder Härte des
Gtosteins. *)
Als weitere Folgewirkung von Wind und Wärme erwähnen
wir nur noch die Herausbildung der bekannten „Hamadas",
der Steinwüsten, der Flugsand wüsten an der Grenze der Sahara
und der Dünensandwüsten an der südöstlichen Küste Tunesiens.
Fassen wir kurz die
Hauptzüge des orographischen Bildes Tunesiens
zusammen, die uns der Überblick über die Entwicklungsgeschichte
des Landes gibt.
Ursprünglich ist Tunesien Tafelland gewesen, wie es heute
noch Barka ist. Dann wurde es durch den Einbruch der beiden
') Th. Fischer : Wiss. Ergebnisse einer Reise im Atlas- Vorlande von
Marokko. Gotha 1900, S. 86.
•) J. Walter: Verhandl. des D. Üeogr.-Tages 1897, S. 211.
— 63 —
Mittelmeerbecken in ein Faltenland verwandelt. Seine Falten
sind aber später (bis in die Quartärzeit) durch Brachlinien
beschränkt and das Land weiterhin darch Verwerfungen gegliedert
und zerstückt worden. Wir bekommen so in Tunesien eine
Mischung von Falten- und Schollenland, ein verkleinertes Bild
des ganzen Mittelmeergebietes. Im großen und ganzen bedingt
aber Faltung die Physiognomie des Landes; Schollenbildung
spielt eine untergeordnete Nebenrolle in der Tektonik.
Ein Orundzug prägt sich deutlich aus : Die Mehrzahl der
Falten zeigt wie im ganzen Atlassystem NO-Richtung. Derselben
Richtung folgen die Täler und die Flüsse, da letztere vom Lauf
der Ketten durchweg beeinflußt sind; ebenso die allgemeine
Abdachung des Landes, sodaß Tunesien in seinem Aufbau nach
einem Punkte hin gravitiert : dem Golf von Tunis. Es spiegeln
diese bodenplastischen Züge die politischen und historischen
Beziehungen Tunesiens wieder, denn diese folgten vorherrschend
derselben Richtung: hinüber nach Italien— Sizilien. Fast immer
stand Tunesien mit diesen Ländern in Wechselbeziehung.
Eigentümlich für Tunesien ist das Auftreten der faltenden
Bewegung mehr als leichte Fältelung oder auch als nicht durch-
geführte Faltung.*) Infolgedessen sind die kennzeichnenden
Züge des Atlas insbesonders Algeriens stark gemildert.
Tunesien zeigt allgemein den Charakter des Mittelgebirgs-
landes. An Formen herrschen abgeflachte und sanfte vor,
meist runde Rücken und konvexe Gehänge; schroffe Gipfel
fehlen fast ganz. Die Höhen sind mäßig. Nur einige wenige
Punkte erreichen 1500 m und mehr. Die bedeutendste absolute
Höhe findet sich am Zaghuan, über 1000 m ; der Berg ist 1343 m
hoch. Sonst sind die absoluten Höhenunterschiede gering.
Geologisch ist Tunesien ein junges Land. Quartäre und tertiäre
Gesteine überwiegen. Harte und weiche Gesteine wechseln
häufig und bedingen ein mannigfaltiges Oberflächenrelief.
Zusammengesetzt wird Tunesien in seinem einen Teil von
einer dichtgedrängten Menge von Falten. Ihr vorherrschendster
Zug ist ihre Unbeständigkeit, die weitaus auf der Zerlegung
der Schichten in Dome und Mulden beruht. Die einzelnen
Falten zeigen die verschiedensten Richtungen, da zu der Haupt-
M Ann. de Gfeogr. XXI, S. 424.
- 54 —
faltung SW-NO des ganzen Atlas, f&r Tunesien besonders noch
eine zweite, intensive SO-NW-Faltung hinzukommt (Über die
3. Faltung siehe Perv. S. 331 und oben S. 43).
In seinem anderen süd-östlichen Teil ist unser Gebiet Terras-
senland ; ausgezeichnet durch einfache, flache Falten, die getrennt
sind durch weite, meist abflußlose Becken. Di- und Konvergenz
der beiden Faltensysteme tritt hier besonders deutlich hervor.
Im einzelnen findet sich großer Formenreichtum : Plateau
neben Rücken, Scholle neben Falte; hier langgestreckte Berge
mit sanften Abhängen, da isolierte Pyramiden steil aus der
Ebene emporsteigend; Täler und Anschwellung, Steilabsturz
und flaches Gehänge in regem Wechsel. Sogar das Material
bietet ein wechselvolles Gepräge : hier mächtige Massen eines
Gesteines, dort Konglomerate aus allen möglichen; hier dicke
Bänke mit dünnen Schichten abwechselnd : hier wieder Schichten,
die steil emporgerichtet, dort solche, die flach lagern oder in
Wellen geworfen sind.
Wir bekommen ein plastisches Gesamtbild von äußerster
Buntheit und voller Leben, ein Bild, das trefflich die Entstehung
wie die Geschichte des Gebietes wiedergibt; denn in seiner
Geschichte und seiner tektonischen Entwicklung tritt uns
unser Gebiet ebenfalls als ein „Gebiet der Bewegung und der
Veränderung der Zustände' entgegen. Auch in dieser Hinsicht
nimmt Tunesien, wie in seinem Klima, seinem Auf- und Umriß
am Charakter des Mittelmeergebietes teil.
Nach seinen Hauptzttgen können wir Tunesien als die öst-
liche Abdachungs-, als die Austönungszone des Atlas-
gebietes, genauer seines südlichen Faltenzuges: des Saharaatlas
bezeichnen. Als solche scheidet sich Tunesien gut von seinem
westlichen Nachbarlande Algerien. Die Hauptunterschiede der
beiden Länder sind:
1. Allgemein : In Algerien schroffe Gegensätze, hier: Milderung
in geologischer, klimatischer und orographischer Beziehung,
letztere sowohl was Geschlossenheit wie Höhe und Länge
der Ketten anlangt.*)
^) Hierzu gehört auch, daß Algerien in mehrere dentUche Zonen,
klimatisch wie geologisch, zerfällt, während in Tunesien diese Anordnung
zurücktritt. Tunesien = Gebiet der Auflockerung ! — Leroy - Beaulieu nennt
Tunesien: ,une continuation trös adoucie de TAlg^rie.'
— 55 —
2. Im einzelnen: morphologisch: dort wenige aber hohe,
geschlossene und einander ziemlich parallele Ketten.
Hauptsächlich WO-Richtung. Zwei Faltensysteme: Tell-
und Saharaatlas; hier eine Menge immer niedriger und
kürzer werdende Ketten mit mannigfachen Richtungen,
vorwiegend SW-NO, im Gesamtverhalten aber divergierende
Richtung. Die Falten gehören allein dem System des
Saharaatlas an. Aus dem Verhalten der Faltenzüge ent-
springt für Algerien eine Anzahl hoher, abgeschlossener
Bergländer, für Tunesien aber Mangel an solchen.^)
3. Verkehrsgeographisch (bedingt durch den Aufbau der Länder):
In Algerien vorwiegend NS -Verkehr auf verschiedenen
einander parallelen Wegen, kaum Querverkehr, verschiedene
Verkehrszentren. In Tunesien NO-Verkehr mit gutem Quer-
verkehr. Gewisse Divergenz der Verkehrsstraßen, wobei
aber e i n Hauptbrennpunkt des Verkehrs sich heraushebt.
Nach diesen großen Unterschieden ist die Grenze zwischen
den beiden Ländern Algerien und Tunesien zu ziehen. Sie
trennt unser Land als ein völlig selbständiges, geographisches
Individuum ab. Ihr Verlauf geht der Ostküste parallel in NS-
Richtung vom Kap Roux zum Schott Rharsa.
Tunesien bildet in dieser Abgrenzung einen annähernd
rechteckigen Klotz. Seine nördliche Begrenzung ist eine echte
Mittelmeer-, d. h. Abbruchsküste. Steil hebt er sich aus großer
Tiefe empor und steigt ebenso steil vom Meeresspiegel aus
weiter. Die 100 m Linie des Meeres wie des Landes (auch
dessen 300 m Isohypse) verlaufen in allernächster Nähe der
Küstenlinie und ihr deutlich parallel. Die Üferlinie zeigt einen
ziemlich geschlossenen, geraden (NO) Verlauf, da wir es hier
mit einer Längsbruchküste zu tun haben. Ausbuchtungen finden
sich nur dort, wo eine Gebirgskette die Uferlinie erreicht.
Nicht minder scharf begrenzt ist der Klotz im Süden durch
die tiefe*) Einsenkung der Schotts und die sie im Norden um-
rahmenden Ketten. Letztere bilden in ihrer Gesamtheit einen
ziemlich geschlossenen Zug, der rasch von den Schotts aus an-
») Vgl. Th. Fischer, Mittelmeerbilder I S. 410.
') Natürlich relativ zu verstehen, denn Dicht alle Schotts reichen bis
unter den Meeresspiegel. Schott el Djerid liegt über dem Meeresspiegel.
(Geol. Zeitschrift 1895, a 694.)
— Be-
steigt , was sich deutlich im Verlauf der 100 m (auch 300 m)
Isohypse ausprägt.
Ganz andere Verhältnisse treten uns an der Ostabgrenzung
unseres Sockels zutage. Während im Norden und Sfiden die
Grenze ziemlich gradlinig verläuft, zeigt sie hier eine Menge
Ein- und Ausbuchtungen. Weiter hebt sich der Landsockel hier
ganz allmählich aus dem Meere heraus, steigt ebenso allmählich
von der üferlinie aus weiter. Die 200 m Linie liegt weit ab ;
auch die 100 m Linie schon beträchtlich weiter als im Norden.
Die 200 m Linie umfaßt noch alle Inseln und kennzeichnet sie
dadurch als Reste des ehemaligen Festlandes. Sie sind alle nur
durch einen schmalen, wenig tiefen Meeresarm vom Festland
getrennt.
Ähnlich wie die 100 m Linie verhält sich die 100 m Isohypse.
Auch sie liegt ziemlich weit ab von der Uferlinie und kenn-
zeichnet dadurch deutlich das langsame Ansteigen des Landes.
Eine scharfe Trennung zwischen Meeresboden und Fest-
landsoberfläche ist hier nicht vorhanden, sodaß wir auf dieser
Küstenstrecke weniger von einer Uferlinie als von einem Ufer-
bande reden können. Es äußert sich dies Kttstenband in der
häufigen Haff- und Seenbildung entweder durch Zertrümmerung
des Landes durch das Meer oder durch Küstenversetzung durch
Neerströme und durch Anschwemmungen der Flüsse (auch Hebung
des Landes). Weiter tritt das bandförmige Verhalten der Küste
im Verlauf der 100 m Linie und 100 m Isohypse hervor, die
beide der Uferlinie deutlich parallel laufen. Jeder Aus- oder
Einbuchtung der Uferlinie entspricht auch ein Vorsprung oder
eine Einkerbung der 100 und 200 m Linie.
Der allgemeine Verlauf der Küste steht in engem Ver-
hältnis zur Plastik der Oberfläche. Er ist abhängig von den
Faltenzügen des Atlas. Jeder Erhabenheit der Oberfläche ent-
spricht ein Vorsprung der Uferlinie, jeder Einsenkung dort, hier
eine Einbuchtung. Der flache Golf von Hammamet z. B. ist
die Fortsetzung der Mulde des Zerud, die Halbinsel Dakhla
wie der stumpfe Landvorsprung zwischen Sousse und Mahares
die Fortsetzung von Höhenzügen. Nur an einer Stelle erleidet
dies Verhältnis eine Ausnahme. Es ist dies am Golf von Tunis.
Wo er jetzt liegt, sollte man eigentlich als Verlängerung der
Hauptkette einen Vorsprung des Landes erwarten. Daß gerade
— 57 —
das Gegenteil stattfindet, wird durch die große Verwerfnngs-
linie des Zaghaan verursacht.
Ihrer Anlage nach haben wir hier eine Querkttste vor uns.
Der Charakter einer solchen ist aber sehr verwischt worden
durch Hebung') und Neubildung von Land, sodaß heute die
Falten nur noch am Kap Ras Tarf (südöstlich von Bizerta),
am Golf von Tunis (mit dem bou Kournein) und am Kap Bon
an das Meer gelangen. Hierdurch bekommt das Gestade, be-
sonders in seinem südlicheren Teil, mehr den Charakter einer
Schollenküste, doch nicht soweit, daß es seine wirtschafts-
geographisch wichtige Eigenschaft als Aufschließungsküste ein-
büßte. —
Auf dem Sockel baut sich das bunte Bild der Bodenplastik
auf als eine mehr oder weniger gewellte Oberfläche. Das beste
Bild derselben würde eine Reliefkarte darstellen. Eine solche
ist aber bei der noch recht mangelhaften Festlegung des Landes
vorläufig noch nicht möglich. Von einigen kleineren Gebieten
eine herzustellen ist schon versucht worden. So gibt es vom
nördlichen Teil des Landes . eine Reliefkarte von E. Crouzet,
E. Ruisband und Ch. Blondel 1: 100000; Höhe verfünffacht,
ebenso eine solche von der Oase Nefza und der Umgebung
von Bizerta, Tunis, Sfax und Sousse.
In Ermangelung einer Reliefkarte können wir uns völlig
mit der Isohypsenkarte begnügen, die uns ein ganz gutes und
den Umständen entsprechend ziemlich genaues Bild der Boden-
plastik gibt. Die beiliegende Höhenschichtenkarte ist teilweise
ein erster Versuch einer solchen von Tunesien. Die Linien
gleicher Höhe wurden nach den mit Isohypsen versehenen
Blättern der Karten des Service geographique de 1' Arm6e, Paris
1 : 200000 und 1 : 50000, soweit sie erschienen waren, her-
gestellt. Wo diese noch nicht vorhanden waren, mußten die
Höhenangaben der provisorischen Ausgabe 1: 200000 und die
höchst ungenaue erste Ausgabe derselben Karte mit Isohypsen
vom Jahre 1885 genügen. Dazu kamen noch aus den benützten
^) Die Hebong^en des Landes (ob solche hente noch stattfinden, ist
nnbestimmt) hat man an alten Strandlinien nachgewiesen. So hat man am
Kelbiasee einen alten Strandwall nachgewiesen, der 10—20 m höher als das
heutige Wassernivean liegt. Und Parran hat littorale Dttnen bis 200 m hoch
gefunden. (B. S. G. XVIII, 1890, S. 245. )
— 58 —
Schilderungen des Landes ausgezogene Höhenangaben. Im
großen und ganzen dürfte das Bild der Wirklichkeit ziemlich
entsprechen.
Durch Flächenkolorit sind die einzelnen Höhenstufen 0 —100;
100-300; 300-500; 500—1000; 1000-1500 hervorgehoben.
Als Maßstab der Karte wurde 1: 1 Mil. gewählt. Über die
Größen- und Höhenverhältnisse Tunesiens ergaben sich nach
wiederholten Messungen auf beiliegender Karte:
Größe des Gebietes (bis zu den Schotts) 76640 qkm.
FQr die einzelnen Höhenschichten ergab sich
von 0— 100 m 21130 qkm ungefähr 28% des ganzen Landes
„ 100- 300 „ 18960 , , 25% „ ,
, 300- 500, 14420 , , 19% „ „
, 500— 1000 „ 18250 , „ 24% „
,1000-1500 „3 455 , , 4,5% „
76215 qkm
Das Resultat 76215 qkm kann, mit dem Mittelwert 76640
verglichen, als hinreichend genau bezeichnet werden, wenn man
bedenkt, daß die einzelnen Höhenschichtenflächen nicht ein ge-
schlossenes Ganze bilden, sondern noch eine Menge kleiner
abseitsliegender Fetzen enthalten. Als mittlere Höhe Tunesiens
y
ei-gibt sich (nach Formel p = H; Wagner Geographie 1903 S. 239)
etwa 700 m ^). Mit anderen Zahlen konnte kein Vergleich ge-
zogen werden, da die einzigen derartigen Zahlen (von du Cou-
dray la Blanchöre in: Tam^nagement etc.) sich auf die ganze
Regentschaft (13,5 Mil. ha) beziehen. Der höchste Punkt ist
der Dj. Chambi mit 1544 m. Die größte absolute Höhe finden wir
am Zaghuan mit etwa 1200 m. Unter dem Meeresspiegel
liegt nur der Schott Rharsa (— 26 m) und die Sebkra Moknine
(—10 m, nur 60 qkm) (s. Flick und Pervinquiftre S. 198).
Die Plastik Tunesiens.
Erklimmen wir einen Berggipfel, so läßt sich bei der
Überaus klaren Luft der größte Teil des Landes überblicken
wie auf einer großen geographischen Karte. Und reichlich
') Die Zahl 700 als mittlere Höhe ist vielleicht noch za hoch, 600 m
ist wahrscheinlich richtiger.
— 59 —
belohnt sich die Mfihe des Erklimmens eines Gipfels durch das
abwechslungsreiche Bild, das sich dem Blicke darbietet. Ein
wechselndes Nebeneinander von Hoch- und Tiefformen in den
mannigfachsten Gestaltungen !
„Vor allem ist das Landschaftsbild bedingt durch die
zahllosen Djebels oder Ketten, die wie Welle auf Welle auf-
einanderfolgen bis zum fernsten Horizont. Das Bild erinnert
lebhaft an unsern Jura, ist aber viel ausgedehnter und groß-
artiger, die Falten sind lockerer und isolierter; sie setzen sich
nicht auf längere Strecken fort, große Ebenen und weite Täler
schieben sich ein. Eine Falte taucht auf, die andere unter,
oft nicht in gleicher Richtung, sondern verschoben. Man ver-
mißt in diesem Bilde große, deutlich weithin zu verfolgende,
beherrschende Ketten." ') Dies ist in großen Strichen das Bild,
welches sich uns von einem Berge aus bietet. In der Gesamt-
heit herrscht also in dem Bilde eine ziemliche Regellosigkeit
und Buntheit vor. Diese Buntheit in den großen Zügen ist im
kleinen wieder zu finden und wird hierdurch noch mehr ver-
größert. Reicher Wechsel zeigt sich im Anblick der kleinen
Formen infolge der Verschiedenheit in der geologischen Zu-
sammensetzung und der klimatischen Einwirkung. Hier roter
Sandstein und bunter Mergel, dort weißer, helleuchtender,
scharf vorspringender Kalkstein; hier grttner Wald und reiche
Felder, dort kahle Steppe oder gar öde Wüste.
Trotz dieser Regellosigkeit gewinnt das Bild doch eine
gewisse Einfachheit durch einige vorherrschende Züge. Soviele
Faltenzüge auch aufeinanderfolgen — Baltzer zählt von Tabarka
bis zu den Schotts (320 km) etwa 25 Ketten, — die meisten
Ketten ordnen sich in annähernd NO-Richtung aneinander. Durch
das Vorherrschen dieser Richtung wird das sonst bunte Bild
sehr gemildert. Dazu kommt nun noch, daß die Menge der
Faltenzüge in drei größere Gruppen zerlegt wird durch zwei
ebenfalls NO verlaufende Becken, durch das Tal des Medjerda
und des Zerud. Das Medjerdatal, die Verlängerung des Golfes
von Tunis, scheidet deutlich ein nördliches an der Küste ver-
laufendes Faltenbündel von einem diagonal durch Tunesien
verlaufenden. Dieses Faltenbündel ist wieder von dem süd-
^) Baltzer: Beiträge zur Kenntnis des tunesischen Atlas S. 29.
— 60 —
östlichen Teil des Landes gut durch die Mulde des Wed Zerud,
dessen Verlängerung der Golf von Hammamet bildet, getrennt.
Vor allem hebt sich deutlich durch die beiden weiten
Senkungsfelder, die ihn auf beiden Seiten begleiten, der mittlere
Gebirgszug hervor, den wir seiner Lage nach am besten mit
^tunesischer Rücken" bezeichnen.
Die geographisch wichtigste Rolle dieses „Rückens^ be-
steht darin, daß er Teiler von ganz Tunesien ist. Er scheidet
Nord- von Südtunesien, das entwässerte vom abflußlosen Gebiet.
Im Norden von ihm haben wir immerfließende, bis zum Meer
gelangende Flüsse, im Süden nur zeitlich wasserführende, meist
in abflußlose Becken endende Weds (Wadi). Dort mannigfaltige
Landschaftsformen im steten Wechsel, die Gehänge überwiegend
mit Bäumen und Sträuchern, die Ebenen mit bebauten Feldern
bekleidet, dazu echtes mediterranes Klima, hier im Süden große
Strecken völlig kahl, höchst eintönig, Charakter und Klima
wüstenähnlich. ^) Diese Gegensätze liegen aber nicht dicht bei-
einander, sondern das breite Band des tunesischen Rückens
bildet den allmählichen Übergang. Wir bekämen damit drei
größere Gebiete, in die sich Tunesien orographisch gliederte:
1. Nordtunesien: das Gebiet gleichsinniger Abdachung, aus-
gezeichnet durch echte Erosionsformen; fast durchweg,
mit einigen wenigen Ausnahmen, unter 1000 m gelegen.
(„Region der äolischen Denudation^.)
2. Das breite Band des tunesischen Rückens: dies Gebiet
liegt meist über 1000 m und ist gekennzeichnet durch be-
sonders starke Anhäufung der Faltenzüge.
3. Die Südzone, das Gebiet der ungleichsinnigen Abdachung,
der Schotts und der Sebkra. Bodenplastisch zeichnet es
sich aus durch wenige, schwache Faltenzüge, die aber
gut zu verfolgen sind, da die einzelnen Ketten ziemlich
eng verbunden sind und unter sich getrennt werden durch
weite, meist abflußlose, breite Mulden. („Region der äolischen
Aufschüttung".)
Diese drei Hauptteile Tunesiens gliedern sich wieder in
Unterabteilungen. Auf letztere kommen wir später näher zurück.
Gehen wir vorläufig erst auf die Teilung in die Zonen etwas ein.
>) Der tunesische Rücken ist ebenfaUs Wind- and Regenscheide.
— 61 —
Geschichtlich gliedert sich Tunesien meist in zwei Pro-
vinzen: Zeugitanien und Byzacium. Es findet sich diese Ein-
teilung zur Zeit der Karthager, Römer und Oströmer. Die Grenze
zwischen den beiden Teilen verlief vom Golf von Hammamet
ostwestlich quer über den tunesischen Rücken zur algerischen
Grenze (vgl. Spruner-Menke).
Bodenplastisch bedingt war diese Einteilung nur insofern,
als Zeugitanien das Gebiet des Medjerdatales und Byzacium
das des Sahel nebst seiner nächsten Umgebung umfaßte, beides
damals äußerst fruchtbare Landstriche. Heute ist Tunesien
ebenfalls wieder in zwei Verwaltungsbezirke (Nord und Süd)
eingeteilt, die ungefähr durch den tunesischen Rücken getrennt
werden. ^)
Außer dieser Zweiteilung Tunesiens finden wir sonst in
der Literatur in der Einteilung des Gebietes eine bunte Mannig-
faltigkeit. Meist wurde es nach klimatischen Faktoren ge-
gliedert. So hat Reclus drei Regionen: Wald-, Tell-(Steppen)-
und Wüsten-(Sahara)gebiet. Nach denselben Prinzipien scheint
auch Pervinqui^re seine Teilung in drei Zonen vorzunehmen,
wenigstens nennt er seine Nordzone ein ausgesprochenes Wald-
gebiet. ') Nähere Begründung dieser Gliederung gibt er nicht an.
Mager wiederum unterscheidet vier Teile nach „natürlichen
Gesichtspunkten**: 1. Sahel, sehr fruchtbar ; 2. Teil, bergig, an-
baufähig; 3. die Steppe im Innern: Weide für Kamele und
Schafe; 4. Sahara (von den Arabern „Djerid** genannt) = Region
der Schotts, der Sanddünen und Palmoasen. Coudray unter-
scheidet sogar fünf Gegenden, indem er noch das Gebiet der
„südlichen Berge** zwischen dem Saharagebiet und Hochplateau
als Sonderteil rechnet. *) — Alle diese Einteilungen gingen meist
vom klimatischen Standpunkt aus. Der erste, welcher nach dem
„natürlichsten'' Gesichtspunkt, nach der Oberflächengestaltung
das Land gliedert, ist Monchicourt. (1901.) Er unterscheidet eine
eine NW-Hälfte, den Teil, und eine SO-Hälfte, die Steppe;
') Monchicourt : le Mactar. Ann. X, S.350. (Bezeichnet sie hier als
die Gebiete des ,Teir und der .Steppe'.)
•) Pervinquiere, Annal. d. Geog. IX, S. 435.
') Die Mehrzahl dieser Einteilungen fußte auf der Annahme, daß sich
die algerischen Zonen nach Tunesien fortsetzten.
*) Coudray : a. a. 0. S. 1.
— 62 —
erstere: das bergige Gebiet mit Falten in SW-NO-Richtung, die
Steppe aber (weniger bergig) mit Richtung der Falten in SN.
(Vgl. le Mactar : Ann. d. G. X, S. 346 und 348.) Dieser Ein-
teilung als der natürlichsten schließen wir uns an, nur betrachten
wir das trennende Band zwischen beiden, den tunesischen
Rücken, als gesonderten dritten Teil. Als solcher hebt er sich
ja auch hinreichend von den anderen beiden ab. [Monchicourt
hat im Grunde genommen ebenfalls diese Dreiteilung, denn sein
,, Teilgebiet^ wird durch den Medjerda in den „nördlichen und
südlichen Teil" zerschnitten.]
Die Abgrenzung dieser drei Teile ist wie bei allen der-
artigen Einteilungen nicht überall streng durchzuführen. Es
finden sich vielmehr Gebiete, in denen die einzelnen Teile in-
einander verschmelzen. Im allgemeinen läßt sich aber diese
Dreiteilung hinreichend scharf durchführen. Auch klimatische
Faktoren wirken in demselben Sinne, sodaß die einzelnen Zonen
sich gut abheben. —
Beim Durchqueren des Landes von der Nordküste in Süd-
richtung kommt man zuerst in ein wenig bewohntes Waldgebiet
.von wilder Schönheit, wo sich ein Berg an den anderen reiht;
dann in das große Längstal des Medjerda, das gut bebaut und
reich belebt ist von zahlreichen Siedelungen und regem Verkehr
(für nordafrikanische Verhältnisse natürlich). Dann steigt man
empor durch Quertäler (meistens) in die schon ziemlich rauhe
Zentralzoue des tunesischen Rückens, wo aber Steppen noch
reichliche Weiden bieten ; dann hinab nach Süden in ein mehr
oder weniger wüstes Gebiet, fast nichts als Sand, hie und da
nur unterbrochen durch eine Oase, die dann meist um so frucht-
barer ist und herrliche Früchte — von hier kommen zum Bei-
spiel die besten Datteln — zeitigt.*) Ein buntes Bild! Welch
große Gegensätze auf engem Raum!
1. Der tunesische Backen.
Bei der Betrachtung der Bodenplastik von Mitteltunesien
können wir uns mit einem kurzen Überblick über die Haupt-
^) Ein ähnliches Verhalten wie bei den Ostalpen. Man vergleiche:
Partach, Mitteleuropa S. 22.
— 63 —
grundzttge dieses Teiles begnügen, da uns über ihn treffliche
Schilderungen vorliegen in den Arbeiten von Monchicourt, Per-
vinqniöre und Rolland.
Der tunesische Rücken, von Monchicourt ^) als südlicher
tunesische Teil, von Pervinquifere als Zentralzone *), von Reclus •)
als Region der tunesischen Steppe bezeichnet, bildet nach seiner
Lage und Gestalt die Achse des ganzen Landes. Wie eine
Diagonale durchzieht er das ganze tunesische Rechteck in
SW — NO Richtung bis zum Kap Bon, breit an der algerischen
Grenze ansetzend und nach der Küste zu immer schmäler
werdend. In ihm liegen, nach SW zu, die höchsten Höhen;
von ihm dacht sich das Land nach beiden Seiten hin ab. Es
spiegelt sich dies wieder in der Hauptwasserscheide des Landes
(diejenige zwischen dem Medjerda- und dem SO-Gebiet), die
sich über den ganzen Höhenrückenzug hinzieht. Aus seiner
Umgebung hebt sich der Gebirgszug noch besonder» deutlich
hervor durch die Menge der Faltenzüge, die ihn zusammen-
setzen und ihm einen ziemlich geschlossenen Anblick verleihen,
dann aber auch dadurch, daß ihn auf beiden Seiten die breiten
Einbruchsbecken des Medjerda und des Zerud begleiten. Er
ist also ein Horstgebirge, und seine Bezeichnung als „tunesischer
Rücken** völlig berechtigt.
Der tunesische Rücken ist ersichtlich die nordöstliche Ver-
längerung des Auresgebirges. Es liegt darum nahe, bei Betrach-
tung dieses tunesischen Höhenzuges auch die östlichen Ketten
des Auresmassives etwa zwischen Tebessa westwärts bis Ken-
chela, welche die Wurzeln der tunesischen Falten bilden, mit
einzuschließen. ^) Da wir aber Tunesien als die Austönungszone
des Atlas auffassen und weiter unter Tunesien natürlicherweise
nur das Gebiet verstehen, welches unmittelbar noch dem Einfluß
der Ostküste, insbesonders der Buchten, ausgesetzt ist, so fällt
das Gebiet vom Auresmassiv ostwärts bis zu einer annähernd
*) Monchicourt: le Mactar Ann. X, S. 346.
*) Annal. d. G6ogr. IX, S. 438.
') Reclus: l'Afrique septentrionale Tome XI, S. 145.
*) Fichenr , Annal. d. Geol. XI, S. 433 : La description des chaines de
Tebessa et d'Ain Beida serait mieax a sa place dans one 6tade sor le
relief de la Tunisie, dont ces chaines constitnent Tamorce et pr^sentent les
principaux caract^res orotectoniqnes de la r6gion tnnisienne.
— 64 —
NS-Linie, die etwa Tebessa mit Tamerza verbindet, aus dem
Rahmen einer Betrachtung des Reliefs von Tunesien heraus.
Denn das Gebiet westlich dieser NS-Linie ist infolge seiner
bedeutenderen Höhe und des Zusammendrängens von einer Menge
Falten auf viel engerem Raum als östlich jener Linie noch als
Massenanschwellung eng verbunden mit der des Aures anzu-
sehen. Außerdem wenden sich die Beziehungen dieses Gebietes
vorwiegend in meridionaler Richtung zur Nordkttste, der Einfluß
der Ostkttste ist sehr gering. (Meerferne nach Norden etwa
150 km, nach Osten Ober 200 km.) Trotz der großen Ähnlichkeit
mit Tunesien in den Hauptzügen seines Reliefs ist das Gebiet
also besser Algerien zuzurechnen.
Wir lassen somit den tunesischen Rücken an einer unge-
fähren NS-Linie Tamerza-Dj. Safsaf-Zebissa-GouUeul beginnen,
wobei uns teilweise unwirtliche Bergmassive, teilweise auch
tief eingeschnittene Täler und Engpässe eine ziemlich gute
Abgrenzung geben. Von dieser Grenze durchquert der Rücken
bajonettförmig das Land in einer Läige von etwa 300 km und
größter Breite von etwa 150 km.
Er besteht aus verschiedenen Systemen von Ketten und
Höhen, die ziemlich nuteinander zusammenhängen. Der wesent-
lichste Charakterzug dieser Kette ist ihr äußerst zerbrochenes
und mannigfaltiges Relief. Berge, Plateaus und Ebenen sind
hier gegenseitig ineinander geschachtelt, ohne daß eine dieser
orographischen Formen einem größeren Raum ihre Eigenart
aufprägt, und so entspringt hieraus eine höchst zerstückte
Landschaft, gegliedert in Abteilungen mittlerer und ziemlich
gleicher Größe. „Ein Damenbrett, dessen etwas gerundete und
in die Länge gezogene Felder sich mit wechselnder Höhe an-
einanderreihen, dürfte ein richtiges Bild geben.* *) Trotz seiner
Zerbrochenheit macht der tunesische Rücken einen geschlossenen
Eindruck durch die Menge der Faltenzüge und Überwiegen
der einen (SW-NO) Richtung derselben. Zwei Teile lassen sich
in dem tunesischen Rücken unterscheiden. Ein ziemlich breiter
SW-Teil mit der Form eines Vierecks, zusammengesetzt aus
verschiedenen Faltenzügen, und ein langgestreckter, bandförmiger
NO-Teil, hauptsächlich aus einem Faltenzug bestehend, der
^) Monchiconrt, Annalen, S. 346.
— 65 —
„besonders von Domen wie ein Rosenkranz^ gebildet wird.
(Perv. Ann. 1900.)
Der SW-Teil bildet für sich ein geschlossenes Qebirgs-
viereck. Es hebt sich mit seiner Masse wuchtig aus dem Relief-
bilde des Ganzen heraus wie eine hochgelegene Festung und
schickt, wie eine solche Forts, einzelne Faltenzüge nach allen
Richtungen vor. Die Verbindung mit dem flacheren Lande stellen
die Flüsse her, die von ihm strahlenförmig nach allen Seiten
abfließen. Nach seiner Lage inmitten von Tunesien bezeichnen
wir es mit Recht als Zentralmassiv. Es ist identisch mit dem
von Pervinqui^re gut durchforschten und beschriebenen „Tunisie
centrale^. Wir können uns darum hier mit seinen bodenplastischen
Hauptzügen begnügen, die wir den Werken Pervinqui^res ent-
nehmen.
Die Grenzen dieses Gebirgsviereckes sind im Süden die
Kreidekalkkette von Feriana, Dj. Selloum, Nouba-Mhrila-Barbe-
rou-Hamada el Eessera, nach Nordost und Norden Koudiat des
Oulet Ayar, Dj. Kremensa, nach Westen der Mzita, Kalaat es
Snam, dann unsere Westgrenze bis zum Dj. Serraguia (N). Die
Eckpunkte des etwas verschobenen Vierecks bilden die Hamada
el Eessera, Dj. Kremensa, Dyr-Goulleul und Serraguia.
Das Gebiet liegt durchweg über 500 m; nur an drei Stellen
au der Südgrenze tritt die 500 m Isohypse dicht heran. Als
durchschnittliche Höhe dürfen wir wohl nur 800 m annehmen.
Insgesamt betrachtet ist es, trotzdem es den höchst gehobenen
Teil Tunesiens darstellt, immer nur als bergiges Gebiet zu
bezeichnen. (Perv. Etüde, S. 14.) In seinem Relief nimmt es an
dem allgemeinen Bild Tunesiens teil. „Was es charakterisiert, ist
hauptsächlich der Reichtum an Hügeln und kleinen Bergen, deren
relative Höhe selten 500—700 m überschreitet. Sie heben sich
gut aus dem Landschaftsbild, da sie meist durch breite Täler
und sanfte Mulden getrennt sind. Auch hier gibt es, wie im
übrigen Tunesien, keine auf große Strecken gut ausgezogene
Kette, sondern nur ein Aufeinanderfolgen von kleinen Massivs
in annähernd derselben Richtung.^
Letzteres ist besonders im südlicheren Teil des Zentral-
massives zu beobachten, sodaß man hier mehrere Ketten unter-
scheiden kann. Eine Hauptkette, die sich im schön geschwun-
genen, nach Nordwesten offenen Bogen vom Dj. Serraguia über
— 66 —
Dj. Mhrila bis zur H. el Kessera zieht und nur an einigen
wenigen Stellen stark unterbrochen ist. Nördlich von derselben
und ihr ziemlich parallel verläuft eine zweite niöht minder
mächtige Kette, die aber mehr zerstfickt ist als die Hauptkette.
In ihr liegt der höchste Punkt Tunesiens, der Dj. Chambi
(1544 m), dessen mächtige, auf allen Seiten steil abstürzende
Dolomitbänke einen großen Eindruck hervorrufen und aus dem
Landschaftsbild sich stark herausheben. Nach Süden zu sind
beide Ketten von einzelnen Massiven oder kleineren Faltenzügen
begleitet. So der Dj. Chambi von Krechem el Kelb „Hundenase",
der sich einsam aus der Talmulde zwischen den beiden Ketten
erhebt; die Hauptkette aber von zwei einander ziemlich parallelen,
schwächer gefalteten Ketten, die sich aus mehreren in einer
Richtung hintereinander liegenden Bergen zusammensetzen.
Nach SW zu sind diese Falten abgeschnitten durch das
Tal des Abiod-Ksob. Eine weitere, breite Unterbrechung er-
leiden sie in ihrem nordöstlichen Verlauf durch die Einbruchs-
täler des Hathob und des Sguiffa-Hatob (Nord). Der Teil
zwischen den Bruchlinien des Ksob und Hathob ruft auf der
Karte den Eindruck hervor, als wenn auf ihn ein verstärkter
faltender Druck von NW ausgeübt worden wäre, und dadurch
sich die nördlichere Kette (Chambi) gegen ihre beiden Enden,
den Dj. Djellal und Semmama, verschoben, die südlichere Haupt-
kette aber sich ausgebogen hätte. Die beiden Nebenketten im
Süden würden dabei das Resultat einer Stauung an der Falte
Sidi Aich sein. Auf jeden Fall haben wir hier ein ausgesprochenes
Faltungsgebiet mit einer meistenteils sehr vollkommenen paral-
lelen Anordnung der Kreide-Ketten in der Richtung SW-NO
und zwischen den gefalteten Gebieten einzelne beckenartige
Senkungsfelder, meist aus jüngeren Ablagerungen gebildet.
Einen ganz anderen Anblick gewährt der nördlich einer
Linie, die die Senkungsfelder der Bahiret Foussana, des Sguiffa
und die Hamada el Kessera verbindet, gelegene Teil des Ge-
birgsvierecks.
Nur im W sind zwei faltenartige Bergzüge zu unterscheiden.
Vom Dj. Dyr bei Tebessa reihen sich nach NO bis Dj. Slata und
nach Osten bis Dj. Bireno eine Anzahl von einzelnen Bergen zu
zwei Ketten zusammen. Beide rufen aber einen wenig ge-
schlossenen Eindruck hervor, der noch dadurch vermehrt wiixi.
— 67 —
daß einzelne Bergmassive quer zur Richtung der Ketten- Achse
sich stellen. In dem übrigen Teile herrscht eine bunte Regel-
losigkeit in den Richtungen der einzelnen tektonischen Gebilde
wie in ihren Formen. Keine ruhige, lang ausgezogene Linie
findet sich, keine Gegend, deren Physiognomie durch das Vor-
wiegen einer Landschaftsform bestimmt würde. Nur auf den
Domen mit ihrer eigentümlichen, anziehenden, ruhigen Form
bleibt das Auge gerne länger haften in dem bunt bewegten
Allerlei. —
Das Gebiet nördlich von Thala (etwa bis Kef) ist aus-
geprägtes Mittelgebirgsland. Weite Ebenen herrschen vor. Aus
ihnen erhebt sich eine ziemliche Zahl gerundeter, isolierter
Massive, lauter Dome, so z. B. der Dj. bou Haneche, Zrissa,
Slata u. a. Selten erreichen diese Dome die Höhe von 1000 m.
Der Dj. Slata hat eine von den anderen Domen völlig verschiedene
Gestalt; indem er in eine scharfe Spitze endigt, die durch drei
Faltensysteme, die in ihm zusammentreffen, verursacht ist.^) —
Zwischen den Domen tauchen hie und da kleine Hochplateaus
auf, die im allgemeinen den Domen in der Gestalt ähneln, deren
gehobene Ränder aber häufig wahre Berge bilden. Es sind dies
die Kalaats. Das beste Beispiel einer Kalaat ist die Kalaat es
Snam, eine ausgezeichnete natürliche Festung. Sie erinnert
mit ihrer Tischform lebhaft an manche „Steine^ im Eibsand-
steingebiet der sächsischen Schweiz, bietet aber einen viel groß-
artigeren Anblick, da sie in einem Plateau endigt, das auf allen
Seiten über 50 m tief steil abstürzt.^) Im großen und ganzen
haben wir hier eine Gegend von Hochplateaus, die durch die
»Zeugen", den Kalaats, einen besonderen Zug erhält. —
Im Osten dieses zusammengehörigen Gebietes von Thala
bildet bei Ksour und Maktar die Hamada der Ouled Ayar und
Ouled Aoun ein weites Plateau, das durch tiefe Flußtäler in
eine große Zahl Abteilungen zerschnitten ist.*) Einige durch
die Erosion weniger mitgenommene und so hervorragende Teile
sind unregelmäßig in ihr zerstreut, z. B. die Kalaat el Harrat
und Kalaat es Senoubrine. Auch der Dj. Haraza, Skarna (Nord)
*) über Gestalt und Entstehung der Dome s. S. 46.
') Kalaat s. näheres auf S. 48.
^ Ober dies Grebiet liegt uns die ausführliche Arbeit von Mönch icourt
le liactar Ann. X, S. 346 f. vor, der wir uns hier meistens anschliefien.
— 68 —
and Belota verdienen die Bezeichnung „Berg*', während die
Synklinalen Ellez Massonge und Mided eher diejenige ,, Täler ^.
Die hervorragenden Teile hier sind meistens darch Erosion ge-
schaffen. Der Sekarna z. B. verdankt seine Entstehung einer
Numulitenkalkerhebung, deren obere Schichten der Verwitterung
großen Widerstand entgegensetzen. — Für dieses Plateau um
Maktar oder besser fttr diesen ungeheuren sehr flachen Dom ist
die Bezeichnung „Massiv*' vorzuziehen. Benannt hat man es nach
dem ungefähr in seiner Mitte gelegenen Orte Maktar, dessen
Höhe 944 m zugleich die ungefähre mittlere Höhe des ganzen
Massivs darstellt. Dieses Gebiet verdiente allein den oft fOr
ganz Mittel-Tunesien widerrechtlich gebrauchten Namen: Hauts-
Plateaux. Da aber diese aus Algerien flbernommene Bezeichnung
dort für ein ganz anders geartetes Gebiet gebraucht wird, lasseu
wir sie für Mittel-Tunesien am besten fallen.
Rings um das Maktar-Massiv breiten sich weite Ebenen
— die höchstgelegene erhebt sich nur bis 782 m in Sidi Ahmed
ben Eadra — ein Umstand, der ebenfalls viel beiträgt zu dem
mächtigen Anblick, den das Massiv gewährt. Die Relief hauptzüge,
die auf der Karte 1:200000 sehr gut sichtbar sind, zerlegen
das Massiv in eine Anzahl natürlicher Gebiete. Das Klima gibt
ihnen aber erst unterscheidende Züge und zerlegt das Maktar-
Massiv in zwei große Abteilungen, der des Teil im Norden und
der Steppe im Süden.
Von der Menge kleiner natürlicher Gebiete, in die sich
das Maktarmassiv zerlegt, heben wir nur die wichtigsten hervor.
Im allgemeinen kommt der Hauptcharakter des tunesischen
Rückens: außergewöhnlich zerbrochenes und mannigfaltiges Relief
hier im Maktarmassiv besonders zur Geltung. Dadurch aber,
daß in den einzelneu Gegenden die eine Formenart überwiegt,
scheidet sich das Ganze in verschiedene natürliche Gebiete. So
wird das eigentliche Plateau von Maktar eine orographische
Einheit durch das Vorherrschen der Dome. Die nördlich von
ihm gelegenen Kaidat des Ouled Ayar und Ouled Aoun wiederum
sind das eigentliche Gebiet der Kalaats und Hamaden. Starke
Erosion hat hier die fast horizontallagemden Schichten in Plateaus
und Piks zerschnitten und so jene „Erosionszeugen'' hervor-
gebracht. Ein ausgezeichnetes Beispiel einer Hamada bildet
die Kreidetafel el Kessera. Dieser Kernpunkt des ganzen Maktar-
— 69 ^
Massives liegt Über 1000 m hoch und wirkt wie eine steile
Zitadelle. Die Bezeichnung als „Kuchen^ bei den Eingeborenen
charakterisiert gut sein Hervortreten im Landschaftsbild. Es
ist die Kessera ein ödes, steiniges Plateau mit Dolmen (Perv.,
S. 263) fast 500 m über die Ebene emporgehoben. Der Rand
der Tafel ist durch Erosion in eine Reihe von Dyr und Kalaat
zerschnitten. Die Hamada el Kessera ist weiter nicht allein
Mittelpunkt des ganzen tunesischen Bildes, sondern scheint auch
ein solcher von den tunesischen Faltenbewegungen und -Rieb tungen
zu sein. Die Mehrzahl der Faltenzfige streben ihr zu, so daß
es den Anschein hat, als ob diese Tafel durch das Zusainmen-
treffen aller faltenden Bewegungen gemeinsam emporgehoben
worden ist. Besonders deutlich ist bei den beiden Ketten, welche
Mittal-Tunesien im Süden begrenzen, zu sehen, daß sie in ihrer
Richtung der Kessera zustreben. Wenn sie dieselbe nicht
erreichen, ist dies nur durch die dazwischen gekommene Quer-
faltung bewirkt worden. Denn diese macht sich in dem Gebiete
südlich der Hamada el Kessera bis zum Hatobfluß (Nord) vor-
wiegend bemerkbar, so im Koudiat Haifa, dem „Zuckerhut',
im Sekarna, Djildjil und Sidi bei Abbes, die reine Nordsüd-
(auch WO) Richtung aufweisen. Dadurch unterbrechen sie jäh
die SW-NO verlaufenden Ketten von Feriana und Dj. Chambi.
Aus einer solchen Querfaltung geht auch der typische Dom
Trozza, der das Gebirgsviereck nach Osten gegen das flache
Land abgrenzt, hervor. Ihr sind ferner die breiten Ebenen in
den Einbruchsbecken der Bahiret Fussana und das SguiSa-Hatob
zuzuschreiben. Diese Mulden, meistens ehemalige alte Seebecken,
stellen mit ihren sanften Formen und vorwiegend horizontal-
gelagerten Schichten Ruhepunkte in dem zerbrochenen und
bewegten Relief des ganzen Zentraltunesien dar, auf welche sich
das Auge gerne von dem unruhigen Landschaftsbilde zurückzieht.^)
Der nordöstliche Teil des tunesischen Rückens löst sich
mit dem Dj. Serdj von dem Gebirgsviereck ab und ist fast ohne
Unterbrechung als eine wirkliche Kette bis zum Golf von Tunis
bei Hammam Sif zu verfolgen. Einige Massive heben sich be-
sonders aus dem Faltenzug heraus. Nordöstlich vom Serdj und
Bargou geht die Kette sehr auseinander. Es wird dies verur^
') Näheres bei Tb. Fischer, Mittelmeerbilder I S. 307 f.
— 70 —
sacht durch die Domkomplexe des Fkirine, bou Saidan, Asis,
Zaghuan und andere. Dazu kommt, daß sich hier die Ketten
von Südtunesien mit dem tunesischen Rücken verschmelzen und
so ebenfalls zu einer Verbreiterung beitragen.
In der ganzen Kette herrschen die Dome vor und treten
in allen Arten auf, von den zusammengesetzten bis zu den ein-
fachen, zerbrochene, unvollständige und vollständige. Der be-
rühmteste unter ihnen ist der Zaghuan, der mons Jovis der
Römer. Er ist bei einer Höhe von 1343 m noch von Tunis
aus sichtbar und beherrscht mit seiner blauen^ zackigen Pyramide
den ganzen Horizont. Einen anziehenden Eindruck gewähren
auch die Dome Re^ass und bou Kournin, beide ebenfalls nahe
der Hauptstadt. Der Dj. Re^ass ist einer der bestbekanntesten
Gipfel in Nordafrika und gewährt einen wunderbaren Anblick:
er erhebt sich, ein ganz regelmäßiger Dom, fast 700 m hoch
unmittelbar aus der Ebene. Man hat ihn schon häufig mit dem
Mythen der Schweiz verglichen. Nicht minder anziehend wirkt
der bou Kournin, der „Vater der zwei Hörner", dessen rötliches
Felsmassiv sich unmittelbar am Golf von Tunis erhebt und so
mit seinen beiden Doppelspitzen weithin sichtbar ist. — Dieser
ganze NO-Teil des Rückens ist von einer Menge SW-NO laufender
Verwerfungslinien durchschnitten, deren bedeutendste (oft 1000 m
Sprunghöhe) die „Zaghuanverwerfung*' ist. Näheres bei Rolland :
Grande faille du Zaghuan.
Dem tunesischen Rücken muß auch noch die Halbinsel
Dakhela {el Mauin] zugerechnet werden. Die Ketten, welche die
Halbinsel bilden, gehören aber nicht zur eigentlichen Hauptkette
des tunesischen Rückens, sondern haben ihren Ursprung süd-
östlich vom Zaghuan in einer Nebenkette. Es ist also falsch,
wenn man die Hauptkette des Saharaatlas im Kap Bon enden
läßt. Sie findet vielmehr ihr Ende am Golf von Tunis im bou
Kournin.^) Die Halbinsel Dakhela ist in ihrem orographischen
^) Baltzer geht andererseits wiederum za weit, wenn er sagt, «daß
der boa Konmine das eigentliche Ende der Zentralkette und überhaupt
die findigung des großen Atlas darstellt", und meint, das Ende des Atlas
8bi nicht am Kap Hon (Bon). — Bei näherem Zusehen findet er aber doch,
-4aß eine Nebenkette des großen Atlas in die Halbinsel Dakhela ausstreicht
(vgl. Beiträge zur Kenntnis des tun. Atlas S. 40). Das Kap Bon ist demnach
als das östlichste Ende des Saharaatlas zu betrachten.
— 71 —
Bau eine wirkliche Insel, dem Festland nur durch die Ebene
von Soliman angegliedert. Ihre Ketten erheben sich selten bis
500 m, machen aber, weil nahe am Meer gelegen, einen ziemlich
mächtigen, geschlossenen Eindruck, besonders das Kap Bon
mit seinen weißen Kalkfelsen, die fast 400 m steil abstürzen.
Einstmals war das Kap das als Wind- und Wetterscheide ge-
fürchtete promonturium Mercurii.
2. Die Nordzone (Nordtanesien).
Die Nordzone scheidet sich nach ihrer Plastik in zwei
Teile, einen nördlichen, der höher gelegen und gefalteter ist,
das tunesische Küstengebirge, und einen südlichen, das tiefer
gelegene und meist ebene Gebiet: die Nordabdachung des
tunesischen Rückens.
Die Nordzone beginnt mit der Grenzkette, die sich vom
Dj. Diss bis zum Dj. Bir zieht und im Osten bei Bizerta endigt.
(Sie besteht zum größten Teil aus. eocänem Sandstein.) Im
Süden wird sie begrenzt durch das Tal des Medjerda bis zur
Einmündung des Zerud, dann in Nordost-Richtung von dem
Tale des Zerud und des Wed Tine.
Der erste Anblick dieses Nordzuges zeigt wie ganz Tunesien
nur wenig Regelmäßiges. „Ein Chaos von untergeordneten
Spitzen mit 600— 800 m relativer Höhe, ein Gewirr von Massiven
bietet sich uns dar.** •) Und all diese kleinen Ketten zeigen
nur in ihrer Gesamtanordnung eine NO-Richtung, im einzelnen
liegen sie meist quer zueinander. Die Haupterhebungen dieses
Gebietes liegen im Westen. So reicht der Dj. Bir über 1000,
einige andere Massive der Grenzkette sogar über 1200 m;
als mittlere Höhe des Ganzen können wir wohl 600 m an-
nehmen. Nach Osten zu nimmt der Küstengebirgszug an Höhe
und auch an Geschlossenheit langsam ab, fällt dagegen nach
Süden und vor allem nach Norden steil ab. Im großen ganzen be-
steht dieser Gebirgszug aus eocänem Sandstein. Nur an seiner
Abbruchsseite im Norden treten an einigen Stellen jüngere Eruptiv-
gesteine die Oberflächengestalt beeinflussend auf, indem sie spitz
vorspringende Kaps bilden, z. B. Kap Negro und Kap Serrat.
Wegen des Steilabfalles des Gebirges nach dem Meere zu
') Reclus a. a. 0. S. 157 (u. Niox, üeogr. mUit. VI,).
— 72 —
treten hier die rein erosiven Qaertäler (annähernd NS-Richtang)
als Abflußrinnen mehr hervor als die tektonischen Längstäler,
diese werden erst im Osten zahlreicher.
Bei einer näheren PrUfang der Karte läßt sich deutlich
ein östlicher von einem westlichen Teil des Küstengebirgszuges
trennen. Der westliche Teil stellt das Übergangsgebiet zwischen
Algerien und Tunesien dar, indem wir hier eine Mischung von
den bodenplastischen Hauptzttgen beider Länder finden. In
dieser Westhälfte haben wir noch ausgesprochene NO (auch WO)
Faltung und ziemlich geschlossene Ketten. Gegliedert werden
die Ketten durch Flußtäler, die meist, wie oben erwähnt, der
NS-Richtung folgen, ähnlich wie in Algerien. Es erstreckt
sich dieses Übergangsgebiet bis zu einer Linie Kap Serrat-Hedil-
Wed Zerga. *) Östlich dieser Linie tritt die für Tunesien
charakteristische Querfaltung deutlich hervor. Weiter bilden
hier vorwiegend Längstäler mit NO-Richtung die Abflußrinnen.
Betrachten wir die einzelnen Teile etwas näher. Der
Anblick, der sich uns von einem Berggipfel aus bietet, ist völlig
verschieden von demjenigen der Mittelkette Tunesiens, soweit
wir nur die Bekleidung der Oberfläche ins Auge fassen. Im
tunesischen Rücken herrscht ein bunter Wechsel zwischen vege-
tationslosen und bebauten Stellen, zwischen Wald und Steppe.
Hier sind alle Abhänge mit Wald (meist Korkeichen) bedeckt,
so daß man von einem Berge auf einen „Ozean von Grün"*) blickt.
Ein ähnliches Bild bekommen wir aber, wenn wir die Ober-
flächengestalt der beiden Gebiete nach ihrer Plastik vergleichen.
Auch hier wieder eine Menge Massive und kleiner Ketten, an-
nähernd hintereinander oder auch quer zu einander gestellt.
So lassen sich von der Grenze aus einige (3) Faltenzüge,
die sich aus mehreren kleineren Ketten zusammensetzen, gut
verfolgen. Sie lösen sich alle von dem Gebirgsknotenpunkt des
Dj. Bir ab. Die eine Kette mit annähernd SN-Richtung spaltet
sich bald nach der Trennung vom Dj. Bir und bildet mit dem
westlichen Zug Dj. Haddeda das Kap Roux, mit ihrem östlichen
^) Im Cah. du S. G. de rArm6e No. 16 wird der Zaaraflaß als Grenze
swischen den beiden Gebieten angegeben. Dies wäre eine vortreffliche Grenze,
doch muß man den Eüstenzng KefenNsoor wohl noch der Falte, die vom
Dj. Bir in NO-Richtnng ausgeht, zurechnen.
') RecluB: TAfrique septentrionale, S. 147.
— 73 —
das Kap westlich von Tabarka. Der zweite Faltenzug, oft als
Hauptzug des nördlichen Gebirges betrachtet, verläuft in NO-
Richtung und bildet von Kap Negro bis Kap Serrat die Steil-
kfiste. Dagegen zeigt der dritte Zug von Dj. Bir an anfangs
ausgesprochene WO-Richtung, teilt sich aber bald und streicht
nun mit seinen Verästelungen in NO-Richtung bis zum Kap
Blanco. Wir haben hier also wieder die drei für Tunesien
charakteristischen Faltenrichtungen und zwar miteinanider diver-
gierend. Ob dies hier aber auf die Querfaltung wie im übrigen
Tunesien zurückzuführen ist oder nur auf das Zusammenstoßen
der Falten des großen und kleinen Atlas ist noch nicht fest-
gestellt. Jedenfalls ist die südliche Kette vom Dj. Bir über
Dj. Sobbah (WO) eine echte. Saharaatlasfalte/) indem auch sie
von einer Nebenkette, dem Dj. Mrina, Tatir-Zoumia begleitet
wird. Querfaltung macht sich an verschiedenen Stellen be-
merkbar, besonders im Dj. Sra und Msid.^)
Die Gipfel (fast alle mit Kef bezeichnet) in diesem Gebiete
sind in der Mehrzahl lange Rücken, doch finden sich auch
zackige Pyramiden.
Ein ganz fremdes Element wird in dies nördliche , Wald-
gebirge durch die Wirkung des Windes hineingebracht. Dünen
aus beweglichem Sand, wie man sie sonst nur in Südtunesien
noch findet, bedecken (südlich des Flusses Zuara besonders) die
Küste oft bis 8 km in das Land hinein. Häufig werden diese
Hügel-Dünen 40 m hoch (dunes de coteaux). Meistens treten
sie an der Ausmündung von größeren Tälern auf. Die Sande
sind durch atmosphärilische Agentien geschaffen und besitzen
große Beweglichkeit (Parran 245). Jährlich wandern diese
Dünen etwa 1 m in SO -Richtung langsam in das Innere ein
und sind so ein grimmer Feind des Verkehrs wie jeglicher
Bodenwirtschaft, da sie völlig unfruchtbar sind.')
Man hat dies westliche Bergland wegen seiner Ähnlich-
keit mit dem algerischen Gebiet verschiedentlich als tunesische
Kabylei bezeichnet. Allgemeiner findet man aber die Bezeichnung
*) Obere Kreide; Cah. 16 du Serv. Geogr. de T Annfee.
') Als Synklinale bezeichnet, die durch Srosion heranspräpariert ist,
in Cah. 16.
') Ähnliche Verhältnisse wie in Dentsch-Südwettafrika an der Kttste
bei Swakopmund. ^
- 74 -
Kramirei oder Kramirberge nach einem Stamm der Eingeborenen
in der Nähe von Tabarka. Letztere Bezeichnung ist vorzu-
ziehen.
Ostlich der Erumirei liegt, nur durch die Erosionsmulde des
Zuara getrennt, das Massiv der Mogods. ^) Es ist nicht mehr
so hoch als jene, aber noch gebirgig. Vorwiegend macht sich hier
Querfaltung geltend. Die Plastik der Oberfläche setzt sich aus
einem Gemisch von Höhen und Ebenen zusammen. Die letzteren
sind meistens alte Seebecken, von denen einige sehr fruchtbar,
andere wieder völlig ausgetrocknet sind und nur unfruchtbaren
Sand darbieten. Auch hier liegen die Verhältnisse noch nicht
klar. Man könnte aber gut nach dem Bilde, welches die Karte
1 : 200000 gibt, die beiden NO streichenden Parallelketten als
Fortsetzung und Verzweigung der Kette Dj. Solah - bou Guer-
trane (WO vom Dj. Bir) auffassen, und die Kette aus den
Bergen Merifeg-Garsia-Boulesba als Querfaltuug, die sich da-
zwischen gelegt hätte. Der Dj. Msid ist orographischer Knoten-
punkt. Von ihm fließen nach allen Seiten Bäche ab, (Niox,
Geogr. milit. VI.). Nördlich vom Flusse Zouara finden wir sanfte
abgerundete Terrainformen. Tief eingeschnittene Schluchten
und steile Böschungen sind selten. Das Gebiet südlich des
Flusses bietet einen mehr tafelförmigen Anblick. (Cah. 16 und
Cah. 14 S. 16.)
Noch nicht völlig festgelegt in seiner Tektonik ist eben-
falls die ostwärts sich anschließende, nur durch eine kleine
miocäne Synklinale des Flusses Graia getrennte Bizertim. Ihr
rechnen wir das Einbruchsbecken des Sees von Bizeita und
des Aclikelsees bis etwas oberhalb Mateur und das niedrige
HUgeUand zwischen diesem Flecken und der nördlichen Mittel-
ineerkfiste zu. Die Höhen, welche sich vorfinden, sind äußerst
gering, nur einige Berge erreichen etwas über 200 m. Den
bei weitem großem Teil der Oberfläche nimmt der ehemalige
Mittelmeerbusen ein, von welchem heute nur noch der Achkelsee
und der See von Bizerta Reste sind. Letzterer ist durch Dünen-
bildung bis auf eine schmale Straße vom Meere abgetrennt
') Die EinteiluDg des tanesiscben Rüstengebirgszuges in Khrnmirei,
Jdogodei, Bizertim und Bejana geschieht nach Monchicuart: le Massiv de
Hactar. Ann. 1901.
— 75 —
worden. — Einen wunderbaren Anblick gewährt der dicht am
Südufer des nach ihm benannten Sees gelegene Berg Achkel
(genau 500 m hoch). Er stellt einen kleinen, sehr regelmäßigen,
elliptischen, auf allen Seiten steil ansteigenden Bergkegel dar,
der häufig sich mitten aus dem Wasser erhebt, da der See nach
heftigen Regengüssen im Gebirge sein Ufer weit zurücklegt.
Das niedrige Gebirgsland Hedil und Bejaoua, welches sich
vom Gebiet der Mogods südwärts bis zum Medjerda erstreckt,
rechnen wir am besten ebenfalls noch zu dem nordtunesischen
Gebirgszug, wenn sich auch schon in seinem südlichen Teil die
Verbindung mit dem mitteltunesischen Gebirgszug bemerkbar
macht. Seine nördlichen Ketten sind Abzweigungen der Kette
des Dj. Solah-bou Guertrane.
Auch hier bieten sich wieder bei einer Rundschau eine
Unzahl kleiner, niedriger Massive und Ketten dar, die in allen
möglichen Richtungen aneinander gelegt sind. Keine nur etwas
vorherrschende Linie zeigt sich in dem gesamten Bild, sodaß
der Anblick gut übereinstimmt mit unserer Annahme, daß hier
der Yerschmelzungspunkt zwischen dem nord- und mitteltuue-
sischen Gebirgszug liegt.
Der zweite, südlichere Teil der tunesischen Nordzone, die
Nordabdachung des tunesischen Rückens, wie wir ihn kurz
nannten, zerfällt nach seiner Oberflächenbeschatfenheit in mehrere
natürliche Gebiete. Am auffälligsten hebt sich aus diesem Teil
Tunesiens das weite, fast horizontal gelagerte, ehemalige See-
becken der Dakhlaebene heraus. Begrenzt wird es nach Norden
von dem Küstenzug. Nach Süden ist es von einer gefalteteü,
bogenförmigen Kette umschlossen, die wir längs des ganzen
Medjerdaflusses bis zu seiner Mündung verfolgen können. Das
östliche Ende dieses Zuges verläuft aber nördlich des Flusses,
nachdem er ihn bei Testour gequert hat. Zum größten Teil
setzt er sich aus kleineren Ketten zusammen, die ihren Ur-
sprung im tunesischen Rücken haben, aber durch ihre Anordnung
den Eindruck eines gesonderten Faltenzuges hervorrufen. Wir
bezeichnen ihn darum am besten ebenfalls mit einem besondern
Namen. Der nächstliegende dürfte wohl derjenige als „Medjerda-
zug** sein. Südlich dieser Kette dehnt sich bis zum tunesischen
Rücken ein Gebiet aus, in welchem die Form der Erosions-
— 76 —
ebenen yorherrscht, so daß als zosammenfassende Benennang die
als «Gebiet der Erosionsebenen' wohl am besten zn wählen ist.
Nach Osten zu setzt es sich fort in die nordtnnesische Niederung,
der Ebenen am Unterlaufe des Medjerda und des Miliana.
Lassen wir einmal kurz die Hauptzfige dieser verschiedenen
Gebiete, soweit sie bekannt sind oder sich aus dem Kartenbilde
ergeben, an unserm Blick vor&bergleiten.
Die Dakhla breitet sich am oberen Laufe des Medjerda
aus. Es ist eine schöne, fruchtbare Ebene, die, völlig unter
300 m gelegen und fast horizontal gelagert, sich von Ghardimaou
bis :Tebursuk erstreckt. Hier bestand in geologfischer Zeit ein
See, dessen Wasser sich einen Weg zum Meere bahnten, indem
sie das absperrende Gebirge durchbrachen.^) Es liegen hier
ganz ähnliche Verhältnisse vor wie bei anderen Flußbecken,
z. B. auch bei dem Becken von Limburg an der Lahn.
Der die Dakhla nach Süden umschließende Medjerdazug wird
durch die etwas parallelen SW-NO Täler des Melleg, Rmel,
Tessa, Siliana, Medjes Sfa und Miliana in einzelne Massivs
zerschnitten, die ziemlich verschieden in ihrer Geländebeschaffen-
heit sind. (Cah. Nr. 10.)
Das westliche Gebiet, die Gegend Sidi Youssef-Quargha,^)
hauptsächlich bewaldet und wenig bewohnt, da das Klima
äußerst regenreich ist, stellt im allgemeinen ein Hochplateau
mit 760—800 m mittlere Höhe dar. Überragt wird es von einer
Anzahl isolierter Gipfel, die scheinbar unter sich in keiner Ver-
bindung stehen.
Östlich des Melleg reiht sich das Gebiet von Kef an.
Dieses zeigt etwas mehr Gebirgscharakter, da eine Anzahl von
parallelen SW-NO-Kämmen sichtbar werden. Sie sind als Fort-
setzung von den Massiven des Dj. Harraba, Ledjebel und
Quenza aufzufassen. Allgemein neigen die Kämme zur Ab-
pUttung, sind auch meist von einer Nummulitenkalkplatte ge-
krönt. ») Der höchste Berg ist der Dyr el Kef (1088 m), der
sich unmittelbar über Kef erhebt. Zwischen sich schließen die
Ketten fruchtbare Ebenen ein.
') Vgl. Ginestous: les plaiea en Tunisie.
') Bildet die Ecke zwisoheo Medjerda und Melleg.
') Die Mehrsahl von ihnen sind Dome.
— 77 -
Ebenfalls ausgesprochenen Bergchärakter zeigt die Gegend
von Tebursttk, da hier eine neue Falte vom mitteltnnesischen
Zug, die Kette Sidi Ahmed ^) ech Cheid dazukommt, während
sich im Gebiete von Testour wiederum mehr Ebene und auch
bedeutende Höhenabnahme geltend macht. Bei Teburauk fällt
in dem bodenplastischen Bilde besonders die durch Erosion
herauspräparierte Synklinale des Dj. Gorrah auf. ') Er erhebt
sich mit seiner großen Masse (963 m hoch) fast 800 m hoch un-
mittelbar aus der Ebene des Medjerda. Sein ziemlich horizontaler
Gipfel ist besät mit einer Unmenge von Dolmeti, jenen eigen-
tümlichen Erosionsgebilden.
Als Fortsetzung des Berglandes von Tebiirsuk ist der
ebenfalls SW-NO streichende Teil des Medjerdazuges nördlich
des Flusses zu betrachten.^) Er setzt sich aus einigen, wenig
gehobenen Massiven, die durch ziemlich breite, flache Mulden
getrennt sind, zusammen und läuft in geringem Steilabbruch
am Kap Ras Tarf aus.
In dem Gebiete, das sich zwischen dem Medjerdazuge und
dem tunesischen Bttcken ausdehnt, herrschen, wie erwähnt.
Erosionsebenen vor. So finden wir hier die Ebenen von Sers,
Siliana, Zouarine, EUez-Massonge und andere. Bei einigen von
ihnen haben allerdings auch tektonische Bewegungen zu ihrer
Herausbildung beigetragen. Im allgemeinen stellt sich diese
Zone als eine etwas gewellte, nach Osten zu sich allmählich
senkende Ebene dar. Im Mittel liegt sie 500— 600m hoch.
Die Flttsse sind meist 200—300 m tief in sie eingeschnitten.
Dazu erheben sich [besonders im Westen häufiger] isolierte
steile Gipfel 400—700 m aus der Ebene. Diese schon relativ
hohen Berge sind meist dicht bewachsen. Im ganzen kommt
hier also ein ziemlich schwieriges Gelände zu stände.
Bessere Verhältnisse liegen im Osten vor, wo sich das
Gebiet der Erosionsebenen allmählich zur nordtunesischen Nie-
derung abflacht. Diese Niederung rechnen wir am besten der
eben behandelten Zone zu, wenn sie auch nicht aus Erosions-,
sondern Einbruchsbecken besteht. Beide gehen nämlich ohne
') Dieser Zng gabelt sich und sendet den einen Kamm zum Medjerda
den andern nach Osten (Fitzner S. 306).
*) Vgl. Cah du Serv. öeogr. Nr. 19.
*) Pervinqui^re, Annal. S. 436.
— 78 —
merklichen Unterschied ineinander über, nachdem sich noch ein
paar einzelne Massive und Dome, Ausläufer der Hauptkette, in
die Ebene hineingeschoben haben.
Die nordtnnesische Niederung, die einzige größere, geo-
graphische Einheit im östlichen Atlasgebiet, teilt sich in die
Medjerda- und Momag-Ebene. Beide sind wie die Poebene,
mit einem zwischen zwei ZUgen eingesenkten, namentlich an
der Westseite von dem Zusammengehen der Falten noch um-
wallten, sich nach Osten sanft neigenden und verbreiternden
Troge zu vergleichen. Doch die Sohle des Troges weist nicht
jene Einförmigkeit, wie sie sonst Ebenen zu kennzeichnen pflegt,
auf.^) Zwischen den AUnvialebenen bieten kleine, durch Syn-
klinale Mulden getrennte Dome^) für das Auge gute Rastpunkte.
Angefüllt worden ist dies große Senkungsfeld vom Medjerda
und Miliana. Besonders der Medjerda ist ein gewaltiger Delta-
bauer, der nicht allein 350 qkm Neuland in geschichtlicher Zeit
angebaut hat, sondern auch durch die häufige Verlegung seiner
Mündung die Ursache ist, daß sich die Lage der Hauptstadt
am Golf von Tunis oftmals änderte.') Die Ablagerungen in
dieser Niederung bilden auch hier wie im übrigen Mittelmeer-
gebiet die Sitze der Kultur. Unwillkürlich denkt man bei
Karthago an Venedig, Alexandrien, Rom, Florenz und andere.^)
Wenden wir uns nunmehr dem noch übrigen Teile Tunesiens
zu, dem Qebiet der ungleichsinnigen Abdachung im Süden
des Landes.
3. Die Sfidzone.
Südtunesien, zwischen dem tunesischen Rücken und
den Schotts gelegen, gibt uns das treffendste Bild eines Über-
gangsgebietes nicht allein in klimatischer, sondern auch in
orographischer Hinsicht, in seinem tektonischen Bau wie in den
Formen seiner Oberfläche. Es vermittelt Südtunesien zwischen
dem regenreichen Norden und dem regenarmen Süden der Regent-
schaft, zwischen fruchtbaren und wüsten Gegenden, zwischen
Falten- und Schollenland. Alle Grundformen eines abflußlosen
0 Vgl. Tb. Fischer, Mittelmeerbilder I S. 166 über die Po-Ebene.
^) Siehe Monchicourt: Tunis, Annal. d. Qeogr. XIII, S. 145.
') Th. Fischer, Mittelmeerbilder I S. 288 und Pet. Mitt. 1887.
^) Philippson: Das Mittelmeergebiet, Leipzig 1904.
— 79 —
Gebietes, wie sie Richthofen meisterhaft uns schildert in seinem
„China** (I, S. 9), sind wunderbar ausgeprägt. Vor allem ist
der Hauptcharakterzug eines solchen Gebietes : Salz- und Seen-
reichtum (die Seen treten natürlich meist nur als Sttmpfe auf),
überall diesem Teile Tunesiens aufgedrückt.
Südtunesien bildet eine ausgesprochene „ Wannenland-
schaft**. ^) Die einzelnen Wannen, an deren tiefsten Stelle sich
meistens Brackwasser angesammelt hat oder wenigstens ein
Salzsumpf besteht, sind durch kurze elliptische Rücken getrennt.
Nach der Anordnung dieser Rücken und nach Höhenlage lassen
sich zwei Teile untei*scheiden : Ein westlicher Teil von der
Grenze bis zu der NS-Linie der Berge Sidi bou Gobrine-Meheri,
welche als erhöhter Rand gegen die Niederung die Abgrenzung
nach Osten geben. Dieser westliche Teil ist der höher gelegene,
ebenso erreichen die aufgesetzten Berge größere Höhen, dazu
ist ihre Anzahl beträchtlicher, so daß wir von diesem Gebiet
bodenplastisch immer noch ein abwechslungsreiches, belebtes
Bild erhalten, arm allerdings gegenüber dem überaus reich be-
wegten Bilde von Mitteltunesien. — Der östliche Teil zeigt nur
einige wenige Faltenzüge, mehr flachgewölbte Wellen, die nach
Osten zu immer niedriger werden und schließlich ganz ver-
schwinden. Öde, niedrige Ebenen herrschen vor. Im großen
und ganzen ein Bild von höchst ermüdender Einförmigkeit und
Eintönigkeit.
Betrachten wir die Oberflächenbeschaffenheit beider Gebiete
etwas näher.
Der westliche Teil wird im Süden von den Falten um den
Schott Djerid und Fedjedj begrenzt. Dies sind die äußersten
Falten des Atlas. Sie steigen schnell vom Spiegel der Schotts
bis zu fast 600 m empor, fallen ebenso schnell wieder bis zu
ziemlich geringer Höhe nach Norden zu hinab, so daß sie einen
äußerst spitzen Kamm bilden im Gegensatz zu den viel breiter
angelegten Faltenzügen im Norden.*) Da die verschiedenen
^) Penck: Die Formen der Landoberfläche. Verbandl. des IX. Geo-
graphentages 1891, S. 29.
^) Es würde diese Tatsache daran! schließen lassen, daß diese Kette,
wenn nicht dnrch Stanung veranlaßt, durch den Einbrach des Schottgebietes
emporgefaltet wurde.
— 80 —
Massive und kleinen Ketten dicht aufeinander folgen, wird der
Anblick eines ziemlich geschlossenen WO-Gebirgszuges hervor-
gerufen. Er findet sein Ende im Osten nach einer kleinen Um-
biegung nach NO im Dj. Boumana. Man bezeichnet diesen
Faltenzug meist nach dem in seiner Mitte gelegenen und sich
gut abbebenden Dj. Cherb als Kette Cberb. Sie besteht wie
auch die Mehrzahl der nordwärts von ihr liegenden Falten aus
Kreide. Zwischen den Falten breiten sich vorwiegend Quartär-
ebenen aus. Der Boden ist vielfach mit Flugsand oder ödem
Steinschotter bedeckt und zeigt so, besonders von Oafza an,
schon wttstenartiges Gepräge.
Die Kette Cherb wird im Norden von einer von der Küste
bis zum Schott Rharsa WO streichenden Mulde begrenzt. In
dieser Mulde ist eine ausgezeichnete Talwasserscheide ausge-
bildet. Vorgelagert sind der Cherbkette nach Norden zwei sehr
regelmäßige (Kreide) Dome, die aus der Quartärebene auftauchen :
der Dj. Gehib-Bosfa, ein Doppeldom, und der Dj. Berda. Die
ebengenannten Bergzflge bilden mit ihrer Umgebung die süd-
lichere Hälfte des westlichen Teiles von Südtunesien. Von der
nördlichen Hälfte wird sie getrennt durch die Mulden desWed
Baiech, el Guettar und Bled Segui. Genauere Angaben über
dieses Gebiet, über seinen Bau und seine Bodenplastik liegen
noch nicht vor. Bessere Nachrichten haben wir über die nörd-
liche Hälfte des westlichen Teiles. Pervinqui^re schildert uns
das Bild der Oberflächengestalt dieses Stückes ungefähr folgender-
maßen (Ann. IX, S. 437) :
„Alle in Frage kommenden Massive haben eine WO-
Bichtung und verbinden sich untereinander, so daß sie zusammen-
hängende Ketten bilden. Mehr im Norden verlieren sich diese
beiden Züge, und man findet sehr oft nur kleine Massive, die
sehr verschiedene Bichtungen zeigen, bald völlig isoliert und
jäh aus der Ebene tauchen, so der Dj. Sidi Aich, bald sich
verbinden oder sogar mehr oder weniger verschmelzen unter
verschiedenen Winkeln. Die Ebenen, die sich zwischen den
einzelnen Massiven ausbreiten, sind leicht gewellt und ihr Boden
-besteht vorwiegend aus feinem, rotem Sand, der von der Ab-
schuppung der Berge durch Insolation herrührt, und in dem
der Wind häufig Dünen hervorbringt. Oft zeigen sich auch
Mulden, deren Boden durch eine Garäa = Sumpf besetzt ist oder
- 81 —
durch Rliedirs. Damit bezeichnet der Eingeborne alleVertiefuDgen,
in denen sich Regen wasser sammeln kann.*'
Betrachten wir die Urographie dieses Teiles von Südtunesien
etwas näher. In der äußersten SW-Ecke, an der algerischen
Grenze treten, da wir ja hier wieder Übergangsgebiet zwischen
Algerien und Tunesien vor uns haben, geschlossenere und
höhere Faltenzüge auf. Deshalb bezeichnen wir wohl diese
Gegend als das Bergland von Gafza. Die Bodenplastik dieses
Gebietes ist ziemlich einfach gestaltet. Es treten meist Doppel-
ketten auf, eine Hanptkette, begleitet von einer vielfach völlig
selbständigen Nebenkette: das typische Verhalten der Sahar-
ketten. So wird die Kette von Gafza von der Nebenkette
Negrine-Blidji-Tfel in Ostrichtung begleitet. — Zwei größere
Gebirgszüge sind deutlich zu unterscheiden. Von Tamerza zielten
sie sich im Bogen bis in die Gegend von Gafza. Ihre Öffnung
kehren sie einander zu. Die ziemlich unfruchtbare, durchweg
über 400 m gelegene Mulde, die sie einschließen, wird zum größten
Teil durch den Wed Seldja entwässert, der sich durch ein tief
eingeschnittenes, enges Tal seinen Weg zum Schott Rharsa ge-
bahnt hat, ähnlich wie der Wed Baiech bei Gafza. Der nörd-
liche Faltenbogen setzt sich über das enge Durchbruchstal des
Wed Baiech fort in den Dj. Orbata*), und weiter in einen
schön geschwungenen, nach Norden offenen Faltenzug, der sich,
wenn auch immer schwächer werdend, bis zur Ostküste verfolgen
läßt und hier das Kap Kradidija bildet. Nach Süden zu be-
gleitet ihn vom Dj. Orbata an eine Nebenkette el Ayaicha.
Die Höhenschichtenkarte gibt die Verhältnisse hier recht gut
wieder. Einen wunderbaren Anblick bietet die eben erwähnte
Antiklinale von el Ayaicha. Sie besteht aus einer Reihe von
parallelen Kämmen, die durch Längstäler (tief eingeschnitten!)
getrennt sind (Fitzner). Der Höhenzug des Orbata, wie das
Bergland von Gafza und auch die Kette Cherb, sind besonders
nach Süden zu von vielen, engen, düsteren Schluchten zerfetzt.
Diese Schluchten sind eine Folge der gewaltigen Wirkung
der zerstörenden Kräfte des Luftkreises, vor allem der des
Windes.
*) Der Dj. Orbata ist ein weithin sichtbarer, trigonometrischer and bis
vor kurzem der einzig festgelegte Punkt der ganzen südl. Qegend.
6
- 82 —
Nördlich des Berglandes von Gafza bis zu der Kette von
Feriaua dehnt sich ein niedriges Mittelgebirgsland aus. Mulden-
förmige Einsenkungen, umgeben von niedrigen Bergzügen mit
sanften Gehängen machen sich am meisten bemerkbar. Die
größte dieser Einsenkungen ist die des Wed Baiech nördlich
vom Dj. Orbata. Ihr Boden besteht zum größten Teil aus un-
fruchtbarem Sand, den der Wind an manchen Stellen zu Sand-
dünen anhäuft, die Wüstensanddünen wenig nachstehen. Nach
Norden wird diese Einsenkung von einem Faltenzug begrenzt,
den man nicht der Höhe aber seiner Längserstreckung nach
als den Hauptzug in dieser Gegend bezeichnen kann. Es ist
der Zug Keraim-Foufi-Melloussi, 600— 700 m hoch. Nach NO
streichend, endigt er jäh gegen den NS verlaufenden Dj. Gouleb.
Nur 20 km nach Norden von dem Vereinigungspunkte der beiden
Falten teilt sich der Gouleb (am bou Dinar). Der eine Arm
behält die ursprüngliche NS-Richtung bei und geht über den
Dj. Ledjebel (S.) und bou Gobrine bis zum Dj. Touila. Der
andere Arm biegt nach NO ab und verbindet sich mit dem
Nasser Allah, der NNW gerichtet ist. (Pervinqui^re a. a. 0.).
Die Karte 1:800000 gewährt ein etwas anderes Bild. Nach
ihr sind sogar zwei Verzweigungspunkte vorhanden. Von dem
südlichen, dem Dj. Seugdal, setzt sich ein Faltenzug, scheinbar
die Fortsetzung der Kette Keraim-Melloussi über den Krechem
Artsuma (730 m), von da, schnell an Höhe abnehmend, bis
zur Ostküste fort. Er verläuft ziemlich parallel den Falten, die
die Fortsetzung des Orbata sind, und bedingt wie diese einen
Küstenvorsprung in der Nähe von Monastir. Diese Bergzüge
gehören schon dem SO Teil Tunesiens an.*) Westlich von dem
Dj. Sidi bou Gobrioe verläuft in NO-Richtung die Kette Hadjeb
el Aioun. Sie schneidet sich mit dem bou Gobrine im Dj. Touila,
so daß es scheint, als ob der Touila aus der Verschmelzung der
beiden Falten entstanden ist. Das der Höhe nach mächtigste
Massiv ist der Dj. S* Aich, über 1000 m hoch, ziemlich in der
Mitte des Gebietes nördlich vom Bergland von Gafza gelegen.
*) Aus der Höhenschichtenkarte ließen sich ebenfalls etwas andere
Verhältnisse ablesen. Es beweist dies nur, daß die Gegend noch xn wenig
erforscht ist. Die geologischen Verhältnisse hier geben ein ähnliches Bild
wie die Höhenschichtenkarte. Über den Zusammenhang beider kann aber
vorläufig noch nichts Entscheidendes gesagt werden.
- 83 -
Der erwähnte el Aioun ist wahrscheinlich die Fortsetzung der
Falte des Dj. Aich, da er sich gut mit ihm verbinden läßt durch
einige Hügel, die aus der Quartärebene zwischen beiden empor
tauchen und alle die gleiche (NO) Richtung zeigen.
Die weitaus den Wüstengebieten ähnlichsten Formen finden
wir in der SO Ecke Tunesiens. Es ist dies der regenärmste
Teil. Im Norden haben wir in der Mulde des Wed Zerud ein
Gebiet, welches zeitweise noch der Wirkung der Erosion des
Wassers ausgesetzt ist. In regenreichen Zeiten stellt das Ge-
biet sogar eine Verbindung mit dem Meere her, indem der
Kelbiasee, der hydrographische Sammelpunkt des Zerudbeckeus,
Wasser an das Haff von Hergla abgibt. Die Bezeichnung
See ist bei diesem Wasserbecken vorzuziehen, da es das einzige
in SO-Tunesien ist, welches das ganze Jahr Süßwasser führt.
Südlich der Mulde des Zerud haben wir uun das Gebiet,
das ausgezeichnet ist durch alle für ein abflußloses Land
charakteristischen Formen. Das allgemeine Oberflächenbild ist
von höchster Einfachheit. Eine weite, etwas gewellte Sand-
ebene, fast ganz vegetationslos, von ermüdender Eintönigkeit.
Was Th. Fischer von ganz Südtunesien sagt, paßt besonders
gut auf dieses Gebiet: „Es bietet sich allenthalben das Bild
eines so vollkommenen Terrassenbaues wie nur das Wasser
solchen schaffen kann." (Mittelmeerbilder 1 8.321.) Ein Blick
auf die Höhenkarte läßt dies deutlich erkennen. Zumal die
Schicht zwischen 100 und 800 m Höhe westlich von Sfax wirkt
wie eine breite den Bergzügen von über 300 m Höhe vorge-
lagerte Terrasse, ähnlich wie das Schelf vor dem Kontinental-
block. Das Hervortretende in diesem Gebiete sind die weiten,
flachen Mulden, die nur durch niedrige, kurze elliptische Berg-
rücken getrennt sind. Unter letzteren gehören die NO gerichteten,
wie erwähnt, zu der Verlängerung der Kette des Orbata und
Keraim-Melloussi. Die Synklinalen Mulden sind fast alle gleich
geartet. An ihrer tiefsten Stelle haben alle einen größeren oder
kleineren Salzsumpf, eine sebkra oder bled. Auch die Schotts
sind solche Salzpfannen wie die sebkras nur von riesigen
Dimensionen: Eine weite, fast horizontale Salzkruste und rings-
um der Wüste eigene Formen ! — Die verschiedenen Depressionen
sind nicht miteinander verbunden wie in Nordtunesien, wo die
— 84 —
höher- mit den tiefergelegenen durch Wasserabfluß zu einzelnen
Systemen verbunden sind. Es kommt dies daher, daß die selten
gefüllten Flüsse durch die rasche Verdunstung bis zu der nied-
rigen, sperrenden Barre nicht soviel Wasser bringen, um die-
selbe zu durchbrechen. Kein Fluß erreicht das Meer, alle enden
in den Mulden, in einem bled oder sebkra. Was diese Flüsse
aber in wunderbarer Weise zeigen, ist die im Trockeuklima
vorheri-schende Tiefenerosiou, eine Folgewirkung des Wechsels
von langer Trockenheit mit heftigen Regengüssen, verbunden
mit der abtragenden Kraft des Windes. Die nur hie und da
heftig und plötzlich auftretenden Regengüsse finden ein durch
den starken Weclisel der Tag- und Nachttemperatur äußerst
gelockertes und verfeinertes Material vor, das trotz des geringen
Gefälles das Wasser leicht davonführen kann. Dadurch sind
wunderbare Flußentwicklungen manchmal herauspräpariert. ^)
Flußbetten von nur kurzer Länge, aber oft über 1 km breit,
obwohl nur selten Wasser in ihnen fließt, sind in diesem Gebiet
nichts seltenes.
Eine andere, dem Trockenklima eigentümliche Landschafts-
form, „cirque", ist nicht minder häufig. Unter cirque versteht
man „eine zirkusähnliche Talbucht, erzeugt durch Wind unter
Mitwirkung selten fallender Strichregen^. (Walther: Landschafts-
formen. Verhandl. des D. Geographentages 1897, S. 211.) Oft
spielen auch geologische Verhältnisse mit, indem widerstands-
fähigere Gesteine den erhöhten Rand bilden.
Noch wäre auf eine dritte Trockengebietsform hinzuweisen.
Eine völlig unfruchtbare Kalkkruste, die verschiedenartiger Ent-
stehung sein kann, überzieht oft weithin den Boden.^) So ist
die Gegend von Monastir bis Mahedia weiter nichts als eine
solche (pliocäne) Kruste (Pomel. B. Soc. Geol. Fr. 1892, S. 103),
die die ganze Gegend öde und unfruchtbar macht. Nur wo
diese Kruste fehlt, wird das Küstengebiet fruchtbar und zeigt
dann die schönsten Olivenplantagen der Regentschaft.
Nach den Hauptzügen obiger Schilderung ergibt sich folgen-
des Bild : Tunesien ist ein Berg- und Hügelland. Die Mehrzahl
') Aaf den Karten des Serv. ghogt, 1 : öOÜOO treten mehrere derartige
Gebilde deatlich hervor.
^ S. oben Seite 52.
— 86 —
seiner Gipfel liegt in der Nähe der 1000 m -Linie, nur wenige
erheben sich über 1400 ra. Die Form des Mittelgebirges drückt
sich aus in der mittleren relativen Höhe der einzelnen Berge,
die zwischen 500 und 700 m liegt, ebenso in der Form der
Gehänge, die vorwiegend diejenige der Konvexen ist.
Das Gesamtbild bietet eine gewisse Regellosigkeit durch
die Menge kleiner Ketten, die bald verschwinden, bald wieder
auftauchen, auch häufig ihre Richtung ändern. Im großen folgen
aber alle Ketten in ausgesprochener NO-Richtung aufeinander,
so daß wir durch ihre Anordnung zwei HauptgebirgszQge unter-
scheiden können: den tunesischen Kfistengebirgszug und den
tunesischen Rttcken. Nach seinen großen Oberflächenzügen
können wir in Tunesien drei Gebiete unterscheiden:
Nordtunesien, individualisiert als bergiges Gebiet ohne
besonderes Hervortreten von einzelnen Falten, ausgezeichnet
aber durch die Mulde des Medjerda, dem Sitze der Kultur zu
allen Zeiten!
Mittel tunesien oder auch der tunesische Rücken ist aus-
gezeichnet durch eine Menge von Faltenzttgen mit deutlicher
NO-Richtung und charakterisiert sich durch das Vorherrschen
der Bergform der Dome als Domlandschaft!
In Süd- und Südost-Tunesien haben wir flaches Terrassen-
land. Die Form des Tales und der Ebene überwiegt gegenüber
der der Kette und des Berges.
- 86 -
Verzeichnis der benutzten Werke.
Die HanptgruDdlage für die Arbeit bildeten:
L. Pervinqniöre: liltnde g^ologiqne de la Tnnisie centrale. Paris 1903.
— La Tnnisie centrale, esqaisse de g^ogr. physiqne. Ann. de G^ogr. IX,
1900, S. 434 f.
Moncbiconrt: Le massif de Mactar. Ann. de G^ogr. X, 1901 , p. 346—369.
Anßer diesen Werken wurden noch herangezogen :
Anbert: Snr quelques points de la gtologie de la Tunisie. — B. S. G. F.
(= Bullet, de la Soci^tfc gfeol. de France) XVIU. 1890, p. 334-337.
— Note sur la geologie de TExtreme Sud de la Tunisie. B. S. G. F. XIX,
1891, p. 408.
— Explication de la Carte g6ol. proyisoire de la Tunisie. Paris 1894.
Baltzer: Beiträge zur Kenntnis des tunesischen Atlas. 1895, I, p. 105. —
Neues Jahrbuch: 1893, II, S. 26—41.
A. Bernard et Ficheur: Les regions naturelles de TAlg^rie. Annales
de Qfeogr., XI, 1902, p. 221, 339, 419.
Blanchet: Le Djebel Demmer. Ann. de G^ogr. VI, 1897, p. 239— 254.
Blankenhorn: Die geognostischen Verhältnisse von Afrika, I: der Atlas,
Pet. Mitt., Ergänzungsheft 90, 1888, S. 1—63.
Blayac: Le pays des Nemenchas. Ann. de G6ogr. VIII, 1899, p. 241—260.
Brückner: Die feste Erdrinde und ihre Formen. Wien 1897.
A. Bernard: Revue bibliogr. des travaux sur la g^ogr. de TAfr. scpt.
K. Basset: Docnmcnts geographiques snr TAfrique septentrionale : el Edrisi
par R. Basset.
R. Cagnat: L'armee romaine d'Afriqne. Paris 1892.
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rurale dans TAfrique ancienne. Nouvelles Archives des Missions
scient. VII, 1897.
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Spraner-Menke: 3. Auflage 1880. (L Teil 1865.)
A a b e r t : Carte g^logiqae prorisoire 1 : 800000.
Carte de la Tanisie 1:800000 1889. Serv. g^gr.
Carte de la Tanisie 1 : 50000 (soweit erschienen).
Inhaltsangabe.
Seit«
Einleitang 5
La^e und Weltstellunfi; Tunesiens 5
Überblick über die Geschichte Tunesiens 9
Abhängigkeit der geschichtlichen Beziehungen des Landes von den
geographischen Faktoren 14
Abgrenzung des Qebietes 18
Geschichtliche Staaten- und Grenzentwicklung 18
Abgrenzung nach geographischen (bodenplast.) Faktoren .... 21
Verlauf der Grenze 23
Entwickelung unserer Kenntnis des Landes 25
Geologische Übersicht 26
Geschichte des Aufbaues 34
Wirkungen der exogenen Kräfte 60
Allgemeines Bild der Oberflächengestalt besonders im Gegensatz zu
Algerien 52
Der Sockel des Gebietes: Ausdehnung und Abgrenzung 55
Einteilung der Plastik 68
1. Der tunesische Rücken 62
2. Die Nordzone (N.-Tunesien) 71
8. Die Südzone (S.-Tunesien) 78
Zusammenfassung 84
I» ü
I
f -i
f :
i
I
f
I:
31
}
'^
p •
Aus den Yorträgen
vom 24. Oktober 1906 bis 4. März 1908. *
Mit BenutzuDg der Mitteilungen der Herren Redner
zusammcDgestellt
von
Dr. H. Traut.
Mittwoch, den 24. Oktober 1906.
Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Friedrich Delitzsch-Berlin:
Handel und Wandel in Altbabylonien. (Lichtbilder.)
Der Vortragende begann mit Beschreibung der einzigartigen Frucht-
barkeit Babyloniens, die infolge der Regenlosigkeit von Bewässerung durch
Menschenhand abhängig blieb, und mit Schilderung des von Kanälen nach
allen Seiten hin durchschnittenen Landes mit der Fülle seiner Weiler, Dörfer
und Städte, als deren Baumaterial der vorzügliche Lehm des Alluvialbodens
diente. Als Schattenseiten des Landes wurden genannt: Das sehr heiße Klima
(bis zu ♦UK' ('. und mehr) bei sehr empfindlichen Winterfrösten, die Löwen-,
Mücken- und Ungezieferplage, die Sandstünne aus der Wüste, obenan aber
die Feinde ringsum, speziell die Nomadenstämme der syrisch - arabischen
Wüste. Auch die semitischen Babyhmier. die sich die Kultur der ältesten
Landesbewohner, der Sumerer, aneignet<'ii, waren solche Nomaden gewesen.
Arbeit und (Jesetz erweisen sich auch in Babylonien als die von Urzeit
her geheiligten (Jrundpfeiler menschlidier Kultur. Diese hatU* bereits im
Anfang des H. Jahrtausends die bedeutsamsten Fortschritt« gezeitigt. Man
erfreute sich der eminenten Kulturerrungenschaft der Schrift (deren Ent-
wicklung aus ursprünglicher Bilderschrift durch Beispiele erläutert wurde),
man bedient<» sich längst schon der Edelmetalle, insbesondere des Silbers,
als Wertmesser, und wieweit schon in jener sehr alten Zeit Handwerk
und K u n s t fortgeschritten waren, wurde durch die Vorführung von Erzeug-
nissen der Töpferei, Steinschneidekunst, Metallbearbeitung, Skulptur dargelegt.
Kein Wunder, dab zur Zeit Hammurabis um 2250 die Kultur Babyloniens
eine außerordentlich hohe gewesen.
Nachdem kurz von der physischen Beschaffenheit der Babylonier, ihrer
Tageseinteilung. Diät. Kleidung und Körperpflege, Wohnung nebst Hatisgerät.
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sowie vom Sklavenwesen die Rede gewesen, wurde der vom Hammurabi be-
gründete Einheitsstaat als ein Rechtsstaat ersten Ranges erwiesen. Gesetz-
liche Ordnung beherrschte alle Verhältnisse des privaten und öffentlichen
Lebens. Jede halbwegs wichtige Abmachung mußte schriftlich fixiert und
durch Zeugen beglaubigt werden. So in der Ehe, desgleichen im Handels-
verkehr, wobei der Groß- und Kleinhandel in Altbabylonien bis herab in die
Ahämenidenzeit eingehende Schilderung fand. Von Wissenschaften fand
hauptsächlich die Astronomie und Sprachwissenschaft Pflege, während von
eigentlicher Medizin kaum die Rede sein kann. Die Verehrung der Götter
wurde wesentlich von den Priestern für das Volk besorgt, und da die Lösung
des Sündenbanns ebensowohl wie die Austreibung der bösen Geister Vorrecht
der Priester war, so befand sich das babylonische Volk in vollkommenster
Abhängigkeit von den Priestern und Magiern. Auch der verschiedenen
Begräbnisweisen geschah kurze Erwähnung.
Der Redner schloß mit dem Hinweise, wie trotz der Riesenfortschritte,
welche die Kultur unserer Zeit dui-ch Buchdruck, Pulver, Dampf, elektrische
Funken usw. gemacht habe, wir doch noch vielfach unter dem Einfluß der
babylonischen Kultur ständen, und wie der Gestimglaube, der bis in die
friderizianiscbe Zeit auch Deutschland beherrscht habe, nicht minder der unheil-
volle Hexenglaube, der noch immer nicht ausgerottet sei, durch Chaldäer
d. h. babylonische Astrologen und Magier über das Abendland gebracht
worden sei.
Mittwoch, den 31. Oktober 1906.
Herr Oberleutnant 0. Kauffmann-Marburg: Britlsch-
Indien nnd sein Wild. (Lichtbilder.)
Der Vortragende hat in den Jahren 1902 und 1904 große asiatische
Reisen unternommen. Auf der ersten betrat er Indien in Bombay und durch-
querte Nordindien bis Birma; die zweite Reise führte ihn von Colombo über
Kalkutta, Kaschmir, Dehli nach Mysore, von wo aus er krankheitshalber nach
Europa zurückkehren mußte.
Indien, das auf dem Atlas meist als eine rot gezeichnete Besitzung
Großbritanniens erscheint, wodurch der Anschein erweckt wird, als sei es ein
einheitliches Land, zeigt in seinen Provinzen die größten Gegensätze und
seine 300 Millionen Bewohner sind nach Rasse und Aussehen, Religion und
Sitte so voneinander unterschieden wie etwa Russen und Portugiesen,
Norweger und Türken und zeigen ähnliche Kontraste und Abstufungen wie
die klimatischen Verhältnisse in diesem ungeheuren Gebiete. Und so ver-
schiedenartig als die Bevölkerung Indiens, die sich aus Ariern, Dravidas
und Mongolen zusammensetzt, zu denen noch mannigfache Reste von dunkeln
Ureinwohnern kommen, so verschieden sind auch die Religionen von Hindus,
Mohammedanern, Buddhisten, Persem, Sikhs und Jains. Im Laufe der Zeit
sind die meisten Religionssysteme, die ehedem einen monotheistischen Charak-
ter trugen, mehr oder minder polytheistisch geworden. Belehrend und
charakteristisch in dieser Beziehung ist der Brahmanismns, der ursprünglich
in Brahma den reinen Monotheismus verkörperte, aus dem sich dann später
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die Trimnrti, die Zusammenfassung der drei Hanptgötter des neueren Brahma-
nismus, Brahma und der inzwischen emporgestiegenen Gottheiten Wischnu
und Shiva zu einer Einheit entwickelte, um dann, veranlaßt durch den immer
stärker werdenden Einfluß der Priester und Hand in Hand gehend mit einer
stetig zunehmenden Degeneration der Hindus seihst in der Gegenwart zu
einem mehr oder weniger grohen Polytheismus mit dem Glauhen an alle
möglichen Gottheiten herabzusinken, so z. B. an die sieben Penitents, die noch
jetzt als das Siebengestim, der große Bär, auf die Erde hin abschauen.
Die indische Regierung, die mit starker Hand das Szepter über alle
diese verschiedenartigen Völker und Kasten schwingt, läßt das Missionswerk
zwar ruhig gewähren, unterstützt dasselbe aber nicht in dem Maße, wie es in
unseren Kolonien der Fall ist, ausgehend von der richtigen Erkenntnis, daß
das Hineinmischen in die innere Eigenart der Inder und in ihre tief ein-
gewurzelten Sitten und Gebräuche eher den Frieden gefährdet, als der moder-
nen Kulturarbeit nützt. Gegen Grausamkeiten freilich schreiten die Behörden
nnnachsichtlich ein. In ihrer praktischen Veranlagung verstehen sich die
Engländer meisterhaft auf die verschiedenartige Behandlung der einzelnen
Rassen und die Erhaltung ihrer Eigentümlichkeiten, und nicht zum wenigsten
liegt darin der Grund, daß sie in den letzten 50 Jahren das Land so voll-
ständig zur Ruhe bringen konnten. Heute steht die Macht der Engländer in
ganz Indien unangetastet da, und wenn wie in letzter Zeit Nachrichten von
Aufständen z. B. aus Bengalen zu uns herüberdringen, so ist diesen wenig
Bedeutung zuzumessen.
Die hervorragendsten Kulturbringer sind heutzutage die modernen Ver-
kehrsmittel, besonders die Eisenbahnen, die die Völker zur Eintracht erziehen
und am ehesten sich dazu eignen, die vielfachen Vorurteile der einzelnen
Kasten zu beseitigen. Die Autorität des weißen Mannes wird, wie Redner
an mehreren Beispielen nachwies, unter allen Umständen gewahrt, und der
Humanitätsdusel, der anderwärts leider schon oft so traurige, inhumane Folgen
zeitigte, ist gegenüber Eingeborenen einer der schwersten Fehler, die Koloni-
sationsvölker begehen können. Gerechte Strenge gegenüber dem Ein-
geborenen und liberale Politik gegenüber dem Weißen sei hier die einzige
Richtschnur! Während die Regierung in Afrika körperliche Strafen eingeführt
hat, sind sie in Indien nicht gestattet. Dagegen hat sie den Eingeborenen
das Tragen von Schußwaffen untersagt, wodurch der Wildstand des Landes
ganz bedeutend geschont wird, denn der Inder ist nur zu leicht geneigt alles
erreichbare Wild niederzuschießen.
Der Bodenbeschafl^enheit des Landes entsprechend, ist die Fauna Indiens
eine sehr arten- und formenreiche, steht aber doch in keinem Verhältnis zu
den Wildmengen Afrikas. Indien hat Überfluß an gefährlichen Tieren aller
Art, denen alljährlich 25000 Menschen zum Opfer fallen, davon 22000 allein
giftigen Schlangen; an Vieh gehen jährlich ungefähr 91000 Stück verloren.
Im weiteren Verlauf des Vortrags schilderte Redner sodann an der
Hand interessanter Momentaufnahmen selbsterlebte Jagdszenen und Kämpfe
mit Elefanten, Tigern und Panthern, von denen er manches prächtige
Exemplar zur Anschauung brachte, femer die undurchdringlichen Dschungel-
dickichte mit ihren Herden von wilden Elefanten, Wildochsen, Hyänen,
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Hirschen. Kranichen, um zum Schluß noch Szenen aus dem Leben und Treiben
der verschiedenen Völker und Mischrassen, sodann Landschaften, besonders
aus dem sagenumwobenen Kaschmir und zuletzt einige der herrlichsten
Pracht- und Tempelbauten, die in dem Heiligtume indischer Baukunst, dem
wunderbaren Tatsch Mahal in Agra, ihre höchste Vollendung gefunden haben,
im Bilde vorzuführen.
Mittwoch, den 7. November 1906.
Frau Helene von Falkenhausen-Gnadenberg: Im
Lande der Hereros. (Lichtbilder und ethnographische Aus-
stellung aus dem städtischen Völkerrouseum.)
Die Frau Vortragende warf zu Beginn ihrer anschaulichen Schilde-
rungen die Frage auf. ob unsere südwestafrikanische Kolonie, die sich jetzt
schon seit drei Jahren im Aufstand befindet und trotz der größten Opfer an
Menschenleben und Geld noch immer nicht beruhigt ist. diese beklagenswerten
Opfer wert sei. In Deutschland wird diese Frage vielfach verneint, während
die in der Kolonie Ansässigen, besonders die Farmer, welche dort ihre Exi-
stenz zu begründen gesucht haben, die Frage entschieden bejahen. Die Ur-
sache zu der Anschauung im Heimatlande liegt nach Meinung der Rednerin
darin, daß dem Farmer, der sich unt^r Mühen und Beschwerden sein Dasein
im fernen Afrika erkämpfen muß. wenig Zeit zum Schreiben übrig bleibt und
man daher über sein Leben und seine Tätigkeit wenig erfährt. Bei den
Einheimischen heri-scht aber allgemein die Ansicht vor, daß Südwestafrika
die aufgewendeten Mittel, Opfer und Mühen reichlich lohnen wird.
Wenn man nach Südwestafrika kommend, in Swakopmund landet, be-
nutzt man meistens zur Reise ins Innere die nach dem Hauptort Windhoek
führende H60 km lange Schmalspurbahn, die einen in drei Tagen an das Rei-
seziel befördert. Die ersten (M) — 70 km sind dürre, wasserlose Wüsten, san-
dige Steppen mit Dünen, die beim leisesten Wind ihre Lage verändern. Ganz
allmählich beginnt dann die Vegetation, zuerst Wüsten pflanzen, bis sich end-
lich auch besseres Land und reicheres Pflanzenleben zeigt. An Wasser fehlt
es überall, die Flüsse sind meist trocken : unterirdisch gibt es schönes klares
Wasser, das aber oft tief erbohrt werden muß. 8—9 Monate im Jahr fällt
kein Tropfen Regen, nur von November bis zum März regnet es, zuweilen
mit heftigen Gewitterausbrüchen, die Überschwemmungen zur Folge haben,
treilich nur von kurzer Dauer. Die Hitze in Südwestafrika ist nicht sehr
groß. Am Tage zeigt das Thermometer 24—80® R., fällt dagegen nachts
oft bis 4° — und ruft dadurch angenehme Abkühlung und erfrischende Morgen-
temperaturen hervor. In der reinen Luft gehören Erkältungen zu den Selten-
heiten. Nach den Regengüssen grünt alles sichtlich auf, überall entfalten
sich Blumen wie auf Zauberschlag: sie duften aber nicht. Ein Heer von
bunten Vögeln belebt die Landschaft, doch sind es keine Singvögel und die
Früchte der Bäume und Felder zeigen wenig Wohlgeschmack. Reichhaltiger
als die Vegetation ist die Tierwelt, Strauße, Antilopen (Hartebeeste), Kudus,
Springböcke, und von Raubtieren Schakale, Hyänen, Leoparden, Löwen und
wilde Hunde, die besonders den Viehherden schaden.
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Die Frau Vortragende kam 1893 mit ihren Eltern nach Südwestafrika.
Nach siebenjährigem Aufenthalte in Windhoek siedelte sie mit ihrem Gatten
und ihrem Kinde nach Okahoa, drei Tagereisen östlich im Hererolande, über.
Die Reise erfolgte unter vielen Strapazen und großem Kostenaufwand auf
einem mit 20 Ochsen bespannten Wagen; namentlich erschwerten die De-
zemberregentage das Fortkommen ungemein und oft mußte mit Beilen der
Weg durch das dornige Gestrüpp gebahnt werden. In Okahoa wurde zu-
nächst, wie das alle Ansiedler zu tun pflegen, bis zur Vollendung des eigent-
lichen anspruchslosen Farmerhauses, ein provisorisches Unterkunfts- und Wirt-
schaftshaus errichtet, das sogenannte Hartebeesthaus. Die Eingeborenen
rammten zu diesem Zwecke starke Pfähle in die Erde und verbanden sie
durch Riemen aus der Haut des Hartebeestes, daher der Name; das Ganze
wurde mit Lehm bestrichen und das Dach zum Schutze gegen Regen mit
Segeltuch überspannt. Die Fertigstellung des Farmerhauses dauerte sehr
lange. Die Trägheit und Ungeschicklichkeit der Eingeborenen war so groß,
daß Herr von Falkenhausen genötigt war, den Bau allein auszuführen, der
während der Regenzeit noch unterbrochen werden mußte. Er enthielt nur vier
Räume, war aber ganz behaglich und praktisch ; umringt war das Haus stets
von einem Schwärm neugieriger Eingeborenen, die die Möbel und die ver-
schiedenen Gebrauchsgegenstände, deren Zweck sie sich nicht erklären konnten,
mit verwunderten Blicken anstaunten.
Anfangs wurde in Okahoa nur ein kleines Stück Land zum Garten
in Bewirtschaftung genommen; doch in den ersten Jahren erzielte Herr von
F. dort nur geringen Erfolg; Heuschrecken und Trockenheit veniichtcten
die Pflanzen und von den Kartofl'eln kam kaum die Aussaat wieder ein.
Später als Herr von F. ein geeigneteres Terrain mit genügender Bewässe-
rungsanlage als Garten benutzte, mehrten sich die Erträgnisse doch bedeutend.
Die Herdenzucht gedieh vorzüglich und die Rinder wurden durch deutsche
Einfuhren verbessert. Als besonders lohnend zeigt sich in Südwestafrika
die Zucht von Fettschwanz- und Wollschafen Sonntags ging Herr von F.
zur Jagd, die Wild, namentlich die köstliche Wildente zur Regenzeit, Stein-
böcke, Hartebeester und den wohlschmeckenden Springbock für mehrere
Tage lieferte. Die tägliche Kost bestand meistens aus Fleisch und Reis,
dazu der nimmer ausgehende Kafi'ee. So verlief das Leben der Farmer
ruhig und wenig abwechslungsreich. Trotzdem erinnert sich die Vor-
tragende mit Sehnsucht an die Abende, die sie mit ihrem Gatten vor
dem Hause sitzend verbracht habe, im Angesichte des mondhellen und stem-
funkelnden Himmels und in der köstlichen milden Luft. Bei seiner mühe-
vollen Farmertätigkeit steht die Frau dem Gatten treu und tatkräftig zur
Seite, sie ist seine beste Gehilfin. Auf die Eingeborenen ist kein Verlaß,
sie sind faul und schmutzig und zur Arbeit nur zu gebrauchen, wenn sie
nichts zu essen haben. Die besten Arbeiter waren immer noch die Berg-
Damaras, die aber wegen ihrer Feindschaft mit den Hereros nicht lange
aushielten. Die Ansprüche der Hereros sind gering; sie machen sich wenig
aus der Garderobe, und das Waschen erscheint ihnen lächerlich : dagegen
sind sie leidenschaftliche Raucher. Wenn sie krank sind, was sehr häufig
der Fall ist, wenn sie nicht arbeiten wollen, werden die üblichen Medika-
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menUi unginraiult : innerlich Rizinaßol. &a6eriich Senfpflaster. Wagenschmiere
u. dgl. I>ie Vortragende hob anßer der Faulheit noch besonders die Hinter-
lint, ifaliffucht, Grausamkeit und den Hochmut der Hereros hervor. Auf die
Detttaehen »ehen nie mit Verachtung herab, weil sie arbeiten und das
I^and belMiuen, was nach ihrer Ansicht des freien Mannes unwürdig ist.
Hl« meinen, sie seien nach Afrika gekommen, weil sie zu Hause nichts zu
etaen hatten. Der Ausbruch des Aufstandes wirkte, wie bekannt, allgemein
ttberravchend ; so gniß war die Verschlagenheit der Eingeborenen, ebenso
wie ihre (irausamkeit, der leider so viele Menschenleben zum Opfer ge-
fallen sind, darunter auch Herr von F., während seine Gattin mit ihren
2 Kindern knapp mit dem Leben davonkam.
Die Tapferkeit und der Todesmut unserer wackeren Truppen, die jetzt
in Afrika ihr Leben für den Namen und den Besitz ihrer deutschen Land-
loutc einHetzt<fn, so schloß die Vortragende, seien über jedes Lob erhaben.
Leider würden ihre Verdienste in der Heimat nicht so gewürdigt, wie es zu
wünschen wäre, denn die Anstrengungen und Gefahren, welche unsere Trup-
pen durchgemacht hätten, ließen sich hier gar nicht begreifen.
Mittwoch, den 14. November 1906.
Herr PfarrerLic. Dr. Karl Schwarzlose-Frankfurt a.M.:
Serbien y Land and Leate« Nach eigener Stadienreise geschil-
dert. (Lichtbilder.)
Der Redner hatte im Frühsommer 1906 eine sechswöchentliche Studien-
reise nach dem K(^nigreiche Serbien unternommen. Dank den vorzüglichen
Empfehlungen und dem tatkräftigen Entgegenkommen der serbischen Staats-
regierung, die ihm in der Person des Herrn Dr. Pctkovitch einen landes-
kundigen Reisebegleiter zur Seite gab, lernte er Land und Leute in ver-
hältnismäßig kurzer Zeit gut kennen.
Das Königreich Serbien liegt zwischen dem 42. und 45.® n. B. und dem
11). und 28.« ö. L. Es ist 48808 qkm groß und zählt etwas über 2700000
Einwohner. Vierfünftel der Bodenfläche ist gebirgig. Das Land wird durch
den Hauptflub, die Morawa, in zwei ziemlich gleiche Teile zerlegt, die aber
in Jeder Hinsicht mannigfache Unterschiede aufweisen. Die ostserbischen
Oobirge, die bis tu 2 100 m Höhe ansteigen und hie und da einen karstartigen
l'harakter tragen, sind eine Fortsetzung der transsilvanischen Alpen, während
hingegen die sich mehr allmählich aufbauenden westserbischen Gebirge als
Ausläufer des südalpinen Kalkgürtels angesehen werden dürfen. Ein Mittel-
gv'birgc ist die finstere Schumadija, das Waldland im Herzen des König-
reichs« zugleich die Wiege der politischen Freiheit Serbiens. Denn hier in
der Schumadija liegen Topola und Takowo, die Stammsitze der Djrnastien
KaragiH^rgevitch und Obrenovitch.
Auffallend ist der grolle Waldreichtum Serbiens, der 81*6 der
Bodenfläche btnlix'kt. Es gibt Wälder von 400tR) ha Ausdehnung. Ver-
bälUiismä&ig g^'ring ist der Bestand an Tannen. Die überwiegenden Bäume
sind die Buche und die Eiche. Die stattlichen Eichcnwaldungen sind der
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Nährboden für die zahlreichen Schweineherden. In den dichten Waldungen
kommen auch noch wilde Tiere vor, Bären, Wölfe, Luchse usw. Es könnte
in den serbischen Wäldern, wie ein Forstmann berechnet hat, für 50 Mill.
Fr. Holz geschlagen werden. Bewundernswert ist femer der Vichreichtum
und die Fruchtbarkeit des Landes, namentlich in den Flußtälen, z. B. der
Morawa. Von Obstsorten wird am meisten die Pflaume gepflegt; es gibt
22 Mill. Pflaumenbäume in Serbien, die jährlich etwa 230 Mill. kg Frucht
abwerfen. Die Früchte gehen zumeist gedörrt oder zu Mus verarbeitet ins
Ausland ; aus denselben wird auch der bekannte Pflaumenschnaps — , Sliwo-
witz" — gewonnen. Guter Wein wächst bei Nisch, bei Smederevo an der
Donau, sowie hauptsächlich bei Negotin im Norden des Landes. In Bukovo
bei Negotin befinden sich eine nach deutschem Muster geführte Weinbauschnle
und Musterkellerci. Auffallend ist auch der Reichtum Serbiens an guten
Mineral wassern und heilkräftigen Thermen. Die Industrie ist noch in den
Anfängen, jedoch aufstrebend. Erwähnung verdient vor allem die Piroter
Teppichfabrikation, welche der persischen würdig zur Seite gestellt
werden darf.
Daß der Reichtum des Landes an Holz, Kohlen, Marmor, Vieh und
Ackerprodukten verhältnismäßig noch wenig ausgenutzt wird, liegt an dem
Mangel an Eisenbahnen und geeigneten Transportmitteln, Dieser Mangel
erklärt es auch, daß das Innere Serbiens selbst von den Serben wenig besucht
wird. Die Regierung arbeitet neuerdings zielbewußt daran, diesem Mangel
abzuhelfen. Es sind einige wichtige Bahnlinien schon im Bau, andere pro-
jektiert. Am nötigsten braucht Serbien eine direkte Eisenbahn zum Adria-
tischen Meer, um es von Oesterreich- Ungarn in seiner Ausfuhr unabhängig
zu machen.
Das heutige Serbien ist altes Kulturland. Es war zuerst von den
Keltischen Skordiskern bewohnt, welche auch die Feste Singidunum,
das heutige Belgrad (Belgrad -Weißenburg) erbauten. Die Kelten wurden
von den Römern abgelöst, die das Land ähnlich wie ihr germanisches Gebiet
durch einen Limes schützten. Serbien ist reich an römischen Erinnerungen;
die vornehmste ist die alte Trajanstraße auf der serbischen Donauseite. Die
Serben kamen im 7. Jahrhundert ins Land und nahmen im 9. Jahrhundert
das Christentum in seiner byzantinischen Ausprägung an. Im Mittelalter
vereinigten sie sich zu einem starken Königreiche unter der Herrschaft der
Nemanjiden (1168—1369). Der bedeutendste derselben, Duschan, nahm
sogar den Kaisertitel an. In dieser Zeit stand Serbien auf einer hohen
Kulturstufe. Dieselbe wurde vernichtet durch die Türken, die von 1389 an
das Land in Besitz nahmen und fürchterlich knechteten und aussogen. Da
europäische Hilfe versagte, befreiten sich die Serben selbst am Anfange des
19 Jahrhunderts unter Führung von Georg Petrovitch, gen. Karad-
g 0 r d j e , und nachher von M i 1 o s c h 0 b r e n o v i t c h . Seit 1817 ist es
selbständiges Fürstentum, seit 1882 Königreich, seit 1903 regiert von König
Peter I. aus der Dynastie Karadgeorgevitch. Die Türken räumten die
Festungen des Landes erst 1867. Seitdem hat die westeuropäische Zivilisation
erst richtig in Serbien Einzug halten können. Auch Belgrad ist erst seit 1867 im
vollen Sinne eine europäische Stadt. Es zählt gegenwärtig 85000 Einwohner und
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hebt Bich zusehends. Die Stadt hat schöne Bauten, gute Hotels, elektrisches
Licht, elektrische Straßenbahn usw. Der Redner zeigte in Lichtbildern die
bedeutendsten Sehenswürdigkeiten und historischen Monumente der Stadt und
erläuterte am Innern der Kathedrale den orientalisch -christlichen Gottesdienst.
Um im Inneni des Landes zu reisen, muß man etwas der serbischen
Sprache mächtig sein. Sie ist eine wohlklingende, fein durchgearbeitete
Sprache, das „slawische Italienisch'. Außer serbisch kommt man am weitesten
mit deutsch. Deutsche Wissenschaft und Kunst, deutscher
Handel und deutsche Industrie sind sehr geachtet. Man reist
im Innern des Landes am besten zu Wagen oder zu Pferde. Die Straßen
sind gut; auch die Sicherheit im Lande läßt nichts zu wünschen übrig Nur
an die Kost muß man sich erst gewöhnen. Es gibt überall annehmbare
Gasthäuser, und die Leute sind zuvorkommend und höflich. Die Lebensweise
ist einfach. Es gibt viele alte, sinnige und eigenartige Sitten, z. B. die
Wahlbruderschaft und die Slavafeier. Besonders innig ist die Geschwisterliebe.
Serbien hat bei ruhiger Entwickelung und einheitlicher Regierung
entschieden eine Zukunft. Die Vorurteile, die man häufig über das Land
hört, sind unbegründet, wovon der Reisende sich nach kurzem Aufenthalte
überzeugen kann. Auch um seiner vielen und noch wenig bekannten land-
schaftlichen Reize willen verdient Serbien mehr besucht zu werden, was
Redner durch zahlreiche Lichtbilder nachwies. Namentlich verdienen die
romantisch gelegenen und ehrwürdigen Klöster des Landes allgemeine Be-
wunderung, das Krönungskloster Schitscha im Morawatal, Kloster Stude-
nitza, das stolzeste Heiligtum der Serben, nicht weit von der türkischen
Grenze, sowie Ravanitza und das festungsartige M a n a s s i a in Ostserbien.
Den Schluß bildet die Schilderung einer Donaufahrt vom Eisernen Tor
bis Belgrad, die einer Rheinfahrt in nichts nachsteht.^)
Mittwoch, den 28. November 1906.
Herr Dr. Robert Hartmeyer-Berlin: Bericht über
meine Beise in Westanstralien. (Lichtbilder.)
Westaustralien war bis vor kurzem ein von der zoologischen Wissen-
schaft stark vernachlässigtes Gebiet. Die Bescheidenheit und verhältnismäßige
Armut seiner Fauna im Vergleich mit dem Reichtum und der Üppigkeit einer
tropischen Tierwelt vermochten keinen Forscher anzulocken, trotzdem die
Feststellung der Art und Weise, wie hier eine reiche tropische Fauna nach
Süden hin allmählich verarmt, die Aussicht auf die Erweiterung unserer
Kenntnisse in allen Ti«Tjrruppen sowohl der Küsten wie der Landfauna, die
außerordentlich lücki>nhaft genannt werden müssen, endlich die durch die
Strömnngsverhältnisse an der südwrstaustralischen Küste bedingten Wechsel-
beziehungen zwischen der tropisch -indischen Warmwasserfauna und einer
*) (Vgl- ^^^'S Redners inzwischen erschienene Schrift: .l'ber Berührungen
zwischen Deutschland und Serbien in Vergangenheit und (legenwart. In den
Jahrbüchern der Königlichen Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu
Erfurt. Neue Folge, Heft XXXll Erfurt ÜKM)).
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mibantarktischen Kaltwasserfauna im Verein mit erdgeschichtlichen Fragen
und dem Bipolaritätsproplem Pfeffers eine solche Fülle interessanter Fragen
von vornherein in sich schließt, daß eine Durchforschung dieses Gebietes ohne
weiteres lohnend und aussichtsvoll erscheinen mußte. In dieser Voraussetzung
unternahmen Prof. Michaelsen aus Hamburg und der Redner im Jahre 1905
ihre zoologische Forschungsreise in dieses Gebiet. Das Arbeitsgebiet umfaßte
den ganzen Südwesten Westaustraliens, von Albany im Süden bis zur Sharks
Bay im Norden, die bereits klimatisch wie faunistisch dem subtropischen
Gebiet angehört, in nordöstlicher Richtung bis zum Lake Austin, nach Osten
bis auf die Goldfelder von Kalgoorlie und Coolgardie. Über dieses weite
Gebiet wurde ein Netz möglichst gleichmäßig verteilter und zahlreicher
Sammelstationen angelegt. Hand in Hand mit dem Sammeln der Landfauna
gingen marine Küstenarbeiten, die sich auf fünf Hauptstationen, Albany,
Bunbury, Fremantle, Geraldton und Sharksbay erstreckten, welche, in möglichst
gleichen Abständen auf den Küstenstrich verteilt, ein Bild von der verschieden-
artigen Verteilung und den Wechselbeziehungen der Meeresfauna entlang
dieses Küstenstriches liefern sollten.
Die allgemeine Konfiguration von Westaustralien ist sehr einfach.
Der größte Teil des Innern wird von einem 250—600 m hohen Plateau mit
leicht welliger Oberfläche eingenommen, über die das Urgestein in Gestalt
von kuppeiförmigen Erhebungen inselartig emporragt. Der Steilrand des
Hochplateaus trägt eine Anzahl Ketten, die unter dem Namen Darling Ranges
zusammengefaßt werden. Dem Plateau vorgelagert ist ein Streifen Küsten-
land mit marschigem Charakter, der teilweise dem Ackerbau und der Viehzucht
erschlossen ist. Flüsse gibt es längs der Küste eine ganze Anzahl, die meisten
sind aber sehr wasserarm oder ganz ausgetrocknet. Die Darling Ranges
tragen vornehmlich im feuchteren Südwesten einen reichen Waldbestand.
Die Charakterbäume des westaustralischen Waldes sind die Eukalypten, deren
Holz von hoher wirtschaftlicher Bedeutung ist und die eigenartigen Gras-
bäume. Weiter ins Innere geht der Urwald in den typischen parkartigen
australischen Busch über, der dann wieder durch den sogenannten Scrub, eine
trostlose Steppen Vegetation, abgelöst wird. Diesem Gebiete gehören auch die
eigentümlichen Salzseen an, die den größten Teil des Jahres trocken liegen
und nur nach anhaltendem Regen sich für einige Zeit mit Wasser füllen.
Unter der Landfauna überwiegen vor allem die Trockenlandtiere. Reptilien,
besonders Geckonen und Eidechsen sind zahlreich, ebenso Spinnen und manche
Insektengruppen, auffallend ist der Mangel an Landschnecken. Die Süß-
wasserfauna ist arm wie ]>ei dem fast gänzlichen Mangel an perennierenden
Süßwasserseen nicht anders zu erwarten ist. Auch Süßwasserfische sind sehr
spärlich. Das Meer lieferte den größten Reichtum im Gebiete der Sharks
Bay, deren Fauna einen durchaus tropischen ('harakter aufweist. Die Sharks
Bay ist auch der Mittelpunkt der an der nordwestaustralischen Küste be-
triebenen Perlfischerei, die sich hier aber nur auf eine kleine, dünnschalige
Art (Meleagrina iiiibricataj erstreckt, während die große, viel wertvollere
Perlmuschel (Meleagrina margaritifera) erst weiter im Norden im eigentlichen
tropischen Gebiet auftritt. Der Nordwesten ist auch derjenige Teil des
Landes, in dem die meisten Eingeborenen sich noch finden. Ihre Zahl, die
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heute auf 70000 geschätzt wird, geht von Jahr zn Jahr zurück, trotz aller
Maßregeln, die zu ihrer Erhaltung und Kultivierung ergriffen werden.
Interessante Ergebnisse hatten die Küsten arbeiten hinsichtlich der
Verbreitung der riffbildenden Korallen. Noch bei Bunbury wurden typische
riffbildende Formen gefunden, die sich hier zwar nicht mehr zu ausgedehnten
Riffen zusammenschließen. Die bekannte südliche Verbreitungsgrenze ver-
schiebt sich durch diesen Fund um mehr als 5 Breitengrade nach Süden.
Sehr ergiebig waren auch die Fänge bei Bunbury und vor allem bei Albany
und besonders interessant die Tatsache, daß die dortige Meeresfauna schon
stark mit antarktischen Elementen durchsetzt erschien, eine Folge der kalten
Strömung, welche diesen Teil der Küste bestreicht. Der Nordwesten des
Landes ist auch der Sitz der großen Schaffarmen, von denen einzelne über
einen Bestand von 30 — 40000 Schafen verfügen. Im wirtschaftlichen Leben
des Landes spielen die Schaffarmen eine bedeutende Rolle, von viel höherer
Bedeutung ist aber die Montanindustrie und vor allem der Goldber^bau, der
in den letzten Dezennien einen fast beispiellosen Aufschwung genommen hat.
Seit etwa zehn Jahren hat Westaustralien unter den australischen Staaten
in der Goldproduktion die führende Rolle übernommen und nimmt auch
bereits die Konkurrenz mit den Transvaalminen auf. Das Zentrum des west-
australischen Goldbergbaues ist heute Kalgoorlie, kaum fünfzehn Jahre alt.
eine ganz moderne Stadt inmitten der Wüste, die 500 km weit von der Küste
entfernt mit dieser durch eine Eisenbahn und eine großartige Wasseranlage
verbunden ist. Zweifellos hat das Land den großen Aufschwung, den es in
jüngster Zeit genommen, in erster Linie dem Goldbergbau zu verdanken, aber
gleichzeitig entwickeln sich Industrie und Landwirtschaft immer weiter, so daß
selbst bei einem eventuellen Sinken der Goldproduktion das Land wirtschaft-
lich soweit erstarkt sein dürfte, um sich dauernd auf einer gewissen Höhe
zu halten.
Mittwoch, den 5. Dezember 1906.
Herr Kunstmaler Alphons Leopold M i e 1 i c h - W i e n : Vom
Ostjordanland durch das alte Moab in anbekaimte Gebiete
der nordarabischen Wfiste. (Lichtbilder.)
Es ist zweifei h)s, daß Arabien, nahezu fünfmal so groß als das Deut-
sche Reich, vor allem sein Inneres heute noch zu den unbekanntesten Ge-
genden der Erde zählt. Schon in alter Zeit berichten Geschichtsschreiber
und Reisende, wie schwer diese wüsten Landstriche zugänglich seien, daß
es für Eroberer ganz unmöglich sei, dorthin einzudringen, daß ihre Bewohner,
die räuberischen Wüstensöhne, für die umliegenden Ansiedlungen stets eine
Gefahr bedeuteten, die die Ortschaften überfielen und plünderten, ohne daß
an ihnen Vergeltung geübt werden könnte. Seit uralten Zeiten ist aber
dieses Wüstengebiet von einer hohen Kultur umgeben gewesen : so im Nord-
westen von Phönizien und Palästina, im Osten \on den fnichtbaren Niede-
rungen des Euphrat und Tigris. Balx'l und Assur mit dem persischen Hinter-
lande, im Süden von einem mächtigen Reich südarabischer Herrscher, von
dem wenig bekannt ist, im Westen schließlich durch das Rote Meer getrennt
— 101 —
von Ägypten. Alle diese Kultorstaaten mußten bestrebt sein, mit den Wüsten-
bewohnem auf gutem Fuüe zu stehen, wenn den Grenzgebieten jene Ruhe
gesichert, bleiben sollte, die für eine gedeihliche staatliche Entwicklung so
notwendig ist.
Ein Teil dieser Wüsten gebiete, das Ostjordanland, angrenzend an das alte
Moab. war das Ziel einer von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
zu Wien unterstützten Forschungsreise, die im Jahre liK)l unter Führung
von Dr. Alois Musil. der bereits zweimal diese Gegenden bereist hatte, dort-
hin abging und den besonderen Auftrag hatte, die Wüstenschlösser östlich von
Moab speziell Ku sejr *Amra gründlich zu untersuchen und die reichen Bilder-
schätze von ^Amra, über die Dr. Musil begeistert an die Akademie berichtet
hatte, zu studieren und aufzunehmen. Zu diesem Zwecke war der Vortragende
als Mitglied der Expedition gewonnen worden. Über seine Erlebnisse soll
im folgenden die Rede sein.
Zieht man von Jerusalem aus gegen Osten, so erreicht man auf der
mehr oder weniger steil abwärts führenden Straße nach ungefähr 6—7 Weg-
stunden Jericho, quert die fast 4(K) m unter dem Spiegel des Mittelmeeres
liegende Jordanebene, überschreitet den Fluß und gelangt zu MesrÄ *Akwa
(die Starke), einem jener wenigen Bachläufe aus dem Ostgebirge, die während
des ganzen Jahres Wasser führen; von hier geht es dann zwischen Felsgeröll
in scharf steigenden Seri)entinen das (lebirge aufwärts und nach vierstündigem
anstrengenden Ritte, an zwei von den Arabern heilig gehaltenen Bäumen
vorbei, erreicht man bei dem alten Bet Baal Peor die Höhe.
Der Anblick rückwärts, nach Westen, ist wundervoll. Hier war es,
wo Moses und sein Volk vom Baalspriester sollten verflucht werden, damit
sie im Kampfe gegen die Amoniter unterlägen, aber sie mußten gesegnet
werden, sie siegten und konnten weiterziehen, dem gelobten Lande zu.
Von der Höhe führen Spuren einer alten Römerstraße zwischen Feldern
und angebautem Lande südostwärts nach Mädaba. Dieser Ort, seit den
ältesten Zeiten so genannt, hat in der alten (Jeschichte jener Gegenden eine
bedeutende Rolle gespielt. Heute ist er ein Ruinenfeld, in welchem sich vor
etlichen Jahren lateinische Christen angesiedelt haben, die eine blühende
Mission bilden. Ihnen folgten dann grichisch- katholische und schließlich die
türkische Regierung mit einigen Grenzsoldaten und einem Mudir, der mit
ziemlichem (Jeschick die Verwaltung führt.
Das Ruinenfeld von Mädaba ist sicherlich eines der interessantesten
und es würde sich daraus bei systematischer Durchforschung noch manches
Wertvolle zutage fördern lassen, wie neben anderem der Fund eines präch-
tigen Mosaikbildes beweist, welcher gelegentlich der Erbauung der griechischen
Kirche gemacht worden ist. (Die farbige Reproduktion dieses Mosaikes, das
die Karte von Palästina darstellt, befindet sich auch in der Frankfurter
Stadtbibliothek.)
In der lateinischen Mission, welche an Stelle der alten Akropolis auf
dem Stadthügel erbaut ist, mußten die beiden Reisenden Dr. Musil und der
Vortragende auf die Beduinen vom Stamme der Beni Sahr warten, welche
seinerzeit mit Dr. Musil schon einmal im Osten waren, also den Weg nach
Kusejr ^Amra, das Ziel der Expedition, kannten.
— 102 —
Trotzdem rechtzeitig Boten ausgesandt waren, dem Beduinen - Stamme
Nachricht zu vermitteln, daß Dr. Musil seinen Freund H&jel, den Bruder des
Fürsten der Beni Sahr, in Mädaba erwarte, vergingen mehr als 14 Tage,
ehe dieser mit seinen Begleitern eintraf. Er war weit im Südosten bei
kleinen Stämmen gewesen, um Tribut einzuholen.
Endlich erschien er eines Abends unerwartet in Mädaba und sofort
wurden alle Anstalten getroffen, die Weiterreise antreten zu können. Nachts
wurde aufgebrochen, um ohne Wissen der Behörde, von der man Schwierig-
keiten befürchtete, außerhalb des Ortes mit den Beduinen zusammenzu-
treffen, was in einem kleinen Tal, etwa 4 Stunden südöstlich geschah. Die
Reisenden vertauschten ihre europäische Kleidung mit der der Beduinen und
zogen als solche mit ihren Begleitern ostwärts. An Ziza, einer Station an
der Pilgerstraße Damaskus -Mekka, vorüber ging es zuerst nach M'schatta.
einer interessanten, umfangreichen Bauanlage, von deren reich 8kulpturiert<?n
Fassade der größte Teil heute im Kaiser Friedrich - Museum zu Berlin auf-
gestellt ist.')
Nach kurzer Rast wurden den Beduinen die mitgebrachten Repetier-
Karabiner erklärt und übergeben, dann ging es durch das Wadi al-Mutabba
weiter. Mit Sonnenuntergang hielt die Expedition wieder kurze Weile,
Bedninenbrot wurde bereitet und verzehrt. Da der Eingeborene an dem Platze,
wo er Feuer brannte, grundsätzlich kein Nachtlager hält, und weil die
Reisenden am nächsten Tage noch *Amra erreichen wollten, wurde mit ein-
getretener Dunkelheit wieder aufgebrochen, bis nach Mitternacht gewandert
und dann an einem günstigen Punkte das Nachtlager bezogen. Weder ein
Zelt noch sonst irgendwelche Bequemlichkeit gab es. Vor 4 Uhr morgens —
es war noch finstere Nacht, wurden die Kamele wieder bestiegen. Die Nacht
war kalt, doch mit der aufgehenden Sonne und ihrem herrlichen Licht wurde
es wärmer, und bald entwickelt« sich eine unerträgliche Hitze in der schatten-
losen Wüste. Au der steilen Uferböschung eines trockenen Bachlaufes wurde
gegen 9 Uhr vormittags Wüstenmahlzeit gehalten, während die Kamele sich
etwas kümmerliches Futter zusammensuchten, dann über ein Hochplateau
wieder ostwärts weiter gewandert bis gegen 8 Uhr nachmittags. N'or einem
steilen Abhänge zeigte sich in weiter Ferne am Rande einer großen schwarzen
Ebene ein prächtiges Bild — Wald und Bach — und ein kleines rotgelbes
Pünktchen — Kusejr 'Amra inmitten einer Fata Morgana. Es ging den
Abhang hinunter, dann über die Ebene zu einem ausgetrockneten, tief ein-
geschnittenen Bachlauf, an dessen Ufern einzelne Terebinten- Bäume standen
and dahinter auf einer Ebene von der Nachmittagssonne wie in Gold getaucht
das Schlößchen — das ersehnte Ziel.
Da krachen Schüsse, feindliche Beduinen haben die Reisenden über-
fallen, rauben Kamele und Gepäck und entfliehen. Und nochmals greifen
die Feinde an. Diesmal aber erwartet und klug empfangen. Durch eine
Kriegslist gelingt es Häjel, dem Führer, sie ohne Blutvergießen zur Ergebung
zu zwingen. Die geraubten Sachen und die Kamele werden zurückgegeben,
*) Vgl. den Vortrag von Julius E u t i n g über die Schloßruinen von
Meschatta vom 23. November 1904 (Jahresbericht 68/69: 1903/190Ö S. 162 ff.).
— 103 —
die beiden Korscher können im Schlößchen bleiben und dessen Aufnahme
durchführen.
'Amra ist eine alte Anlage, wahrecheinlich aus dem sechsten oder
siebten Jahrhundert und besteht aus einem großen, hohen, quadratischen
Saal, der von Norden her durch ein Tor betreten wird. Dem Eingang
gegenüber befindet sich eine nischenartige Erweiterung, an deren Seiten
sich je ein kleiner dunkler Raum anschließt. Durch die Ostwand des Saales
führt eine Türe in ein zweites kleines Gemach, an das nordwärts ein drittes
von gleicher Größe grenzt. Dann folgt ein weiterer Raum, der mit einer
Kuppel überdeckt, wahrscheinlich als Bad gedient hat. An diesen Raum
stößt ohne Türverbindung ein kleiner gedeckter Gang, der in einen von außen
zugänglichen Hof führt. Vor dem Schlosse findet sich ein heute zum Teil
verschütteter Schachtbrunnen und eine Schöpfwerkanlage und daranstoßend ein
großer gemauerter Wasserbehälter. Das Interessanteste bei der ganzen An-
lage sind sicherlich die großartigen Malereien, welche alle Wände im Inneren
des Schlosses bedecken und welche die vei-schiedensten Szenen darstellen.
Nach einem vierzehntägigen Aufenthalt, während dem unter den schwie-
rigsten Umständen die Aufnahmen der ganzen Anlage vorgenommen wurden,
mußten die Reisenden Ku§ejr ^\mra verlassen, da die begleitenden Beduinen
unter keinen Kmständen mehr länger an Ort und Stelle bleiben wollten.
Aber erst nach Wochen und auf Umwegen gelang es ihnen M<^daba wieder
zu erreichen, von wo aus die Rückreise nach Jerusalem angetreten wurde.
Inzwischen erschienen die von der Kaiserlichen Akademie der Wissen-
schaften zu Wien herausgegebenen Werke Kusejr 'Amra 1. Textband. 2. Tafel-
band. VV^ien. Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei 1907 und Alois
Musil: Arabia Petraea. 1. Moab. Wien, Alfred Holder, 1907.
Mittwoch, den 12. Dezember 1906.
Festsitzang zur Feier des siebzigjährigen Bestehens
des Tereins.
(Die Begrüßungsansprache des stellvertretenden Vorsitzenden Herrn
Hofrates Dr. Hagen, sowie die Festrede des Herrn Professors Dr. Siegmund
Günther aus München über „Die Erdkunde in den letzten zehn Jahren",
die Verkündigung der von dem Verein vollzogenen Ehrungen durch den
Generalsekretär des Vereins Herrn Bibliothekar Dr. Traut und schließlich
die Dankesworte des Herrn Geh. Regierungsrates Professors Dr. Theobald
Fischer aus Marburg sind bereits im vorigen Jahresbericht zum Abdruck
gelangt).
Mittwoch, den 19. Dezember 1906.
Herr Dipl.-Ing. H. Kalbfus-Altona: Der Simplontunnel.
(Lichtbilder.)
Der Redner begann in seiner Einleitung mit einem geschichtlichen
Abriß der Frage dieses Tunnels, die bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts
zurückreicht, ging sodann über zu einer Beschreibung der Eigenart des
— 104 —
Scheitt'l- und ßasistunnels und besprach im Zusammenhang damit die Be-
ziehungen zwischen den Bau- und Unterhaltungskosten einerseits und der
gewählten Lage des Tunnels andrerseits, Beziehungen, die vor allem für den
Verkehrspolitiker von großer Bedeutung sind. Das der Ausführung zugrunde
gelegte Projekt stammte von der 1898 gegründeten ,. Baugesellschaft für den
Simplontunnel. Brandt, Brandau u. Co." in Winterthur und sah an Stelle
eines zweigleisigen Tunnels deren zwei eingleisige (mit Querverbindungen)
vor, eine Anordnung, die sich für die Bauausführung von bedeutenden Vor-
teilen erv^iesen hat. Sehr interessant waren die bei den schwierigen Ver-
messungsarbeiten — das Triangulationsnetz umfaßte 11 bezw. 18 Punkte von
zum Teil sehr großer Höhe — beobachteten Lotstörungen, die Veranlassung
boten, den Einfluß der umgebenden Gcbirgsmassen im Umkreise von 8() km
zu berechnen. Bei den Ausgleichsrechnungen hatte man ein Systt^m von ö6
Fehler- und 18 Normalgleichungen. Trotz aller Schwierigkeiten, von denen
hier nur die bei den Absteckungen im Tunnelinnern beobachtet<'n Luftspie-
gelungen genannt seien, und trotz der großen Tunnellänge von rund 20 km
blieben die Fehler beim Durchschlag geringe : die Höhendifferenz betrug 8,7,
die seitliche Abweichung 20.2 cm, und die berechnete Länge envies sich
gegenüber der tatsächlichen als um 7f) cm zu groß.
Bei der folgenden Darstellung des eigentlichen Tunnelbaues wurden
neben dem Arbeitsvorgang die Hilfsmittel eingehend erläutert, welche zur
Erzielung einer guten Lüftung, sowie zur Abkühlung der bis auf öO® ge-
stiegenen Gesteinstemperatur nötig waren. Bei der Lüftung zeigte sich das
Zweituunelsystem von außerordentlichem Wert, denn man konnte dabei den
einen, zunächst nicht in voller Größe ausgebrochenen Tunnel zur Luftzulei-
tung benützen. Soweit die schon zur Lüftung nötige frische Luft zur Küh-
lung nicht ausreichte, mußte kaltes Wasser und schließlich künstliches Eis
zur Hilfe genommen werden. Einen weiteren Feind der Ingenieure bildeten
noch die gewaltigen kalten und heißen Quellen, welche t^'ils in starken Strahlen,
teils brausenartig spritzend austraten, und deren Zahl nicht weniger als 287
betrug, also eine auf je 88 m. Ganz eigenartige Verhältnisse herrschten
ferner in einer 44 m langen Strecke, wo das Gestein weich und druckhaft
einer breiigen Masse glich, so daß selbst eiserne Rahmen aus 40 cm hohen
Doppel-T-Profilen verbogen wurden ; der tägliche Fortschritt konnte dort nur
etwa 20 cm betragen, und die Kosten der kurzen Strecke erreichten eine
Million, mit anderen Worten, der einzelne Meter beanspruchte beinahe 280Ü0
fr. Sehr interessant gestalteten sich weiter die Arbeiten beim Durchschlag
selbst, denn von Norden her war jede Arbeit unmöglich, nachdem infolge
großer Wassereinbrüche das letzte Tunnelstück unter Wasser (von 46**) stand ;
von der Südseite mußte also mit dem Durchschlag zugleich auch die Öffnung
dieses Wasserreser\'oirs erfolgen, und es galt natürlich, den hieraus drohenden
Gefahren vorzubeugen. Am 24. Februar 1905 erfolgte, von der ganzen W^elt
mit Spannung erwartet, der Durchschlag ohne jeden Unfall.
Des weiteren schilderte der Vortragende noch die wichtigen Anlagen
an den Tunnelportalen und die sehr beachtenswerten Leitungen für das
Druckwasser, besprach den anfangs geplanten und den tatsächlichen Ver-
kehr der Arbeitszüge sowie ihre Dampf- und Druckluftlokomotiven und gab
— 105 —
nach einer kurzen Unfallstatistik einen Oberblick über die beim Simplon
gesammelten geologischen Erfahrungen. Von letzteren war die über die
Veränderung des physikalischen Zustandes der Gesteine unter hoher Über-
lagerung besonders beachtenswert: bei der Auffahrung erschien das Gestein
sehr komprimiert, zäh und hart, bald jedoch wurde es blätterig und rissig.
Mit einer Skizzierung des voraussichtlichen Einflusses des neuen Tunnels auf
den internationalen Verkehr schlössen die durch zahlreiche Lichtbilder syste-
matisch unterstützten Ausführungen, die ein klares und umfassendes Bild yon
der Entstehung und Bedeutung des Simplontunnels boten.
Mittwoch, den 9. Januar 1907.
Herr Prosper Mttllendorff-Köln a. Rh.: Franxösiseh-
Goinea. (Lichtbilder.)
Der Vortragende, welcher die Kolonie vor einigen Jahren besucht hatte,
fand sie dank der praktischen Verwaltung durch den verstorbenen Gouverneur
Dr. med. Ballay in blühendem Zustande, er verhehlte aber nicht, daß im
Gegensatz zu den Zuständen in den deutschen Kolonien die Privat Unterneh-
mung mit den vorzüglichen staatlichen Leistungen nicht genügend Schritt
hält. Das Gebiet bedarf seit längerer Zeit keines Zuschusses von Seiten des
Mutterlandes mehr, das ihm die Ausgaben für die Eroberung in der üblichen
Weise abgenommen hat. Bekanntlich trägt Frankreich die eigentlichen
militärischen Ausgaben für seine Kolonien, die aus eigenen Mitteln eine
Polizeitruppe unterhalten müssen. An der (iuinde selbst stehen keine Trup-
pen von der gemeinsamen Kolonialarmee; seitdem das Gebiet unter Dr. Ballay
befriedet worden ist, hat es kein Militär mehr.
Die Guin^e. politisch ein Teil von Französisch -Westafrika, steigt in
Terrassen nach dem Inneren zu auf. wo es in der (lebirgsformation des Futa
Djallon mit 1 8(K) m über Meeresspiegel in dem Quellgebiet des Nigerstromes seine
höchste Höhe erreicht. Dieses Hochland bietet die günstigsten Umstände für
die Viehzucht, der sich sowohl die hochstehende eingewanderte Rasse der
Fullah (Fulbe) als auch die Eingeborenen widmen. Von der Guin6e aus wird
bei weiteren Fortschritten der Verkehrsmittel im Innern ein großer Teil der
westafrikanischen Küste mit Vieh versorgt werden. Der wichtigste Handels-
gegenstand ist der Kautschuk, für dessen rationelle Gewinnung und Auf-
bereitung die Verwaltung genaue Verordnungen erlassen hat. Versuche mit
Baumwollkultur sind eingeleitet; die Baumwollstaude ist, wie übrigens in
ganz Westafrika, so auch in Guinea heimisch. Die Größe der Kolonie ent-
spricht etwa der Hälfte derjenigen des Deutschen Reiches; die Einwohner-
zahl wird auf anderthalb Millionen geschätzt. Die Haupteinnahmequelle ist
eine Kopfsteuer von 2 fr. für jeden Eingeborenen und erscheint im Budget
mit einem Betrag von über 4 Mill. fr.
Konakry, die Hauptstadt der Küste, gehört dank der vorzüglichen
Kolonialpolitik Ballays und seiner Nachfolger, mit Duala in Kamerun, Lome
in Togo und Lagos in Südnigerien zu den schönsten Städten der Westküste.
Ihre Entstehung wird erst von 1890 an gerechnet. Die Einwohnerzahl be-
trägt 8500 Eingeborene, 3üO Europäer und 107 Syrier. Die Straßen durch-
— 106 —
schneiden die auf der Insel Timpo anj(elej(te Stadt im rechten Winkel und
sind von schönen Mangobäumen eingesäumt. Die sanitären Verhältnisse sind
sehr günstig. Die Stadt hat Wasserleitung. Eine Landungsbrücke gestattet
das Anlegen von Leichtern. Auber den französischen legen die Dampfer der
Wörmannlinie regelmäßig in Konaki-y an, das dem viel älteren Freetown
in der britischen Nachbarkolonie einen guten Teil des Handels mit dem
Inneni abgewonnen hat. Deutsche und schweizerische Kaufleute sind in
Konakry ansässig.
Die Hauptaufgabe der Verwaltung bildet vorläufig der Bahnbau. Vom
Festlande gegenüber der Insel Timbc^ führt eine Straße nach dem oberen
Niger, die aber zu (Junsten des Bahnbaues zurückgestellt und nicht ausgebaut
wurde, (ileich am Hafen von Konakry liegt die Ausgangsstation. Die
Strecke fühi-t von der Insel Timb(> über eine feste Brücke über die Lagune
nach dem Festlande Sie ist auf eine Länge von 580 km berechnet und soll
1910 vollendet sein. Es sind schon etwa 2:^0 km ausgebaut und mit 78(> m
über Meeresspiegel ist auch der höchste Punkt übei^wunden: von da ab geht
die Strecke ziemlich gleichmäßig hinab nach dem Nigertal. Sie bildet ein Glied
in der Kette von Verbindungen, die Frankreich in seinem westafrikanischen
Besitztum gegenwärtig schafft und über die Näheres in der Denkschrift der
deutschen Kolonialverwaltung über die Eisenbahnen Afrikas enthalten ist.*)
Die Kolonie baut auf (irund der vom Mutterlande für die Verkehrs-
anlagen in Westafrika aufgenommenen Anleitung, aber in eigener Regie,
und zwar bisher zum Preise von 92 (KK) fr. pro km mit Meterspur. Durch
das Foi*tschreiten des Bahnbaues wird allmählich dem Trägerdienst ein Ende
bereitet, der bisher durchgehends ein Zehntel der männlichen Bevölkerung
von den produktiven Arbeiten abkehrte.
Die Verwaltung unterhält in Camayenne, gegenüber Konakry auf dem
Festlande, einen Vei*suchsgarten, der die Aussichten für mannigfache tropische
Kulturen bekundet, u. a. für Kakao. Da Bordeaux nur 12 Tage von Konakry
entfernt ist, können Früchte für den heimischen Absatz angebaut werden.
Bei Camayenne haben mehrere Franzosen auf kleinen Farmen damit begon-
nen In der Hauptsache jedoch wird die Wirtschaft der Kolonie auf den
Kulturen der Eingeborenen aufgebaut werden, die zum Teil ziemlich hoch stehen.
Die Unterwerfung des Landes ist vollständig und sogar aus dem weiten
Innern kommen Mauren, die früheren hartnäckigen (iegner der Europäer, nach
der Küste, um Handel zu treiben, Der Islam ist bis hierher vorgedrungen.
Mittwoch, den 16. Januar 1907.
Herr Hauptmann im Großen Generalstabe Hermann Bayer-
Berlin: Was lehrt uns der Krieg in Sadwestafrika? (Lichtbilder.)
Herr Hauptmann Bayer, der vor seiner Berufung nach Deutsch -Süd-
westalrika beim (iroßen Geueralstabe in Berlin stand, wurde dem Stabe des
*) Die Eisenbahnen Afrikas. Grundlagen und Gesichtspunkte für eine
koloniale Eisenbahnpolitik in Afrika. Denkschrift des Kolonialamts für den
Reichstag, 12. Legislatur- Periode, 1. Session 1907. Berlin 1907.
— 107 —
Marine- Expeditionskorps als Generalstabsoffizier zugeteilt und fuhr mit dieser
unter Oberst Dürr stehenden Fonnation schon im Februar 1902 nach der
Kolonie, also noch nicht einen Monat nach Ausbruch des Aufstandes. Ende
März 19()4 trat er dann zum Stabe des Generalmajors Leutwein über und
war in Okahandja mit Formierung der gegen die Hereros bestimmten Abtei-
lung betraut, jener Abteilung, die dann am 9. April bei Onganjiva unter
Leutweins Führung einen der bedeutendsten Siege gegen die Hereros erfocht.
An diesem und den sich anschließenden (iefechten nahm Hauptmann Bayer
teil. Er trat dann Anfang Mai 1904 zu der Abteilung Estorff. bei deren er-
probtem Führer er Generalstabsdienste versah. Das Detachement hatte den
schwierigen Auftrag, den Hereros nachzumarschieren, ihre Stellung zu erkun-
den und sie an einem Abmarsch nach der englischen Grenze zu verhindern.
Zwei Monate lang mußte die Abteilung durch fast unbekanntes Gelände und
dichtesten Dornenbusch vorrücken, bis sie schließlich nach Erreichung des
Omuramba-Omatako in Höhe von Osondema ihre Aufgabe als gelöst betrach-
ten durfte; die Hereros hatten sich südlich des Waterberges zusammengezogen
und konnten dort später mit den gesamten Kräften angegriffen werden.
Inzwischen war (leneralleutnant von Trotha im Schutzgebiete ein-
getroffen und berief den Hauptmann Bayer sofort zu sich. Letzterer blieb
von da ab — fünfviertel Jahr lang — beim Hauptquartier als Generalstabs-
offizier, machte in dieser Stellung das Gefecht von Hamakari (Waterberg)
und die sich daran anschließende anstrengende Verfolgung in das wasserarme
Sandfeld mit und ging dann später (März 1905) mit dem Hauptquartier nach
dem Süden gegen die Witbois.
In Keetmanshoop erkrankte Herr Hauptmann Bayer an Typhus. Wenn
er auch diese mörderische Krankheit, der so viele der Unseren in Afrika zum
Opfer gefallen sind, glücklich überstand, so machte sie doch im September 1905
seine Rückkehr nach Deutschland notwendig, da er ohnehin durch die Entbeh-
rungen und Strapazen eines anderthalbjährigen Krieges sehr geschwächt war.
Der Vortragende betonte zunächst, er wolle keine theoretischen Lehren
geben, sondern Bilder aus der Praxis und es lieber den Anwesenden über-
lassen, sich selbst die Lehren daraus zu ziehen. Beim Kolonisieren hätte es
uns an Erfahrung gefehlt. Zwei Hauptfehler seien gemacht worden, man
habe heimische Verhältnisse und Anschauungen auf Afrika ohne Weiteres
übertragen und den Eingeborenen ein Vertrauen geschenkt, das sie leider
nicht verdienten. Der Redner erläuterte hierauf den Charakter und die
Kampfesweise der verschiedenen Eingeborenen -Stämme Südwestafrikas, be-
dauerte den geringen kulturellen Wert gerade dieser Völker, hob aber ihre
kriegerischen Eigenschaften hervor. In kurzen Zügen schilderte er sodann
den Verlauf des Krieges, wobei er der Tapferkeit unserer Soldaten ein glän-
zendes Zeugnis ausstellte und sie gegen den Vorwurf der Grausamkeit ent-
schieden in Schutz nahm, und gab ein eingehendes Bild der gegenwärtigen
Lage. Unter Vermeidung jeglicher politischer Tendenz begründete er die
Notwendigkeit einer vorläufigen starken Besetzung und legte die Gründe
dar, die eine Niederwerfung des Aufstandes erschwerten: Ausdehnung des
Landes, Mangel an Eisenbahnen und Wegen, Guerilla -Taktik des Feindes,
geringe Kenntnis der Kolonie.
— 108 —
Als Beispiel afrikanischer KriRfpiflltinin^ lolfrte cinp ßesrhmbun^ d
Gefechts vim flamakari. das der ^'o^t^agendc im Hauptquartier niitgcmac
hatte, und im Anschluli daran verbreitete er sich Ulwr die militärischen Lehn
die wir aus diesen Keldzun gezogen haben, und Üb<'r unaere Erfabrunt;
mit den mndemsteii Krie^suiitteln (Telegraph, Helingraph. Funken statinnt
Automobile, Hasch inende wehre iisw.i, .Sehließlich erläutert« er einfache
den Wert und die BeschafTenheit der Knionie. Beaiindera wurden (
Wasserfrafi^e. die Aussichten für Ackerbau, Viehzucht. Bergbau einer Kril
untcrzngen. Der Vortragende legt« dar, datt das I^and in seiner jetzig
Lage vor allem ein Viehzuchtland sei. vn enthalt«; viel mehr Wasuer als m
auch heute noch in der Heimat glaube und besitze Weideffächcn in ein
Ausdehnung lleutscblauds, Kllr den Rerglian seien gute Aussichten vorhandt
Hauptmann Bayer bctJinte dabei, er sei kein Kolonial ■Schwärmer,
halte es für zweckmäßig, möglichst objektiv die Aussichten der Kolonie
prüfen und schüne phantastische Zukunftsbilder zu vermeiden. Aber d
augenblickliche Wert der Knlnnic. ohne alle optimistischen Zutaten, i
bedeutend hfiher, als man gemeinhin annehme, was duiTh Beispiele und Tf
Bachen näher begründet wurde. Der Redner schlol3 mit einem Hinweis, daß
allen beteiligten Behörden und Diensbttt'llen dringend darum zu tun sei. ba
Friede und Ruhe in der Kninnie zn bekouimen, um diese mit allen KrBft
zn entwickeln und für die Heimat nutzbringend zu machen.
Hauptmann Bayer hatte, wie nur wenige, (ielegenheit. durch sei
dienstliche Verwendung bei den leitenden Stäben, ein klares, richtiges ii
umfassendes (iesamtbild des Krieges in fjUdwest zu erhalten .^lle Meldu
gen, Beleble, Beriehte waren ihm xugünglich, auch hatte er auf ^-t-'iIK) km P3
bei über älK) Biwaks in afrikonisrhem Dornbusch und Steppe, als .\ugenzeu
von drei großen und mehreren kleineren (JefiThten. bei Fat rnuillen ritten dur
du Hereroland reirhliche Möglichkeit, das Kriegsleben, die Leistungen. Et
behningen unserer braven Truppen, sowie die Besehatlenheit und den W'i
der Kolonie kennen zu lernen. Er kann daher augenblicklich als einer d
besten Kenner des Krieges in Südwest und der gegenwärtigen Lage in d
Kolonie betrachtet werden.
Vgl. folgende einschlägigen Schritten des Herrn Vortragenden: 1, V
Nation des Bastards. (Koloniale Abhandlungen. Heft L) Berlin. Wilhe]
SOsscrott, liNXi. 2. Der Krieg in SUdwestufrika und seine Bedeutung für t
Entwickelung der Knionie. Vortrag gehalten in 'Aä deutschen Städtt
Leipzig. Friedrich Engclmann. 190(i.
Mittwoch, den 23. Jannar 1907.
Herr Dr. Ernst von der Nälimer- Köln: Quer dnn
Klfllnasien, TOm Mittelmeer zum Pontao, (Lir.litbildfr.)
Ende hlai 1900 trat der Vi>rtragende von Knnia. dem damaligen En
punkt der Anatolischen Eisenbahn, eine Reise an. die Ulier den Taurus a
der Straße Karaman-Mut-Selufke nach dem Meerliusen von Ale\andrette u
von dort quer durch Kleinasien über Kaisarieh-Siwas nach dem Schwarz
Meer führen sollte. Die wichtigste Frage für einen Reisenden, die Beschalfu
- 109 —
der Pferde, wurde glücklich gelöst : der Vortragende hob dabei besonders die
Zuverlässigkeit und Tüchtigkeit seines mohammedanischen Katyrdschy, eines
Tartaren, hervor, der ihm die Pferde geliefert hatte und ihn begleitete.
Karaman, die erste größere Stadt unterwegs, wurde als typisch für die
städtischen Siedelungen der Hochebene eingehend geschildert. Lehmsteine,
an der Sonne getrocknet, nicht gebrannt, bilden mit Stangen, Ästen und Reisig
das Baumaterial, und zwischen den armseligen Gebäuden der Gegenwart
ragen noch einzelne wundervolle Moscheen aus der Zeit der Karamanenftirsten.
Der Ritt ging nun nach Süden in den Taunis. In dem ersten Nachtquartier
bot sich Gelegenheit, die landesübliche Einrichtung eines nur für Fremde
bestimmten Unterkunfthauses festzustellen. Von Koslu Budschak wurde die
Wasserscheide zwischen der Hochebene und dem Mittelmeer überschritten.
Zwei Tage lang ging der Marsch auf überaus schlechten Pfaden durch wunder-
volle Gebirgswälder in fortwährendem Auf- und Abstieg nach dem weltent-
legenen Städt<*hen Mut. Statt nun die gewöhnliche Straße nach Selefke auf
dem rechten Göksu-Ufer, zu dem eine noch erhaltene Römerbrücke führt, ein-
zuschlagen, blieb der Vortragende auf dem linken Ufer, um festzustellen, ob
Friedrich Barbarossa diesen Weg mit dem Kreuzheer eingeschlagen haben
könnte, wie neuerdings angenommen wurde. Die Strapazen des zweitägigen
Ritt« erwiesen die ünhaltbarkeit dieser Ansicht. In Selefke mußte der Er-
müdung der Pferde halber gerastet werden. Einst ein bedeutender Handels-
platz, ist die Stadt jetzt tot. Uns Deutschen ruft sie die Erinnerung an das
tragische Ende Kaiser Friedrich Rotbarts wach. Völlig verödet ist die Küste
des Meerbusens von Alexandrette. dem entlang der Vortragende nun nach
Osten nach Mersina zog. stets zwischen Ruinen und Trümmern großer Siede-
lungen und Burgen von der Antike bis zum Ausgang des Mittelalters. In
Mersina. wo der deutsche Konsul Herr Christmann den Vortragenden aufnahm,
bot sich dagegen das Bild einer aufblühenden Seestadt, die, wie alle Häfen
des westlichen Kleinasiens, einen griechischen Charakter zeigt. Jetzt richtete
sich die Reise wieder nach Norden in den Taurus, der in den altberühmten
Cilicischen Toren überschritten wurde. An der Stelle, wo die Bagdadbahn
in einer tiefen Klamm durch das Gebirge nach der Syrischen Ebene hinab-
steigen soll, verließ der Vortragende die große Straße und zog nun an der
Nordscit^ des Antitaurus entlang auf einem seit Moltkc von Deutschen nicht
begangenen Weg nach dem großen, jetzt toten Vulkan des Erdschias und
um ihn nach Kaisarieh. Eingehend wurde dieser Mittelpunkt des Handels
Inner-Kleinasiens geschildert, besonders auch der Basar, der nur in Damaskus
seinesgleichen hat, und die seldschukischen Reste. Das nächste Reiseziel
war Siwas an der großen Straße vom Schwarzen Meer nach Bagdad, das
sich durch die Mischung von Rassen auszeichnet und durch die prachtvollen
Überreste seldschukischer Kunst. Von Siwas wandte sich der Marsch nach
Norden über die alton Städte Tokad und Turchal nach Amassia, einer der
schönsten Stellen Kleinasiens. Besonderes Interesse erregten hier die Gräber
der Könige aus dem Geschlecht des Mithridates. Eine deutsche Kolonie ist
aus Mangel an Nachschub dem Untergang nahe. In Samsun am Schwarzen
Meer bestieg der Vortragende den Dampfer, der ihn nach Konstantinopel
brachte.
- HO —
Der Vortrag ist abgedruckt in : Beiträge zur Kenntnia des Ori
B&nd I, Seite löe ff. Berlin, H. PaeUl, 1904. Vgl. sncb des Redners W
Vom Mittelmeer zam Pontns. Berlin, Allgemeiner Verein für deul
Literatur, 1904.
Mittwoch, den 30. Januar 1907.
Herr Professor Dr. A. Voeltzkow-Berlin: Madkgasl
(Lichtbilder.)
Der Vortragende wählte als Thema des Abends aus dem Ve:
seiner letzten 2'/i j&hrigen Beise zur üntcrsnchang des Aufbaues und
Entstehung der Riffe aud Inseln des westlichen Indischen Ozeans i
Wanderungen auf Madagaskar, welches ihm durch seinen frilberen I
jäbrigen Aufenthalt wohl vertrant ist. Madagaskar erstreckt sich längt
OstkUstc Afrikas bei einer größten Länge von 211 geographiscbrn M(
ist nur wenig gegliedert und enthält eine Hochlandsregion von 12—101
Erhebung über dem Meere, die im Norden nnd Osten sich ausdehnt un^
anfgcsetzt sich wiederum Höhenzüge bis zu 9()()«l Fuü Höhe finden, die vi
orts vulkanischen Ursprung erkennen lassen. Dieses Hochland, dessen
hänge stark bewaldet sind, wird von einem flachen Kustensaum umg
der auf der Ostseite und im Norden nur eine mäßige Breite erreichi
Westen und im Süden aber eich zu weiten Ebenen ausbreitet. Das Pls
steigt im Westen terrassenförmig an, während es im Osten steil herabst
nnd es gelangen daher mächtige Ströme nur auf der Westseite zur
Wicklung. Da die gro&en Erhebungen nahe der OstkU^^tc angeordnet
so schlagen die iSüdostpasaate ihre Feuchtigkeit in den wild zerriat
Schluchten des steilen Ostabbanges niedpr und Feuchtigkeit und W
wirken zusammen zur Entwicklung eines ausgedehnten, diese Abhänge i
ziehenden L'rwaldstreifens. Ein groüer Teil der Westküste dagegen, el
wie der Süden, ist kahles, ödes, wasserarmes Land.
Anthropologisch unterscheidet man zwei Bevölkerungselemente,
Hova. die die Hochlandsregion bewohnen, und die Sakalaven und
wandte Völker, die die Westküste und den Süden in Risitz genommen hj
Die Hova sind echte Malaien von gelblicher Uesicbtsfarbe mit stra
schwarzem Haar, den Javanen, manchmal sogar den SUdeuropäem ahn
Die übrigen Völker erinnern in ihrem Aussehen an die Kaffemstämme
afrikas, sie sind bedeutend dunkler gefitrbt, braun bis braunschwarz
besitzen krauses Haar. Trotz der Verschiedenheit der Rassen herrscht
gemeinsame Sprache auf der Insel und zwar eine malaiische, die freilieh
lektisch bei den einzelnen StJimmcn abgeändert ist, aber doch eine gei
same Grundlage erkennen läßt.
Nach einem Abstecher nach dem kleinen im Kanal von Mozam!
gelegenen Inselchen Europa mit seiner rauhen, wild zerfressenen Riff
flärhe nnd seiner zutraulichen Tierwelt führte der Vortragende die Zul
fast durch die ganze Insel von Süd nach Nord an der Hand zahlre
Lichtbilder, dabei den Aufbau des Landes, seine Vegetation und die S
— 111 —
und Gebräuche der berührten Stämme erläuternd. Der Südwesten Madagas-
kars besteht aus einem ebenen, kalkigen Plateau von 100—150 m Meeres-
höhe, das nach dem Innern zu allmählich wellenförmig werdend in das eigent-
liche Bergland des Zentral-Massivs übergeht. Charakteristisch für dies Ge-
biet der M a h a f a 1 y und Antandroy ist der Mangel an Wasser. Es wird
zwar das Land von einigen Flüssen durchzogen, deren Bett aber während
des größten Teils des Jahres trocken ist. Weite, sich endlos dehnende
Savannen mit büschelförmigen Gräsern werden zeitweilig durch parkähnliche
Bestände unterbrochen, die sich aber nur selten buschartig oder zu Wald
aneinander schließen.
Im allgemeinen werden im Süden die Sträucher und Bäume von sonder-
baren Formen durchsetzt, unter denen neben dem Aloe die Kakteen vor-
herrschen, und die Euphorbiaceen, charakteristisch durch die Abwesen-
heit der Blätter und den Milchsaft, der bei jeder Berührung hervorquillt.
Charakterbaum ist E u p h (► r b i a s t e n o c 1 a d a und I) i d i e r e a in zwei Arten
in Gemeinschaft mit riesigen Affenbrotbäumen in einer Südmadagaskar
eigentümlichen Art. Daneben finden sich Tamarinden und andere Bäume,
im wesentlichen aber Pflanzen, die durch die eigentümliche Beschaffenheit
ihrer Blätter eine geringe Verdunstung besitzen und so die Zeit der Dürre
besser überstehen können.
Weiter nach Norden und Osten zu schließen sich an das Kalkstein-
plateau die Terrassenlandschaften des Hochplateaus an. Nach Überschreiten
des Quergebirges von H o r o m b 6 . das nicht nur Wasserscheide, sondern
auch Grenze zwischen Antandroy und Berg-Bara bildet, betreten wir
das Tal des Janaivo, und es ändert sich der Anblick der Gegend. Grani-
tische Felsen, je nach ihrer Zusammensetzung ein wechselndes Aussehen
bietend, von rotem Lehm bedeckt, geben von nun an der Landschaft das
charakteri Stiche Gepräge. Die Abhänge sind fast allerorten mit großen
Blöcken bedeckt, während die erhabenen Partien fast stets nackt und glatt
abgeschliffen sind, mit tiefen Rillen auf der Oberfläche.
Das Tal des Janaivo verlassend, führt uns der Weg über Jvohib6,
dem alten Militärposten der Hova gegen die unabhängigen Bara, hinab-
steigend, dem Laufe des Jantara folgend mit seinen Wasserfällen nach
dem malerisch gelegenen Fort C 1 a v i e r und fernerhin nach J k o n g o , der
uneinnehmbaren Felsenfestung der T a n a 1 a , der Waldbewohner.
Südmadagaskar steht zurzeit noch unter Militärherrschaft, und an
geeigneten Plätzen über das Land zerstreut, finden sich befestigte Stationen
unter Kommando eines europäischen Offiziers und je nach der Wichtigkeit
des Postens belegt mit öO— 100 eingeborenen Soldaten. Es ist eben eine zu
kurze Zeit verflossen, als daß sich diese bisher unabhängigen Völker an das
neue Regime hätten gewöhnen und ihre ihnen in Fleisch und Blut über-
gegangenen Sitten hätten aufgeben können. Die llauptbeschäftigung des
freien Mannes war ja früher das Rauben der Rinder, jedoch geht die Regierung
unnachsichtlich gegen die Rückfälligen vor und bestraft durch harte Arbeit
eine in den Augen der Eingeborenen edle und mutige Tat. Entweder tritt
die Kettenstrafe ein, wobei um den Hals und die Fußgelenke breite, eiserne
Ringe gelegt werden, die durch eiserne Stangen miteinander verbunden sind,
— 112 —
oder am den Hals wird eine Art Holzgalgen gelegt, der auch bei der Arbeit
getragen wird.
Das Gebiet der Tanala ist der noch am wenigsten von der Kaltor
beleckte Teil Madagaskars. Zeuge, wie man sie bei den Stämmen des Südens,
wenn freilich häufig nur in sehr rudimentärer Form, iindet, wird man hier
nur sehr selten erblicken. Die Kleidung der Frauen besteht in der Kegel
ausschließlich aus einer von Brust bis Knie reichenden Matte, die manchmal
hemdartig genäht ist, für gewöhnlich aber nur um den Körper gewunden
und durch einen Strick um die Hüfte festgehalten wird. Die Kinder werden
auf dem Rücken reitend unter einer besonderen schildförmigen Matte getragen,
die gleichzeitig als Schutz gegen Regen und Sonnenstrahlen dient.
Der Weg yon Jkongo nach Fianarantsoa. der Hauptstadt des
Betsileo- Landes, ist in seinem ersten Teile sehr anstrengend, da es gilt das
große Plateau Inner-Madagaskars zu erklimmen. Die R a v e n a 1 a , der Baum
des Reisenden, wird Leitpflanze, eigentliche Wälder aber in geschlossenen
Beständen sind selten ; vorherrschend findet sich Bambus, der für die ver-
schiedensten Zwecke in Ven^'endung genommen wird, in erster Linie dem
Volke aber als Wasserbehälter dient, indem bei einem starken Rohr die
Querwände bis auf die untersten durchstoßen werden, während man es oben
mit einem Graspfropf verschließt. Nach Ersteigen des Randgebirges ändert
»ich die Szenerie und weite öde Cirassavannen dehnen sich endlos, soweit
der Blick reicht. Je weiter man nördlich kommt, umsomehr zeigen sich Täler
und Senkungen für den Reisbau in Benutzung genommen, dazwischen aber
eingesprengt zahlreiche Rafiapalmen. deren aus den feinen Fiederblättern
gewonnener Bast die mannigfaltigste Verwendung findet. An Stelle der
Hütten von Bambus und anderem Material treten saubere aus rotem Lehm
erbaute Häuser und die Dichtigkeit der Bevölkerung nimmt zu. Von Fiana-
rantsoa aus erfolgte die Weiterreise im madagassischen Tragstuhl, der
F i 1 a n z a n a. Ein derartiger Palankin besteht aus zwei durch eiserne Stäbe
verbundenen Holzstangen von 2 m Länge, zwischen denen ein mit Leder oder
Leinwand überzogener Sitz mit Rückenlehne befestigt ist. Ein an Riemen
hängendes Trittbrett dient zum Aufstellen der Füße. Jede Filanzana wird
von vier Leuten getragen, die alle paar Minuten die Tragstangen von einer
Schulter auf die andere wechseln. Für Reisen von längerer Dauer bedarf
man H und mehr Träger, die aber ohne die Bewegung zu hemmen, sich
gegenseitig ablösen.
Im (legensatz zum Süden herrschen auf dem Hochplateau völlig ge-
ordnete Verhältnisse und überall kann man gegen Bezahlung Berufsträger
erhalten, welche die auf die beiden Enden einer Stange verteilten Lasten»
die aber ein Gewicht von H() kg pro Mann nicht übersteigen dürfen, in
ruhigem, gleichmäßigen Schritt befördern und in der Regel gleichzeitig mit
dem Reisenden selbst am Ziel eintreffen.
Die Regierung hat entsprechend den Etappen einer Reise Unterkunfts-
häuser errichtet, die dem Reisenden unentgeltlich zur Verfügung stehen,
freilich keine Möbel enthalten, aber rein und sauber gehalten sind, und da
jeder das zu seiner Bequemlichkeit Nötige, wie Bett, Tisch. Stuhl etc. mit
sich führt, ist man in kurzer Zeit eingerichtet.
— 113 —
Die Heise über das Hochplateau ist eine ermüdende, denn endlos
dehnen sich die mit büschelförmigen Gräsern bedeckton roten Ebenen, und nur
selten mildern die Eintönigkeit des Bildes die eigenartigen Grabdenkmäler
der Betsileo, die entweder aus aufrecht gestellten 2—8 m hohen Denksteinen
von Granit bestehen oder die Form massiver viereckiger, kunstvoll verzierter
Holzpfähle mit vasenartigem Aufsatz für die Schädel der bei der Leichenfeier
geschlachteten Ochsen besitzen.
Der Anblick von Antananarivo, der Hauptstadt des Landes, vrirkt
überwältigend und eigenartig. Aus einer weiten, mit Reisfeldern bedeckten
Ebene, erhebt sich ein Hügel, dessen Kuppen durch zwei Gebäude von Riesen-
größe von seltsamer Form gekrönt sind, und dessen Flanken dicht bedeckt
sind mit einer Unzahl von Häusern von roter Farbe, eines dicht an das
andere gepreßt, nebeneinander, übereinander, oft förmlich an den Fels geklebt,
scheinbar ohne jene Ordnung, wie es der Zufall eingab, dazwischen aufragend
große monumentale Bauten, wie Kirchen, öffentliche Gebäude und ähnliches.
Unter dem Einfluß der französischen Herrschaft hat die Stadt begonnen
ein völlig neues Gewand anzulegen. An Stelle der Holzhäuser, die früher
fast ausschließlich im Gebrauch waren, da durch ein altes Gesetz den Mada-
gassen die Verwendung von Steinen zu Bauzwecken verboten war, sind
überall Häuser von Backsteinen getreten, Terrassen wurden angelegt, breite
Straßen durchgebrochen, öffentliche Plätze entstanden, und im Verlauf weniger
Jahre ist der äußere Anblick der Stadt völlig umgewandelt worden. Eine
Fülle von Wohlfahrtseinrichtungen zeugen von der Fürsorge der Regierung,
Institute, Schulen und Hospitäler wurden ins Leben gerufen und eine fieber-
hafte Tätigkeit entfaltet, um das solange vernachlässigte Land in neue
Bahnen zu leiten.
Die H 0 V a sind reichlich begabte Menschen, aus ihnen rekrutieren sich
die eingeborenen Arzte, die auf der Medizinschule in der Hauptstadt die
Prüfung ablegen müssen ; aus ihnen werden die vielen Subaltembeamten für
die Verwaltung gewonnen, sie liefern das große Heer der Schreiber, Kunst-
handwerker u. a. mehr. Die einheimische Tracht, aus Londentuch und Umschlage-
tuch bestehend, ist jetzt schon vielfach, besonders in den höheren Klassen,
von der europäischen verdrängt worden. Die Frauen sind zum Teil wirklich
schöne Erscheinungen, von zarter Gliederung des Körpers und feinem Gesichts-
ausdruck. Das schwarze, glänzende Haar wird für gewöhnlich in zwei
langen Zöpfen herabhängend getragen, und während der Trauerzeit um Ver-
storbene muß es aufgelöst bleiben, was den Frauen zu dieser Zeit einen
wilden, abschreckenden Anblick gibt.
Das den Hova eigentümliche Musikinstrument ist die Valia, eine
Bambusgitarre, die aus einem passenden Bambusstück in der Art hergestellt
wird, daß vermittelst eines scharfen Messers aus der Oberfläche des Rohres
eine Anzahl von Seiten losgelöst und durch kleine verstellbare Stege gespannt
werden, während das Rohr selbst als Resonanzboden dient. Der Hova versteht
die Seiten abzustimmen und durch Anschlagen vermittels der Finger beider
Hände eine ganz ansprechende Melodie hervorzubringen.
Von der Hauptstadt aus führte der Weg weiter nach Norden zum
größten See Madagaskars, dem Alaotra, um dann das Randgebirge zu
8
— 114 —
erklimmen und hinabzusteigen zur Küste dnrch die fcnchtschwtllen Urwälder
des steilen Ostabhanges. Wälder, wie sie aus Westafrika, vom Amazonenstrom
etc. geschildert, werden, darf man auf Madagaskar nicht erwarten. Es findet
sich kein geschlossener Bestand hochstämmiger Bäume, wohl finden sich Baum-
riesen darin vor, aber einzeln stehend; in seiner Masse setzen ihn Bäume
von Körperdicke zusammen, oft mit Unterholz reichlich durchsprengt. Die
Bäume sind schlank und gerade, drängen im Kampf nach Licht und Luft
nach oben und entfalten oft erst in 20 und mehr Meter Höhe ihre Kronen.
Lianen treten sehr zurück und domige Gesträucher fehlen fast völlig.
Der Urwald ist nur wenig bevölkert. Ansiedinngen liegen auseinander
und sind klein. Auch vom Tierleben im Urwald bemerkt man mit Ausnahme
der Lemuren, jener für Madagaskar so charakterischen Halbaffen, nur wenig.
Es fehlen z. B. die Vögel nicht, wohl aber sind es düster gefärbte Formen,
die ohne Laut schon auf weite Entfernungen hin die Flucht ergreifen.
Tamatave, der Ausgangspunkt der im Bau begriffenen Eisenbahn
zur Hauptstadt, ist der bedeutendste Hafen der Ostküste und hat unter
französischer Herrschaft, seit Durchführung des neuen Bebauungsplanes, ein
völlig anderes Gewand erhalten und auch gesundheitlich durch Entwässerung
der umgebenden Sümpfe seinen früheren bösen Ruf verloren.
Die Hauptstraßen verlaufen fast parallel dem Strande, sind durch
Querstraßen verbunden, chaussicrt und teilweise sogar mit Trottoir ausgestattet
und ein Steindamm, dem Verlauf des Ufers folgend, hat Veranlassung gegeben
zur Schaffung eines durch eine Mauer geschützten, prächtigen Boulevards.
Hotels, Caf^s sind entstanden, kurz Tamatave präsentiert sich zur Zeit als
eine modernen Ansprüchen völlig genügende und gesunde Kolonialstadt.
Tamatave bildete den Endpunkt der Wandcning. und von hier aus
trat dann Vortragender die Weiterreise nach Osten nach Mauritius und
Ceylon an.
Mittwoch, den 6. Februar 1907.
Herr Geh Reg. -Rat Professor Dr. Albrecht Penck-
Berlin: Das Museain f&r Meereskunde zu Berlin. (Lichtbilder.)
Die Kenntnis vom Meere hat innerhalb der deutschen Grenzen nicht
Ühnlich große Fortschritte gemacht, wie Deutschlands Beteiligung am Welt-
handel. Maßgebende Kreise im preußischen Kultusministerium und im Heichs-
Marine-Amte haben daher seit Jahren erörtert, auf welche Weise die Kenntnis
vom Seewesen im Binnenlande gefördert werden könnt<^. Diese Erörterungen
haben das Interesse Seiner Majestät des Kaisers und Königs erweckt und haben
schließlich zur Errichtung eines Instituts für Meereskunde an der Berliner Univer-
sität geführt, das mit einem Museum für Meereskunde verbunden ist. Die
Ausgestaltung des Museums war die große Aufgabe, welche Ferdinand Frei-
herm von Richthofen in den letzten Jahren seines Lebens vollauf beschäftigt
hat. Er hat den springenden Punkt gefunden, dem Museum für Meereskunde
einen einheitlichen Charakter aufzudrücken, indem er darauf drang, daß alle
Erscheinungen, welche mit dem Meere in Verbindung stehen, durch das
— 116 —
Museum zur Darstellung kommen. Leider ist ihm nicht vergönnt gewesen,
die Eröffnung desselben am 5. März 1906 zu erleben. Seither haben aber
bereits beinahe 100 (KX) Besucher die reichen Schätze zu bewundem Gelegenheit
genommen, die unter Richthofens Direktion gesammelt und übersichtlich auf-
gestellt worden sind.
Der Kernpunkt des Museums ist eine ozeanographische Sammlung,
welche die Dimensionen des Meeres, die Zusammensetzung seines Wassers
veranschaulicht, und welche mit einem reichen Instrumentarium ver-
knüpft ist. Daran schließt sich eine biologische Sammlung, welche in
einzelnen Gruppen die Lebewelt des Meeres zur Darstellung bringt, und zwar
nicht, wie in einem zoologischen Museum, in systematischer Anordnung,
sondern in Veranschaulichung von Lebensgemeinschaften. Eine reiche Samm-
lung ist der Fischerei gewidmet. Hier werden die einzelnen Methoden des
Fischfanges durch große Modelle erläutert, und die verschiedenen Produkte
des Meeres, welche Bedeutung als Nahrungsmittel oder für die Technik be-
sitzen, in Schaukästen vorgeführt. — Eine weitere Abteilung des Museums
ist dem Seewesen, speziell der Schiffahrt und der Hafenkunde, gewidmet:
Seezeichen, Leuchttürme, Kaianlagen, Anlagen zum Löschen der Güter, die
üblichen Schiffsarten werden hier durch große Modelle, unter denen besonders
das eines Ausschnittes des Hamburger Hafens auffällt, erläutert. Zeigen die
letzterwähnten Abteilungen die große wirtschaftliche Bedeutung für den
Menschen, so führt die Reichs -Marine -Sammlung, welche dem Museum für
Meereskunde einverleibt ist, die ausgedehnten Maßnahmen zum Schutze
deutscher Seeinteressen vor Augen. Da werden nicht bloß Modelle verschiedener
SchifTstypen, sondern auch deren Torpedos, Kanonen usw. vorgeführt. Ver-
bunden damit ist eine historische Sammlung, welche die verschiedenen Typen
früherer deutscher Kriegsschiffe von den Zeiten der Wikingfahrten bis in die
jüngste Vergangenheit enthält. Eine besondere (iruppe des Museums dankt
einer Kaiserlichen Spende ihre Entstehung: Der Kaiser bestimmte einen ihm
von der Aachener und Münchener Feuerversicherungs-Gesellschaft zur Verfügung
gestellten Betrag von V* Million Mark zur Beschaffung einer reichen Sammlung
von Modellen und Schiffsmaschinen und zur Erläuterung des Schiffbaues.
Unverkennbar üben die Sammlungen des Museums für Meereskunde
infolge des reichen Besuches, den sie erfahren, einen großen, erzieherischen
Einfluß auf die Bevölkerung der Reichshauptstadt, auf die zahlreichen Fremden,
die hier zusammenströmen, aus. In gleicher Richtung aber wirkt das Institut
für Meereskunde durch öffentliche Vorlesungen, die in ihm während der
Wintermonate abgehalten werden, von (ielehrten aus ganz Deutschland. Ihre
Besucherzahl bewegt sich zwischen 10 — 12000 innerhalb eines Winters. Ent-
sprechend dem Wunsche Seiner Majestät werden ähnliche Vorlesungen von
selten des Instituts für Meereskunde nunmehr auch in anderen deutschen
Städten abgehalten.
Das Institut für Meereskunde ist ein Bestandteil der Berliner Universität,
und als solcher fällt ihm auch ein weites Programm für rein akademische
Vorlesungen zu, an dessen Feststellung eben gearbeitet wird. Es wird femer
die Meeresforschung im Zusammenwirken mit den übrigen der Meereskunde
gewidmeten Organisationen innerhalb des Deutschen Reiches zu pflegen haben.
8*
— 116 —
Mittwoch, den 13. Februar 1907.
Dr. C. C. Hosse US- Berlin: Ton Bangkok Dach der
Nordgrenze Slams. (Lichtbilder.)
Der Redner berichtete über eine zweijährige Reise, die er in den
Jahren 1904— 190B für botanische Zwecke ausgeführt hat.
Die siamesische Flora scheint sich der birmesischen anzugliedern und
bildet eine natürliche Verlängerung des indischen Yegetationsreiches. In den
Gebirgszügen schließt sie sich an die Gebirgsflora des Himalaya an. Auf-
fallend gering sind die Beziehungen zur malaiischen Flora; diejenigen zur
benachbarten chinesischen Provinz Jünnan machen sich im Norden in der
Nähe des Mekong geltend. Als Hauptcharakterbäume für Siam sind der
Teakbaum (Tectona grandis) und das sogenannte Rotholz, verschiedene Arten
von Dipterocarpacus, zu nennen. Desgleichen sind die Bambusdickichte an
den Flüssen und Bächen sowie in den höchsten Gebirgen, auch oft ganze
Bestände bildende Acanthaceen besonders typisch für die Flora. Im allgemeinen
lassen sich drei Pflanzen - Formationen unterscheiden: 1. dichter Urwald mit
immergrünen lianenumschlungenen Bäumen; 2. lichter, laubwerfender Wald,
in dem zumeist die Dipterocarpaceen die Hauptrolle spielen, bedeckt mit
herrlichen, in der laublosen Trockenheit blühenden Orchideen; 3. Gras-Savannen
mit vereinzeltem Baumwuchse. Dazwischen sind Dom-Savannen und Sümpfe
anzutreffen, auch kleine Gebiete mit steppenartigem Charakter finden sich.
Die Vegetation steht in engstem Zusammenhange mit den klimatischen
Verhältnissen Siams, wo sich drei Perioden unterscheiden lassen: 1. die Regen-
zeit von Mitte Mai bis Mitte Oktober; 2. die kühle Jahreszeit von Oktober
bis Februar und 3. die heiße bis Mitte Mai. In der kühlen Jahreszeit geht
die Temperatur in Bangkok bis 14^ C. herunter, in Djieng Mai im Norden
oft bis 6®, während wir in den Gebirgen leichten Frost antreffen können.
Schnee und Eis ist dagegen den Bergbewohnern nicht bekannt. In der heißen
Periode hatte Redner bis zu 48*. Die Gebirge erreichen in den birmesisch-
siamesischen Grenzgebieten eine Höhe von 2B00 m und sind zumeist bis zu
den Gipfeln mit Urwald bedeckt. Eine Ausnahme machen die zerklüfteten
Kalkmassive, die freilich nur vereinzelt zu finden sind. Im allgemeinen
setzen sich die Höhen aus Granit und Gneis zusammen. Wie allenthalben
in den Tropen ist das Verwitterungsprodukt der verschiedenen Gesteinarten,
der gelbe bis rotbraune, ja rote Laterit häufig anzutreffen. Seinen Reichtum
verdankt Siam neben den Wäldern an den Hängen dieser Gebirgszüge vor
allem seinem Gewässer. Der Menam und seine Nebenflüsse bewässern die
ganze Ebene und geben reichliche Gelegenheit zum Anbau von Reis und
Tabak, auch von Gemüse und Obst. Erfreulicher Weise beginnt man neuer-
dings recht energisch das Land mit einem Kanalsystem zu versehen, um in
erster Linie die Erzeugung von Reis zu heben. Auch aus den Minen, in
denen vor allem Zinn und Edelsteine gewonnen werden, lassen sich viele
Schätze des Bodens heben.
Hinsichtlich der Bevölkerung müssen wir das Land in drei Hauptteile
teilen : das untere Siam, mit vorwiegend siamesischer Bevölkerung, das obere
— 117 —
mit laotischer and den siamesischen Teil der malaiischen Halbinsel, wo die
Malaien vorwiegen. Wenn wir von Bangkok ans nordwärts gehen, so treffen
wir von Pagnampoh bis Raheng eine gemischt siamesisch-laotische Bevölkerung,
von Raheng aufwärts fast nur Laoten, während die Beamten zumeist Siame-
sen sind. Es gibt aber auch ganze Distrikte, wo man überhaupt keinen
Siamesen antrifft. An der birmesischen Grenze macht sich eine starke Mischung
der Laoten mit Schan (Ngeo) geltend. Von kleineren Volksstämmen sind die
Moon. dann die Karen (schwarze und rote, erstere nach Art ihrer Tätowierung
benannt), sodann die nördlicher wohnenden, dem Opiumgenusse ergebenen
Mussö er^'ähnt, auch die an der französischen Grenze wohnenden Lü und
Kamu, die man vielfach als Holzarbeiter in Siam antrifft. Die weiße Kolonie
ist, außer in Bangkok, wenig zahlreich, obwohl der Norden ein äußerst
günstiges Ansiedelungsgelände bieten würde. Das geht daraus hervor, daß sich
die amerikanischen Missionäre, die sich überall sehr breit gemacht haben, seit
Jahrzehnten in vorzüglichster Gesundheit befinden und schwere Reichtümer
en^'erben.
Außerdem sieht man überall in den größeren Städten viele Chinesen,
zumeist Leute von der Insel Hainan und Bewohner der Ostküste Chinas, auch
unseres deutschen Pachtgebietes, während aus den südchinesischen Provinzen,
vor allem also Jünnan, die Hooh, ein kräftiger und wilder Volksstamm, als
Leiter von Handelskarawanen auf der Durchreise anzutreffen sind. Die
hausierenden Handelsleute Siams sind zumeist die Ngeo, die seßhaften Kaufleute
Chinesen. Der Siamese neigt keiner der genannten Beschäftigungen zu.
Die Fauna ist vor allem durch eine überreiche Insektenwelt vertreten,
während die höheren Tiere infolge der häufigen Waldbrände stark an Zahl
zurückgegangen sind. So trifft man nur noch selten Tiger an, und die wilden
Elefanten sind zumeist der Kultur zugängig gemacht worden und dienen
dem Siamesen jetzt als nützliches Haustier.
Nach diesen allgemeinen Ausführungen ging Redner über zu einer
kurzen Schilderung seiner Reisen selbst.
Die erste Reise, die er von Bangkok aus im September 1904 in Be-
gleitung eines Dolmetschers und zweier Diener antrat, führte zunächst den
Mänam aufwärts über Pagnampoh nach Kam Peng auf dem Mä Ping und
von da wegen der Seichtigkeit dieses Flusses in einem „Hausboot" bis Wang
Djao, wo ein mehrwöchentlicher Aufenthalt zu botanischen, meteorologischen
und entomologischen Studien verwandt wurde. Die Weiteffahrt, die auf
gleichem Fahrzeug in dem von heftigen Wolkenbrüchen überschwemmten
Flußgebiet erfolgte, brachte die Expedition nach dem handelsbedeutenden
Raheng. von wo aus in gefahr>'oller Fahrt über 35 Stromschnellen im Novem-
ber Djieng Mai, die Hauptstadt der Lao- Provinz in Nord -Siam, erreicht
wurde. Hier blieb der Vortragende zunächst bis Ende April 1905, legte während
dieser Zeit reiche botanische Sammlungen, besonders von lebenden Orchideen
an, errichtete auch eine meteorologische Station und unternahm mehrfach
Expeditionen in die L'mgebung von Djieng Mai. So wurde z. B. der 1680 m
hohe Doi Sutäp dreimal bestiegen und einige schwierige Erstbesteigungen
mit Erfolg durchgeführt; im Januar der südwestlich gelegene Doi Intanon,
-^ 118 —
dessen 2575 m h(»her Nordgipfel den Namen Richthofen - Gipfel erhielt, im
Februar in nordwestlicher Richtung das Kalkmassiv des Doi Djieng Dao mit
seinen drei Einzelgipfeln, deren höchster, ungefähr 2210 m h(»ch. von dem aus
eine karthographische Panorama-Aufnahme genommen wurde. Bismarck-Gipfel
getauft wurde. Letztere Expedition konnte wegen der Furcht der Einge-
borenen vor dem Teufel der Berge und aus mehrtägigem, völligen Wassermangel
nur mit Mühe zu Ende geführt werden. Dem Djieng Dao wurde später noch
ein zweiter Besuch wegen der an seinem Fuß gelegenen Sagenreichen Tropf-
steinhöhle abgestattet, eine Besteigung des Massivs eni'ies sich dagegen wegen
wochenlang wütender Waldbrände als undurchführbar.
Ende April 1905 erfolgte der Aufbruch von Djieng Mai. Nach drei-
tägigem, beschwerlichem Marsche wurde Mung Fang mit seiner laotischen Be-
völkerung erreicht, und hier hatte der Vortragende Gelegenheit, das ethno-
graphisch interessante Fest der Phra Sat. d. h. der feierlichen Leichenver-
brennung der schon vor 5 Jahren verstorbenen Gattin des Gouverneurs
mitzumachen. Der ungefähr 2800 m hohe Pahom Buk. das Grenzgebirge
zwischen Siam und Burma, wurde überstiegen und einige Mussö- Dörfer mit
Opium essender Bevölkerung besucht, sodann der Übergang über den Mä Kam-
Fluß und nahe der burmesischen Grenze auch über den durch anhaltenden
Regen reißend angeschwollenen Mä Kok mit der 88 Köpfe zählenden Expe-
dition glücklich durchgeführt. Von Djieng Hsen Noi, einer rein laotischen
Ansiedelung aus. erfolgte ein Abstecher nach der uralten altsiamesischen
Ruinenstadt Djieng Hsen Luang am Mä Köng. der hier ein Gebiet von her-
vorragend landschaftlicher Schönheit durchfließt, sowie nach dem gegenüber
liegenden Ufer der Haut-„Lao" Provinz von , Französisch -Indo- China". Die
buddhistischen Tempelruinen bergen hier große Reichtümer an wertvollen
Bronzen und Schmuckgegenständen. Nachdem der Reisende noch das für den
Karawanen-Verkehr zwischen der südchinesischen Provinz Jünnan und Moul-
mein in Burma wichtige Djieng Rai. die bedeutendste Stadt von Ncad-Siam,
und stromabwärts die reichen Sapphir - Minen des französischen Regierungs-
sitzes Honei' Sal wo er die gastfreundlichste Aufnahme fand, besucht hatte,
ging es nach Djieng Mai zurück, von wo aus am 18. Juli Bangkok wieder
erreicht wurde.
Nach einem Abstecher nach Singapore und nach der malaiischen Halb-
insel, der hauptsächlich Plantagenbesichtigungen galt, trat der Vortragende
im Noveiaber seine zweite Reise in das Innere des Landes an, die vor allem
der Erforschung der Ost- und der Nordostprovinzen gelten sollte, über Pitsam-
lok und Ban Pum drang er, nur von einem Diener begleitet, durch dichte
Un^'älder bis zu dem halb laotischen, halb siamesischen Petschabun, der Haupt-
stadt der gleichnamigen Provinz am Mänam Phra Sak, vor, kehrte aber auf
die Nachricht von der schweren Erkrankung und dem bald darauffolgenden
Hinscheiden seines Vaters in Eilmärschen über die 1 100 m hohen Gebirge
von Lom Sak nach Pitsanulok und Bangkok zurück und trat von da die
Heimreise nach Europa an.
Vgl. Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1906, Heft 8,
S. 190—196.
— 119 —
Mittwoch, den 20. Februar 1907.
Herr Leo Frobeuius-Berlin: Bilder Tom Kongo.
(Lichtbilder.)
Der Vortragende schilderte zunächst die Reisen der Expedition. Ende
1904 erfolj^te die Abfahrt aus Europa, Mitte 1906 die Rückkehr. Im Laufe
der verschiedenen Fahrten und Wanderungen wurde das Strombett des Kas-
sai mehrmals auf Monate verlassen und in Zickzackwegen die noch unbe-
kannte Region erforscht. Das erste Vierteljahr war dem Kuango-Kwilu-Becken
gewidmet. In Mitschakila wurde eine kleine deutsche Station errichtet und
die Lehrzeit absolviert. Es kam zu Gefechten mit den Eingeborenen, die
um ein Haar die Auflösung der Expedition herbeigeführt hätten. Es folgte
ein weiteres Halbjahr der Wanderschaft im Gebiete der oberen Ströme im
zentralen Becken bis an die Grenze von Angola. Dann wandte sich die
ständig an umfang anschwellende Expedition dem Osten zu und drang bis
etwa in die Mitte des Kontinentes vor. Von hier aus wäre es eine Kleinig-
keit gewesen, den Weg nach der deutschen ostafrikanischen Küste hinüber
fortzusetzen, womit der Wissenschaft aber wohl weniger gedient gewesen
wäre als mit der Rückkehr in das zentrale Strombecken, wo noch einige
große Probleme der Völkerkunde gelöst werden konnten.
Die Reise sollte der Erd- und vor allen Dingen der Völkerkunde
neue Gesichtspunkte bringen. Es war die erste völkerkundliche Expedition»
die jemals Innerafrika aufgesucht hat. und daraufhin zielte die Vorbildung
und die Ausgestaltung des Ganzen. Um zu reichen Resultaten zu gelangen,
hatte der Vortragende mit Einwilligung der wissenschaftlichen Gesellschaften,
welche die von ihm ins Leben gerufene Expedition unterstützt hatten, als Zeichner
Herrn Lemme mitgenommen, nach dessen Farbenstudien auch die Lichtbilder
von Künstlerhand ihre Farbenpracht erhalten hatten, die die Zuhörer des
Vortrags erfreuten. Die Zeichnungen werden das demnächst erscheinende
Reisewerk schmücken, wie noch nie ein Reisewerk ausgestattet werden konnte,
weil bisher noch kein Zeichner nach Innerafrika mitgenommen wurde. Im
Bilde führte Redner sodann hervorragend künstlerisches Kunstgewerbe, Schnitz-
werk und farbenprächtige Plüsche (ausgeführt von den „ Wilden '^ lunerafri-
kas) vor. Nicht weniger als 530 Märchen und Legenden wurden gesammelt,
Märchen von philosophischer Tiefe und naiver Reinheit, und das von
Stämmen, die leidenschaftlich der Menschenfresserei ergeben sind.
Aber auch auf praktischem Gebiete studierte die Expedition. Die alte
Frage nach der Erziehungsfälligkeit und Erziehungsform der Neger hat
Redner als Fachmann eingehend untersucht. Nach verschiedenen Methoden hat
er die Leute arbeiten lassen und mit ihnen gearbeitet, um zu erkunden, in
welcher Weise die Behandlung des Negers zu regeln und er einer höheren
Kultur zuzuführen sei. Es war das erste Mal. daß solche Studien betrieben
wurden, und ihre Ergebnisse dürften entschieden für die Kolonialarbeit epoche-
machenden Wert haben.
Ein trübes Bild entwarf der Vortragende vom Kongostaate als dem
„freien '^ Handelsstaate, wie er seiner Zeit unter dem Sterne Bismarcks
gegründet wurde. Trüber aber ist die Gleichgültigkeit, mit welcher das
— 120 —
deutsche Volk der belgischen Handhabung dieser Regierung zuschaut, gegen die
so ziemlich alle anderen Großmächte Europas sich schon lange auflehnen.
Das Schlimme ist, daß die Regierung in Brüssel und die Leitung der Kom-
pagnien, von welchen beiden man eventuell noch den besten Willen annehmen
kann, kaum eine Ahnung davon zu haben scheinen, wie eigenartig die Dek-
rete des Königsouveräns in Anwendung gebracht werden. Von der P^reiheit
des Handels hat Redner nichts wahrgenommen. Es wird Zeit, daß das
deutsche Volk seine Augen aufmacht! (Vgl. Zeitschrift der (lesellschaft für
Erdkunde zu Berlin m)b, S. 4«7— 471: VM\, S. 114—118, 42« -431, 498—497.)
Inzwischen erschien das Werk des Herrn Vortragenden : Im Schatten
des Kongostaates. Bericht über den Verlauf der ersten Reisen der D. I. A.
F. E. von 19()4— 19()6. über deren Forschungen und Beobachtungen auf geo-
graphischem und kolonialwirtschaftlichem Gebiet. Berlin, G. Renner. 1907.
Mittwoch, den 27. Februar 1907.
Herr Dr. med. Paul Schnee-Gr. Lichterfelde (Berlin):
Jalait und die Marshallinseln. (Lichtbilder.)
Die Marshallinseln bilden eine kleine Gruppe von flachen Korallen-
eilanden, welche etwa zwischen dem löO. und 175.® östl. L. und 4. bis 15.®
nördl. Br. liegen. Sie bestehen aus zwei Ketten, die von nordwestlicher nach
südöstlicher Richtung verlaufen und durch einen 150 Seemeilen breiten Kanal
voneinander getrennt sind. (Von ihnen ist die größte und wichtigste die
Jaluitgruppe, eine ausgedehnte Korallenbank, die sich aus ungefähr 5() Insel-
chen zusammensetzt.) Die Inseln sind ausschließlich Atolle und aus Korallen-
trümmem aufgebaut, welche von den Wellen aus dem unterseeischen Korallen-
walde vor dem Ufer losgerissen und zusammengespült wurden. Die Bevölke-
rung der Inselgruppe stellt ein Zwischenglied dar zwischen den dunkelfarbigen
Melanesien! und den heller gefärbten Polynesien!. Die Nahrung der Ein-
geborenen besteht außer aus Fischen und Krebsen in erster Linie und ganz
vorwiegend aus Vegetabilien. Insbesondere sind es der Pandanus, die Brot-
fmcht und die Kokos. Ersterer, auch wohl Schraubenpalme genannt, ist ein
höchst sonderbares Gewächs, welches seinen schlanken Stamm auf einer Pyra-
mide von Wurzeln erhebt, auf denen es wie auf Stelzen steht. Die Aste sind
schlangenartig gewunden und tragen einzig und allein an ihrer Spitze einen
Schopf großer, schwertförmiger bis 1* « m langer BlätttT, in deren Mitte die
köpf große Scheinfrucht steht, die sowohl roh gegessen als auch zur Herstel-
lung einer Art Mus verwandt wird. Ebenso wichtig ist die gleichfalls kopf-
große Brotfrucht, deren warzige Oberfläche von den Eingeborenen mit Hilfe
einer scharfen Muschel oder neuerdings einer Glasscherbe abgekratzt wird.
Die Brotfrucht wird auf heißen Steinen gebacken und dann verzehrt. Ihr
Geschmack ist nicht unangenehm. Man bereitet auch gegorene Brotfrucht,
Piru genannt, welche für den (lebrauch in jenen Jahreszeiten bestimmt ist,
in denen es keine frische gibt. Das Produkt wird geknetet und dann in
hölzernen Kasten der Gärung überlassen, wodurch ein fürchterlicher Geruch
entsteht. Die Kokos endlich, die auf den Marshallinseln in großen Mengen
— 121 —
vorkommt, ist wohl der allerwichti^te Raum; der Kern seiner Nüsse ge-
trocknet, liefert die Copra, den einzigen Exportartikel der Gruppe. Der Inhalt
der noch , grünen'^ Nüsse liefert die Kokosmilch, welche von Eingeborenen
ebenso wie von Europäern an Stelle des Wassers viel getrunken und für die
Tropen als großartiges Erfrischungsmittel sehr geschätzt wird. Kokos wird
auch zu mancherlei Speisen verwandt: so z. B. raspelt man die Masse, die
dann gewissermai^n unser Mehl vertritt. —
Die Marshallaner zerfallen in drei Stände, das gewöhnliche Volk, die
Vornehmen (Häuptlinge) und den Oberhäuptling (Jnrodj), dem mancherlei
Vorrechte eingeräumt sind. Während der gemeine Mann nur eine Frau haben
darf, dürfen sich Häuptlinge deren mehrere halten. Die Ehen gelten übrigens
nicht ohne weiteres auf Lebenszeit geschlossen, sondern können leicht gelöst
werden. Doch kommt es nur selten vor, daß z. B. ein Häuptling eine Frau
fortschickt, weil diese einen gewissen Rückhalt an ihrer Familie besitzt. Bei
den gewöhnlichen Leuten linden freiwillige Trennungen nur vereinzelt statt,
insbesondere gehr^rt, wenn beide (latten erst etwas älter sind, dergleichen zn
großen Seltenheiten.
Aber nicht nur (teburts- und Standesvorrechte gibt es auf den Marshall-
inseln, sondern auch Lasten und Steuern sind hier gebräuchlich. Diese letz-
teren bestehen meistens aus Naturalabgaben, vor allem sind es Früchte, wie
Pandanus. Kokos. und aus solchen bereitete Konserven. Namentlich ist eine
Art Fruchtpasta zu erwähnen, welche zu dicken, über mannshohen, säulen-
artigen Stücken zusammengeknetet wird, die mit Blättern umhüllt und dann
fest verschnürt sich monatelang hält. Die übrigen Abgaben werden meist
in kleinen aus einem Kokosblatt leicht geflochtenen Körben abgeliefert und
müssen dem betreffenden Häuptling in das Haus gebracht werden. So kommt
es denn, daß man in Jaluit fast immer einzelne Kanoe von Steuerzahlern sah,
ja zu gewissen Jahreszeiten fanden sich ganze kleine Flotten dort ein.
Die Marshallaner verstehen sehr kunstvolle Matten aus dem Baste deB
Pandanus zu flechten. Geradezu aber erstaunlich ist. mit welcher Geschick-
lichkeit sie, in früherer Zeit sogar ohne Eisen, nur mit Hilfe von zugeschärf-
ten Muscheln, große Auslegerboote anfertigten, welche bis zu ÖO Personen
fassen konnten. Da die Leute beständig von einer Insel zur anderen ziehen,
um überall die Kokos abzuernten, so sind sie durch lang dauernden Aufent-
halt auf dem Meere kühne und geschickte Seeleute geworden. Ihre Hütten
dagegen sind sehr primitive Bauwerke. Sie bestehen aus einem etwa 2 m hohen
Holzgerüst, dessen Dach und Wände aus daran festgebundenen Pandanus-
blättern gefertigt sind, die mit Hilfe langer Holznadeln zusammengenäht
werden. Die Häuser der 20 bis 80 auf Jaluit lebenden Europäer zeichnen
sich gleichfalls nicht durch architektonische Schönheit aus, es sind aber sehr
praktische (iebäude aus Holz und Wellblech. Da es auf den Marshallinseln
sehr viel und stark regnet (ca. 800 Regentage im Jahr), stehen sie zur Ab-
haltung der Nässe auf Pfählen.
In der Kleidung macht sich bei den Bewohnern der Marshallinseln
immer stärker der amerikanisch -europäische Einfluß geltend; er verdrängt
mehr und mehr den primitiven Lendenschurz. Die Frauen kleiden sich mit
langem, gürtellosem Kleide, das in der Art seines Schnittes an unser Reform-
— 122 —
kleid erinnert. Einen reizenden Schmuck wissen sie sich aus frischen Blumen
zu bereiten; ins Haar verflochtene Kränze geben ihnen etwas ungemein An-
ziehendes.
Die Marshallinseln sind deutsches Schutzgebiet. Sie wurden während
der Jahre, die Redner dort verweilte, von einem Landeshauptmann vemaltet.
der mit Hilfe eines Polizeimeisters, der zugleich Hafenmeister ist und noch
eine Anzahl weiterer Amter versieht, sowie zweier eingeborenen Polizisten
sein idyllisches Reich in Ordnung hielt.
Für die Gesundheit der Eingeborenen tut die Regierung sehr viel.
Seinerzeit wurde das Volk durch Krankheiten dezimiert und die Befürchtung
lag nahe, daß die Insulaner aussterben könnten. Die Arbeit der Ärzte hat
es dahin gebracht, daß jetzt an ein Aussterben nicht mehr zu denken ist.
Zwei Krankenhäuser (eines für Männer, das andere für Frauen) hat die Regie-
rung errichtet. Besondere Wichtigkeit hat das Lepraki-ankenhaus. Leider
ist gerade hier die ärztliche Tätigkeit sehr unerquicklich. Anfangs setzten
die Eingeborenen große Hoffnungen auf dieses Krankenhaus, da aber die Fälle
meist zu weit vorgeschritten sind, so ist eine Heilung unmöglich; die Kranken
müssen lediglich der Ansteckungsgefahr wegen bis zu ihrem Tode im Hospi-
tal behalten werden, weshalb die Eingeborenen sehr mißtrauisch geworden sind.
Heute ist die Inselgruppe dem Gouverneur der Karolinen unterstellt.
Mittwoch, den 6. März 1907.
Herr Privatdozent Dr. Franz Doflein-Mtinchen: Eine
zoologische Forschangsreise nach Japan. (Lichtbilde)-.)
Seine Untersuchungen über Tiefseetiere, welche von anderen Expeditionen
erbeutet worden waren, hatten in dem Vortragenden den Wunsch erweckt,
selbst einmal die natürlichen Existenzbedingungen dieser oft so eigenartig
angepaßten Formen zu studieren. Zu diesem Zweck bot sich die Ostküste
Japans als ein sehr geeignetes Arbeitsfeld dar, weil dort in geringer Ent-
fernung vom festen Land tiefes Meer vorhanden ist. Zur Zeit der Ausreise
der Expedition brach der russisch-japanische Krieg aus, der sie mancherlei
Abenteuern aussetzte. Auch sonst war der Vortragende vielfach vom Miß-
geschick verfolgt und nicht weniger als dreimal wurde er auf der Reise von
Schiffsunglücken heimgesucht. Wenn die Expedition trotz der vielen Schwierig-
keiten erfolgreich verlaufen ist. so schreibt der Vortragende dies hauptsächlich
dem Umstand zu, daß er von den japanischen Behörden und Gelehrten alle
Unterstützung erfuhr, und daß die intelligente Bevölkerung des Landes seinen
Plänen alles Verständnis entgegenbrachte.
Die Sagamibucht am Fuß des Fuji hat durch ihre landschaftliche
Schönheit einen tiefen Eindruck auf den Vortragenden gemacht, der im
Zusammenhang mit der Schilderung der Uferlandschaften mit ihren Tuffelsen,
tiefen Buchten und Fjorden, mit ihrer bald an die Tropen bald an den hohen
Norden erinnernden Vegetation, eine allgemeine Topographie von Land und
Meer im Gebiete den Sagamisee gab. Der Meeresboden bietet ein ganz ähnlich
zerklüftetes Terrain dar wie das umgebende Land. Bei den Untersuchungen
— 123 —
gaben Lotungen und Dredgzüge Zeugnis von dem wechselvoUen Kelief des
Meeresbodens und die Tierfänge aus der Tiefe zeigten, wie dadurch außer-
ordentlich mannigfaltige Existenzbedingungen für die Tierwelt geschaffen
werden. Die Forschungen wurden mit Hilfe von Fischerbooten, Segelschiffen
und eines kleinen Dampfers durchgeführt und nicht nur die feinsten ozeano-
graphischen Apparate, sondern auch die zum Teil sehr raffinierten und sehr
geeigneten Fangmethoden der japanischen Fischer, von deren Intelligenz,
ihrem Verständnis für Zoologie es vielerlei zu berichten gab, kamen zur
Anwendung. Mit ihnen zusammen verlebte der Vortragende einige sehr ge-
nußreiche und durch Ausbeute und neue Erfahrungen reich gesegnete Monate.
Besonders gute Ergebnisse erzielten die Kreuzfahrten mit dem kleinen
Dampfer; doch konnten sie leider nicht allzu lange fortgesetzt werden, da
mitten während der Untersuchungen ein Dampfer durch Schiffbruch ver-
loren ging.
Die Resultate der Arbeiten in der Sagamibucht und in anderen
Meeresabschnitten der ostjapani sehen Küste bestanden in der Aufklärung
zahlreicher Momente, welche die eigenartige Zusammensetzung der Meeres-
fauna dieses (iebiets bedingen. Das Zusammentreff'en und die eigentümliche
Veiteilung der kalten und warmen Strömungen, die topographischen Ver-
hältnisse der Küste und des Meeresbodens, der Zusammenhang mit der
großen Tuscaroratiefe — all das bedingt eine ungemein reiche Fauna, welche
aus arktischen und tropischen Elementen aus Tiefseetieren und typisch
japanischen Flachwasserformen bunt gemischt erscheint. Aber in diesem
scheinbar wirren Durcheinander ergibt sich bei sorgsamer Prüfung ein klares
Walten der Naturgesetze, ein inniger Zusammenhang zwischen biologischen
Gesetzmäßigkeiten und ozeanographischen Tatsachen.
Inzwischen erschien das Werk des Herrn Vortragenden : Ostasienfahrt.
Erlebnisse und Beobachtungen eines Naturforschers in China. Japan und
Ceylon. Leipzig und Berlin, B. G, Teubner. 1906.
Mittwoch, den 23. Oktober 1907.
Herr Geh. Hofrat Prof. Dr. E. von Baelz-Stuttgart:
Das französische Kolonialreich in Hinterindien. (Lichtbilder.)
Der Vortragende berührte zunächst die früheren französischen Ver-
suche große, ferne Kolonien zu gründen. Es gab eine Zeit im 17. und 18.
Jahrhundert, wo der größte Teil des nordamerikanischen Kontinents als
französischer Besitz oder doch als französische Interessensphäre galt. Auch
Indien wäre in der Mitte des 18. Jahrhunderts beinahe französisch geworden.
Von alledem ist so gut wie nichts mehr übrig.
In Hintehndien, oder wie es offiziell heißt, in Indochina, haben
die Franzosen nach einigen vergeblichen Versuchen erst in den sechziger
Jahren des 19. Jahrhunderts Fuß gefaßt. Zunächst erzwangen sie 1862 Yon
Annam die Abtretung von Cochinchina. 1863 stellte sich der König von
Cambodja (zwischen Cochinchina und Slam) unter Frankreichs Protektion.
1888 bekannte sich Annam als französischen Vasallen, und nach ziemlich
— 124 —
heftigen K&mpfen wurde auch der nördlichste Teil Annams, Tonkin. über
das China seit 2000 Jahren Oberhoheitsrechte beanspruchte, diesem entrissen.
Von Siam wurden an Frankreich vor längerer Zeit die Laos-Provinz am
mittleren Mekong nnd neuerdings die Provinzen Battambang und Siamreap
(mit den großartigen Resten der alten Khmer-Kultur) abgetreten. Endlich
gehört zu Indochina Kantschauwan, ein kleines Gebiet in Südchina, das Frank-
reich als Gegengewicht gegen das deutsche Kiautschou 1899 okkupierte.
Das so beschaffene Kolonialreich ist ein Fünftel größer als Frankreich
und hat vermutlich etwa 12 Millionen Einwohner, während früher weit
höhere Zahlen angegeben wurden. Als seine Interessensphäre betrachtet
Frankreich auch die große Insel Hainan und verschiedene offene Häfen in
Südchina.
Die Einwohner gehören überwiegend zur malaiischen Rasse im weiteren
Sinne, und zwar meist zu den sog. Tai. Im Süden findet sich femer viel
indisches Blut durch das schon vor unserer Zeitrechnung eingewanderte Volk
der Khmer.
Der Handel des überwiegend Reis bauenden Landes ist relativ gering,
dank der kurzsichtigen Politik, welche nichtfranzösische Schiffe nur unter
erschwerenden Bedingungen daran Teil nehmen läßt.
Der Redner hat Indochina Ende 1902 als Gast der französischen
Regierung besucht, welche zu dem mit der ostasiatischen Ausstellung in
Hanoi verbundenen Orientalisten-Kongreß Vertreter aller gelehrten Gesell-
schaften Ostasiens einlud. Vortragender war der Vertreter der Asiatic Society
of Japan. Auf der Reise berührte er das schon erwähnte Kantschauwan,
aus welchem die Franzosen nicht bloß eine Flottenstation, sondern auch
einen wichtigen Ausgangspunkt für ein in China eindringendes Eisenbahnnetz
machen wollten. Es zeigte sich aber bald, daß es dazu ungeeignet ist, und
diese großen Pläne sind aufgegeben.
Auch die ganze französische Politik in Indochina selbst, und namentlich
in dem nördlichsten bevölkertsten Teil, Tonkin, ist wesentlich von der Idee
diktiert, von hier aus allmählich Südchina kommerziell zu erschließen und
womöglich später auch politisch zu beherrschen. Zu diesem Zweck sind
großartige Eisenbahnsysteme entworfen und bis zur chinesischen Grenze auch
schon ausgeführt worden. Ob es aber gelingen wird, die von China längst
erhaltene Konzession des Weiterbaus tief ins Innere dieses Landes in die
Tat umzusetzen, ist bei der jetzt ganz veränderten politischen Lage Ost-
asiens recht zweifelhaft.
Zwar ist die Gefahr eines schon vor dem russisch-japanischen Kriege
in Indochina allgemein befürchteten japanischen Angriffs vorläufig durch
das französisch - japanische Abkommen beseitigt, aber die Chinesen selbst
werden jetzt widerspenstig, nachdem bei ihnen die Losung gilt: China für
die Chinesen.
In ihrem System der Behandlung der Eingeborenen sind die Franzosen
weit zuvorkommender als die Engländer oder gar die Holländer. Sie wollen
die Eingeborenen möglichst auf dem gleichen Fuß wie die Europäer behandeln.
C^ ist dies aber ein sehr gewagtes Experiment.
— 125 —
Mittwoch, den 30. Oktober 1907.
Herr Dr. 6eorg Wegener -Berlin: Über meine neueren
Reisen in Innerchina. (Lichtbilder.)
Diese Reisen sind eine Fortsetzung der Stadien des Yangtse-Oebiets,
die der Redner im Winter 1900/01 begann. Damals bereiste er den großen
Strom, unmittelbar nach dem deutsch-englischen Yangtse-Abkommen, bis in
die Schluchten und Schnellen oberhalb von Itschang. Seinen Arbeiten wurde
ein Ziel gesetzt durch den schweren Schiffbruch, den er am 27. Dezember
19(X) mit dem deutschen Dampfer „Suihsiang" in der Stromschnelle Tung-
lingtan erlitt
Im Jahre 1906 nahm er die Forschungen wieder auf und dehnte sie
diesmal insbesondere auf die Nebengebiete des Yangtse aus, die durch die
wichtigsten Zuflüsse mit dem Hauptstrom in enger Verkehrsverbindung
stehen. So besuchte er die neuerdings dem Fremdhandel lebhafter sich er-
schließende Provinz Hunan und ganz besonders die Provinz Kiangsi, das
hydrographische Gebiet des Kankiang. Letztere Reise war der eigentliche
Gegenstand des Vortrags. Die Expedition berührte hier teils Gegenden, die
seit der englischen Gesandtschaft von 1816 an dem Hof von Peking nicht
wieder von Weißen besucht wurden, teils solche, die überhaupt noch jung-
fräulicher Boden waren. Sie verließ am 17. November Kiukiang und durch-
querte zunächst in chinesischem Hausboot den Poyang-See, der damals schon
einige 40 Fuß unter seinem sommerlichen Hochwasserstand war, aber doch
noch im nördlichen Teile eine einheitliche Seefläche bildete. Zwei Monate
später hatte er sich auch hier in einzelne, durch Sandbänke getrennte Streifen
aufgelöst. Der südliche Teil war schon jetzt an Stelle eines Sees ein Gewirr
von Sandinseln und Wasseradern mit sehr schwieriger Schiffahrt. Dann
wurde Nantschangfu erreicht. Redner schilderte Anblick und Bedeutung
dieser wichtigsten Stadt der Provinz, die, an der Kreuzung der Kankiang-
straße und der nach Fukien hinüberführenden Straße des Fuhotales gelegen,
das natürliche Zentrum der großen Fnichtebenen ist, die sich an den Süd-
rand des Poyang-Sees anschließen. Zu Lande wanderte man dann längs des
Fuhotals nach Südosten durch diese Fruchtebenen. Redner führte die ver-
schiedenen Kulturen dieses Gebiets, ferner die eigenartigen Straßen vor, die
nur Fußpfade sind, denn der Wagen ist, wie in ganz Südchina, auch hier
gänzlich unbekannt; sodann die oft sehr imposanten Brücken des Landes,
den Charakter der Dörfer und die Hauptzüge der Bevölkerung. Die Kiangsi-
Leutc bilden eine Gruppe von provinzieller Eigenart, in ihrem Dialekte noch
zu dem Yangtse-Gebiete gehörig, doch gegen Süden stark von Südchina be-
einflußt. Der ehemals sehr lebhafte Binnenhandel nach Kwangtung über den
Meiling-Paß hat freilich heute fast ganz aufgehört, der Seeverkehr längs
der Küste hat ihn aufgezehrt.
Von Kientschang ab wandte sich die Expedition südwärts in die Ge-
birgswelt hinein, die den südlichen Teil der Provinz Kiangsi erfüllt. Das
Grundgerüst dieses Gebirges sind 800 bis 1200 m hohe scharfgeschnittene
Ketten von sinischer Richtung, SW— NO, ganz wie Richthofen es voraus-
gesehen hatte, meist aus einem grünlichblauen Tonschiefer. Dazwischen
— 126 —
sind Formationen aus roten Sandsteinen hineingebettet, die in ihrer Neigung
zn senkrechter Zerklüftung bizarre Felsformen bilden und häufig plateau-
artige Abrasionsflächen zeigen, deren Deutung schwierig ist und wohl auf
Arbeit der hier eigentümlich flächenförmig denudierenden Flüsse zurückzu-
führen ist. Der höchste bewohnte Berg der Provinz ist der Hsünfong-schan
bei Nanföng, ein Granit-Porphyr- Kegel von 1811 m Meereshöhe. Die Grund-
fläche der Provinz, auf der die Gebirge aufruhen, liegt nicht sehr hoch über
dem Meeresspiegel ; die höchste Paßschwelle, die die Expedition überschritt,
betrug nur ca. 210 m. Bei Ningtu wurde der Oberlauf eines der beiden
Qucllflüsse des Kan erreicht und die Reise mittels Dschunken fortgesetzt,
die in Kantschou gegen größere umgetauscht werden mußten. Der Redner
führte die Gestaltung dieser Gegenden und des Lebens ihrer Bevölkerung,
ihre Schiffahrt, Flößerei, Fischerei, ihre Siedelungen am l-fer, die Elemente
ihrer Kunst usw. in Wort und Lichtbilder vor. Nicht ohne Gefahr waren
auch diesmal die Stromschnellen, die der Kankiang zwischen Kantschoufu
und Wannganhsien bildet und die am Weihnachtstage passiert wurden. In
der Gegend von Hsinkang wurde dann wieder die Ebene gewonnen und ohne
Belästigung durch den inzwischen an der Westgrenze ausgebrochenen Aufruhr
Nantschangfu erreicht. Bis Nantschangfu gehen heute schon Aufnahmen der
europäischen Yangtse-Flußkanonenboote. Von dort über Kantschoufu bis
wieder nach Nantschang zurück erstreckt sich die vom Redner während der
Expedition ausgeführte Itincrar- Auf nähme. Ein reiches Material von Be-
obachtungen wurde zurückgebracht und harrt der wissenschaftlichen Ver-
arbeitung.
Mittwocl), den 6. November 1907.
Herr Prof. Dr. Karl Kindermaun-Hohenheim bei
Stuttgart: Deutschlands wirtsehaftliche Weltstellung.
Der Redner behandelt zunächst eine Reihe allgemeiner Gesichtspunkte,
dann eine Reihe spezieller Faktoren. Nicht mit allen Konkurrenten Deutsch-
lands soll ein Vergleich eingehend durchgeführt werden, sondern hauptsächlich
nur mit England und den Vereinigten Staaten, welche drei die Führung des
wirtschaftlichen Lebens in ihre starke Hand genommen haben, mit anderen
Ländern kann der Vergleich nur angedeutet werden. Obwohl England und
Deutschland viele gemeinsame Kulturideale haben, stehen sie doch in
schärfstem Wettbewerb einander gegenüber und für die Mißstimmung zwischen
beiden Völkern gibt eben der Umstand die Erklärung, daß sie beide um die
Palme des Primates im wirtschaftlichen Leben ringen. Fnt^r den allge-
meinen Faktoren ist die Bevölkerungsfrage sehr wichtig. Im Bevölkerungs-
wesen nimmt Deutschland eine sehr günstige Stellung ein, es ragt gleich-
mäßig hervor durch eine hohe Millionenzahl wie durch die Dichtigkeit der
Bevölkerung. Seine mittlere Altersverteilung gibt ihm zugleich einen elastischen
Grnndzug. Es hat ein großes Wachstum und besitzt — ein nicht zu unter-
schätzender Faktor — eine große Zahl Volksgenossen im Ausland. Ebenfalls
wichtig ist die Entwickelungsfrage. Die Gesamtentwickelung I )eutsch-
— 127 —
lands, sein Fortschreiten in Aktivität. Arbeitsteilung und Arbeitsvereinigang
und Regelmäßigkeit aller Funktionen ist seit den sieb^Eiger Jahren sehr rege
und steht keinem Volke nach. In der Verteilung von Zwang und Freiheit
oder dem Parteiwesen im weiteren Sinne zeichnet sich Deutschland durch
kräftige Mittelparteien aus. die eine stetige Entwickelung garantieren, es
steht in diesem Punkte mit in vorderster Linie. Wenn das Deutsche Reich
auch ärmer an Natur- und Kapitalfaktoren ist als seine Konkurrenten,
so ist es desto reicher an durchgebildeter Arbeit vermöge energischer Er-
ziehung seitens Kunst und Wissenschaft. Ausschlaggebend ist die Qualität
der Arbeit, wir müssen daher die Qualität der Arbeit ausbilden.
Redner geht dann zu den speziellen Faktoren über: Landwirtschaft,
Handel und Gewerbe. Die Landwirtschaft aller modernen Völker ist
ungünstig gestellt, am ungünstigsten die englische und russische. Auch
Deutschlands Landwirtschaft befindet sich in einer wenig günstigen Lage,
sie leidet an Leutenot und Preisnot. Dies erregt schwere Bedenken, denn
gerade die Landwirtschaft ist eine Quelle der Volkskraft, was u. a. auch
deutlich die Anshebungsziffern beim Militär beweisen. Indes zeigt unsere
Landwirtschaft eine wachsende Rührigkeit in der technischen Schulung der
Landwirte, in der (irttndung von (Genossenschaften usw. Durch die Selbst-
hilfe zusammen mit den mittleren Schutzzöllen wird es möglich sein, sie im
ganzen auch kräftig zu erhalten. Das deutsche Gewerbeleben tritt
immer mehr dem fremden ebenbürtig an die Seite. Dies besonders durch
die Entwickelung einer mächtigen Feinindustrie. Während England Jahr-
zehnte lang ein Monopol in Textilwaren hatte, ist ihm jetzt Deutschland
ein gefährlicher Konkurrent geworden. Auch die schwere Industrie hat sich
in Deutschland in breitestem Maße ausgebildet, sodaß es mit seiner Kohlen-
industrie an dritter, mit der Eisenindustrie an zweiter Stelle steht. Unser
Arbeiterstand hat sich in physischer und geistiger Hinsicht deutlich gehoben
und kann sich heute dem Arbeiterstand aller Völker gleichstellen. Handel
und Verkehr Deutschlands bedeuten ebenfalls eine wachsende Macht. Über-
sichtliche Tabellen erläuterten alle diese Punkte und führten sie weiter aus.
Mittwoch, den 13. November 1907.
Frau Fanny Bullok-Woikman-Loudon: Die erste
Erforschung des Hoh-Lumba und des Sosbon - Gletschers.
(Lichtbilder.)
Die Ausgangspunkte unserer beiden letzten Expeditionen in die Hoch-
gebirge von Haltistän kann man von Srinagar. der Hauptstadt Kaschmirs«
aus in 28 Tagemärschen erreichen. Die Gebirgsregion. deren Gletscher von
uns erforscht wurden, liegt zwischen dem 74" o.V und dem 75' 45' ö. L. und
zwischen dem 35** 45' und dem 8H* n. Rr.
Auf unserer zweiten Expedition im .Jahre li)08 wurde die erste Be-
steigung und Erforschung des Höh- und des Sosbon-Gletschers unternommen.
Begleitet waren wir von dem Topographen Herrn B. Hewett und den wohl-
bekannten Führern Joseph Petigax und ('. Savoie aus Courmayeur und dem
— 128 —
Träger L. Petigax. Große Mühe verursachte uns die Znsammenstellung
unserer Trägerkarawane. Da frühere Erfahrungen uns gelehrt hatten, daß
die Dorfbewohner aus dem Schigar-Tal und dem oberen Bascha-Tal bei
Expeditionen in die wirkliche Hochregion des Himalaya als Träger kaum
zu verwenden waren, wir aber mit Leistungen von Kulis aus der Provinz
Rondu, westlich von Skardu in Baltistän, viel zufriedener gewesen waren,
so beschlossen wir, wenn möglich einen Versuch mit diesen zu wagen. Auf
unsere Bitte ersuchte daher der Resident von Kaschmir den Tehsildar von
Skardu um Anwerbung von 30 Kulis, welchem Verlangen dieser bereitwillig
nachkam. Er schloß mit den Leuten einen Vertrag, laut welchem sie gegen
sehr hohen Lohn und vollständige Verköstigung sich verpflichteten, unser
Gepäck zu tragen und uns zu begleiten, wohin wir nur wollten. Ein Kon-
traktbruch sollte den Verlust eines halbmonatlichen Lohnes zur Folge haben.
Der Tehsildar schrieb ihre Namen auf eine Liste, und jeder Kuli drückte
mittelst seines in die Tinte getauchten Daumens sein Siegel unter seinen
Namen.
Um es gleich vorweg zu nehmen, mit Ausnahme von etwa sechsen.
zeigten sie sich sämtlich genau so faul und unbrauchbar als die schlimmsten,
welche je in unseren Diensten standen, und ohne die anderen Kulis, die wir
bei uns hatten, und diejenigen, welche noch im Dorfe Höh angeworben wurden,
wären wir in den größeren Höhen hilflos gewesen. Nicht nur daß sie trotz
der sorgsamsten Behandlung ihre Pflichten aufs Gröblichste vernachlässigten,
sie verließen uns bereits nach viertägigem Aufenthalte im Schnee in einer
Höhe von 4579 m, und suchten, in Skardu angekommen, anstatt der kon-
traktlichen Rückerstattung des zweiwöchentlichen Lohnes uns durch den
Tehsildar gerichtlich zu belangen, um einen 14tägigen Extralohn von uns
herauszuschlagen.
Von Skardu, dem Hauptort ßaltistäns, aus erreicht man durch einen
kurzen Marsch in Nordostrichtung das Schigar-Tal, in welchem man (82 km)
weit aufwärts wandert, bis man zur Stelle gelangt, wo der Schigar aus
Braldoh und Bascha zusammenfließt. Alsdann folgt man dem Braldohfluß
(22 km) weit bis zu dem kleinen Dorfe Höh, welches oberhalb des Zusammen-
flusses des Höh und des Braldoh in einer Höhe von 2865 m liegt. Hier wurde
unsere Karawane durch die erwähnten Kulis auf 70 Mann vorstärkt.
Das Tal des Hoh-Flusses ist mit einer mehrere hundert Fuß mächtigen
Moräne erfüllt. In dieser rauscht im Grunde einer öden Schlucht der Hohfluß
zu Tal, ein brausender, khakifarbiger Gletscherbach, der sich oft in großer
Tiefe seinen Weg durch die Felsen hindurch gebahnt hat. Die Abhänge sind
mit Felsblöcken übersät. Jenseits dieser Schluchtstrecke wurde eine ungeheure
Winterlawine überschritten, die voll schwarzer Trümmer war und von der
einen Seite des Nala bis zur gegenüberliegenden reichte, den Fluß also voll-
ständig bedeckte. Man stößt auf keine Spur irgendwelcher Vegetation mit
Ausnahme der mit dem magersten Boden zufriedenen aromatischen Burtsa-
Pflanze, bis man etwa 6Vt km weiter aufwärts nach Pirna Tapsa. einem
kleinen Weideplatz, gelangt, der ziemlich reich mit Birken und Zedern be-
standen ist. 3 km weiter oberhalb erreicht man Nangma Tapsa, einen
ähnlichen Weideplatz, 3ö3ö m hoch gelegen. Bis zu diesem Punkte (^mit
— 129 —
Aasnahme von Pirna Tapsa) wanderte unsere Gesellschaft durch eine düstere
Landschaft, die nicht die geringste Spur von Lehen und Farbe aufwies.
Manche nennen schon die Wege in Ladakh düster und eintönig; aber diese
sind abwechslungsreich und schön, ja malerisch, wenn man sie mit dem
Tale des Hoh-Lumba vergleicht, über dessen fürchterlicher Ode der Tod
seine schaurigen Fittiche auszubreiten scheint. Hier in Nangma aber sieht
alles anders aus, unsere Karawane lagert-e auf einer weiten, grünen Wiese
mit reichem Baumbestand, wo das Vieh weidete und an murmelnden ßächlein
zur Tränke ging.
Den Hoh-Gletscher. der hier beginnt, sah Oberst Godwin-Austen einst
aus der Feme, als er in den 6()er Jahren des vorigen Jahrhundert« im Auf-
trag des Triconometrical Snrvey hier Aufnahmen machte ; aber unsere Gesell-
schaft war die erste, die ihn beschritt. Seine Hauptrichtung von Nangma
Tapsa aus ist nach Nordwesten, seine Länge von der Zunge bis zu seinem
Ansatz unter dem großen Sattel beträgt 19, seine größte Breite l.H km und
seine Breite am oberen Ende unterhalb des Ansatzes 0,8 km. Er scheint in
den letzten Jahren rasch zurückgegangen zu sein. Oberhalb Nangma Tapsa
befindet sich eine große Moräne voll riesiger Blöcke, zwischen denen sich
eine Menge Bäume erheben. Der Abstand ihres äußersten Endes vom gegen-
wärtigen Gletscher beträgt etwa 1,6 km. Innerhalb dieser älteren Moräne
folgt zunächst eine mit spärlicher Vegetation bedeckte, niedrige Moränen-
streuung und dann frische Moräne.
Ein weiteres Anzeichen des (iletscherrückgangs ist das Vorhandensein
eines bedeutenden Moränekamms, dessen höchster Punkt sich 16 m über dem
Gletscher erhebt. Auf der freien Seite steigt derselbe zu reichlich 30 m
Höhe an. Wenn man von Nangma Tapsa aufsteigt, so überschreitet man
ihn und gelangt alsdann auf das Eis.
Bereits hier empfängt der Hob seinen ersten linken Seitengletscher,
den Tschaitora. Der einzige weitere Scitengletscher auf der linken oder
östlichen Seite zweigt 6,4 km von der Zunge aus ab. und heißt der Sosbon.
Auf der Westseite münden drei Seitengletscher in den Hauptgletscher, nahe
an dessen südlichem Ende, und 9 km weiter oben kommt ein großer Seiten-
gletscher von Westen. Im ganzen sind es 6 Seitengletscher.
Nachdem wir den erwähnten Moränenkamm verlassen hatten, befanden
wir uns sofort auf dem Eis, in einer Höhe von 41 IH m, eine Höhe, in
welcher wir auf anderen Gletschern stets niedrigere Bergvorsprünge oder
Seitenmoränen gefunden hatten, auf welchen wir unser Lager aufschlagen
konnten. Aber in diesem Jahre fanden wir Ende Juni den Hoh-Lumba voll-
ständig mit einem dicken Schneemantel bedeckt und ebenso die tieferen
Bergabhänge.
Infolge der dicken Schneedecke war es äußerst schwierig, sich ein
l.'rteil über die Gestalt des Gletschers und seiner Moränen zu bilden. Auf
dem Gletscher selbst gab es keine bedeutenden oder gar keine Seitenmoränen,
und wenn Mittelmoräncn überhaupt vorhanden waren, so waren sie so sehr
mit Schnee bedeckt, daß sie sich vom Gletscher nicht abhoben.
Charakteristisch für die ersten 8 km ist die wellenförmige Oberfläche
des Gletschers. Man klettert immerzu über große Sclineehügel, ein be-
9
— 130 —
ständiges Auf and Ab. Wir befanden uns hier gerade oberhalb unseres
ersten Gletscherlagers, in einer Höhe von 4451 m. Die herrlichen Granit-
spitzen im Hintergründe erscheinen infolge des ansteigenden Terrains
verkürzt.
Der 4. und letzte Seitengletscher au! der Westseite ist der Eerie-
Gletscher, 4 km lang und wo er zu dem Hoh-Lumba tritt, nicht niedriger
als 4573 m. Seine Oberfläche zeigte eine ununterbrochene tiefe Schneedecke,
weshalb keinerlei Spalten sichtbar werden. Der Schneegipfel an ihrem
oberen Ende wurde von unserem Topographen durch Triangulation zu 6357 m
gemessen.
Südlich der Einmündung des Eerie-Gletschers. etwa 9 km oberhalb
des Gletscherendes wurden Messungen über das Vorrücken des Hoh-Eis-
Stromes unter schwierigen Umständen vorgenommen. In einer Entfernung
von 136 m vom Gletscherrande betrug das Vorrücken in 24 Stunden 79 mm.
bei 224 m Entfernung 61 mm.
Beim weiteren Aufwärtssteigen zeigte der Hauptgletscher eine Biegung
in mehr nördlicher Richtung, indem er sich gegen eine Art von verlängertem
Becken öffnete. Von den schneebedeckten Felsgehängen war das große Joch
oberhalb des Gletscherursprungs in einer Entfernung von 5 km sichtbar. Dieser
Sattel ist der einzige, welcher sich in einem weiten Kranze hoher Granitnadeln
befindet, die sich in zwei langen Reihen zu beiden Seiten des Grates hin-
ziehen. Die Höhe der Gebirgszacken beträgt 5800 bis 6100 m ; ihre selt-
samen messer- oder schwertähnlichen Formen, die in dieser frühen Jahres-
zeit überall, wo der Schnee nur irgend haften konnte, Schneestreifen und
Schneeflecken zeigten, bildeten eine der seltsamsten und unvergeßlichsten
Gebirgsszenerien, die ich je gesehen habe. Der Eisfall — denn es ist kein
Paß — ist auf der amtlichen Karte von Indien als ein niedriger Paß be-
zeichnet, der zum Hispar-Gletscher hinüberführt. In Wahrheit endigt der
über das Gletschereis aufragende Kamm in einer ungeheuren Wächte von
seltsam krauser Form; und diese hängt über einem, dem Hispar-Gletscher
parallel ziehenden, bisher unbekannten Gletscher, der etwa 12<X) m senkrecht
unter dieser Wächte dahinzieht. Dieser Gebirgssattel, welcher von uns zum
erstenmal bestiegen wurde, hat eine Höhe von 5741 m. Der Aufstieg war
etwas schwierig, da man auf der rechten Flanke des Eisfalls emporklettem
und dann den steilen Schneeabhang der Felsennadel überschreiten mußte.
In unserem Lager auf dieser Felsennadel, nahe dem Trsprun^ des Hoh-
Gletschers in einer Höhe von 4689 m verbrachten wir zwei Nächte in Er-
wartung der Kulis. Temperaturmessungen ergaben um l Vi Uhr 76*/i • Celsius
in der Sonne. Es war nicht unsere höchste Temperatur: aber der Tag war
windstill und daher die Hitze konzentriert und erschlaffend. Die Sonne
beschien nach 4 Uhr nachmittags das Lager nicht mehr, und gegen 5 Uhr
begann es zu frieren.
Der große östliche Zweig des Hoh-Lumba-Gletschers ist der Sosbon.
Auf der amtlichen Karte von Indien erscheint er als ein kleiner Ausläufer
des Hoh-Lumba, ist aber in Wahrheit ein sicherlich ebenso langer und breiter
Gletscher wie der Höh. Von seiner Vereinigung mit jenem bis zu seinem
Ursprung an einem 5188 m hohen Gebirgssattel ist er 11 km lang und ver-
— 131 —
läuft ziemlich parallel mit dem Hoh-Lamba. Er hat an seinem Ostrande
wiederum mehrere Seitengletscher und hängende Gletscher.
Den großen Berggipfel von 6900 m Höhe, den wir von unserem Lager aus
aus den Wolken sich erheben sahen, und der von allen Seiten sichtbar seine
Umgebung weit überragte, nannten wir Sosbon-Berg. In diesem Lager war
es, wo beim Anfang eines Schneesturmes unsere vorerwähnte ständige Kuli-
truppe uns verließ. Glücklicherweise hatten wir dieses Vorgehen der Kulis
vorausgesehen und einige Tage vorher nach Askole geschickt, um Ersatz zu
bestellen, der auch zur rechten Zeit den Gletscher heraufkam. Nach einem
48 stündigen Schneesturm, der uns hier heimsuchte, konnten wir irgendwelche
Kenntnis über die Struktur des Gletschers nur durch ein mehr als beschwer-
liches Umherwaten in kniehohem Schnee erlangen.
Drei scharfbegrenzte, tiefe Furchen verlaufen in der Längsrichtung
des Gletschers von der Basis des Sosbon-Berges 4 km weit herab bis ungefähr
zum Ansatz des ersten Seitengletschers, und wir unterschieden einen stark
markierten Mittelmoränenkamm. Unterhalb desselben ist der Gletscher
augenscheinlich mit Moränenschutt bedeckt, doch war dieser von tiefem
Schnee so vollständig überzogen, daß nur wenige charakteristische Einzel-
heiten bemerkt werden konnten.
Zum Schluß mögen einige Worte über die Karakorum-Wasserscheide
auf der Südseite des Hispar-Passes folgen. Auf unseren beiden Expeditionen
11X)2 und 11)08 haben wir auf dieselbe, wenn ich mich so ausdrücken darf,
wiederholt einen Angriff unternommen, t^eils weil die Sättel, in welchen die
von uns erforschten Gletscher ihren höchsten Punkt haben, in dieser Ge-
birgskette liegen, und teils weil die Idee, einen neuen Paß zu finden, auf
welchem eine Karawane nach dem Hispar-Gletscher und damit nach Hunze
und Nagar gebracht werden könnte, gewissermaßen unser Steckenpferd war.
Ich bin jetzt der Meinung, daß die einzige für Kulis gangbare Route von
beiden Seiten her der Nusrhik La ist.
Die Sättel des Sosbon und des Hoh-Lumba-Gletschers werden, wie
erwähnt, vom Hispar-Paß durch einen kleinen Zwischengletscher und
einen schmalen Kamm getrennt. Unmittelbar zum Hispar-Gletscher führt
im weiteren Verlauf der Bergkette der Altschori-Sattel, dessen erste Be-
steigung ich mit drei Führern unt<»mahm. Kr hat eine Höhe von 5372 m
und ist ebenfalls eine große Schneewächte, die aber den Hispar-Gletscher
direkt überragt. Der Gefahr wegen krochen wir nur einzeln angeseilt auf
die Wächte hinauf und schauten auf den großen Hispar herunter, der sich
in einsamem Lauf gegen Nagar hinschlängelt.
Hier erlebten wir wieder eine Finttäuschiing ; denn es war nicht nur
nicht möglich, eine Karawane hinüber nach Hispar zu schaffen, sondern wir
kamen selbst nicht hinüber. Es folgen weiterhin zwei ansehnliche, rechte
Nebengletscher des Altschori. deren Ansätze in einer Linie mit dem Altschori-
Paß liegen. Aber nach sorgfältiger Rekognoszierung fanden wir sie so zer-
klüftet und zerschrundet und trafen nah an ihrem Gipfel so große Spalten
an, daß sie sogar von der Südseite völlig unzugänglich waren. Ebenso er-
wi<*sen sich zwei Zweige des Ken» Lungma. welche zum Hispar führen
konnten, als unübersteiglich. Es schließt sich dann noch der Nushik La an,
— 132 -
ein guigbarer Pafi. den aber die BMcha-Enlis seit einigen Jahren
mehr begeben mSgen.
Von den oberen Zuflüssen des Chogo Langma-Gletschers ans
wir zwei sehr hohe Pässe erstiegen, von welchen sich zeigte, daß s
Übe^Lnge gar nicht in Frage kommen konnten. Oberhalb der g
Bergwand an dem oberen Teil des Chogu Langma. welche eich zu
HShe TOD 6()00 m erhebt, befindet sich wahrscheinlich ein ziemlich
Weg nach Nagar. Wir hatten einen äußerst klaren Blick anf das Seh
und den jenseits desselben ablatlenden Gletscher, aber wie hätten w:
beladenen Kulis dazn vermögen können, diese Bergwand zu Oberste
So haben wir also 10 Sättel in der den Südrand des Hispar bitd
Hochgebirgskette entweder erklettert oder gründlich erforscht, und si'
mit der einzigen Ausnahme des Nnschik-La unzugänglich gelundcn.
Beobachtungen sind in geographischer Hinsicht wichtig, insofern jede
Kunde von den großen, aber wenig erforschten asiatischen (icbirgsl
Ton Interesse ist; sie beweisen zur Genüge, dafi in dieser Gegen
Karakorums die nördlichen Abhänge steiler und unzugänglicher sind a
sQdlichen.
Im Verlaufe ihrer Ausfflhmngen schilderte die Pran Vortragen
dann noch einige gefährliche Hochtouren vom Chogo Langma- Gl etsche
darunter die Besteigung des Lungma- Berges mit 6713 m.
Mittwoch, den 27. November 1907.
Herr Professor Dr. Georg Steindorff-Leipzig:
ftiten nnd Beneo We^n Im eiiKliHch-&gyptii4clieii 8i
(Lichtbilder.)
Nachdem der Herr Vortragende bald nach Beendigung des Mah<
anistandes im Jahre 1900 das untere Kubien besncht und südlich von
sieben altägyptische Bni^en untersucht hatte, führte ihn eine neue, in
trage der Bäcbsischen Regierung untemonimene ReiBe im Frühjahr 1!
das obere Nubien und den englisch-ägyptischen Sudan. Er nahm seini
reise anf einem ganz nenen Verkehrswege, indem er von Suez aus mit
Dampfer auf dem Roten Meer bis zu dem nördlich von Suäkin nenentstai
Hafen Port Sud4n fuhr, nach einem kurzen Anfenihalte hier weiter
Sn&kin ging und von hier aus die erst im Januar 19()t> eri^fTnete Rote
Bahn nach Chartum benutzte. Die Engländer haben mit dem Bau
Bahnlinie, die hei einer Länge von ')3ö km (SnAkin. bezw. Port Sud
Atbara) in der außerordentlich kurzen Zeit von 1* Monaten vollendet ■
Ton neuem ihre kolonisatiirischen Fähigkeiten bewiesen. Das Werk vt
umso größere Anerkennung, als sich ihm sowohl in der Topographie des L
als in dem Wassermangel nicht geringe Schwierigkeiten in den Weg s(
Freilich entspricht der Gewinn vollständig den aulgewendeten Anstreng
und Kosten, Die neue Rote Meer- Bahn bedeutet nicht nur eine grof
kürzung für den Weg Aleiandria-Chartum. sondern hat auch eine em
Bedeutung in strategischer und kommerzielter Hinsicht: schafft sie dor
inneren Snd&n einen geraden Weg nach dem östlichen Heere und wei
— 133 —
nach Indien und macht dadurch den Sud&n von dem Verkehr durch Ägypten
nilabwärts unabhängig;.
In Chartum und der gegenüberliegenden ehemaligen Mahdistenhaupt-
stadt Omdenn&n. die mit ihren Erinnerungen an die schon fast ganz ver-
gessene Schreckenszeit des Sud&n besonderes Interesse bietet, hielt sich der
Redner kürzere Zeit auf. Von hier aus wurde auch ein Ausflug stromauf
auf dem blauen Nil nach den Ruinen von S/^ba unternommen. Im Mittel-
alter die Hauptstadt eines großen christlichen Reichs, wurde Sdba um das
Jahr loCK) von Sen&r aus durch die vereinigten Scharen der Araber und Neger
in Trümmer gelegt.
Die zwischen dem blauen Nil, dem vereinigten Nil und dem Atbara
gelegene „Insel Meroö" der Alten war das Hauptreiseziel Steindorffs. Sie
bildete in den Jahrhunderten vor und nach Christi Geburt den Mittelpunkt
eines ,. äthiopischen Reichs", das ganz unter ägyptischem, teilweise auch
griechisch-römischem Kultureinfluß gestanden hat. Von Chartum reiste der
Redner mit der Bahn bis Ben Naga: von hier aus wurde mit einer Kamel-
karawane der Marsch ostwärts in die Wüste angetreten, um zunächst die
Ruinen zweier alter Städte zu besuchen, die heute Naga und Wädi es-sofra
heißen. Aus den umfangreichen Trümmern Nagas heben sich vier größere,
noch sehr gut erhaltene Tempelruinen ab. unter ihnen die eines großen ägypti-
schen Heiligtums mit merkwürdigen Reliefbildem und die einer griechisch-
römischen Kapelle. Die Ruinen von W&di es-sofra liegen in einem rings von
Hügeln umschlossenen Talkessel und gehören einem Riesengebäude an, wahr-
scheinlich dem Schlosse eines Äthiopenkönigs, wie es sich in gleicher Aus-
dehnung nicht einmal in dem an Monumentalbauten überreichen Ägypten
wiederfindet.
Von hier aus wandte sich die Karawane durch die Steppe wieder an
den Nil zurück nach Schendi: dann ging es mit der Bahn nordwärts nach
Kabüdchija, der Station für die Ruinen und Pyramiden der alten Hauptstadt
Meroe. Die sehr ausgedehnte Stadtruine, in der noch deutlich die mit Säulen^
Statuen, Sphinxen geschmückten Tempelanlagen zu erkennen sind, dehnt sich
unweit des östlichen Nilufers aus ; die Pyramiden dagegen liegen mehr land-
einwärts in der Wüste. Sie sind ähnlich den ägyptischen Pyramiden angelegt,
haben auch wie diese auf der Ostseite eine mit Reliefs geschmückte Kapelle,
die dem Kult der Verstorbenen geweiht war, sind aber viel kleiner als diese
und weichen auch durch ihre steile Form (bei größerem Neigungswinkel) von
ihren alten Vorbildern ab. Nachdem die Pyramiden untersucht und mehrere
Reliefs für das Leipziger Universitätsmuseum geborgen waren, trat der Vor-
tragende die Rückreise nach Ägypten mit der Bahn nach Haifa und weiter
zu Schiff nach Assuan an.
Mittwoch, den 4. Dezember 1907.
Herr Privatdozent Dr. Karl Oestreich -Marburg:
Aas dem uordwestlieh«^n Himalaya. (Lichtbilder.)
Der Vortragende berichtigte über seine Eindrücke aus dem nordwest-
lichen Himalaya, den er 1902 als Topograph der Workmanschen Expedition
— 184 —
bereiste. Die Erforschangsgeschichte des Gebirges wird durch folgende
Etappen gekennzeichnet: reisende Arzte, Landesvermessung und Reisen der
Gebrüder Schlagintweit, die Alpinisten. Auch eine geologische Ubersichts-
aufnahme liegt fär den nordwestlichen Himalaya vor: der Paläontologe
Lydekker hat im Dienste des Maharadscha von Kaschmir das Staatsgebiet
von Kaschmir geologisch kartiert. Doch ist, was die geomorphologische
Durchforschung, d. h. was die Erklärung der Landschaftsformen anlangt,
auch der nordwestliche Himalaya als unbekanntes Gebiet anzusehen.
Der Verlauf der Reise machte den Reisenden zunächst mit den Land-
schaftsformen des mittleren Dschilamtals bekannt, dem schluchtartigen Austritt
eines in seinem Hauptteile als Längsfluß entwickelten Stromes. Den Ober-
lauf bildet die Talebene von Kaschmir, ein Senkungsfeld, wie die mittel-
rheinische Tiefebene eines ist. Von der malerischen, am Flusse und zugleich
am Bergrande gelegenen Hauptstadt Srinagar aus wurde der Weg zum Indus
über den Sodschi-La angetreten, eine durch Rückwärtseinschneiden des Baltal-
Sind-Flusses obsolet gewordene Paßhöhe, die physisch-geographisch und
ethnographisch auf der (irenze zwischen Südasien und Innerasien liegt. Der
Wüstencharakter wird von da ab immer ausgeprägter bis zum Indus, an
dem in einer wüstenhaften Talweitung Skardu. der Hauptort von Baltistan,
liegt. Beobachtungen über die Fels- und Talformen erlaubten dem Reisenden,
das Ausmaß der eiszeitlichen Vergletscherung hier und in den angrenzenden
Gegenden schärfer zu bestimmen, als es vorher möglich war. Im Schigartal
und im Tal des Bascha, dem westlichen Quellarm der Schigar. aufwärts-
ziehend, näherte man sich den Hochalpen von Baltistan. wo der viertgrößte
der Gletscher, der Tschocho-Gletscher, aufgenommen werden sollte. Die Wüste
war verlassen, in etwa 2500 m Meereshöhe stellte sich die europäische Wiese
mit ihrer Flora ein, und üppige Wiesen dehnen sich auf den Moränen an-
gesichts der Stirn des gewaltigen Tschocho-Luma-Gletschers. Im Dorfe
Arindo, dem letzten im Tale, verweilte der Reisende 14 Tage lang und führte
eine tachy metrische Aufnahme des Gletscherendes aus. Einen Monat lang
dauerte dann die Aufnahme (Auspeilung) und das Studium des ganzen 48 km
langen Eisstromes. Nur einen touristischen Höhepunkt, die Erreichung des
Eisjochs unter dem Haremosch schilderte der Vortragende ausführlicher und
wies dann noch daraufhin, daß es ihm gelungen ist. Beweise für eine seit
der tertiären Auffaltung stattgefundene Einebnung mit nachfolgender W^ieder-
emporhebung auch für dieses Hochgebirge zu erhalten.
(Vgl. des Redners Schrift: die Täler des nordwestlichen Himalaya«—
Dr. A. Petermanns Mitteilungen, Ergänzungsheft Nr. 165, Gotha 1906.)
Mittwoch, den 11. Dezember 1907.
Herr Prof. Dr. Lucian Scherman-München: Die
religiöse Knost des alten Buddhismus. (Lichtbilder.)
Von der neueren Literatur über sein Thema erwähnt der Vortragende
namentlich die Arbeiten von Professor Grünwedel, dem Direktor des Berliner
Museums für Völkerkunde; in der französischen Schule, die besonders in
Indochina Mustergültiges leistet, wirkt bahnbrechend Foucher und die rege
— 135 —
Tätigkeit der Engländer bezeugen die vornehmen Regiernngspublikationen
des Archäological Survey, des prächtigen Griffiths'schen Werkes über Ajanta
u. a. m. Zur Illnstration seines Vortrages stützt sich der Redner auf das
Tafelmaterial dieser VeröfTentlichangen sowie auf Museum sphotographien,
welche ihm von der indischen Regierung zur Verfügung gestellt waren.
Die indische Archäologie setzt nach dem derzeitigen Forschungsstande
spät ein. Kein historisches Denkmal führt> uns über Asoka, d. i. die Mitte
des dritten vorchristlichen Jahrhunderts hinaus, ältere Schichten können
wir nur literarhistorisch, also mit reflektiertem Lichte erschließen.
Um so glänzender aber ist der Beginn: wie die Steinedikte des
Buddhistenherrschers Asoka noch heute als wahrhaft königliche Worte emp-
funden werden, so ersteht in jener Periode auch ein künstlerisch stolzes und
freudiges Schaffen. Seinen Mittelpunkt bilden die sogenannten Stupa,
die ursprünglich Gräber, dann auch allgemeine Erinnerungsbauten waren ;
ihr zum Teil überreicher Reliefschmuck gewährt einen Überblick des damaligen
Besitzstandes an religiösen Legenden. Neben spezifisch indischen Stoffen,
die der Vortragende an Bildern aus Indien und Ceylon erläutert, findet sich
auch für die allgemeine Volkskunde lohnendes Material in den Motiven der
Symbolik. Denn die Person Buddhas ist jahrhundert-elang ersetzt durch
symbolische Andeutungen wie Dreizack. Rad bezw. Lotus, Baum der Er-
kenntnis, Fußtapfen etc. Man hüte sich aber, hier vorschnell von primitiver
Kunst zu reden. Diese Elemente? stammen allerdings aus relativ alter Zeit,
aber auch da haben schon Beeinflussungen von Volk zu Volk stattgefunden.
Der Vortragende beleuchtet das speziell an Svastika- und Dreizack-Symbol.
Berührungen mit dem Auslande zeigt die altindische Kunst in jeder
der für uns erreichbaren Phasen. In Asokas Hauptstadt hat man ein großes
jon isches Kapital ausgegraben und ganz unverhüllt drückt sich andauernd
der persische Einfluß in Kleidung und architektonischen Formen aus. Eine
eigene hochinteressante Periode indes stellt die sogenannte Gandhara-Kunst dar,
eine gräco-b]uddhis tische Mischung, die in den nordwestlichen Grenz-
provinzen Indiens bis nach Kaschmir hinein während der ersten Jahrhunderte
nach Christi Geburt in Blüte gestanden hat. Den zeitlichen Ausgangspunkt
sucht der Vortragende bei Kanishka, dem Indoskythenkönig, den er nach
Frankes u. a. Untersuchungen, denen auch Pischel beipflichtet, vor den Be-
ginn der christlichen Ära setzt. Die berühmten Buddha-Münzen sind, wenn
nicht die ersten, so doch mit die allerältesten bildlichen Darstellungen des
Stifters der ersten missionierenden Religion der Welt. Damit ergibt sich
auch der chronologische Einklang mit den inschriftlichen Zeugnissen alter
Gandhara-Skulpturen. ferner mit der durchaus unverdächtigen Überlieferung
hinsichtlich der Verpflanzung des Buddhismus von Indien nach China; diese
Länder standen, wie jüngst auch erst Conrady dargetan hat, schon lange
vor Christus in wirtschaftlichem und wissenschaftlichem Verkehr.
Die Frage nach Beziehungen zwischen^^Buddhismus und Christentum
ist auch für die Kunstgeschichte aufgeworfen. Eine strikte Antwort freilich
erlaubt die gegenwärtige wissenschaftliche Erkenntnis hier so wenig wie in
der Evangelienkritik. Jedenfalls war es höchst voreilig, von einem Christus-
typus in Buddhaflguren zu sprechen. Will man die aufi'ällige Ähnlichkeit
— 136 —
der (iandhara-Bu4ldhas mit den der Antike nachtrebildeten C*bristusbildem
Ideinasiatischer Richtung — sie sind bekanntlich früh durch den Jerasalem-
Typus zurückgedrängt worden - analysieren, so mub man entweder sich
mit der Feststellung der gemeinsamen Quelle l>egnügen. oder aber der (»an-
dhara-Kunst. die ja nahezu fabrikmät)ig gearbeitet hat. die Priorität zu-
erkennen. Auch ganz allgemeine kulturgeschichtliche Kr^^ägungen sprechen
dafür. daG man in Ländern, wo dem jungen Chri.stentum ein volkstümlicher
Untergrund in Legende und Kunst geschaffen wurde, von einer so expansiven
Bewegung, wie es der Buddhismus war. sicherlich einige Kenntnis hatte.
Besonnene Theologen und Altertumsforscher haben hier schon die richtitre
Fährte gewiesen.
Der letzte Abschnitt des Vortrages behandelte die Reste altindischer
Malerei. Nach einer Charakterisierung der Höhlenbauten im allgemeinen
folgte eine nähere Beschreibung der großartigen Freskendenkmäler von
Ajanta. Was dort in etwa tausendjähriger Arbeit die Kunst des Buddhismus
— an dem oberflächlich Urteilende so gern die Passivität und den Quietis-
mus hervorheben — schöpferisch her\'orgebracht hat. ist bewundernswert.
In Formenreichtum wie Durcharbeitung der architektonischen und dekorativen
Motive ist überraschend Schönes geboten.
Den Schluß bildete ein kurzes Resume zur Verdeutlichung der so
merkwürdigen Kreislinie, die sich uns in der künstlerischen ICntwicklung
des alten Indiens zeigt. Die von Griechenland mit oder ohne persische
Vermittlung übeniommene Schulung hat in Indien durch Assimilation und
Umformung einen Stil geschaffen, der seine Wirkung auf das ganze Ost-
asien auszudehnen verstand. Und wie dann von hier aus wieder der euro-
päischen Kunst neue Nahrung zugestn'unt ist. weiß jeder, der Kunst und
Kunstgewerbe unserer Zeit mit aufmerksamem Blicke verfolgt.
Mittwoch, den 18. Dezember 1907.
Herr Dr. Erich Zugmayer -München: über seine
Forsehnnssreise In West -Tibet 1906. (Lichtbilder.)
Der Vortragende venv-endete das Jahr 19(H) vom Februar ab auf eine
Reise in Zentralasien, deren Hauptziel die geographische und zoologische
Erforschung des westlichen Tibet bildete.
Als Einleitung erörterte er die verschiedenen Namen, unter denen Tibet
bei seinen Bewohnern selbst und bei den umliegenden Völkern bekannt ist:
die Tibeter nennen ihr Land Lod Jul d. h. Buddhas Erde, der unwirtliche
und unbewohnte zentrale und nordwestliche Teil wird Tschang Tang genannt.
Das Klima Tibets ist trotz der geographischen Lage kalt, eine Folge
der außerordentlichen Seehöhe und der Absperrung gegen Südwinde durch
den Himalaya. Die Expedition Dr. Zugmayers, die außer ihm aus einem euro-
päischen Diener. t> Eingeborenen und zu Beginn aus 60 Tragtieren bestand,
brachte genau 2 Monate in beständigen Seehöhen von über iVXK) m. zu. Nacht-
temperaturen von — 12® C und mehr waren sehr häufig, trotzdem die Reise in
Tibet in den Hochsommer fiel. Die größte vom Vortragenden erreichte Höhe
betrug 6100 m, das höchste Lager war anfangs Juli in 5950 m ü. M. Im
— 137 —
Winter sinkt die Temperatur oft unter— 40 •C, ein großer Teil der Tierwelt
wandert sodann nach (-hina oder KaBchmir aus; die Riesenherden von Anti-
lopen, Wildpferden und Yaks jedoch bleiben ständig im Land, trotz des äberaus
spärlichen Weidefutters. Die Plätze, an denen dieses wächst, sind die Sammel-
punkte der pflanzenfressenden Tierwelt und zu);leich die Orte, an denen eine
Karawane lagern kann : auch Wasser findet sich nur in großen Zwischen-
räumen und die Seen des Landes sind zumeist bittersalzig. Als Brennstoff
dient hauptsächlich die Losung der Tragtiere und der getrocknete Mist von
wilden Yaks und Antilopen, den man in der Nähe des Lagerplatzes aufliest.
Eine der größten Schwierigkeiten für den Tibetreisenden bildet die
Sterblichkeit unter den Reit- und Tragtieren, die dem vereinigten Einfluß der
Kälte, des fast beständigen Sturmes, der verdünnten Höhenluft, der mangel-
haften Fütterung und der allgemeinen Anstrengung erliegen. Der Vortragende
gab einige Beispiele über das Wegsterben der Lasttiere fiüherer Expeditionen;
die Zahl seiner eigenen Tiere betrug bei seinem Einmarsch in Tibet 16 Pferde.
H6 Esel und 8 Yaks, daneben !(> Schafe und drei Hunde : von den Lasttieren
erreichten nur 8 Esel das Ziel, und nur dadurch, daß gegen Ende der Reise von
Nomaden frische Pferde und Yaks gekauft werden konnten, war es möglich,
die wissenschaftlichen Sammlungen, Aufzeichnungen, Waffen und Instrumente
zu bergen ; fast das ganze übrige Gepäck, ein Zelt, ein Fallboot, Pro>iant etc.
mußte einfach zurückgelassen werden.
Das Zusammentreffen mit Eingeborenen wollte der Redner möglichst
lange vermeiden und es gelang auch 2 Monate hindurch, dann aber zwang
der Mangel an Transporttieren zum Aufsuchen bewohnter Gebiete. Die
Nomaden benachrichtigten jedoch die einheimischen Behörden, die der Ex-
pedition, nachdem zwei Aufforderungen zur Umkehr unberücksichtigt geblieben
waren, eine Truppe von ca. 21)0 Soldaten entgegenstellten. Der Reisende
mußte sich auf Unterhandlungen einlassen und im Vergleichswege erreichte er,
daß man ihm den Weg nach Westen, nach Kaschmir, freigab. Ein weiteres
Vordringen in der geplant<en Südostrichtung blieb unmöglich. Im ganzen ver-
hielten sich die Tibeter nicht allzu feindselig und es kam zu keinem ernsteren
Zwischenfall. Doch erklärte der Befehlshaber der Soldaten, er habe Auftrag«
jedes weitere Vordringen gegen Süden mit Waffengewalt zurückzuweisen;
das Lager der Expedition sowie die Pässe und Furten der Umgebung wurden
daher scharf bewacht.
Der östlichste von der Expedition erreichte Punkt war der größte
tibetische Süßwassersee, der Apo Zo oder Horpa Tschu. Endgültig aufgehalten
wurde die Expedition einige Stunden vor der Stadt Rudok, am östlichsten
Ende der Panggong- Seenkette. Von hier aus wurde dann der Marsch nach
Westen angetreten und eine Eskorte begleitete den Reisenden bis an die
Grenze des britischen Schutzgebietes. Am 1. Oktober wurde die Stadt Leh
in Ladak erreicht, wo sich die Expedition auflöste. Der Vortragende und
sein Diener kehrten durch Kaschmir und Indien und schließlich auf dem See-
wege von Bombay nach Triest in die Heimat zurück.
Landschaftliche Schönheiten bietet das innere Tibet weniger als die
Grenzgebirge, in denen sich alle Alpinengroßartigkeit entfaltet. Auf dem
Plateau selbst sind die Höhenunterschiede nicht sehr bedeutend und der höchste
— 138 —
Gipfel, den der Vorti»Kende dort maU, w&r 6850 m hoch nnd erhob sich c
läOOm über die Ebene an seinem Fall. Die dUnne Luft der Uöhfn jedot
ruft durch ihre Klarheit anii durch die dadurch bediD);ten scharfen Kontras
zwischen Licht und Schatten Karlienellekt« von wunderliarer Schiinheit hervi
und verdoppelt die Helligkeit von Hond und Sternen. Hegen f&llt weni
dagegen herrschen oft furchtbare Schneesturme und in den Nachmittagsatundi
stellen sich hänfig kurxe, aber überaus heltige llagelbUen ein.
Ausitthrlich besprach der Vortragende das zunehmende Versalzen d
tibetiBchen Seen infolge des Mangels an Abflüssen und erörterte die Verbal
nisse des Apo Zn und der Panggnngseen. die in der (iegenwart eben an d
Grenze zwischen sUH und salzig angelangt sind. Beide haben keinen Abfli
mehr, infolgedessen ist ihr Salzigwerden und das Aussterben ihrer Tierwc
nur eine Zeitfruge.
Als Zoolog widmete der Redner der Tierwelt des Landes einen längen
Abschnitt seiner Ausführungen und berichtete nach der Besprechung d
wichtigsten Gruppen der Wirbellosen und niederen Wirbeltiere über die Jaf
auf Vogelwild und besonders auf Antilopen nnd \\'ildplenle. Nachdem d
mitgefDhrten Konserven zurückgelassen werden mußten, hatten Klint« ui
BUcbse der Expedition den Fteischbedarf zn liefern : dBnel)en war Reis, d
in großen Mengen oiitgefUhrt wurde, das Hauptn ahm ngsmittel. An Nahrung
mangel litt die Expedition nie, wohl aber mußte mehrmals ohne Wass
kampiert werden. L'nter der Bergkrankheit hatte niemand zu leiden, obglei<
körperliche Arbeit In der dünnen Luft heftiges Herzklopfen und Atembeschwe
den hervorrief.
Zum Schluß erwähnte der Redner ein Zusammentreffen mit tibetischi
R&nbern, das aber sehr friedlich verlief, nnd besprach kurz das Leben d
Bevölkerung in den besiedelten Teilen der von ihm bereisten Gebiete. D
Einfluß der Priester ist allm&cbtig, sie haben bisher in erst«r Linie d
Zugänglicbkeit Tibets für Fremde verhindert oder erschwert In jöngster Zf
ist Tibet durch das englisch -russische Abkommen bis auf weiteres für al
Arten von Expeditionen verschlossen und China wird zum Anschluß an die
Absperrungstaktik genütigt.
Außer reichen zoologischen Sammlungen bracht« der Vortragende vi
seiner Reise eine Kollektion von Pflanzen und Gcst«insproben, sowie ethn
graphische Objekte nach Europa. Die gesamte Marschroute in Tibet wur
im Maßstab 1 : TUXX) aufgenommen und Über Temperatur, Seebähen- ui
meteorologische Verhältnisse ständig Journal geführt.
Mittwoch, den 8. Januar 1908.
Herr Professor Dr. Siegmun'l iJünther->[iinclien: Ai
den FeUeDgebirgen von Nordamerika. (Lichtbilder.)
Der Vortragende berichtete über die Iteize und wissenschaftlich'
Anregungen, welche eine Bereiaun^ der sich tief in die Republik Mexl
hineinziehenden Steppen- nnd Wüsten! an dscbaft des .^Udu'estens der Vi
einigten Staaten (Texas, Neumexiko, Arizona, Südost- Kalifornien) in reicht
Maße darbietet. Die beiden quer hin durchführenden Bahnlinien (Southe
— 139 —
Pacific Railroad. Arkansas-Topeca-Railway^ geben dem Reisenden, da die
Züge sich durchschnittlich nur langsam fortbewegen, eine sehr gute Gelegen-
heit, auch Einzelheiten des Landschaftsbildes sich einzuprägen. Geschildert
wurden im besonderen die häutig auftretenden Staubhosen, das eigenartige
Phänomen des ^mirage'' (Fata morganai, die regelmäßig gebauten, oft einen
gewaltigen Flächenraum überdeckenden Bauten der „Landbau treibenden
Ameise*' (farmer anti, der oft plr)tzliche Wechsel zwischen Lößflächen mit
tief eingeschnittenen Regenrinnen und die charakteristische Pflanzen- und
Tierwelt dieser Gegenden, welch letztere manche Eigentümlichkeit enthält, so
die einzige giftige Eidechsenart der Erde (Gila-monster. heloderma suspectum).
Einer eingehenderen Besprechung mußte der erst seit wenigen Jahren ent-
standene und jetzt schon bis zur doppelten Größe des Bodensees angewachsene
Salton Lake des Coahuilla- Tales unterzogen werden, der einer falschen
Spekulation der Ansiedler seinen Ursprung verdankt, welche, um eine bessere
Berieselung der dortigen tiefen Depression herbeizuführen, den Colorado-River
anzapften und nun sehen mußten, wie der Strom die künstliche Rinne der-
gestalt erweiterte und vertiefte, daß nur noch geringe Massermengen den
normalen Weg zum Kalifornischen Meerbusen zu flnden vermögen. Schließlich
widmete der Redner noch eine besondere Erörterung dem „Großen Colorado-
Cafion'^, dessen pittoresken Anblick er beschrieb und dessen Bildungsgeschichte
er nach Powell und Dutton skizzierte. Der Vortrag schloß mit einer Kenn-
zeichnung der südlichen Rocky Mountains, vorab des Pikes Peak, und mit
einem Exkurse auf die nirgendwo übertroffenen großartigen Erosionsgebilde
(„Göttergarten" u.s. w.), welche dem Ostfuße des Felsengebirges an mehreren
Stellen vorgelagert sind.
Mittwoch, den 15. Januar 1908.
Herr Scbulrat Dr. Salzmann-Stuttgart: Karthago
einst und jetzt. (Lichtbilder und Ausstellung von Photo-
graphien.)
Der Redner führte seine Zuhörer in das Dorf Sidi-bu-Said, das auf
dem äußersten Vorsprung der Halbinsel Karthago liegt und eine Übersicht
über das ganze wellenförmige Gelände gewährt, auf dem einst die größte
Handelsstadt der alten Welt, die Rivalin Roms, thronte. Von hier aus konnte
der mutmaßliche Lageplan der alten punischen Stadt, die vollständig vom
Erdboden verschwunden ist, klargelegt werden, wie sie sich um den Barg-
hügel der Byrsa einst gruppiert hat. Die Herrlichkeit der Lage braucht
den Vergleich mit der von Konstantinopel nicht zu scheuen ; von drei Seiten
vom Meer umschlossen, gegen Süden durch den See Bahira und im Norden
durch einzelne, jetzt zusammengeschrumpfte Salzseen vom Festland bis auf
wenige Kilometer abgetrennt, schien sie beinahe uneinnehmbar. Nach an-
schaulicher Schilderung des Schauplatzes ging der Vortragende näher auf
die Sage von der Gründung der Stadt ein und ließ sodann auf dem öden
Gefilde vor dem geistigen Auge der Zuhörer das alt^e punische Karthago in
seiner Pracht und Herrlichkeit wieder auferstehen, um daran in erzählender
— 140 —
Form den letzten Akt dieser weltgeschichtlichen Tragödie, die Eroberung
der beiden Häfen, die Erstürmung der ßyrsa durch Scipio und den voll-
ständigen Untergang der Weltstadt ausführlicher darzustellen. Die Geschichte
des römischen, christlichen und arabischen Karthagos lag außerhalb des
Rahmens des Vortrags.
Die Überreste der punischen Stadt muß man unter dem Erdboden
suchen ; was von Trümmergestein auf dem öden Gefilde vorhanden ist. stammt
aus römischer Zeit. Auf der Byrsa erhebt sich jetzt die imposante, im
maurischen Stil gehaltene Kathedrale des Kardinals Lavigerie. an die sich
das Seminar der ^Fr^res Blancs". das archäologische Museum und der
stimmungsvolle Garten mit der Kapelle des Heiligen Ludwig anschließen.
Die große Bedeutung des eigenartigen Museums wurde von dem Redner
gebührend hervorgehoben. Et führte die Zuhörer noch zu einigen aus
punischer Zeit stammenden Zistemengewölben. auf denen das Dörfchen
Malka erbaut ist. ließ sie einer Ausgrabung von punischen Gräbern am Fuß
der Byrsa beiwohnen, wobei die fälschliche Behauptung zurückgewiesen wurde,
daß die Nekropole des punischen Karthagos auf dem Berg Kaoui im Norden
der Halbinsel angelegt gewesen sei fdie dortigen Grabhügel sind jüdischen
Ursprungs), und zeigte noch zum Schluß die versandeten Reste des ehemaligen
Handels- und Kriegshafens, die, obwohl sie nur noch einige Tümpel vorstellen,
doch die Form und Ausdehnung der beiden Häfen gut erkennen lassen. Die
Ausführungen des Redners stützten sich auf die wenigen Quellen griechischer
Schriftsteller, wie Polybius und Appian. auf Meltzer. Geschichte der Kar-
thager, und auf die neuesten französischen Forschungen, besonders die des
verdienstvollen Abb6 De Lattre.
Mittwoch, den 22. Januar 1908.
Herr Dr. Paul Sarasin-Basel : Unsere letzte Forschungs-
reise uaeh Ceylon ond die Steinzeit der Weddas. (riicIitbiUIer.)
Die Reise, welche der Vortragende und sein Vetter Dr. Fritz Sarasin
zusammen während des ersten Halbjahres 1907 nach Ceylon unternommen
hatten, war von einem speziellen wissenschaftlichen Gesichtspunkte aus ge-
leitet. In den Wäldern und Felsgebirgen des (östlichen Niederlandes der
Insel lebt der letzte, äußerst spärliche Rest einer uralten Bevölkerung auf
niedrigster Kulturstufe, die sogenannten Weddas. welche von den beiden
Forschem schon früher (1884— 188()) nach Körperbau und Sitten eingehend
studiert und in einem Werke *) dargestellt worden sind. Der Umstand jedoch,
daß sie keine eigene Sprache mehr reden, sondeni die des Kultunolkes von
Ceylon, der Singhalesen, übernommen haben, ließ zumal bei Sprachforschem
inuner wieder den Zweifel laut werden, es könnte sich bei diesen Weddas
um „verwilderte^ oder .verkommene'' Singhalesen handeln. Es erschien deshalb
*) Sarasin P. und Sarasin F. : Ergebnisse naturwissenschaftl. Forschungen
auf Ceylon in den Jahren 1884—86. 1. 1— H: II, 1—4 und III. Wiesbaden,
C. W. Kreidel, 1887—1893.
— 141 —
geboten, um ihre Autochthonie auf Ceylon zn erweisen, Nachforschungen in
den von ihnen noch jetzt gelegentlich bewohnten Höhlen anzustellen mit
der Frage, ob in denselben die kulturelle Hinterlassenschaft ihrer Vorfahren,
die in der Hauptsache aus Steinwerkzeugen bestanden haben mußte, zu ent-
decken wäre. Diesen Nachweis zu führen gelang einwandfrei. Da man von
der Einwanderung eines indischen Kulturvolkes, der Vorfahren der jetzigen
Singhalesen, nach Ceylon, als einer verhältnismäßig späten geschichtlichen
Kunde hat, so konnten die gefundenen Steinwerkzeuge nur von den, übrigens
ebenfalls geschichtlich beglaubigten l^rbewohnem der Insel stammen, und
diese konnten keine anderen gewesen sein, als die Frweddas. die Vorfahren
der noch jetzt lebenden Weddas.
Die Reise führte von Kolombo aus über Kandry mit der Eisenbahn
zunächst nach dem reizlosen ßandarawela. Von hier ging es in anstrengenden
Fußmärschen durch wildes, heißes und stellenweise wasserloses Land in die
östliche Tiefebene hinein, in der man zahlreiches Wild wie Hirsche, Büffel,
Elefanten und Leoparden antraf. An einer wasserhaltigen Höhle nahe dem
Dorfe Kattragam nahm die Expedition einen sechstägigen Aufenthalt, um
Grabungen anzustellen, die aber als Resultat nur Topf Scherben und Back-
steintrümmer, die vermutlich von singhalesischen und tamilischen Pilgern
herrührten, ergaben'; in größerer Tiefe tauchten Quai-zsplitter mit Spuren von
Bearbeitung auf, aber Steinwerkzeuge .fanden sich nicht. In beschwerlichem
Marsche setzten die Reisenden ihren Weg nach Norden fort zu dem Dörfchen
Nilgala, dem Zentrum des Weddalandes, und hier gelang es. in einer Höhle
einen halben Meter unter der Erdoberfläche die ersehnten Beweise für die
Steinzeit der Weddas zu finden: Späne, Spitzen und Messerchen aus ver-
schiedenfarbigen Quarzstücken, die zu ihrer Herstellung dienenden runden
Klopfhämmerchen, ferner Werkzeuge aus Knochen und Hirschhomstücken.
Sämtliche Funde gehörten der ältesten Steinzeit, dem Paläolithicum an,
ebenso wie diejenigen, welche später bei Bandarawela, ja sogar noch bei
Kandry angetroffen wurden und außerdem den Beweis erbrachten, daß die
Weddas früher weite Gebiete bewohnt haben müssen. Von Nilgala nahm
die Expedition ihren Weitermarsch nach dem fast undurchdringlichen, bisher
noch von keinem Europäer betretenen Danilagebirge, wo auf einer schwer
zugänglichen Bergkuppe einer Weddafamilie ein kurzer, aber ungemein
lohnender Besuch abgestattet wurde. Von dort aus wurde die Rückreise
nach Bandarawela angetreten.
Mittwoch, den 29. Januar 1908.
Herr Oberst z. D. August Boshart auf Schloß Wasser-
burg am Boden see : Das Kongobecken und seine Beyölkerung.
(Lichtbilder.)
Der Redner, der durch siebzehnjährigen Aufenthalt am Kongo auf
Forschungsreisen und als Expeditionsführer als einer der besten Kenner von
Land und Leuten gelten darf, gab einleitend einen n)erblick über die
historische Entwicklung des Kongostaates, besprach die verschiedenen wissen-
schaftlichen Forschungsreisen im Gebiet des Kongo, wobei er besonders die
— 142 —
epochemachende Expedition Stanleys hervorhob and ging sodann des Näheren
ein auf die 1884,86 auf der Kongokonferenz za Berlin erfolgte Gründung
des Kongostaates, eines Gebietes von rund 2 4000(K) qm mit 40 Millionen
Seelen anter der Souveränität des Königs der Belgier. Er schilderte sodann
in aasführlicher Darstellung die geographische Beschaffenheit des Landes
und die hydrographischen Verhältnisse des Riesenstromes, dessen Lauflänge
4B40 km beträgt, während die Quelle von der Mündung in der Luftlinie
nur 1750 km entfernt ist. Die schiffbaren Wasserstraßen berechnen sich
dort jetzt auf 16000 km; bei Stanleys Fortgang waren es :-)000 km.
Der Kongo zeigt in seinem Ober- und Mittellauf den gleichen Charakter
eines langsam fließenden, von zahlreichen Inseln bedeckten typischen Flusses
der Ebene. Seine Breite steigt von 760 m bis auf 4 km nahe der Mündung
des Aruwimi und an der Mündung des Itimbiri, wo ein Gewirr von einzelnen
Armen langgestreckte Inseln umschließt, gar auf über HO km. Auf der ganzen
Strecke von Itimbiri bis Lukolela beträgt sie im Durchschnitt 6 bis 9 km.
Dann aber tritt der Kongo in eine Art von Engpaß ein, wird bis auf 400 m
zusammengeschnürt und stürzt bei einer Tiefe von 40 m mit 13*;« Sekunden-
meter Geschwindigkeit dahin. Nach Passierung der Kwa-Mündung erreicht
er bald seinen tiefsten Stand in der zentralen Flachbeckensenke, eine in
280 m Höhe gelegene seeartige Erweiterung mit zahlreichen Inseln, den
Stanley-Pool. Im Unterlauf ändert der Kongo seinen Charakter völlig. Er
ist nicht mehr das herrliche Gewässer, dessen mystische Schönheit und Er-
habenheit, dessen ruhiges, auf einer Bahn von fast 1600 km ununterbrochenes
Fluten uns trotz der wilden Szenen, welche die Natur und die Menschen
an seinen Gestaden bieten, immer bezaubert hat, er ist jetzt zu einem
wütenden Flusse, einem riesigen Torrenten geworden, welcher in einem
abschüssigen Bette rauschend hinabstürzt: Riffe versperren ihm den Weg
und hervorragende Bergwälle, Reihen von ungeheuren Steinmauern, so daß
er sich in vielgekrümmtem Laufe bald durch tiefe Schlünde winden muß,
bald wieder über gewaltige Terrassen in einer langen Reihe hoher oder
niedriger Wasserfälle und Stromschnellen dahin stürmt. Unterhalb Nocki
beginnt der kurze, schiffbare Unterlauf des Kongo im flachen Lande unter
beständiger Verbreiterung des Flusses und starker Inselbildung. Bei Banana
mündet er in drei durch zwei langgestreckte Inselreihen getrennten Armen
in den Atlantischen Ozean und scheint dort ein unterseeisches Delta zu
bilden, dessen Schlammassen auf dem Meeresboden und im Meerwasser bis
zu 600 km Entfernung von der Küste zu bemerken sind.
Die Bevölkerung des Kongobeckens bilden die zentralen Stämme der
ßantu, die über das ganze Gebiet verbreitet sind, und die zurückgedrängte
Rasse der kleinen Batua, Akka und anderer Jägerstämme. Die Eifersüchte-
leien der verschiedenen Negerstämme untereinander sowie die fortwährenden
Thronstreitigkeiten ihrer Häuptlinge lassen keine größeren Staatengebilde von
auch nur einiger politischen Bedeutung aufkommen, und so sehen wir in
dem weiten Negergebiet^» des Kongobeckens nur wenige festgefügtere Reiche
im südlichen Teile desselben, während der ganze Rest in zahllose kleine
Gemeinwesen zersplittert ist, die unter Häuptlingen stehen, die wenig oder
gar keine Macht besitzen. Der ganze Osten des Kongobeckens untersteht
— 143 —
dem Einfluß der Araber. Nyangwe am Lnalaba ist eine ihrer Hauptstützen,
von denen ans die arabischen Händler das Land unterjochen. Es ist nicht
zu verkennen, daß die Araber, wohin sie auch kommen, gewisse kulturelle
Verbesserungen bringen, die aber rein egoistisch und so rücksichtslos be-
trieben werden, daß sie doch zu keinem Segen für die Eingebomen führen.
Mit dem arabischen Element müssen aber auch Vergewaltigung der Ein-
geborenen und Sklavenjagden in den Kauf genommen werden. Fehden sind
allgemein. Blutrache herrscht überall ; als einzige neutrale Punkte im Lande
gelten einige Märkte, die von den umwohnenden Stämmen besucht werden.
Rohe und gesittetere Völker wohnen bunt durcheinander, so daß fast zwei
große ineinandergeschobene Gruppen von Stämmen vermutet werden können.
Die wilden Manjemas sind einer der rohesten und blutgierigsten Stämme;
sie besonders liefern den Arabern das erwünschte Soldatenmaterial für die
Sklavenjagden und sind sowohl dadurch als auch durch ihren Kannibalismus
äußerst gefürchtet. Weiter stromabwärts wohnen die Warrega, die ebenso
wie die weiter nördlich wohnenden Stämme wegen ihres Kannibalismus im
schlimmsten Rufe stehen. Am gefurchtesten von allen sind die Mangbatten
wegen ihrer unersättlichen Gier nach Menschen fleisch, die nichts verschont.
Auch die Stämme des mittleren und unteren Kongo sind noch mehr zer-
splittert. Zwischen dem Ubangi und Kongo sitzen die Bangala; gegenüber
Kwa-Mouth und um den Pool die Bat<»ke ; unterhalb dem Stanley-Pool wohnen
die Babwende, Basundi, Bakamba ; an der Mündung die Bakongo, Moussorongo
und Mouschicongo. Der im Westen häufiger vorhandenen, größeren Gesittung
folgen nach Osten hin die nnvüchsigen, roheren Gebräuche der im Innern
sitzenden Stämme. Selbstverstümmelung, Menschenfresserei sind Merkmale
der An- und Umwohner des oberen und mittleren Kongos. Äußerlich leben
dieselben im Wohlstand. Große Dörfer mit rechteckigen Häusern und Hallen,
riesigen Getreidespeichern, regelmäßigen Dorfstraßen und sehr großer Dich-
tigkeit der Bevölkerung erfüllen das ganze Kongobecken von Manjema bis
zum Pool. Die Kongoanwohner sind ausgezeichnete Schiffer und Fischer,
aber ihre materielle Grundlage liegt im Ackerbau, (überall treten die Grund-
lagen der Kultur, Ackerbau und Handel, hervor, die auch ihren äußeren
Ausdruck in der Sucht des Negers nach Putz findet.
Die Bodenschätze des Kongogebiet^s sind unermeßlich. Die riesigen
Urwälder bergen große Reichtümer an Holz und Kautschuk. Eisen findet
sich massenhaft, dazu kommen Gold. Silber, Piatina und Quecksilber; der
Wert der Kupferminen allein wird auf 3 Milliarden Francs geschätzt. An
dem Ausbau von. Verkehrsstraßen wird daher eifrig gearbeitet. Den oberen
Kongo befahren heute 54 Kegieningsdnmpfer, 27 Dampfer, die den Handels-
gesellschaften, und H. die den Missionsstationen gehören. Der Bahnbau ist
bereits soweit vorgeschritten, daß mit einer planmäßigen Ausbeutung der
reichen Bodenschätze; begonnen werden kann. Pinglische, französische und
amerikanische Handelsgesellschaften machen durch Bergwerksbetriebe und
Bahnkonzessirmcn Anspruch darauf ; es wäre zu wünschen, daß auch Deutsch-
land bei weiterer Verteilung von Konzessicmon Berücksichtigung fände, zumal
deutsche P'orscher zur Erschließung und Kenntnis des Kongogebietes am
meisten beigetragen haben.
— 144 —
Mittwoch, den 5. Februar 1908.
Herr Geh. Regierungsrat Prof. Ür. Theobald Fischer-
Marburg: Die Häfen Ton Marokko. (Lichtbilder.)
Von den beiden wichtigsten geographischen Grundzügen Marokkos,
seiner Verschlossenheit und seiner überaus wichtigen Weltlage, ist die letztere
erst in der neuesten Zeit so scharf hervorgetreten, seit das Mittelmeer nicht
nur mit allen seinen Gestadeländem wieder aufzuleben begonnen hat. ja zum
wichtigsten Durchgangsmeere des Weltverkehrs geworden ist und Marokko
somit an der Beherrschung des Eingangstores in diese Welt teilzunehmen
vermag. Für die Welt des Islam war und ist es noch heute weltentlegen,
Moghreb el asca, der äußerste Westen. Die Verschlossenheit dagegen ist
eine doppelte, vom Meere aus, wegen der Ilafenlosigkeit seiner Küsten und
vom Innern, wegen der Unzugänglichkcit der (Gebirgslandschaften. Was die
Hafenlosigkeit anlangt, ist sie erst in der Neuzeit mit dem gewachsenen
Tiefgange der Schiffe so verhängnisvoll hervorgetreten, denn den Fahrzeugen
früherer Zeiten, namentlich den bis in den Beginn des U). Jahrhunderts so
gefürchteten, ja noch heute an der Riffküste nicht völlig ausgestorbenen
Piraten, genügten die kleinen Bucht- und Flußmündungshäfen. Ist Marokko
auch befähigt an der Beherrschung des Eingangs ins Mittelmeer und am
Handel auf dem ^üttelmeer teilzunehmen: sein Gesicht kehrt es dem Ozean
XU. Und dieses Gesicht hat viele Augen, die freilich heute alle einer Operation
bedürfen, die aber unschwer auszuführen ist und dann den Beherrscher dieses
Landes in die Lage versetzt, auch die Wege nach Westafrika, nach Mittel-
und Südamerika zu beherrschen.
Die Mittel meerküste Marokkos bis Ceuta ist eine Längsbruch küste,
nahezu 400 km lang, wozu dann noch das 70 km lange Stück Querbruch-
küste bis zum Kap Spartel kommt. Dieser Längsbnichküste, fast durchaus
üochküste. fehlt es nicht an Gliederung, Bucht reiht sich an Bucht, ja ein
keines Endland, der Horst, welcher in Kap Tres Forcas endigt und an dessen
Ostseite Melilla liegt, gliedert sie noch mehr. Aber diese Buchten sind alle
schutzlose Brandungsbuchten; die kleinen, vorgelagerten felsigen Inseln, von
denen die Spanier zwei, Alhucemas und Velez de la Gomera. besetzt haben,
sind Abgliederungsinseln. nur die östliche Gruppe, die auch spanischen Zaffa-
rinas, sind vulkanischen Ursprungs und bieten Raum für einen eben in
Ausbau genommenen Hafen, den besten westlich von Biserta. Für kleine
Schiffe fehlt es nicht an Schlupfwinkeln, Bauholz bietet das Gebirge, und die
vor der Küste liegende Welthandelsstraße lockte. So ist diese Riffküste der Sitz
gefährlicher Seeräuber geworden. Aber kein Punkt, weder in römischer,
noch in arabischer Zeit hat als Sitz friedlichen Handels Bedeutung erlangt,
vor allem, weil die nur in einem mittleren Abstände von 100 km in Inneren
verlaufende Tiefenlinie Tlemcen-Udschda-Taza-F'ez den Verkehr ablenkt.
An der etwas günstiger gestalteten Querbruchküste an der Meerenge
hat im Mittelalter bis zur Eroberung durch die Portugiesen il41oi Ceuta
als Emporium der Meerenge eine große Rolle gespielt, wie Tanger heute und
als Eingangstor von Marokko von Europa aus eine solche spielt. Es besitzt
wohl die beste Reede von Marokko, aber erst der Hafenbau, welchen hoffent-
— 146 —
lieh demnächst die Frankfurter Weltfirma Philipp Holannann wird ausführen
können, wird ihm die Gunst der Lage voll auszubeuten erlauben.
Die etwa 1000 km lange Querküste ist zunächst bis Larasch, wo die-
selbe deutsche Firma den Flußmündunghafen des Lukkos ausbauen wird,
eine Längsküste an der Außenseite des Itiffgebirges, dann bis zum Fluß-
mündungshafen von Rabat-Slä eine Hafif- und Dünenküste, welche die große
verlandete Tertiärbucht des Sebu abschließt, von da an eine Rumpf-, vom
Kap Kantin an eine Tafelschollenküste bis südlich von Mogador, wo an
deren Stelle die auch wenig gegliederte Querbruchküste tritt, in welche hier
der hohe Atlas endigt. Dieser ganzen Küste fehlt es an Gliederung, selbst
kleine Buchten und Inseln fehlen bis auf die eine bei Mogador, die als der
abgeschnittene Kopf eines Hakens anzusehen ist. Nirgends bietet sich
Schutz, das Ansegeln ist erschwert durch Mangel an Landmarken, Nebel
sind, besonders im Sommer, sehr häufig, ununterbrochen ruft Dünung schwere
Brandung an der Küste hervor, die mit einer felsigen Abrasionsterrasse,
welche der Vortragende durch mehrere Bilder veranschaulichte, wie gepanzert
erscheint. Wenn dennoch eine ganze Anzahl ansehnlicher Küstenstädte,
z. T. schon seit phönizischer Zeit zur Entwicklung gekommen ist, so beruht
das auf der Fülle der Erzeugnisse des Hinterlandes, des Atlasvorlandes, und
vor allem der ca. 700 km langen, im Mittel etwa 50 bis 60 km breiten
unteren Stufe desselben, welche von fruchtbarster Schwarzerde bedeckt, die
reichsten Ernten hervorbringt. Diese Küstenplätze sind entweder an Fluß-
mündungen gebunden: Larasch an die des Lukkos, Mehcdyia an die des
Sebu, Rahat-Slä an die des Bu Regreg, Azemur an die der Morbeya. Aber
alle diese Flußmündungen sind durch Barren gesperrt. Oder es sind Bucht-
bäfen: Casablanca, Mazagon, Saffi, Mogador, Agadir. Letzterer galt bisher
als der beste, obwohl er wie auch Azemur und Mehedyia dem Fremdhandel
geschlossen war. Die neue Küstenaufnahme der Franzosen läßt es in weniger
günstigem Lichte erscheinen. Auch die durch Abgliederung der Insel ge-
bildete Bucht von Mogador bietet keinen Schutz. Casablancas Bedeutung
beruht neben dem besonders fruchtbaren Ilinterlande darauf, daß dort die
Brandungswoge in der Abrasionsterrassc eine kleine Bucht ausgewaschen
bat, die Leichterfahrzeugen auch bei Ebbe an das Land heranzukommen
srlaubt. Aber alle diese Küstenplätze können ohne große Kosten zu sicheren
Bäfen ausgebaut werden, die Marokko dann außerordentliche Bedeutung ver-
leihen werden.
(Der Vortrag ist in erweiteter Fassung im Druck erschienen in :
Meereskunde. Sammlung volkstümlicher Vorträge zum Verständnis der
nationalen Bedeutung von Meer- und Seewesen. 2. Jahrgang, 1. Heft. Berlin,
Ernst Siegfried Mittler und Sohn, 1908.)
Mittwoch, den 12. Februar 1908.
Herr Dr. Hugo Grothe-Münciien: Wanderangen im
sfldwestlichen und nordwestlichen Persien. (Lichtbilder.)
Es gelang dem Vortragenden, von Bagdad über Mendeli in das noch
wenig bekannte, so gut wie unabhängige Fürstentum Puschtikuh, dem
10
— 146 —
Wohnsitz der gefürchteten kriegerischen Feililnren, einzudringen. Der
Reisende, der den gegenwärtigen, einem alten Lehnsfürsten geschlecht ent-
stammenden Herrscher dieses (Gebietes bei seiner Pilgerfahrt nach Kerbela
and Nedjef kennen lernte and ihm durch seinen Schwiegersohn Salar ed
Daaleh, den darch den larischen Aufstand bekannt gewordenen zweiten
Sohn des verstorbenen Schahs von Persien, empfohlen worden war, vermochte
als erster Europäer auf eine freilich nicht recht ernstgemeinte Einladung
längeren Aufenthalt in Puschtikuh zu nehmen. Frühere Versuche, in das
von der mesopotamischen Seite durch Steppen und nackte, schwer über-
schreitbare Bergketten abgeschlossene Land zu gelangen, schlugen meist
fehl. Zwei englische Offiziere, Grant und Fotheringham, wurden 1810 von
den Luren bei ihrem Vordringen von Chorramabad aus getötet ; vor wenigen
Jahren noch wäre dem englischen Militärattache Douglas in derselben Gegend
beinahe dasselbe Schicksal geworden. Ein schweizerischer Kaufmann, namens
Wartmann, der von Bagdad aus, den Puschtikuh aufgesucht hatte, verschwand
auf seiner Rückreise. Der Reisende muß sich die Erlaubnis zur Durch-
querung des Gebiets von den einzelnen Stammeshäuptlingen durch reiche
Geschenke, in erster Linie moderne Waffen, erkaufen. Die Steppe ist monoton
und wasserarm, im Mai schon herrscht eine Hitze bis zu 35*' C, doch kann
das Land in der Nähe des Gebirges durch Bewässerung sofort fruchtbar
gemacht werden. Ein Grieche hat durch Zuleitung von Wasser aus dem
Tigris in 35 km langen Kanälen eine Oase geschaffen, die ungemein reiche
Ernten an Reis, Gerste, Baumwolle und Weizen bringt und in 20 Jahren
üppige Palmenhaine heranwachsen sah.
Die Vorberge des Puschtikuh sind waldarm, doch sind zahlreiche
Wasserbecken vorhanden, an denen die Luren ihre Rinderherden tränken
können. In bedeutenderen Höhen gibt es herrliche Wälder von Eichen,
wilden Mandeln und Terebinthen. Der Vortragende konnte, durch Soldaten
des Wali geleitet, das eigenartige Ländchen, das die Größe eines mittleren
thüringischen Fürstentums hat, nach allen Richtungen hin durchstreifen, den
Lauf der zu parallelen Felsen aufgestauten Gebirgszüge bei mehrfacher
Überschreitung der hochgelegenen Pässe studieren und die Lebensweise der
in fruchtbaren Längstälem, wie auf weidereichen Hochalpen lebenden eigen-
artigen lurischen Nomadenbevölkerung eingehender beobachten. Zwei der
höchsten Erhebungen des Puschtikuh, der Manischot und der Walentär,
wurden bei ihrer Besteigung auf 2800 m bestimmt. Die Rassenzugehörigkeit
der Luren ist noch nicht festgestellt; sie sind jedenfalls verwandt mit den
Kurden, doch scheint der semitische Einschlag stärker als der arische. Die
infolge der großen Unwegsamkeit des Gebietes an sich nicht leichte Reise
wurde dadurch noch schwieriger, daß an beiden Seiten ernste Unruhen aus-
gebrochen waren, und die türkische wie die persische Regierung dem Reise-
plan nicht sonderlich günstig gegenüberstanden. Die Regierungskunst der
persischen Behörden besteht in den kurdischen Bezirken lediglich darin, die
einzelnen Stämme gegeneinander auszuspielen und sie zur Bekriegung der
aufständischen Stämme zu ermächtigen, eine Aufforderung, der in der Hoff-
nung auf Beute stets mit Freuden Folge geleistet wird. Der Puschtikuh
ist bevölkerter als man bisher annahm. Die hier ansässigen, militärisch
— 147 —
organisierten Stämme dürften insgesamt 30000 Zelte zählen. Der Wali
verfügt über 5000 mit Martinigewehren bewaffnete Reiter and 6000 bis
8000 Flintenträger zu Fuß.
Dem Besache des Paschtiknh schloß sich die Dnrchqnening des Ge-
bietes der Kialschnrluren an^ des mächtigen Stammes im nordwestlichen
Lnristan (etwa 15000 Zelte). Ihr Oberhaupt Daud Chan gewährte dem
Reisenden in seinem Sommerlager am Fuße des gegen 2800 m hohen Ket-
schelknh (Kahlkopf) freandliche Aufnahme. Kermanschah, die Hauptstadt
der gleichnamigen Provinz, bezeichnet der Reisende infolge ihrer günstigen
verkehrsgeographischen Lage als durchaus im Aufblühen begriffen. In der
Nähe der Stadt befinden sich hervorragende bauliche Reste der Sassaniden-
kultur. Bedeutender Ackerbau wird hier getrieben, der Boden trägt fast
hundertfältige Frucht, deren Preis darum vielfach niedriger ist als in Teheran.
Es würde sich wohl verlohnen, alle diese Gebiete durch eine Eisenbahn der
Ausfuhr zu erschließen. Die während des letzten Krieges und der Revolution
sich einstellende Erlahmung der russischen Einfuhr hat die Stellung Kerman-
schahs als Umschlagsplatz des Imports von Bagdad her bedeutend gehoben.
Die Aus- und Einfuhr, fast ausschließlich über Bagdad, beträgt jährlich
55 bis 65 Millionen Kran (1 Kran -» 40 Pf.). Ein europäisches Handelshaus
besteht noch nicht am Platze. Es wäre erwünscht, daß eine deutsche Firma
sich hier niederließe.
Von Kermanschah begab sich der Reisende an dem klassischen Bisutum
mit seiner großen, in drei Sprachen — altpersisch — susisch und assyrisch
abgefaßten Felseninschrift des Darius Hystaspis vorbei, auf der großen Kara-
wanenstraße nach Hamadan, dem alten Ecbatana, der Sommerresidenz der
persischen Könige, wo neue Acbämenideninschriften gefunden wurden. Die
Straße durchzieht große, längliche, durch parallele Gebirgszüge geformte
Becken. Sie ist im wesentlichen also leicht zu begehen, und nur die Über-
schreitung der die einzelnen Becken trennenden Gebirgsrücken macht einige
Schwierigkeiten. Ehe man Hamadan erreicht, baut sich der massive, vulka-
nische Zug des Elwendgebirges auf. Ein westlicher und ein östlicher Paß
führen darüber nach Hamadan, einem viel bedeutenderen wirtschaftlichen
Mittelpunkt für das nordwestliche, südwestliche und zentrale Persien, als
bisher bekannt ist. Die Stadt liegt am Fuße des El wen d in einer fruchtbaren
und wasserreichen Gegend, in der der Getreidebau gleichfalls außerordentlich
entwickelt ist und gilt mit ihrem Baum- und Gartenreichtum ringsum ent-
schieden als der anmutigste Plaz des mittleren Persiens. Erfrischende Winde
machen selbst in den heißesten Monaten, Juli und August, den Aufenthalt
durchaus erträglich. Die Wichtigkeit Hamadans ist von den Russen längst
erkannt worden. Sie bauten eine Straße von Norden, von Kaswin her, so
daß im Anschluß an die von ihnen angelegte Chaussee Enseli-Rescht-Kaswin-
Teheran der Eingang russischer Waren über das Kaspische Meer nach
Hamadan sehr erleichtert ist. Die in Hamadan bestehende russische Bank
bemüht sich in jeder Weise, dem russischen Einfluß nach der politischen
wie der wirtschaftlichen Seite hin eine Unterlage zu schaffen.
Von hier aus bestieg der Vortragende eine der höchsten der zahlreichen
Kuppen des Elwendgebirges, deren Höhe er auf 3750 m feststellte. Die
10*
— 148 —
höchste Erhebung des Elwend wird wenig unter 4000 m sein. In starkem
Qegensatz za der Anmut der Naturumgebung Hamadans steht der fanatische,
fast düstere Charakter der Bevölkerung. Niemals hört der Reisende an den
warmen Sommerabenden Gesang oder Spiel wie in den kleinen kurdischen
Städten, wohl aber häufig die monotonen Rezitationen aus der Leidens-
geschichte Alis und seiner Söhne Hussein und Hossan. Da Europäer äußerst
selten Hamadan berühren und bis heute kein Konsulat einer europäischen
Macht sich in der Stadt befindet, das bei ernsteren Vorfällen bei der Be-
YÖlkerung Achtung vor den Angehörigen europäischer Nationen hätte er-
zwingen können, so hat der Fremde hier nicht auf freundliche Aufnahme zu
rechnen. Von Hamadan wandte sich der Reisende über den östlichen El-
wendpaß nach der Landschaft Malayier und dem nördlichen Luristan mit
seinen Hauptplätzen Nehawend, bekannt durch die Schlacht, die einem unab-
hängigen persischen Reiche ein Ende machte und Persien dem Islam unter-
warf, und dem gewerblich nicht unbedeutenden Burudjird. Um die Sicherheit
in diesen Gegenden ist es für den Reisenden recht schlecht bestellt infolge
der erst kürzlich ausgefochtcnen Kämpfe aufrührerischer Luren mit der dem
Schah getreuen Bevölkerung. Die Landschaft von Malayier ist ein nicht
unfruchtbares und ziemlich gut bevölkertes Becken, das sich von Nordwesten
nach Südosten erstreckt. Über ihr ragen gegen Süden die zu Ende des Monats
August schon mit Neuschnee bedeckten weißen Linien der lurischen Alpen
hervor. Am Südostende dieses Beckens, in einer Bodensenke, die Spuren
eines in früheren geologischen Perioden vorhandenen Sees aufweist, befindet
sich Burudjird, die Sommerresidenz der Statthalter von Luristan. Auch hier
hatte der Reisende unter dem Fanatismus der Bevölkerung zu leiden. Es
mag sein, daß gegenwärtig infolge der inneren Kämpfe zwischen Schah und
Verfassung und der im Innern ständig umlaufenden Gerüchte über ein Ein-
greifen der Russen und Engländer in die Geschicke Persiens der Fremden-
baß sich gesteigert hat.
Von Burudjird zog der Vortragende über eine Reihe parallel von Nord-
westen nach Südosten streichender minder hoher Ketten nach Suitanabad,
wo die Teppichknüpferei in hoher Blüte steht. Hunderte von Dörfern im
Bezirk von Ferhana widmen sich diesem Industriezweig. Die Muster und
Knüpfart der Teppiche von Ferhana sind in Persien und im Auslande wohl ge-
schätzt. Es sind durchweg Frauen und Mädchen, welche die Teppiche
knüpfen ; zu fünf und sechs sitzen sie beieinander, die geschicktesten mit der
Fertigung des Hauptmusters beschäftigt in der Mitte, die jüngeren knüpfen
an den Seiten den einfacher gehaltenen Rand. Die Typen der Bevölkerung
der Provinz von Hamadan und Suitanabad weisen durchaus auf eine Mischung
von kurdischen, mongolischen und persischen Elementen liin. Man findet
sowohl in der Umgebung von Hamadan wie von Suitanabad manche Dörfer,
in denen türkisch gesprochen wird. Im Bezirk von Suitanabad gibt es auch
einige von Armeniern bewohnte Flecken, deren Bevölkerung aus der großen
armenischen Niederlassung Djulfa bei Ispahan ausgewandert ist.
Von Suitanabad nahm der Vortragende seinen Weg über das durch
seine schiitischen Heiligtümer berühmte Qüm nach Teheran. Hier hielt er
sich längere Zeit auf, um näheres über die Stimmung und die Kräfte zu
— 149 —
erfahren, die bei der jüngsten inneren Entwicklung Persiens am Werke sind.
Er hält bei der Tüchtigkeit und Lauterkeit, die einer Anzahl der Parlaments-
mitglieder innewohnt, eine Reorganisierung der inneren Verhältnisse Persiens
für möglich, vorausgesetzt, daß die Perser die Energie besitzen, zielbewußt
auf dem einmal eingeschlagenen Wege fortzuschreiten. Es handelt sich
diesmal weniger um eine demokratische, als vielmehr um eine nationale Be-
wegung, die Persien von den Einflüssen Rußlands und Englands gleicher-
weise freihalten will.
Mit dem Wunsche, daß auch Deutschland an der Erschließung Persiens
seinen gebührenden Anteil haben möge, schloß der Vortrag.
Mittwoch, den 19. Februar 1908.
Herr Dr. Robert Hartmeyer-Berlin: Die Korallen-
riffe Westiiidiens. (Lichtbilder.)
Die Reise, welche der Vortragende im Jahre 1907 in ihrer ersten
Hälfte gemeinsam mit Herrn Prof. Dr. Kükenthal aus Breslau nach West-
indien unternahm, diente ausschließlich zoologischen Zwecken und zwar in
erster Linie dem Studium der marinen Tierwelt, insbesondere den Korallen-
tieren und Korallenriffen. Beide Forscher arbeiteten gemeinsam an drei
Hauptstationen, St. Thomas, Barbados und Jamaika, denen sich dann noch
ein zweimonatlicher Aufenthalt des Vortragenden auf den Tortugas-Inseln
im Golf von Mexiko anschloß, als Gast der dort bestehenden biologischen
Station der Carnegie Institution. Die Verteilung der Stationen war derart
gewählt — St. Thomas als südliche Fortsetzung der Bahamas, Barbados im
äußersten Osten, Jamaika im Zentrum und die Tortugas im Westen — daß
das gesammelte Material auch für die Beurteilung der Zusammensetzungen
und Verteilung der Meeresfauna innerhalb des westindischen Gebietes wert-
volle Fingerzeige lieferte, die, im ganzen von sehr einheitlichem Charakter
doch gewisse lokale Unterschiede aufweist.
Westindien ist reich an ausgedehnten Riifbildungen. Die Südseite
von Kuba, die Küsten von Jamaika, Haiti, Portoriko, den dänisch-west-
indischen Inseln und vielen anderen kleinen Inseln sind von Strandri£fen
umgeben, die Nordküste von Kuba begleitet ein Rifif, das den Charakter
eines Barriereriffes besitzt, weiter sind die Küsten von Florida und Yukatan,
wie auch die Bahamas von Riffen umsäumt, und endlich haben sich Korallen
an der östlichen Reihe der kleinen Antillen reich entwickelt, während sie
an der westlichen vulkanischen Kette nur spärlich auftreten. Die Korallen
spielen in Westindien als erdbildende Faktoren eine hervorragende Rolle.
So verdankt z. B. die Bahama-Gruppe der Tätigkeit der Korallen ihre Ent-
stehung, Barbados und manche andere der kleinen Antillen sind zum Teil
aus Korallenkalk aufgebaut und die lange Kette kleiner Inselchen, die die
Südspitze von Florida umgeben, die sogenannten Keys, deren letztes Glied
die Tortugas bilden, sind lediglich das Werk von Korallen. Von besonderem
Interesse ist die Tatsache, daß die Bildung und Entstehung der westindischen
: Riffe sich nicht in Einklang bringen läßt mit der für die Rififbildungen der
— 150 —
Sttdsee von Darwin aufgestellte Senkungstheorie, die bekanntlich in der Be-
hauptung gipfelt, daß alle Gebiete, in denen Atolle oder Barriereriffe auf-
treten, Senkungsgebiete darstellen. Offenbar walten bei den westindischen
Riffen Verhältnisse ob, die die Notwendigkeit einer Niveauveränderung für die
Bildung ausgedehnter Riffe aus großen Meerestiefen ausschließen. Die west-
indischen Riffe bauen sich vornehmlich nach den Untersuchungen von Pour-
tal^s und Agassiz vielmehr auf submarinen Sedimentbänken auf, die durch
fortgesetzte Anhäufung von Hartteilen der mannigfachsten Meeresorganismen
immer näher an die Oberfläche des Meeres rückten, bis sie schließlich eine
Höhe erreichten, um für die Bauten rifTbildender Korallen eine geeignete
Grundlage zu bilden. Der Aufbau von Korallenriffen aus großen Meeres-
tiefen kann auf diese Weise ohne Senkung des Untergrundes vor sich gehen.
Ein weiterer Unterschied zwischen Westindien und den indopazifischen Riffen
ist der viel bescheidenere Artenreichtum der westindischen Korallenfauna.
Identische Arten zwischen beiden Gebieten sind mit Sicherheit nicht nach-
gewiesen, höchstens sind sie gattungsverwandt. Einen äußerst charakte-
ristischen Zug verleiht den westindischen Riffen dagegen das starke Über-
wiegen der Gorgoniden oder Homkorallen, die hier einen Arten- und Individuen-
reichtum entwickeln, wie sonst nirgends auf der Erde. Von besonderem
Interesse sind die Floridariffe. Das südliche Florida ist von einer doppelten
Reihe von Riffen, den sogenannten Keys, kleinen, flachen Inselchen, die ledig-
lich aus abgestorbenen Korallenblöcken, Schalenresten und dgl. Material,
alles mehr oder weniger fest miteinander verkittet, aufgebaut sind, und
dem lebenden Außenriff, welches der Linie der Keys folgend durch einen Kanal
von wechselnder Breite von demselben getrennt ist.
Das letzte Glied dieser Floridariffe sind die Tortugas, eine Gruppe
von 7 Inseln, die die Spitzen dreier submariner Bänke darstellen. Die Tor-
tugas sind die jüngste Bildung der Floridariffe und in mancher Hinsicht
von den übrigen Keys verschieden. Es fehlen hier noch die ausgedehnten
Mud- und Sandbänke, welche die anderen Keys im Norden begleiten und
ebenso fehlt die charakteristische Mangrovevegetation. Von den 7 Inseln
sind nur zwei bewohnt, Garden Island, das ein altes amerikanisches Fort,
Fort Jefferson, trägt, welches jetzt in eine Kohlenstation umgewandelt ist,
und Loggerhead Key, auf welchem außer einem Leuchtturm seit einigen
Jahren von der Carnegie Institution eine unter der Leitung des amerika-
nischen Zoologen Dr. Mayer stehende, mit allen modernen Hilfsmitteln ausge-
stattete biologische Station errichtet ist. Die Tierwelt der Tortugas ist,
außerordentlich reich und bietet dem Forscher eine Fülle von Beobachtungs-
material. Die Planktonverhältnisse sind bei den Tortugas die denkbar
günstigsten, da ein frischer Südwind ausreicht, um das Oberflächenwasser
des Golfstromes, den die Tortugas gerade bei seinem Eintritt in die Florida-
straße passiert, bis zu den Inseln zu treiben und mit ihm eine Fülle der
zarten Plankton-Organismen. Ein reiches Tierleben beherbergen auch die
Riffe, welche die einzelnen Inseln umsäumen, vor allem das große Bird Key
Riff, das wie ein langer Wall im Osten der Tortugas sich entlang zieht.
Die drei Zonen, die sich im Zuge dieses Riffes unterscheiden lassen, das
lebende Außenriff, das tote zentrale Riff, das zur Zeit der Ebbe mehr oder
— 161 —
weniger frei liegt, und endlich das Innenriff, eine Flachwasserzone mit Sand-
oder Seegrasboden, beherbergen jedes eine charakteristische Fauna. Ein ganz
anderes Tierleben wiederum findet sich au! dem Boden der tieferen Kanäle,
durch welche die einzelnen Bänke voneinander geschieden sind.
Mittwoch, den 26. Febraar 1908.
Herr Albert von Le Coq-Berlin: Aasgrabangen in
Chinesiseh-Tarkistan. (Lichtbilder.)
Der Vortragende schilderte an der Hand zahlreicher, meist wohl-
gelungener Lichtbilder die wilden Gebirgs- und Wüsteneinöden, in denen
die von ihm untersuchten Ruinenstätten größtenteils liegen, sowie auch die
reichhaltigen Ergebnisse seiner Arbeiten.
In überraschendem Wechsel sah man bald finstere Schluchten mit
Reihen in den Fels gehauener Tempel, bald von dem ewig fortschreitenden
Wüstensand teilweise verschlungene Klöster, bald auch große Ruinenstädte
mit hohen Mauern und Hunderten noch stehender Tempelruinen.
Bei der Untersuchung dieser Bauten fanden sich in einigen derselben,
deren Zugänge durch allerlei Zufälle (meistens Verwehung durch Sand) ver-
schlossen worden waren, nach Wegräumung des Schuttes ganze Serien von
au! Verputz gemalten Wandbildern mythologischen Inhaltes, die nur unter
großen Mühen geborgen werden konnten. Auch aus Lehm modellierte, früher
schön bemalte Menschen- und Götterfiguren, sow^ie höchst merkwürdige kleinere
Gemälde auf Seide und Baumwollzeug wurden gefunden.
Außerordentlich reich war ferner die Ausbeute an Manuskripten in
mehr als zehn verschiedenen Schriftarten, unter denen sich sowohl ganz
unbekannte, als auch bisher nur durch einige Felseninschriften des östlichen
Asiens bekannte Schriftarten befanden.
Auch manichäische Manuskripte wurden gefunden, darunter einige mit
prächtigen, persischen Miniaturen in Gold und Farben.
Die Träger dieser merkwürdig hohen, wenn auch offenbar aus ver-
schiedenen Elementen zusammengesetzten Kultur, welche nach einigen
datierten chinesischen Manuskripten ungefähr um 750 n. Chr. blühte, waren
in den ältesten, nur durch Urkunden bekannten Zeiten, (nämlich den zwei
letzten vorchristlichen Jahrhunderten) augenscheinlich Völker indogermanischer
Zunge. Die um eben jene Zeit aber beginnende türkisch-mongolische Wande-
rung, speziell der Zug des Türkenvolkes der Hiung-nu (unserer Hunnen) aus
ihrer Heimat im Nordosten Asiens vertrieb die erwähnten Völker und warf
sie nach Westen, wo unter ihrem Anprall die Reiche der Graeco-Inder und
Baktrer zusammenbrachen. Die Eindringlinge gründeten alsbald au! den
Trümmern jener Reiche die neue Macht der Indo-Skythen. In diesem Zu-
sammenhang ist es von Interesse zu wissen, daß eine Serie der unbekannten
Sprachen durch den Direktor am Völkermuseum zu Berlin, Professor F. W.
K. Müller, des Entzifferers der manichäischen Schriften, als Sprache der Indo-
Skythen erkannt worden ist.
In diesem Reiche entstand unter dem Einflüsse des Buddhismus die
graeco-indische oder — nach ihrem Hauptsitze sogenannte — Gandhära-Kunst,
— 162 —
die, mit dem Buddhismus nach Zentralasien getragen, dort sich mit der etwas
jüngeren persisch-sassanidischen Kunst mischte, um, über China und Korea
nach Japan gelangt, dort die Grundlage zu bilden für fast alles, was wir
an der japanischen Kunst bewundem. Die bahnbrechenden Arbeiten, die
diese Zusammenhänge nachweisen, sind der Feder des Direktors Professor
Grünwedel vom Berliner Völkermuseum entflossen.
Ein besonderer Förderer dieser Kunst und dieser Kultur war das
türkische Volk der Uighuren, welches ungefähr um 700 n. Chr. in der Gegend
des heutigen Turfan zur Macht gelangte und sich zum Teil zum Buddhismus
und zum (nestorianischen) Christentum, zum Teil aber auch zum Manichäis-
mus bekannte, jenem großartigen Versuch eines Persers, die drei damals
mächtigen Religionen, den persischen Ormuzd-Dienst, das Christentum und
den Buddhismus zu einer einheitlichen, alle Völker vereinigenden Weltreligion
umzugestalten.
Der Vortragende führte femer eine Reihe von Volkstypen, arbeitenden
Handwerkem, Grabstätten, Bethäusem und Wohnungen vor und schloß mit
einer kurzen Schildemng seiner Rückreise durch das westliche Tibet nach
Indien.
Zustande gekommen ist die Expedition des Vortragenden, sowie die
darauf folgende zweite Expedition des Professors Grünwedel, durch die be-
sonderen Bemühungen des Berliner Komitees zur Erforschung Zentralasiens
und seines Leiters, des Professors Pischel von der Berliner Universität.
Mittwoch, den 4. März 1908.
Herr Professor Dr. Eugen Oberhummer-Wien: Ton
Kanada bis Mexiko. (Lichtbilder.)
Durch einen internationalen (Geographen kongreß in den Vereinigten
Staaten wurde der Vortragende veranlaßt, auch Kanada und Mexiko einen
Besuch abzustatten. In Kanada zogen ihn neben den historischen Erinnerungen
an die erste Entdeckung des Festlandes von Amerika durch die Normannen,
worüber Redner bereits 1893 im Verein für (Geographie und Statistik aus-
führlich gesprochen hatte, besonders die eigentümlichen anthropogeographischen
Verhältnisse an. Bekanntlich war der St. Lorenzstrom zuerst durch den
Franzosen Cartier 1534 befahren und von dort aus der Grund zu der Kolonie
„La nouvelle France" gelegt worden, welche 1763 an England verloren ging.
Aber das französische Volkstum der Bewohner hat sich in Unter-Kanada,
das der jetzigen Provinz Quebec entspricht, bis heute erhalten, ja die Zahl
der französischen Kanadier ist von 70000 im Jahre 1760 auf mehr als
IVi Millionen (im Jahre 1901) gestiegen, obwohl die französische Einwanderung
unter englischer Herrschaft vollständig aufgehört hat. An der Sprache ihres
Mutterlandes wie an der katholischen Kirche mit Treue festhaltend, haben
diese französischen Kanadier, von denen */s auf die Provinz Quebec, der
Rest meist auf Ontario (Ober-Kanada) entfällt, auch in ihren Anschauungen
und Lebensformen die Traditionen der alten Zeit bewahrt und die Wand-
lungen des französischen Volkstums seit der Revolution (Loslösung von der
Kirche, Zweikindersystem, modernes Empfinden) nicht mitgemacht. Der
— 153 —
Dialekt ist sehr altertümlich und steht den Patois von Maine und der
Normandie am nächsten. Nationalität und Glaube der französischen Kanadier
sind auch auf die noch vorhandene Indianer- und Mischlingsbevölkerung über-
gegangen, von denen Redner Gelegenheit hatte, die Huronenkolonie bei
Quebec und die Siedelungen der Montagnais am Lake St. John kennen zu
lernen, letztere an der Grenze des zivilisierten Gebietes gegen die Wildnis.
An einer Reihe von Bildern wurde diese Landschaft sowie der romantische
Saguenay, ein von Norden her in den St. Lorenzstrom mündender Fjord,
erläutert, sodann die Situation der Städte Quebec, Vorort der gleichnamigen
Provinz und Zentrum der französichen Bevölkerung mit einem doppelsprachigen
Parlament, und Montreal, der größten Stadt von ganz Kanada und Ottawa, dem
politischen Vorort des ganzen Dominiums. Von hier führte der Vortragende
die Hörer über den Niagara, der die Grenze gegen die Union bildet, an
verschiedene aus den Lederstrumpferzählungen bekannte Ortlichkeiten des
Staates New York (Lake George, Cooperstown u. a. m.) und nach der Stadt
New York selbst, sodann über Washington und St. Louis an den Gran
Cafion und zu den Pueblos-Indianem von New Mexiko und Arizona, die
unter der Hülle ihres (spanisch-katholischen) Christentums noch höchst merk-
würdige Zeremonien und Kultusformen aus der heidnischen Zeit bewahrt
haben. Nach Mexiko übergehend, schilderte Redner den landschaftlichen
Charakter des trockenen Nordens, weiterhin die Hauptstadt mit ihrer Um-
gebung, sowie das am Fuße des gleichnamigen Piks, der höchsten Erhebung
des Landes, reizvoll gelegene Orizaba, wo infolge der tieferen Lage der
tropische Charakter der Landschaft bereits deutlich zum Ausdruck kommt.
Ein Empfang beim Präsidenten Porürio Diaz, einer überaus kraftvollen
Persönlichkeit, der Mexiko hauptsächlich sein Aufblühen in den letzten Jahr-
zehnten verdankt, gab Anlaß zu einem Vergleich der Republik mit den Ver-
einigten Staaten, insbesondere der spanisch - romanischen und der angel-
sächsischen Bevölkerung, und der dadurch bedingten Verschiedenheit der
Lebensformen und Gewohnheiten, sowie zu einem Ausblick auf die Zukunft
Mexikos, das wirtschaftlich immer mehr in eine Abhängigkeit von den Ver-
einigten Staaten zu geraten scheint. Höchst lohnend gestaltet sich für jeden
ein wenn auch nur flüchtiger Besuch dieses Landes mit seinem Reichtum
der Natur und den großartigen Überresten der Vergangenheit, sowie einer
liebenswürdigen und gastfreien Bevölkerung.
Bericht über den IX. Internationalen
Geographenkongreß in Genf
vom 27. Juli bis 6. August 1908.
Von
Dr. Hermann Traut
Die Schweiz, ein internationales Land wie wenige, hat in diesem
Jahre den Internationalen Geographenkongreß znm zweiten Male seit seinem
Bestehen bei sich zu Gaste gehabt. Im Jahre 1891 tagte der fünfte Inter-
nationale Geographenkongreß in Bern, im Sommer 1908 war der neunte in
den Tagen vom 27. Juli bis 6. August einer Einladung nach Genf gefolgt.
Dazwischen liegen die Tagungen von London 1895, von Berlin 1899 und
von Washington 1904. Genf, so hat einmal ein großer Geograph gesagt, ist
die Stadt der Kongresse. Seine günstige Lage am Kreuzungspunkt der natür-
lichen Straßen von Frankreich nach Italien, von Deutschland nach Südost-
Frankreich und die sich daraus ergebende historische Bedeutung der Stadt
für das westliche Europa, femer die Schönheit seines Sees und seiner Berge,
endlich der gute Ruf seiner Wissenschaften sind der Grund, weshalb man
Gtenf so oft als Versammlungsort internationaler Kongresse gewählt hat.
Der neunte Internationale Geographenkongreß war denn* auch recht stattlich
beschickt. Aus nicht weniger als 33 Ländern waren die Geographen herbei-
geeilt, und die ofiizielle Statistik sprach am Schlüsse der Tagung von 164
Delegierten und 745 Teilnehmern, unter welchen freilich sämtliche zum
Kongreß Angemeldete zu verstehen sind, von denen aber eine ganze Reihe
nicht erschienen war. Eine im Verlauf des Kongresses ausgegebene Teil-
nehmcrliste konnte die sonst übliche alphabetisch geführte Präsenzliste nicht
ersetzen. Präsident des Kongresses war Dr. Arthur von Clapar^dc, der
Vorsitzende der Genfer Geographischen Gesellschaft, der trotz vorgerückten
Alters seines anstrengenden Amtes mit Lebhaftigkeit und Ausdauer waltete.
Ausgezeichnet waren Deutschland und Osterreich durch eine Anzahl
ihrer hervorragendsten Geographen vertreten. Wir nennen auf gut Glück
einige Namen: Filchner, Fischer, Gerland, Hellmann, Hettner. Krümmel,
Penck, Regel, von den Steinen, Supan, Wagner, Wegener u. a.; aus Österreich
Brückner, Lenz und Oberhummer; Belgien hatte Arctowsky und Lecointe
entfli^ndt; Frankreich Prinz Roland Bonaparte, Lallemand, de Martonne Schrader
und ^däl de la Blache ; England, das nur schwach vertreten war, Bartbo-
lomew, Close und Scott-Keltie ; Finnland Palmen und Sedcrholm ; Italien Cagni
— 155 —
Johnston-Lavis und Roncagli ; Japan Tokoyama ; Niederlande van Baren ; Por-
tugal da Bocage nnd Choffat; Rußland von Schokalsky nnd Woeikoff;
Schweden Andersson und 0. Nordenskiöld ; Schweiz Branhes, Forel, Friede-
richsen, Früh und Naville; Serhien Caiji6; Ungarn von Cholnocky nnd
Ton Loczy; die Vereinigten Staaten Brigham, Bryant, Davis und Morris.
Die Verhandlungen des Kongresses fanden hauptsächlich in den Räumen
der Universität statt, die Hauptversammlungen, in welchen die geschäftlichen
Angelegenheiten erledigt wurden und Themata von allgemeinem Interesse
zur Verhandlung kamen, vormittags 9 Uhr in der Aula, die Sektionssitzungen
in den verschiedenen Hörsälen sowie in dem benachbarten Athens. Wie
in den früheren Kongressen nahmen die eigentlichen Forschungsreisen auch
auf der Genfer Tagung einen bedeutenden Raum ein, neben ihnen standen
aber kartographische, geologische und besonders glaziale Fragen im Vorder-
grund des allgemeinen Interesses. Das gesamte geographische Wissensgebiet
war in 14 Sektionen eingeteilt, mit denen wir uns später noch im einzelnen
zu beschäftigen haben werden.
Nachdem am Abend des 26. Juli den Gasten in den Räumen des Palais
Eynard in einfach zwangloser Form der erste Willkommengruß dargeboten
war, fand die feierliche Eröffnung des Kongresses Montag, den 27. Juli,
morgens 9 Uhr, in der Aula der Universität statt.
Der Bundespräsident der Schweiz Dr. Brenner, der als erster Redner
das Wort ergriff, wies in seiner Begrüßungsansprache auf die Fortschritte
der geographischen Wissenschaft in ihren einzelnen Zweigen hin und auf die
Fülle der Probleme, welche noch der Lösung harrten. Sodann hob er rühmend
die außerordentlichen Leistungen der Schweiz auf den verschiedenen Gebieten
der Geographie hervor, so in der Kartographie und Hydrographie, besonders
aber auf dem Gebiete des geographischen Schulunterrichts, ein Thema, auf
welches die Schweizer Herren öfters mit Stolz zurückkamen. Sodann hieß
der Präsident der kantonalen Regierung Genfs, H. Fazy, die Versammlung
in der alten Stadt herzlich willkommen. Der Redner machte auf die Reich-
haltigkeit des Programms aufmerksam, welche die geographische Wissenschaft
berechtige, sich eine universelle Wissenschaft zu nennen, da sie einen großen
Teil des menschlichen Wissens umfasse, und erinnerte sodann an das Wirken
zweier hervorragender Genfer Geographen, de Saussure, welcher der Mitwelt
die ihr fast unbekannt gebliebene Welt der Alpen erschlossen habe, und
D uf ou r, dem wir die topographische Karte der Schweiz verdanken. Präsident
Dr. von Clapar^de dankte zunächst allen, die sich um das Zustandekommen
des Kongresses verdient gemacht hätten, wobei er in warmen Worten zweier
kürzlich dahingeschiedener Ehrenmitglieder des Ausschusses gedachte, des unga-
rischen Magnaten Grafen Eugen v. Z i c hy (f 1906) und des ständigen Sekretärs
der Akademie der Wissenschaften zu Paris Albert deLapparent (f 1906).
Sodann gab er eine kurze Uebersicht über die Geschichte der Internationalen
Geographischen Kongresse mit besonderer Hervorhebung der Namen ihrer
Präsidenten und verlieh dem schmerzlichen Bedauern über das Hinscheiden
Ferdinand von Richthofens Ausdruck, dieser Leuchte der zeitgenössischen
deutschen geographischen Wissenschaft. Dem Präsidenten des achten Inter-
nationalen Kongresses, dem kühnen Robert Edwin Peary, welcher vor drei
— 156 —
Wochen an Bord des ^^^^^s^^^l^" seine achte Expedition anternommen, um
nach seinem eigenen Worten den letzten der großen geographischen Preise
zu erwerben, sprach er die besten Wünsche des Kongresses zu seiner ge-
fahrvollen Nordpolfahrt aus. Daß auch Peary der Yersammlnng gedacht,
bestätigte ein Brie! von ihm an den Kongreß, der an einem der nächsten
Tage zur Verlesung gelangte. Es folgten sodann Begrüßungen des italie-
nischen Delegierten Kapitäns Cagni im Namen der staatlichen Delegationen
und von Professor Gerland-Straßburg, namens der durch Delegationen
vertretenen Universitäten. Im Namen sämtlicher geographischen Gesellschaften
sprach Prinz Roland Bonaparte als Vertreter von Paris, der ältesten
geographischen Gesellschaft. Auch er widmete ein warmes Andenken den da-
hingeschiedenen Koryphäen der geographischen Wissenschaft Albert de
Lapparent, Elis^e R^elus und Ferdinand von Rieht hofen, deren
Tod von der ganzen Welt betrauert werde. Professor Davis von der
Havard- Universität sprach als letzter für alle anderen Institute und Ge-
sellschaften.
Unmittelbar nach der Eröffnungssitzung begab sich der Kongreß an
die Arbeit und behandelte zunächst einen Gegenstand, der durch Funde aus
jüngster Zeit in der wissenschaftlichen Welt Aufsehen erregt hat: die Um-
segelung Afrikas durch die Phönizier im 6. Jahrhundert vor Chr. unter dem
Pharaonen Necho, wozu der Konservator am Museum Guymet in Paris
Alexander Moret das Wort erhielt. Herodot ist der einzige Geschichtschreiber
des Altertums, der uns die Erinnerung an diese Seefahrt bewahrt hat, die
in ihren Einzelheiten jedem Geographen bekannt ist, an der man aber bis auf
den heutigen Tag gezweifelt hat.
Von dieser Fahrt nun berichtet ein mit Inschriften versehener Skarabäus
aus Stein, der in Unterägypten entdeckt, von dem Redner unter den Gegen-
ständen gefunden wurde, die der Aegyptologe B u r i a n dem Museum Guymet
hinterlassen hat. Moret hat den Text dieses Skarabäus, welcher die Darstellung
Herodots bekräftigt und vervollständigt, kürzlich der Akademie der Inschriften
und Literatur von Paris mitgeteilt. Sein Inhalt wird bestätigt durch einen
zweiten Skarabäus aus derselben Sammlung, der von der Sociät^ des amis
des mus^s royaux in Brüssel erworben wurde. Zwei Berliner Gelehrte,
^Hermann und Schaeffer haben die Echtheit dieser Skarabäen wegen der
darin vorkommenden Sprachfehler angezweifelt, was von Moret mit dem Einwand
. zurückgewiesen wird, daß dieselben Sprachfehler sich auch auf Urkunden aus
jener Zeit wiederfänden, deren Echtheit absolut sicher sei. Auch Prof. Ober-
hummer äußert Zweifel an der Echtheit dieser beiden so hochbedeutsamen,
sich gegenseitig ergänzenden Dokumente und spricht seine Verwunderung aus,
daß ein so hervorragender Aegyptologe wie Burian sie in Besitz gehabt haben
solle, ohne durch irgend eine Veröffentlichung auf ihre Bedeutung aufmerksam
. gemacht zu haben, worauf Moret entgegnet, Burian habe sie erworben, kurz
bevor er von einem Schlaganfall betroffen worden war, trotzdem habe er
• eine Arbeit über sie begonnen. Zwei portugiesische Vertreter halten die
Umseglung ebenfalls für ausgeschlossen und verteidigen lebhaft den Ruhm
ihres Landsmannes Vasco da Gama's, sie werden aber vom Präsidenten mit
der Versicherung beruhigt, dem Ruhm ihres großen Landsmannes geschehe
— 157 —
darch die yermntliche Reise der Aegypter ebensowenig Eintrag, wie dem des
Christoph Colambns durch die Entdeckungsfahrten der Normannen. Inzwisclien
haben sich die Stimmen, welche die Skarabäen für eine Fälschung halten,
gemehrt.
Am Nachmittage begann die Arbeit in den einzelnen Sektionen. Der
Kongreß umfaßte folgende 14 Arbeitsgebiete:
1. Mathematische Geographie und Kartographie,
2. Allgemeine physische Geographie,
3. Vulkanologie und Seismologie,
4. Gletscherkunde,
5. Hydrographie (Flußkunde und Seenkunde),
6. Ozeanographie,
7. Meteorologie und Klimatologie — Erdmagnetismus — ,
8. Biologische (botanische und zoogeographische) Geographie,
9. Anthropologie und Ethnographie,
10. Oekonomische und soziale Geographie,
i\. Forschungsreisen,
12. Geographischer Unterricht,
13. Historische Geographie,
14 Allgemeine Normen und Namengebung.
Die Sitzungen in den Sektionen begannen nachmittags zwei Uhr der-
gestalt, daß diejenigen mit geraden Nummern und die mit den ungeraden
einen um den andern Tag abwechseln sollten. Je sieben Sektionen arbeiteten
also zu gleicher Zeit, was ihren Besuch ungemein erschwerte und den Hörern
die größte Beschränkung auferlegte, zumal wegen mancher am Spät-
nachmittag' stattfindenden Festlichkeit spätestens um 4Vt Uhr der Schluß der
Sitzung stattfand. Bevor wir aber auf die Verhandlungen der Sektionen
näher eingehen, wollen wir das Wichtigste aus den Hauptversamm-
lungen besprechen.
Am Dienstag sprach zuerst der Genfer Staatsrat Rosier über die
Geographie als Unterrichtszweig. Der Vortragende, dem das Unterrichts-
wesen des Kantons untersteht, wies hin auf die gleichmäßige Entwick-
lung der Geographie nicht nur als Wissenschaft, sondern auch als Unter-
richtszweig, wozu die geographischen Kongresse ihr gut Teil beigetragen
haben. Trotzdem nimmt die Geographie im Elementar- und höheren Unter-
richt noch nicht die ihr gebührende Stelle ein. Man hält sie vielfach
noch für eine Sammlung von Namen, eine reine Gedächtnissache. Redner
verlangt eine genaue Festsetzung der Grenzen des geographischen Unter-
richts, woran sich schon hervorragende Gelehrte, wie R6clus, Ratzel
u. a., versucht hätten. Die Aufgabe des Lehrers ist eine dreifache: das Stu-
dium der Karten als das wichtigste, mit dem schon im Elementarunterricht
begonnen werden maß, die wissenschaftliche Beschreibung der Erde und das
Studium der Beziehungen zwischen der unorganischen und der Lebewelt.
Nur Fachleute dürfen geographischen Unterricht erteilen, denn der Geologe
oder Klimatologe wird geneigt sein , alle Vorgänge aus seinem Spezialgebiet
zu erklären. Redner teilt die Geographie ein in mathematische, physische,
biologische Geographie und Anthropogeographie, letztere wieder in historische,
— 168 —
politische und Wirtschaftsgeographie. In der Sektion für geographischen
Unterricht kommt er anf diesen Punkt noch einmal ansftthrlicher amrück.
Im Anschloß an den Vortrag Rosiers verbreitete sich der Botaniker
Flahanlt ans Montpellier über die Pflichten des Botanikers mit Rücksicht
auf die Geographie. Er begrüßt mit Freude die Maßnahmen des Natur-
schutzes, wie sie in der Schweiz in letzter Zeit so nachdrücklich gehandhabt
werden ) und tritt lebhaft ein für den Wiederanbau ausgerodeter Wälder.
Gerade hierin haben die Schweizer Botaniker Hervorragendes geleistet und viel-
fach Ansiedelungen an Abhängen ermöglicht, während man in den Pyrenäen
kein bewohnbares Dorf über 1300m Höhe mehr findet, weil es dort keine
Wälder mehr gibt.
Hierauf sprach Prof. Oberhummer in geistvoller Rede über Leo-
nardo da Vinci und die Kunst der Renaissance in Beziehung zur Erdkunde.
Der Vortragende sieht in der Renaissance eine der bedeutendsten Epochen
der Geographie, hauptsächlich beeinflußt durch die Schriften dieses großen
Italieners. Schwierig ist es, die Stellung Leonardos für diesen Zweig seines
universellen wunderbaren Wissens festzulegen, da sein literarischer Nachlaß
in tausenden von Handschriften zerstreut liegt, deren Entzifferung große
Schwierigkeiten verursacht, da sie linkshändig in Spiegelschrift geschrieben
sind; außerdem sind es meist nicht ausgearbeitete Entwürfe, und große
Fragen werden in literarischen Betrachtungen nur angeschnitten. Wir be-
sitzen von Leonardo mehrere Karten, die Richter herausgegeben hat, haupt-
sächlich von Italien, andere von Frankreich und dem Orient, meist physi-
kalische und hydrographische Karten; auch eine Weltkarte von ihm ist
vorhanden, auf der der Name Amerika vorkommt. Leonardo ist überzeugt
von der Kugelgestalt der Erde, deren Größe er annähernd bestimmt; sie
ist ihm ein Stern unter den Sternen. Das Flußsystem, dem er als In-
genieur besondere Beachtung schenkt, sieht er an wie die Zirkulation des
Blutes in den Venen des Menschen. Er beschäftigt sich auch mit ozeani-
schen Fragen, für die er ganz moderne Theorien anwendet. Das Niveau des
Meeresspiegels hält er für die Mitte zwischen den Erhebungen der Erde und
den Tiefen des Ozeans. Die Gebirge, über deren Höhe wir annähernd richtige
Daten finden, sind durch Aufschüttung der Flüsse entstanden, die wiederum
formgestaltend weiterwirkten. Der Salzgehalt der Meere beruht auf der Aus-
laugung der Salzlager der Erde durch die Flüsse. Der Untergang von Sodom
und Gomorrha ist auf Versinken von Landschollen zurückzuführen. Auch
seine Vulkantheorie enthält ganz richtige Gesichtspunkte. Den Schülern gibt
Leonardo den Rat, den Worten des Lehrers nicht blind zu glauben, aber den
Lehren der Natur zu folgen. Der Redner sieht tiefe Spuren dieses wissen-
schaftlichen Geistes des großen Künstlers auch bei den gleichzeitigen Malern
und ihren Schülern, sowohl in Holland als auch in Deutschland und Italien.
Ihr Beispiel hat ungemein befruchtend gewirkt.
Den Beschluß der Sitzung bildeten die Mitteilungen von Prof. P e n c k
über den Stand der Erdkarte von 1 : 1000000. Seitdem Geheimrat Penck
auf dem Geographenkongreß zu Bern 1891 den Antrag auf Herstellung einer
Erdkarte in dem genannten Maßstäbe eingebracht hat. hat zunächst ein
internationales Komitee ohne wesentlichen Eriolg an dieser großen Aufgabe
— 169 —
gearbeitet. Später ist jedoch die Aufgabe von einzelnen Staaten aufgegriffen
worden. Frankreich hat eine Anzahl Blätter über Asien and Amerika her-
ausgegeben, orientiert nach dem Meridian von Paris, England bearbeitet
ganz Afrika nach dem Meridian von Greenwich, Dentschland hat Ost-China
dargestellt. Natürlich beruht diese letztere Karte nicht auf eigenen deutschen
Aufnahmen, bei ihrer Herstellung sind vielmehr von verschiedenen Gesichts-
punkten ausgehende Messungen englischer, französischer und japanischer
Ofi&ziere, auch die Aufnahmen Richthofens benutzt worden, wodurch die Ge-
nauigkeit der Karte manches zu wünschen übrig läßt. Besser sind die
Kartenwerke, welche von deutschen Offizieren im Maßstab von 1 : 200000
von den chinesischen Provinzen Tschili und Schantung angefertigt worden
sind. Auch die Vereinigten Staaten sind fleißig an der Arbeit und haben
einen großen Teil Amerikas für den Maßstab 1:1000000 gezeichnet. Nach
einer Mitteilung des russischen Delegierten Generals Schokalsky wird
demnächst eine Karte Rußlands in demselben Maßstab erscheinen. Der
Vortrag hat die Bildung einer internationalen Kommission zufolge, welche
noch auf dem Kongreß darüber berichten soll.
Die nächste Hauptversammlung vom Mittwoch beschiünkte sich auf
die Gletscherforschung. Prof. Penck sprach zunächst über das eiszeitliche
Klima der Alpen. Der hervorragende Gelehrte hat Über die Grenzen des
ewigen Schnees der Eiszeit in dem Gesamtgebiet der Alpen jahrelang Be-
obachtungen gemacht und festgestellt, daß die Grenze auf dem nördlichen
Abhang viel tiefer lag als gegen Osten und hauptsächlich gegen Süden.
Inmitten der östlichsten Alpen hat er eine gänzlich eisfreie Zone gefunden.
Durchschnittlich lag in der Eiszeit die Schneegrenze 1200 m tiefer als heute.
Liegt der Grand hierzu in einem bedeutenderen Schneefall oder in einer
niedrigeren Temperatur? Im ersteren Falle müßte man sehen, daß die eis-
zeitlichen Gletscher in den Fimschichten mächtiger gewesen wären als die
heutigen Gletscher. Man bemerkt aber im Gegenteil, daß die eiszeitliche
Gletscherentwicklung nicht auf einem Dickenwachstum der Fimfelder, sondern
auf einem Anschwellen der Zungen beruht. Die Ausdehnung der Gletscher
beruht demnach auf geringerer Abschmelzung, also auf niedrigerer Tempe-
ratur. Die Veranlassung hiervon kennt man nicht.
Der Redner empfiehlt die Ausdehnung dieser Studien auch auf die
anderen hohen Gebirge, die allerdings dem Einfluß der Eiszeit nicht in dem
Maße untei-worfen gewesen zu sein scheinen als die Alpen. Wir müssen es
uns leider versagen, auf die lebhafte Debatte, die sich an diesen Vortrag
anschloß, näher einzugehen. Genug, alle Redner, die das Wort ergriffen, wie
F 0 r e 1 - Morges, C h o d a t - Genf, deMartonne- Lyon stimmten den Ausfüh-
rungen P e n c k s zu, bedingt nur Brunhes- Freiburg, der über Gletscheraus-
höhlungen und Gletscherbecken sprach und dem Wasser einen ebenso großen
Einfluß auf die Gestaltung der alpinen Welt zuschreibt als dem Eise.
Die Eroberung des Nordpols stand auf dem Programm der Hauptver-
^ Sammlung am Freitag. Bevor die Versammlung in die Tagesordnung eintrat,
beglückwünschte Prof. Oberhummer in französischer Sprache im Namen
der fremden Geographen die Genfer Geographische Gesellschaft zu ihrem
fünfzigjährigen Stiftungsfeste und überreichte namens der Wiener Gesellschaft
— 160 —
einen Band historischer Karten yon Oesterreich-Ungam, welche diese im
vergangenen Jahre anläßlich ihres eigenen fünfzigjährigen Jubiläums in nur
wenigen Exemplaren hat erscheinen lassen.
Die Sitzung selbst entsprach nicht ganz den in sie gesetzten Erwartungen,
immerhin entbehrte sie nicht eines gewissen wissenschaftlichen Interesses.
Tolmatschow-St. Petersburg, berichtete über das Projekt einer für 1910
geplanten Expedition zur Erforschung der Halbinsel Taimyr und des Kaps
Tscheljuskin, des nördlichsten Punktes von Sibirien, welches erst dreimal besucht
worden ist, darunter einmal von Nansen. Da eine Feuersbrunst die russischen
Dokumente vernichtet hat und keine exakten topographischen Aufnahmen
dieser Gegenden mehr vorhanden sind, ist eine geographisch-geologische
Expedition dorthin unerläßlich. Sie würde zuerst in das Innere der Halbinsel
im Südosten vorzudringen haben, im folgenden Frühling würde dann eine
Gruppe mit Renntieren den Westen, eine zweite den Osten und eine dritte
das Innere erforschen und alle drei sich an der Mündung des Taimyrflusses
wieder zu vereinigen haben, um gemeinsam stromaufwärts bis zur Tundra zu
gelangen.
Der folgende Redner Lecointe-Üccle besprach die Arbeiten der
1905 in Brüssel zusammengetretenen internationalen Polarkommission, deren
Zweck bekanntlich in der Förderung jeglicher Art von Polarforscbung besteht.
Seine Ausführungen gipfelten in einer Resolution, alle Regierungen zum Anschluß
an die internationale Polarkommission aufzufordern. In derselben Sitzung
wies R 0 n c a g 1 i hin auf die Notwendigkeit des Zusammenwirkens von geogra-
phischen Gesellschaften und kolonialen Unternehmungen zur kommerziellen
Erforschung neuer Länder. Auf seinen Antrag wurde der Delegierten-
Versammlung empfohlen, eine Kommission, bestehend aus Geographen und
Kaufleuten, einzusetzen, welche eine Konferenz über diesen Gegenstand in
einem großen Handelszentrum vor dem nächsten Geographentag veranlassen soll.
Der Arktis folgte am nächsten Tag die Antarktis. Als Hauptredner
berichtete Prof. Dr. Otto Nordenskjöld, der bekannte Südpolarforscher,
über die geographischen Ergebnisse der schwedischen Südpolarexpedition
1901—1903. üeber den äußeren Verlauf der Expedition selbst hat Prof.
Nordenskjöld vor einigen Jahren in unserem Verein einen vorzüglichen Vortrag
gehalten, (vgl. 68 u. 69. Jahresbericht S. 164 ff.) Der Redner, stürmisch
begrüßt, spricht einleitend von dem Fortschritt unserer Kenntnis der Antarktis,
auf der wir jetzt zwei Gebiete genauer kennen, Viktorialand, südlich von Neu-
seeland, (Expedition Scott) und Westantarktis, südlich von Südamerika.
Wir kennen ihre Morphologie, ihre Eisbedeckung, ihre Tier- und Pflanzenwelt
als Funktionen der geographisch-geologischen Entwicklung und des Klimas.
Durch zahlreiche Lichtbilder erläutert Redner zunächst die geo-
logische Beschaffenheit der Westantarktis. Im Westen steigt eine fast
3000 m hohe wilde Gebirgskette auf, stark durch Fjorde zerklüftet und ge-
trennt von den vorgelagerten Inselreihtn. Im Osten schließt die Gebirgs-
kette das Land ab. Im Innern sind jung-vulkanische Bildungen vorherrschend,
die denen von Patagonien ähneln. Der Vortragende onipfiehlt für jene Ge-
birge den Namen „Antarktanden''. Die fossile Fauna und Flora entspricht
denen des Feuerlandes, Westpatagoniens, ja des subtropischen Südamerikas,
— 161 —
wodurch ein Landzusammenhang mit Südamerika bewiesen wird, nnd außer-
dem, daß der antarktische Kontinent eine Pflanzen- und Tierwelt gehabt hat.
Ohne Zweifel waren in jenen Zeiten Westantarktis und Südamerika Gebiete,
welche im geologischen Bau und ihrer Entwicklungsgeschichte fast gleich
waren, und heute, welche Unterschiede zwischen beiden! Sieben Grad ent-
fernt von einer Küste mit undurchdringlichen Urwäldern, belebt von Papageien
und Kolibris und einem Menschenstamm, der kaum Bekleidung kennt, dehnt
sich eine Eiswüste aus, die, nach Norden versetzt, sich bis nach Stockholm
südwärts erstrecken würde. Der Grund liegt in den eigentümlichen meteo-
rologischen Verhältnissen und der allmählichen Bildung kolossaler, kuppei-
förmiger Eismassen, welche das Land in einer Höhe von 20 bis 30 m ab-
schließen, eine Erscheinung, die in den Nordpolarländem nur in den innersten
Gebieten zu finden ist. Hinter ihnen und tiefer dehnt sich eine weite Eis-
ebene aus, welche dort, wo sie der Redner erforschte, keinen Kontinent zu
bedecken schien, sondern Inseln miteinander verband. Dieses Eis, das mit
einer erstaunlichen Geschwindigkeit wächst, stammt in seiner Hauptmasse
wahrscheinlich nicht vom Lande, sondern bildet sich an Ort uhd Stelle.
Redner unterzieht sodann die Temperaturverhältnisse beider Polargegenden
einer Yergleichung und kommt auf die Windverhältnisse zu sprechen, be-
sonders die fürchterlichen Südwestorkane, denen nichts widerstehen kann.
Auf den Stürmen beruht auch das Vorkommen von schneefreiem Land, bei
ihrem Fehlen würden wir dort eine furchtbare Glazialperiode haben; vielleicht
hat dieser Umstand in anderen Breiten die früheren Eiszeiten hervorgerufen.
Ein höheres Pflanzenleben fehlt natürlich gänzlich. Die Flora besteht aus
etwa 50 Moosarten, von welchen ungefähr 30 arktische Formen zeigen. Die
Fauna ist vollständig maritim und enthält auch einige Vogelarten, darunter
den Pinguin, der sich in unzähligen Mengen vorfindet. Redner überreicht
am Schlüsse seiner Ausführungen dem Kongreß zwei Bände der auf Kosten
des schwedischen Staates gedruckten Publikationen der Expedition, wofür
er den lebhaften Dank des Präsidenten und der Versammlung erntet.
Der argentinische Delegierte de Fr<5zals- Buenos Ayres berichtet
hierauf über die grönländischen Hunde, welche Nordenskjöld der argentinischen
Regierung zum Geschenk gemacht bat und von dieser auf den Neujahrsinseln
ausgesetzt wurden. Die Tiere kommen dort gut fort trotz des ungünstigen
Klimas — 280 Tage schlechtes Wetter im Jahre — und sind für große
Lasten verwendbar. Die Renntierc dagegen, ebenfalls ein Geschenk an die
argentinische Regierung, welche mit größter Vorsicht unter künstlicher
Anwendung von niedrigerer Temperatur in ihren Ställen und mit Moos-
fütterung durch die Tropen gebracht worden waren, sind im Feuerland sämt-
lich eingegangen. Redner hebt zum Schluß die Bereitwilligkeit der argent-
inischen Regierung hervor, alle südpolaren Expeditionen mit den nötigen
Hunden zu versorgen.
Geringes Behagen verursachte der Versammlung das selbstgefällige
Auftreten H. Arctowskys aus Brüssel, der auf die wenig befriedigende
Bilanz der bisherigen Expeditionen hinwies, die eigentlich nur den Nachweis
von dem Vorhandensein eines Kontinentes erbracht hätten. In seinen Aus-
führungen, die stellenweise etwas sonderbar anmuteten, hob er die Expedition
11
— 162 —
Scotts hervor, die wichtiger and interessanter gewesen sei als die Nansens
nach dem Nordpol. Redner ging dann dazn über, aus dem ungeheuren Gebiete,
das so groß sein kann wie Europa und Australien zusammen genommen und
unzählige ungelöste Probleme birgt, einzelnen Gelehrten direkte Fragen vor-
zulegen, die zum Teil recht überflüssig waren, und deren Beantwortung
Professor H e 1 1 m a n n bei dem dermaligen Stand der Forschung als unmöglich
kurz ablehnte. In derselben Sitzung sprachen außerdem noch Lallemand-
Paris über die Bewegungen der Erdoberfläche und Coli et- Genf über die
Erforschung der schottischen Seen.
In der 7. Hauptversammlung am Montag, den 3. August, berichtete
Herr Oberleutnant File hn er- Berlin an der Hand von Lichtbildern über
seine Expedition nach China und Nordost-Tibet 1903—1905. Da der Vortragende
über dieses Thema bereits in unserem Verein gesprochen hat (vgl. 70. Jahres-
bericht S. 99 ff.), so brauchen wir auf den äußeren Verlauf der Reise hier nicht
näher einzugehen. Die Absicht des Vortragenden, dem Kongreß das fertige
Kartenmaterial über die gesamte Reise vorzulegen, hat sich leider infolge
einer notwendig gewordenen Veränderung des Maßstabes der Karten nicht
ermöglichen lassen, aber die herumgereichten Kartenblätter, Skizzen und Photo-
graphien ließen die vorzügliche Arbeit erkennen, welche der jugendliche
Forscher und seine Gattin, seine tapfere Begleiterin, bis jetzt geleistet haben.
Das gesamte Kartenwerk, ungefähr 200 Blätter im Ganzen, dessen Herausgabe
auf Staatskosten erfolgt, wird in 6 bis 8 Teilen erscheinen, zwei Teile enthalten
die chinesischen Aufnahmen im Maßstab 1 : 50 000, 4 bis 6 Teile stellen das
Kartenmaterial dar über Tibet im Maßstab 1 : 1(X) 000. Die Routenkarten,
von Filchner selbst konstruiert, zeichnen sich durch eine klare Gelände-
darstellung aus. Mehrere Ergänzungsbände zu dem Kartenwerke, deren Er-
scheinen in den nächsten drei Jahren zu erwarten ist, werden astronomische
Ortsbestimmungen, erdmagnetische und geologische Beobachtungen enthalten,
und dem Ganzen wird noch eine Übersichtskarte im Verlag von Justus Perthes
hinzugefügt werden. Von Veröffentlichungen liegen bis jetzt im Drucke vor :
eine Monographie über das berühmte Buddhistenkloster Kumbnm, der Bericht
über den äußeren Verlauf der Expedition unter dem Titel: „Das Rätsel des
Matschu^ und von den wissenschaftlichen Ergebnissen der Expedition der
Band, welcher die zoologischen und botanischen Sammlungen umfaßt, außer-
dem ein Band mit barometrischen Höhenmessungen und meteorologischen
Beobachtungen und schließlich der eben erschienene Band mit den ethno-
graphischen Forschungen. Der Redner hofft, daß die Zusammenarbeit mit
dem zweiten Mitglied der Expedition, Herrn Dr. med. Tafel, der später
allein noch eine weitere Forschungsreise zu dem großen Knie des Gelben
Flusses unternahm und das Tsaidam durchquerte, für die wissenschaftliche
Kenntnis jener Gebiete von großem Vorteil sein wird.
In der an diese Hauptversammlung sich anschließenden Delegierten-
versammlung standen Ort und Zeit des nächsten Kongresses zur Beratung.
Fünf Einladungen lagen vor: von der Geographischen Gesellschaft zu Lissa-
bon auf 1911 oder 1912, der Internationalen Photograpischen Ausstellung zu
Dresden auf 1909, der Geographischen Gesellschaft von Budapest auf 1912,
der Gesellschaft für Erdkunde zu Rom auf 1911 gelegentlich des fünfzig-
-^ 163 —
jährigen Bestehens des Königreiches, znletzt von der kgl. (Geographischen
Gesellschaft von Australasien nach Brisbane für 1912. Nach lebhaften Debatten,
bei welchen zuerst über das Jahr abgestimmt wurde, entschied sich die Ver-
sammlung mit 62 gegen 57 Stimmen für das Jahr 1911, worauf Rom mit
67 von 107 Stimmen als der Sitz des X. Internationalen Qeographenkongresses
gewählt wurde.
Die Hauptversammlung vom Dienstag, den 4. August brachte zwei
Kommissionsberichte von größter Wichtigkeit. Zunächst den Bericht über
die von Schrader-Schokalsky in der zuständigen Sektion beantragte
Bildung einer internationalen kartographischen Vereinigung und die Heraus-
gabe eines aus Karten bestehenden Kepetitoriums , in das die Forschungs-
ergebnisse eingezeichnet werden sollen. Die zu diesem Zweck eingesetzte
Kommission empfahl die Vorschläge dem Kongreß zur Annahme und erklärte
sich, in Übereinstimmung mit der Kommission zur Herstellung der Welt-
karte von 1 : 1 000 000 bereit , die weiteren Schritte in dieser Angelegenheit
zu tun. Die Mitteilung des Präsidenten, die Mittel zu diesen Vorarbeiten
seien von einem Anonymus bereit gestellt, wurde mit Freuden dankbar begrüßt.
Sodann berichtet Prof. Penck über die Beratungen der Kommission
zur Herausgabe der Weltkarte von 1 : 1 000 000. Redner gibt seiner Freude
Ausdruck, daß das große Werk endlich unter Dach und Fach gekommen sei.
Der Meridian von Greenwich sei als Einheitsmeridian an-
genommen. Dafür hätten sich die angelsächsischen Länder mit der Ein-
führung des Metermaßstabes einverstanden erklärt ; die letzte Schranke gegen
die Verwirklichung dieses großen internationalen Werkes sei damit endlich ge-
fallen. Der Bericht, auf dessen einzelne Bestimmungen wir hier nicht näher
eingehen können, enthielt u. a. Bestimmungen über den Umfang der einzelnen
Kartenblätter, die vier Breiten- und sechs Längengrade messen sollen. Er
verbreitete sich sodann noch über die Anwendung der polykonischen Pro-
jektion, über Niveaukurven, für welche der Abstand von 200m als Regel
angenommen wurde, über die anzuwendenden Farben, braun für Niveaukurven,
blau für Wasser, über Namenschreibungen u. a. m. Eine lebhafte Diskussion
über die Frage, ob auf den einzelnen Karten außer dem Metermaßstab vor-
läufig noch, wie es die Kommission empfahl, ein Maßstab in Meilen und Fuß
beigefügt werden sollte, um den Übergang zu dem Metermaß zu erleichtem,
wurde schließlich im Sinne der Kommission entschieden. Diese Beschlüsse
sollen den einzelnen Regierungen zur Annahme unterbreitet werden.
Der folgende Mittwoch brachte noch einige recht interessante Vorträge.
Blondel- Paris behandelte zunächst die Bedeutung der Freihäfen mit beson-
derer Bezugnahme auf Frankreich. Redner sieht in dem französischen Schutz-
zollsystem, das sich grundsätzlich gegen jede freie Zone richtet, die Haupt-
ursache in dem Rückgang des französischen Handels. Frankreich besitzt heute
keinen großen Schiffsfrachtverkehr, nur 26 % von Frankreich gekauften Waren
werden unter der Flagge des Landes eingeführt.. Der Mangel an Freihäfen
hat die Handelswege verschoben. Das beweisen die italienischen und spanischen
Weine, welche früher den Winzern von Bordeaux zum Verschnitt dienten,
ebenso geht es mit der chemischen Industrie. Die Feuerzeugfabrikation hat
sich nach Schweden und England verzogen, Seifen- und Lichterindustrie lebt
11*
— 164 —
nur noch kümmerlich in Frankreich, weil das billige aosl&ndische Rohmaterial
fehlt. Der Transithandel muß an! alle Weise gehoben werden. DeClapar^de
meint, die große Zahl der französischen Häfen trage die Schuld an ihrer
yerhältnismäßigen Minderwertigkeit. Hente müsse ein Hafen den größten An-
forderungen entsprechen, wie z. B. der von Hamburg, für den 225 Millionen
aufgewendet seien, dadurch vermittle er aber den Handel von fast ganz
Deutschland.
Die Geographie der großen Städte behandelte Prof. Oberhummer in
einem fesselnden Vortrage, der die verschiedenen Qründe anführte, die geeignet
sind, die großen Städte als geographische Individuen zu betrachten und zu
studieren.
Wenden wir uns nunmehr den Sektionen zu. Auch hier müssen wir
uns bei dem uns zur Verfügung stehenden Raum größter Zurückhaltung
befleißigen und unmöglich ist es, über die mehr als 100 Vorträge im einzelnen
zu berichten. Wie bereits bemerkt, tagten 7 Sektionen gleichzeitig, was
große Uebelstände mit sich brachte und einen umfassenden Bericht aus eigener
Anschauung ausschließt. Die ganze Organisation des Kongresses ließ überhaupt
manches zu wünschen übrig, dazu kam, daß von der Kongreßleitung nicht für
eine zeitige und zuverlässige Bekanntgabe des Programms gesorgt war.
In der Sektion I für mathematische Geographie und Karto-
graphie kamen nicht weniger als 15 Redner zum Wort, die zum großen
Teil die Erdmessungen in verschiedenen Ländern behandelten, so die Resultate
der letzten Messungen in Aegypten, in Frankreich und seinen Hochgebirgen,
besonders am Mont Cenis, Längenmessungen der russisch-asiatischen Ströme
und die Ergebnisse der Eisenbahn-Nivellierungen im europäischen Rußland.
Eginitis- Athen besprach die Bestimmung des Längen- und Breitegrades
von Athen und befürwortete die Anwendung von drahtloser Telegraphie für
geographische Zeit- und Ortsbestimmungen. Auch auf speziell kartographischem
Gebiet waren einige Redner tätig; Karten vom Pilcomayo, Panoramen von
der Schweiz und Italien wurden vorgelegt; Oberhnmmer verlangte die
Anwendung von Niveaukurven und Schraffierung in den Stadtplänen ebensogut
wie auf den geographischen Karten ; ein Bericht von Perron- Genf über die
Faksimile-Herstellung alter kartographischer Denkmäler und deren Nutzen
bei der Errichtung karthographischer Museen hatte die sofortige Einsetzung
einer Kommission zur Folge.
In der Sektion II für physikalische Geographie waren die
Karpathen Gegenstand mehrerer interessanter Vorträge. Besprochen wurden
femer der morphologische Bau des niederländischen Diluviums nördlich vom
Rhein, die geomorphologischen Verhältnisse des Kalkbodens in Jamaica und
die Geologie von Portugal. C h a i x - Genf entwickelte im Namen von B r u n h e s -
Freiburg den Plan zu einem internationalen Atlas von Reliefformen, zu
welchem Zwecke er ein internationales permanentes Komitee vorschlug, das
die Sammlung nach seinem Projekt in die Hand nehmen soll. Der Antrag
wurde angenommen. Bedeutsam waren die Ausführungen von Prof. Davis-
Cambridge, Mass., des Austanschprofessors für Berlin im kommenden Winter
für P e n c k , über praktische Aufgaben in der physikalischen Geographie mit
besonderer Anwendung auf den Schulunterricht. An der Hand von Licht-
— 165 —
bildern wurde gezeigt, wie sich eine bessere Gewinnimg von geographischen,
besonders morphologischen Begriffen ermöglichen läßt. Redner führt eine
Axt schematische Bilder vor, die dem Schüler ein besseres Verständnis für
die Entstehung von Landschaftsformen vor Augen führen. Der Aufbau der
Gebirgslandschaft kommt darin deutlicher zur Wiedergabe, ebenso lassen sich
Entstehung und Lauf der Flüsse besser erkennen. Zu diesem Vortrag, der leider
durch den geräuschvoll arbeitenden Projektionsapparat sehr gestört wurde,
hatte Sektion XII von Sektion II eine Einladung erhalten.
In den Vorträgen der Sektion III für Vulkanismus und Seis-
mologie gelangten hauptsächlich Erörterungen über den Mechanismus der
Vulkantätigkeit und über Vulkantheorien zur Verhandlung, so z. B. wurden
von Niermeyer-Haag einige Vulkane Ostindiens besprochen, sowie topo-
graphische Aufnahmen der Vulkane von Niederländisch-Indien. Prof. PI a tania
aus Arcireale-Sizilien zeigte in selbst aufgenommenen kinematographischen
Vorführungen die einzelnen Phasen des Ausbruchs des Vulkans auf Stromboli
aus dem Jahre 1887.
Vorwiegend seismologischen Charakter trugen die Vorträge von
R u d 0 1 p h - Straßburg über die Beziehungen zwischen den tektonischen und
seismischen Verhältnissen Ost-Asiens, sowie über die großen Meerestiefen,
femer von Prof. G e r 1 a n d , der den Atlantischen und den Pazifischen Ozean
hinsichtlich ihres seismischen Verhaltens einer interessanten Betrachtung
unterzog. Prof. Forel besprach die Organisation und die Arbeiten der
internationalen seismologischen Vereinigung, worauf ein Glückwunschschreiben
an Prof. Gerland, den Vorsitzenden und Begründer dieser Gesellschaft,
gerichtet wurde.
Ganz besonderes Interesse nahmen in der Sektion IV für Gletscher-
kunde die Auseinandersetzungen über die verschiedenen Theorien über die
Ausgestaltung der alpinen Landschaften in Anspruch, die in einer gemein-
samen Sitzung der Sektion II und IV im Athen^e stattfanden. Zwei An-
sichten stehen sich einander gegenüber. Prof. P e n c k und Brückner sind
durch ihre Untersuchungen der Eiszeitspuren im gesamten Alpengebiet zum
Resultat gelangt, daß in den Alpen die glazialen Züge durchaus vorherrschen,
während andere, wie Prof. B r u n h e s - Freiburg, dem subglazial fließenden
Wasser die Hauptarbeit zuschreiben, weniger dem Eise selbst ; ähnlich führt
auch Kilian-Grenoble die Bildung der Alpentäler hauptsächlich auf Fluß-
erosion während der Interglazialzeiten zurück. Nach einem vortrefflichen,
von lehrreichen Aufnahmen von Alpentälem und Gletschern im Lichtbilde
erläuterten Vortrage Brückners über die glazialen Züge im Antlitz der
Alpen, in dem Redner besonders die übereinstimmenden Gesichtspunkte
beider Richtungen hervorhob, pflichtete die Versammlung seiner und Pencks
These bei. Eine wesentliche Stärkung hatte sie durch die kürzlich
erfolgte Katastrophe am Lötschberg erfahren, über welche Prof. Früh-
Zürich ausführlicher berichtete. Hier war man, wie bekannt, nachdem zu-
erst in dem Tunnel vom Kandersteg aus festes Gestein durchbohrt war, auf
Sandmassen gestoßen, welche sich in einem von. einem früheren Gletscher
gebildeten Troge vorfanden und durch ihren Einsturz das furchtbare Unglück
herbeiführten.
— 166 —
Von weiteren Vorträgen seien noch hervorgehoben die Beitoäge Ton
Prof. G r e i m - Darmstadt zum Wasserhaushalt und zur Thermik der Gletscher-
bäche, zu deren genaueren Bestimmung der Redner zahlreiche Einzelunter-
suchungen empfahl. Jacob- Grenoble besprach seine Glazialforschungen im
Pelvouxmassiy in der Dauphin^, die hauptsächlich dem Studium der Aus-
dehnung der Gletscher galten. Über die Struktur des Eises verbreitete sich
Hamberg-Upsala an der Hand instruktiver Lichtbilder, von Loczy-
Budapest machte au! die Beziehungen zwischen den drei hohen Gletscher-
terrassen und den drei Flußterrassen an der mittleren Donau und auf die
tiefen Auskolkungen im Kazan-Paß (bis zu 75 m) aufmerksam.
In der Sektion V für Hydrographie eröffnete Forel die Ver-
handlungen mit einem Vortrage über den Ursprung der Fische im L^man.
Er stellt die Frage, wie sich die Besiedelung des Sees als eines geschlos-
senen Beckens vollzogen hat. Heute zählt man in ihm ungefähr 40 ver-
schiedene Arten von Fischen. Es ist anzunehmen, daß in postglazialer Zeit
zwischen dem Neuenburger See und dem Löman eine Verbindung durch
einen Wasserlauf bestanden hat, der von Norden nach Süden floß. Unter-
suchungen über die Temperaturverhältnisse alpiner Seen mit besonderem
Hinweis auf die Wichtigkeit ihrer Zu- und Abflüsse (Brückner), über
Niveauschwankungen in asiatischen Seen (Schokalsky, Markow -Peters-
burg und von Loczy), sowie über Verdunstungsseen, wie der Tschad-See
und Kondensations-Seen, wie Baikal-See (Woeikof) behandelten einige
andere Vorträge derselben Sektion.
Einen bedeutsamen Vortrag in der Sektion VI für Ozeanographie
hielt der Abteilungsvorsteher bei der deutschen Seewarte in Hamburg, Prof.
Schott, über neuere ozeanographische Arbeiten der kaiserlich deutschen
Marine, insbesondere der Seewartc. In dem Arbeitsplan der deutschen See-
warte hat sich mit der Zeit eine vollständige Verschiebung der geographischen
Verteilung des Beobachtungsmaterials herausgebildet, veranlaßt durch die
Abnahme der Segelschiffahrt und die jährliche Zunahme der Dampfschiffahrt,
sowie die dadurch bedingte Veränderung der SchiSsrouten. Eine Folge dieser
Veränderung ist ^190ö die Herausgabe des Dampferhandbuches für den Atlan-
tischen Ozean gewesen, welches für den Dampfer dieselbe Bedeutung hat,
wie das Segelhandbuch für den Segler. Die deutsche Marine, besonders die
Seewarte, arbeitet seit Jahren an der Herstellung einer grundlegenden karto-
grapischen und tabellarischen Beschreibung der Strömungen des Indischen
Ozeans und wird bei dieser großen Arbeit, die in zwei bis drei Jahren voll-
endet sein wird, unterstützt durch das Kgl. Niederländische Meteorologische
Institut in De Bildt. Als „kleine Vorarbeit" legt der Redner den Atlas der
Stromversetzungen auf den wichtigsten Dampferwegen im Indischen Ozean
und in den ostasiatischen Gewässern vor; ebenso eine andere bedeutsame
Arbeit der Seewarte, die aus 13 Blättern bestehenden Monatskarten für den
Indischen Ozean : sie sind erst vor kurzem erschienen. In diesen Monatskarten
erhält die Schiffahrt für die monsunreichen indischen, australischen und ost-
asiatischen Meere ein vorzügliches kartographisches Bild von den zu erwar-
tenden Wind-, Wetter- und Stromverhältnissen. Ähnliche Schiffahrtskarten
haben bekanntlich die Engländer für den nordatlantischen und nordpaziflschen
— 167 —
Ozean bereits seit geraumer Zeit angefertigt. Von den jüngsten üntemeh-
mnngen der Marine sei hier genannt die Tiefsee-Expedition des „Planet''
1906 — 1907, die um das Kap der Outen Hoffnung herumging, über deren
Hauptergebnisse im Anschluß an die Ausführungen Schotts Dr. Brennecke
einen instruktiven Vortrag hielt. Qeplant ist femer die Entsendung des
Vermessungsschiffes .Möwe'' nach dem Kap Hom. Außerdem werden auf
einem Hamburger Segelschiffe Untersuchungen über die regionalen Unterschiede
in der Verdunstungsgröße des Meerwassers festgestellt werden . Vinciguerra-
Rom betonte die Notwendigkeit der Erforschung des Mittelmeeres, besonders
im Interesse des Fischfanges. Pettersson zugleich im Namen von Schott
verlangte das Gleiche für den Atlantischen Ozean in physikalischer und
biologischer Hinsicht. Beide schlugen die Einsetzung internationaler Kom-
missionen vor, insbesondere mit der Aufgabe, ein genaues Arbeitsprogramm
auszuarbeiten.
In der Sektion VII für Meteorologie legte Maurer- Zürich die
neue Kegenkarte der Schweiz vor mit den Erhebungen von 1864 — 1903, als
Ergänzung der B i 1 1 w i 1 1 e r sehen Karte von 1893 ; P o 1 i s - Aachen behandelte
die Wanderung barometrischer Hoch- und Tiefdruckgebiete vom Atlan-
tischen Ozean nach Europa; R. Qauticr-Genf sprach über die Beobach-
tungen am Großen St.-Bcrnhard , eine der längsten Beobachtungsreihen, die
wir aus Hochregionen besitzen ; Prof. H e 1 1 m a n n erläuterte ein neues Ver-
fahren, die Regenmenge an einem bestimmten Orte zu schätzen.
In der Sektion VIII für Biologie sprach Keller- Zürich über die
Verteilung früherer Rassen unter unseren Haustieren. Redner hat auf den
Balcaren windspielartige Hunde entdeckt, wie sie auf ägyptischen Denkmälern
vorkommen, und die man für ausgestorben hielt. Die Erhaltung dieser Rasse
in dem Urzustand schreibt er den auf den Balearen massenhaft vorkommenden
Kaninchen zu, von denen die Hunde sich nähren. Wahrscheinlich sind sie
von Karthago eingeführt worden. Chodat-Genf behandelte die Flora von
Paraguay; sie macht im allgemeinen einen einförmigen Eindruck. Haupt-
sächlich findet man Uferwälder. Campos und Moorstriche. Es ist ein Gemisch
von brasilianischen, argentinischen und andinischen Formen. Die Flora von
Madagaskar hat Hoch reu tiner-Genf eingehend studiert. Alle die neuen,
von ihm entdeckten Arten zeigen ostasiatische und südafrikaniche Formen.
Drei Perioden lassen sich für ihre Einführung auf der Insel unterscheiden:
die älteste, eine asiatische; die zweite geht von Afrika aus, und die gegen-
wärtige dritte beruht auf Strömungen, welche aus dem äußersten Osten
Früchte und Samen, die ein längeres Verweilen im Seewasser vertragen, der
Insel zuführen. Das Vorkommen des von ihm in Australien entdeckten
Affenbrotbaumes führt Redner auf die gleiche Ursache zurück.
Viele für die Sektion IX für An th ropologie und Ethnographie
angemeldete Redner hatten diese im Stich gelassen, dafür waren die wenigen
Vorträge um so interessanter. Prof. Lenz-Prag trug vor über die Juden
in Abessinien und Marokko. In beiden Staaten finden sich zerstreut alte
jüdische Gemeinden. In Abessinien heißen sie Falachas, in Nordafrika His-
paniolen. Der Ursprung der Falachas läßt sich bis vor Christus zurückführen ; ihre
Zahl dürfte 20 000—30 000 Köpfe nicht überschreiten. Seit dem 4. Jahrhundert
— 168 —
haben sie das monophysitische Christentum angenommen, aber viele jüdische
Qebräuche beibehalten. Hebräisch ist ihnen unbekannt, ihre Lage unter den
Abessiniem erträglich. Die Hispaniolen in Nordafrika sind in einer Starke
Yon etwa 150 000 Seelen durch das ganze Land bis weit in die Sahara hinein
zerstreut. Sie wurden durch die Römer, denen sie als Sklaven dienten, nach
Nordafrika verpflanzt und erhielten später bedeutenden Zuzug durch Glaubens-
genossen, welche von den Arabern aus Spanien vertrieben wurden, sodann
von Flüchtlingen, welche infolge der Inquisition aus ihrer Heimat auswanderten.
Heute spielen die Hispaniolen infolge ihres ausgeprägten Geschäftssinnes im
Wirtschaftsleben Nordafrikas eine große Rolle.
Einen sehr eindrucksvollen Vortrag hielt Prof. Cholnocky- Klausen-
burg über die Einwanderungen in Zentral-Asien und die Völkerwanderungen
auf Grund vieljähriger Forschungen in Zentralasien und China. Zentralasien
hat in den frühen Zeiten seiner künstlichen Bewässerung ungeheure Gebiete
in Ackerland verwandelt und einem hochkultivierten bunten Völkergemisch
in diesen Oasen Mittel zu seinem Unterhalt gewährt. Mit der Zeit sammelten
sich in diesen Oasen immer mehr Menschen, die Ansiedelungen wurden größer,
das Wasser kostbar. Trat in der regelmäßigen Wasserzufuhr eine Stockung
ein, durch klimatische Verschiebungen oder Verminderung der jährlichen Regen-
menge, so blieb der Rückschlag auf die Bodenbebauung nicht aus. Sie ließ
nach und hatte die Aufgabe des Landes zur Folge. Man wanderte zuerst in
kleiner Zahl, die nach und nach größer wurde, schließlich wuchs sich die
Bewegung zu Völkerwanderungen aus. Nicht plötzlich ging so ein Auszug
vor sich, auch nicht infolge von Angriffen von räuberischen Nomadenstämmen,
sondern wie Stein und LeCoq festgestellt haben, wohl vorbereitet und
planmäßig. Daher finden wir heute in den verlassenen Ruinenstätten Zentral-
asiens mit ihren üeberresten ehemals großartiger Bewässerungsanlagen nichts
Wertvolles, nur zerbrochene und andere unbrauchbare Gegenstände.
Auf solche Weise ist nach Ansicht des Redners die Einwanderung der
Chinesen nach China erfolgt. Die Chinesen haben sich keine eigene Kultur
zugelegt, sondern, wie es oft in der Weltgeschichte der Fall gewesen ist, die
Kultur des von ihnen unterworfenen autochthonen Volkes angenommen. Zum
Beweis für seine Behauptung führt Redner die vielfache Verwendung des
Bambus in der chinesischen Architektur und Kunst an. Der Bambus fehlte
aber vollständig in den Gebieten, aus denen die Chinesen früher herkamen.
Seine Heimat ist Südchina, wo er im täglichen Leben der Bewohner eine
große Rolle spielt. In der lebhaften Diskussion, die sich an diesen Vortrag
anschloß, machte Dr. Wegen er-Berlin auf ähnliche, durch klimatische Ver-
änderungen hervorgerufene Verhältnisse in Ceylon aufmerksam, wo in heute
unfruchtbaren und mit dichten Dschungeln bedeckten Gegenden große Be-
wässerungsanlagen gefunden worden sind, die auf eine starke Bevölkerungs-
dichte in früheren Jahrhunderten schließen lassen.
Einen erlesenen Genuß bot ein Vortrag von Frau Olga Julia Wegen er,
der Gattin des ebengenannten Forschungsreisenden, über altchinesische Malerei.
Seit Jahren mit dem Studium dieses für die Wissenschaft wie für die Kunst
fast unbekannt gebliebenen Gebietes beschäftigt, ist es Frau Wegener ge-
langen, nach Ueberwindung großer Schwierigkeiten auf mehreren Reisen in
— 169 —
China eine Sammlnng von nicht weniger als 600 alten wertvollen chinesischen
Bildern zusammenzubringen. Von diesen hatte die Frau Vortragende 15 der
kostbarsten Stücke zu einer kleinen Ausstellung vereinigt, die dem lichtvollen
Vortrage als Unterlage dienten und das Entzücken des zahlreich erschienenen
Publikums, besonders der anwesenden Sinologen, hervorriefen. Einzelne
Bilder dürfen in der Tat den Anspruch auf höchste künstlerische Schönheit
erheben, so z. B. ein Tiger, der mit durchaus realistischer Auffassung und
höchster Vollendung gemalt ist. Das Bild stammt aus der Zeit der Ming-
dynastie, welche von 1368—1644 regierte. Als das beste Stück ihrer Samm-
lung erklärte Rednerin selbst ein Bildnis, welches auf dunklem Hintergrunde
eine mit großer Feinheit gemalte Hühnerfamilie darstellt. Einige Landschafts-
bilder und Blumen stücke zeigten ebenfalls eine geniale Auffassung, desgleichen
verschiedene Frauenporträts, darunter das Bild der Qeliebten des Kaisers
Wangli, eine nackte Frauengestalt, welche von einem vollendet schön ge-
malten roten Schleier bedeckt ist, eine Seltenheit, da die chinesische Kunst
das Malen unbekleideter weiblicher Gestalten kaum kennt. Einige Bilder
stammen sogar aus dem frühen Mittelalter, aus der Zeit der Sungdynastie,
so ein mit außerordentlicher Lebendigkeit dargestellter Adler und Bär, die
durch große Linien ausgezeichnet sind. Wundervoll wirkt auf den Bildern
aus der Mingdynastie die Farbenpracht. Einige Bilder sind nicht gemalt,
sondern gewebt und vorzügliche Beispiele für die in den zartesten Farben
und der duftigsten Anfertigung arbeitende chinesische Webetechnik. Die
ganze Sammlung ist einzig in ihrer Art. Hoffentlich gelingt es, die kostbare
Sammlung dem Vaterlande zu erhalten. Wie wir hören, wird die königliche
Akademie der Künste zu Berlin in ihrem Palais am Pariser Platz die ganze
Sammlung im Dezember ds. Js. zur Ausstellung bringen.
Von den Vorträgen der Sektion X für Wirtschafts- und Sozial-
Geographie möge der Vortrag von. D a y - Washington über die Verteilung
des Petroleums hervorgehoben werden. Der Verbrauch des Petroleums steigt
stetig. Im letzten Jahre wurden allein in den Vereinigten Staaten 28000000
Tonnen gewonnen. Man pumpt jetzt Oel aus neuen Lagern in den Terri-
torien von Wyoming und Oklahoma, wobei große Verschwendung getrieben
wird. White (Amerika) und Heffer (Deutschland) haben ein neues, für
die Auffindung von Petroleumquellen wichtiges Verfahren gefunden. C 1 e r g e f -
Lyon sprach über die Rhoneschiffahrt, die Möglichkeit ihrer Verbesserung
für die Handelsbeziehungen zwischen dem Osten Frankreichs und Genfs durch
Anlegen von Flußhäfen, Werften und durch Angliederung der Rhone an
andere Verkehrswege.
In der Sektion XI für Forschungsreisen behandelten mehrere
Vorträge polare Fragen. Zunächst berichtete Locol nte-üccle über das
internationale Polarinstitut zu Brüssel, dessen Aufgabe hauptsächlich in der
Errichtung einer Bibliothek, welche die gesamte Polarliteratur umfaßt, be-
steht, der Gründung eines Museums und der Herausgabe einer internationalen
Zeitschrift polaren Inhalts. Bryant-New York brachte einen ''Bericht von
Bridgman-New York über die Geschichte und die Tätigkeit des „Peaiy-
Arctic-Club'^ zur Verlesung. Aus ihm geht hervor, daß der Klub bis jetzt
— 170 —
14 arktische Expeditionen fast allein aas eigenen Mitteln aasgerüstet hat
und aach die gegenwärtige unter Peary.
Kapitän Harfeid -Brüssel berichtete an der Hand von selbstange-
fertigten Karten über seine Reisen in der Provinz Honan in Mittelchina,
die hauptsächlich topographische, hydrographische und geologische Zwecke
verfolgten. Baron de Halot- Paris lenkte die Aufmerksamkeit der Zuhörer
auf die letzten Forschungen der Franzosen in Algier und Tunis und ihrem
Hinterland, in Französisch-Westafrika und dem Kongogebiet. Sie beweisen
die Unermüdlichkeit der Franzosen, die wissenschaftliche Erforschung ihrer
afrikanischen Besitzungen mit Erfolg durchzuführen. Leider stand nur dem
Redner, nicht aber den Zuhörern eine Karte zur Verfügung.
Einen vortrefflichen Vortrag hielt Dr. We gener über das Stromsystem
des Yangtse innerhalb Chinas und die chinesiche Binnenschiffahrt. Die Aus-
führungen des Redners decken sich meist mit dem Bericht über seine neueren
Reisen in Innerchina 1906—1907, den er im vorigen Jahre in unserem Verein
gehalten hat (vgl. S. 12ö f.), enthielten aber doch manches Neue, besonders
über den von dem Redner genau erforschten Kankiang-Fluß, einen von Süden
kommenden charakteristischen Nebenfluß des Yangtse.
Die Sektion XII für geographischen Unterricht beschäftigte
sich hauptsächlich mit der Frage der Verbesserung und Förderung des
geographischen Unterrichts in Elementar- und höheren Schulen, wobei be-
sonders kartographische Fragen mit Vorführung: neuer Apparate behandelt
wurden.
In der Sektion XIU für historische Geographie sprach de Lima-
Brüssel über die Verhandlungen seines Vaterlandes Brasilien mit sämtlichen
Nachbarstaaten über die Festsetzung seiner Grenzen. Gumma y Marti-
Barcelona nahm für die Spanier die Priorität der Entdeckung Koreas sehr
lebhaft in Anspruch, während sein portugiesischer Nachbar dcVasconcellos
darauf aufmerksam machte, daß ein Portugiese im 17. Jahrhundert zum
ersten Male die Straße durchfuhr, welcher Bering im folgenden Jahrhundert
seinen Namen gab. Mit historischer Kartographie beschäftigten sich zwei
Vorträge, der des ungarischen Grafen T e 1 e k i über alte spanische und portu-
giesische Karten von Japan, welche in einem Kartenwerk des Redners im
Oktober zur Veröffentlichung gelangen werden, und von L u i g i - Mailand, der
eine merkwürdige in der ambrosianischen Bibliothek in Mailand aufgefundene
chinesische Weltkarte zeigte, deren Verfasser zweifellos ein jesuitischer
Missionar war.
Beachtung verdienten auch die Verhandlungen der XIV. und letzten
Sektion, die sich mit allgemeinen Normen und geographischer Namen-
gebung befaßte. Ein Thema allerdings und gleich das erste war von
lokaler Bedeutung. Es handelte sich um die alte Frage, soll man Genfer
See oder Lac L6man sagen? Bekanntlich verlangen die Waadtländer
das letztere und wollen vom Lac de Gen^ve nichts wissen. Nach einem
längeren Vortrag von Roux- Genf, der die Frage historisch behandelte, entschied
sich die Yörsammlung mit 50 gegen 2 Stimmen dahin, daß beide Bezeichnungen
gleichberechtigt sein und zusammen auf den Karten angegeben werden sollen.
Um es gleich vorweg zu nehmen, auch die Delegierten- Versammlung hieß in
— 171 —
ihrer Schlußsitzniig diesen Beschluß gut, freilich nnr mit 21 gegen 18 Stimmen,
was wohl darin seinen Grund hatte, daß einige der angesehensten Mitglieder
des Kongresses sich der Abstimmung enthielten mit der Begründung, die Frage
scheine mehr nationalen als internationalen Charakters zu sein.
Richieri-Mailand besprach die Schwierigkeit der Einführung einer
einheitlichen Schreibweise geographischer Eigennamen und empfahl die Ein-
setzung einer internationalen Kommission, welche für den nächsten Kongreß
einen Bericht vorbereiten soll. Auch dieser Antrag wurde Yon den Delegierten
genehmigt. Graf Fleurieu-Paris regte die Wiedereinsetzung der von den
Entdeckern gegebenen ursprünglichen Namen an. Auch diesem Verlangen trug
später die Delegiertenversammlung Rechnung mit den Beschluß, die alten
Namen sollten da, wo sie noch üblich seien, in Zukunft beibehalten werden.
0 1 u f 8 e n - Kopenhagen unterbreitete Vorschläge einer besseren und
engeren Verbindung unter den geographischen Gesellschaften, zu welchem
Zwecke er die Bildung eines Komitees beantragte, das, aus den General-
sekretären der Gesellschaften in Berlin, Genf, Kopenhagen, London, New
York, Madrid, Paris und Rom bestehend, ein über die ganze Welt verbreitetes
Komitee vorbereiten soll. Auch diesem Antrag wurde in der Delegierten-
versammlung stattgegeben.
Zur endgültigen Beschlußfassung über die auf dem Kongreß gestellten
Anträge trat die inzwischen stark zusammengeschmolzene Delegiertenversamm-
lung am letzten Verhandlungstage , Donnerstag den G.August, noch einmal
zusammen.
Angenommen wurden die Anträge der Kommission für die Erdkarte in
neun Artikeln, desgleichen die Vorschläge zur Bildung einer internationalen
kartographischen Vereinigung nebst der Herausgabe eines graphischen
Kartenrepertoriums. Auch der Antrag Roncaglis auf Einsetzung eines inter-
nationalen geographischen Bureaus zur Auskunfterteilung in geographischen
Fragen im Interesse des Handels fand Genehmigung. Ebenso stimmte die
Versammlung dem Antrage Lecointes zu, die Regierungen zu einer wohl-
wollenden Prüfung der Frage des Anschlusses an die internationale Polar-
kommission zu bewegen. Desgleichen sollen die einzelnen Regierungen für
die Wiederherstellung des alten Kartenmaterials aus dem Mittelalter und der
Renaissancezeit gewonnen werden.
Von den Sektionsanträgen wurden u. a. angenommen der Antrag der
Stundenbezeichnung von 0 bis 24, d. h. von Mittemacht zu Mitternacht;
femer sollen die Regierungen ersucht werden, die drahtlose Telegraphie
für geographische , astronomische Zwecke und diejenigen der Schiffahrt in den
Dienst der Allgemeinheit zu stellen. Zur Erforschung des Atlantischen Ozeans
und des Mittelmeeres wurden besondere Kommissionen eingesetzt, die aus
den hervorragendsten Ozeanologen und den Direktoren der Observatorien der
in Betracht kommenden Länder bestehen sollen unter dem Vorsitz des Fürsten
Albert von Monaco. Eine besondere Kommission hat sich mit der Förderang
des Fischfanges im Mittelmeer zu beschäftigen, eine andere mit der Schreibweise
geographischer Eigennamen, einer dritten wird die Schaffung eines Atlanten
für Reliefforaien überwiesen. Über das Schicksal der übrigen bemerkens-
— 172 —
werteren Antr&ge ist bei den einzelnen SektionsTerhandlongen bereits be-
richtet worden.
Damit war die wissenschaftliche Tätigkeit der Genfer Tagung erschöpft.
Wie man sieht, hat der Kongreß fleißig gearbeitet and Tttchtiges geleistet.
Vor allem sind heryorzuheben die hocherfreuliche Förderung der Weltkarte
und die Klärung der Ansichten auf dem Gebiete der Glazialforschung. Erfreu-
liche Aussichten verheißt ein gemeinsames Zusammenarbeiten auf den Gebieten
der Meereskunde und der Kartographie und der polaren Forschung , und doch,
weniger wäre mehr gewesen. Es wird die Aufgabe des nächsten Kongresses
sein, auf eine stärkere und zweckmäßigere Konzentration der Arbeit durch
eine sorgfältige Sichtung der angemeldeten Vorträge und ihre rechtzeitige
Veröffentlichung hinzuwirken. Nicht zum wenigsten bedarf die Organisation
des Delegiertenwesens, aus dem sich manche Mißstände ergeben haben, einer
gründlichen Umgestaltung.
Die wissenschaftlichen Ausflüge, die dem Kongreß vorangingen oder
sich ihm anschlössen und sich über die ganze Schweiz erstreckten, verfolgten
hauptsächlich morphologische und besonders glazialmorphologische Zwecke.
Zum Schluß wollen wir dankbar auf die festlichen Veranstaltungen
hinweisen, welche geeignet waren, den Kongressisten den Aufenthalt in der
schönen Stadt angenehm zu machen. Von ihnen seien besonders hervorgehoben
die Empfänge in den herrlichen Landsitzen der gastlichen Familien Bertrand
und L. Gautier, sowie der Empfang durch die kantonalen Behörden im
Parke des Musöe Ariana, vor allem aber die vom schönsten Sonnenschein
begleitete prächtige Rundfahrt auf dem See mit dem entzückenden
Aufenthalt in Montreux, Veranstaltungen, die den Teilnehmern unvergeßlich
bleiben werden.
••>
Geschüftliche Alitteilungen.
Bericht über die Tätigkeit des Vereins
Yom l. Oktober 1906 bis zum 30. September 1908.
Im VereinsYorstande und in der Ämterverteilung
innerhalb desselben traten in den abgelaufenen Geschäftsjahren
mehrfache Veränderangen ein. Vor allem müssen wir dem lebhaften
Bedauern Ausdruck geben, daß Herr Geheimer Konsistorialrat
Professor Dr. Ebrard sich mit Rücksicht auf seinen Gesund-
heitszustand gezwungen sah, das Amt des Vorsitzenden nieder-
zulegen und bis zu seiner völligen Wiederherstellung einstweilen
ganz aus dem Vorstande auszuscheiden. Indem wir auch an dieser
Stelle den besten Wünschen für seine baldige Genesung und
der Hoffnung eines seinerzeitigen Wiedereintrittes des um die
Entwickelung unseres Vereins so hochverdienten Mannes, der
25 Jahre hindurch die Seele des Vereins gewesen ist, Ausdruck
geben, verbinden wir damit den herzlichsten Dank für die
unablässige und hingebende Mühewaltung des Heriii Geheimrats
Ebrard, durch die der Verein nach allen Richtungen gefördert
und auf eine früher nie geahnte Höhe gebracht wurde.
Gleichfalls aus Gesundheitsrücksichten sah sich unser
hochverehrter Freund Herr Franz Rücker veranlaßt, von
seinem Vorstandsamt zurückzutreten , das er 16 Jahre hindurch
mit regstem Eifer und lebhafter Betätigung für die praktischen
Bedürfnisse und Interessen des Vereins verwaltet hatte. Unsere
Hoffnung auf allmähliche Genesung ging leider nicht in Erfüllung,
am 11. Mai 1908 erlag er seinem langjährigen Leiden. Als ein
schwaches Zeichen unserer Verehrung haben wir mit dankbaren
Worten eine Kranzspende an seiner Bahre niedergelegt.
Neu traten in den Vorstand ein die Herren Privatier
Eugen Grumbach-Mallebrein und Kaufmann Friedrich
Wilhelm Lejeune. Das Amt des Vorsitzenden übernahm Herr
- 176 —
Geheimer Justizrat Dr. Adolf von Harnier, das des stell-
vertretenden Vorsitzenden Herr Hofrat Dr. Hagen, die übrigen
Vereinsämter blieben bei ihren seitherigen Trägern.
In den beiden Wintern 1906/07 und 1907/08 wurden
zusammen 34 Vorträge gehalten, von denen der erste am 24. Ok-
tober 1906, der letzte am 12. März 1908 stattfand. Wie in
den vorhergehenden Jahren hatten sie sich stets zahlreichen
Besuches zu erfreuen und waren fast sämtlich durch Lichtbilder,
zum Teil auch durch ethnographische Ausstellungen aus dem
städtischen Völkermuseum erläutert.
Über den Verlauf des siebzigsten Stiftungsfestes,
das der Verein am 12. Dezember 1906 in festlicher Weise beging,
ist, dem jetzigen Jahresbericht vorgreifend, bereits in dem vorher-
gehenden berichtet worden.
Die Anzahl der ordentlichen M i t g 1 i e d e r , die bei Abschluß
des letzten Jahresberichts 646 betragen hatte, verminderte sich
durch Tod und Austritt um 49, dagegen traten ö4 neue Mit-
glieder ein, sodaß sie sich gegenwärtig auf 651 beläuft. Korrespon-
dierende Mitglieder zählt der Verein 11 (gegen 8 im Vorjahre),
Ehrenmitglieder 45 (gegen 42), sodaß die Gesamtzahl aller
seiner Mitglieder 707 (gegen 696) beträgt.
Durch den Tod verlor der Verein seine Ehrenmitglieder
den geheimen Regierungsrat Professor a. D. Dr. Alfred Kirch-
hoff, Ehrenvorsitzenden des Vereins für Erdkunde zu Halle
(gestorben am 8. Februar 1907 zu Mockau bei Leipzig), den
geheimen Regierungsrat und ordentlichen Honorar -Professor
an der Universität Berlin Dr. Richard B o e c k h , vormals Direktor
des Statistischen Amts der Stadt Berlin (gestorben am 5. De-
zember 1907 in Grunewald bei Berlin) und den kaiserlichen
Admiralitätsrat und Abteilungsvorstand der Seewarte in Hamburg
Karl Koldewey (gestorben daselbst am 18. Mai 1908). Im
Kreise seiner ordentlichen Mitglieder hatte der Verein insbe-
sondere den Verlust seines früheren Vorstandsmitgliedes, des
Herrn Professors Dr. Franz Hof 1er zu beklagen, der am 18. Juli
1907 einem längeren Leiden dahier erlag. Seit vielen Jahren
Mitglied des Vereins und 6 arbeitsreiche Jahre dem Vorstand
als Generalsekretär angehörig, hat Herr Professor Höfler in
verdienstvoller Weise die Bestrebungen des Vereins gefördert.
Am 9. Dezember 1907 wurde uns durch den Tod ein anderes
— 177 —
langjähriges Mitglied entrissen, der unserem Verein stets reges
Interesse entgegenbrachte, Seine Exzellenz wirklicher geheimer
Rat, Professor D. Dr. Moritz Schmidt-Metzler. Besonderen
Dank schulden wir ihm für die Bereitwilligkeit, mit der er
bei feierlichen Anlässen, zusammen mit den übrigen bei dem
Senckenbergianum vereinigten Gesellschaften auch unseren
Verein vertrat. Auch dieser Verstorbenen, an deren Bahre der
Vorstand eine Kranzspende niederlegte, werden wir stets in
Dankbarkeit gedenken.
Den Ehrenmitgliedern des Vereins, Herrn Professor Dr.
Georg Schweinfurth, der am 29. Dezember 1906 seinen
siebzigsten Geburtstag feierte, sowie Herrn Präsidenten Dr. Emil
Blenck, wirklichem geheimen Oberregierungsrat und Direktor
des Königl. Preußischen Statistischen Landesamts, der am
23. September 1907 sein 50jähriges Dienstjubiläum beging, sandte
der Verein telegraphisch seine herzlichsten Glückwünsche; des-
gleichen sprachen wir unserem Ehrenmitgliede und treuem Freunde
Herrn Professor Dr. Siegmund Günther-München zu seinem
sechzigsten Geburtstage am 6. Februar 1908 unsere herzlichste
Gratulation aus und ebenso unserem langjährigen Mitgliede Herrn
Major a. D. Professor Dr. Lukas von Heyden zu seinem
siebzigsten Geburtstage am 22. Mai 1908.
Bei der feierlichen Einweihung des Jügelhauses, des neuen
Auditoriengebäudes der Akademie für Sozial- und Handels-
wissenschaften, am 21. Oktober 1906, an der der Verein auf
Einladung der Verwaltung der C. C. Jügelstiftung und des
großen Rates der Akademie teilnahm, ferner bei der Eröffnung
des neuen Museums der Senckenbergischen Naturforschenden
Gesellschaft am 13. Oktober 1907 überbrachte Exzellenz
Schmidt- Metzler die Glückwünsche der bei dem Sencken-
bergianum vereinigten Vereine, also auch unseres Vereins.
Vom Vorstand nahmen mehrere Herren an diesen Feiern teil,
ebenso auch an der Einweihung des neuen Bürgerhospitals an
der Nibelungen- Allee am 18. August 1907, ferner an dem
fünfzigsten Stiftungstage des Vereins für Geschichte und Alter-
tumskunde am 17. Oktober 1907, der Feier der Eröffnung des
neuen Institutsgebäudes des Physikalischen Vereines am 11. Ja-
nuar 1908, bei welcher Herr Professor Dr. Knoblauch für
die wissenschaftlichen Vereine Frankfurts sprach, der Ein-
12
— 178 —
weihungsfeier des Neubaues des Kaufmännischen Vereins am
11. April 1908, ferner an den Feierlichkeiten der Handelskammer
aus Anlaß ihres 100 jährigen Jubiläums am 7. und 8. Mai 1908
und an der Einweihung der neuen Anatomie am 2. Juli 1908
auf Einladung der Dr. Senckenbergischen Stiftungs-Administration.
Desgleichen beteiligte sich der Verein auf Einladung der
ebengenannten Administration an der Feier des zweihundertsten
Geburtstages von Dr. Johann Christian Senckenberg und
der damit verbundenen Einweihung des neuen Senckenber-
gischen Bibliotheksgebäudes am 18. Februar 1907, bei
welcher Gelegenheit Herr Geheimer Justizrat Dr. von Harnier
der Administration die Glückwünsche des Vereins aussprach und
namens desselben gleichwie andere hiesige Gesellschaften eine
Ehrengabe zur Vervollständigung der im Besitze der Administration
befindlichen und in den letzten Jahren entstandenen Bilder-
sammlung hervorragender Frankfurter Ärzte und Naturforscher
aberreichte. Wir unsererseits hatten ein Porträt Eduard
Rüppells gewählt, eine vortreffliche, von dem Frankfurter
Maler Hermann Kruse angefertigte Kopie nach dem Original
im Städelschen Institut, gemalt von Georg Hom.
Einladungen erhielten wir ferner von der k. k. Geogra-
phischen Gesellschaft zu Wien, die am 15. Dezember
1906 die Feier ihres fünzigjährigen Bestehens beging, bei wel-
cher unser langjähriges Ehrenmitglied Herr Dr. Julius Ritter
von Payer-Wien die Freundlichkeit hatte, uns zu vertreten,
sodann von der Geographischen Gesellschaft zu Lü-
beck anläßlich ihres fünf undzwanzigjährigen Stiftungsfestes und
der Geographischen Gesellschaft zu Genf, die am
27. März 1908 ihr fünfzigjähriges Bestehen festlich beging.
Beiden letzteren übersandten wir auf telegraphischem Wege
unsere Glückwünsche, ebenso der Gesellschaft für Erd-
kunde zu Berlin zu ihrem achtzigsten Stiftungsfeste am
23. Mai 1908.
Am 30. Januar 1907 konnten wir zu unserer Freude die
geographischen Seminare der Nachbaruniversitäten von
Marburg, Gießen und zum Teil auch von Heidelberg in
der stattlichen Anzahl von siebzig Herren unter Führung der
Herren geheimer Regierungsrat Professor Dr. Fisch er- Mar-
burg, Professor Dr. S i e v e r s - Gießen und Privatdozent Dr. 0 e s t-
— 179 —
reich- Marbarg in unserer Stadt und in unserem Verein be-
grüßen. Nach einem gemeinsam eingenommenen Mittagessen
hielt unser stellvertretender Vorsitzender Herr Hof rat Dr. Hagen
den Gästen im Steinernen Hause als Vorbereitung für den Be-
such des Völkermuseums einen von Lichtbildern begleiteten Vor-
trag über die malaiische Rasse und den Entwicklungsgang der
malaiischen Kultur, deren Belegstücke darauf im Museum einer
eingehenden Besichtigung unterzogen wurden. Am Nachmittag
ging es sodann zu dem geographischen Semiuar der Akademie,
dessen praktische Einrichtung und reiche Sammlungen Herr Pro-
fessor Dr. Deck er t freundlichst erläuterte. Nach einem von der
gastlichen Familie Hagen in ihrer Wohnung liebenswürdigerweise
gespendeten Imbiß hörten die Herren zum Schluß am Abend in
unserem Vereinslokale den Vortrag von Professor Dr. Voelz-
k 0 w - Berlin über Madagaskar. Diesem Besuch war im Sommer
vorigen Jahres bereits ein Ausflug des Marburger Seminars
nach Frankfurt voraufgegangen, der dem Studium der geogra-
phischen Lage unserer Stadt und ihrer Entwicklung galt, bei
welcher Gelegenheit Herr Bibliothekar Dr. Traut den erläu-
ternden Vortrag übernommen hatte. Wir begrüßen es mit Genug-
tuung und Freude, daß durch diese Besuche, deren Wiederholung
in geregelten Zwischenräumen geplant ist, die freundschaftlichen
Beziehungen zwischen unseren Nachbaruniversitäten einer- und
unserer Stadt und den hiesigen wissenschaftlichen Instituten
anderseits immer enger geknüpft werden und erhoffen von
ihnen wechselseitige Belehrung und Förderung der von unserem
Verein gepflegten Bestrebungen auf dem Gebiete unserer geo-
graphischen Wissenschaft.
Auf dem XVI. Deutschen Geographentag, der in
der Pflngstwoche vom 20. bis 23. Mai 1907 in Nürnberg statt-
fand, sowie auf dem IX. Internationalen Geographen-
kongreß, der vom 27. Juli bis 6. August 1908 in Genf
tagte, war der Verein durch seinen Generalsekretär Herrn
Dr. Traut vertreten.^)
Zum Versand an die mit uns in regelmäßigem Tausch-
verkehr stehenden Behörden und Gesellschaften gelangten im
verflossenen Geschäftsjahre das Statistische Handbuch der Stadt
*) Bericht über die Genfer Tagung 8. Seite 154 ff.
12*
— 180 -
Frankfurt am Main, erste Ausgabe, enthaltend die Statistik bis
zum Jahre 1905/06, nebst Ergänzungsheft I.
Neuer Tauschverkehr wnrde angebahnt mit dem
deutsch-österreichischen Orientklub zn Wien, dem Ministöre des
Sciences et des arts : Administration de Penseignement supörieur
des Sciences et des lettres ä Bruxelles, dem Ethnological sur-
vey for the Philippine Islands zu Manila, der Kaiserlichen Leo-
poldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher zn Halle a.S.,
der Direccion general de Estadistica del Uruguay zu Montevideo,
der Connecticut academy of arts and sciences zu New Haven
und der Kaiser -Wilhelm -Bibliothek zu Posen. Die Gesamtzahl
der Tanschverbindungen beträgt zurzeit 244 (gegen 236).
Yorstand und Amteryerteiluiig,
(NMh dem Sund vom i. Oktober 1908.)
Vorstand.
Vorsitzender :
Dr. Adolf von Harnier, kgl. geheimer Justizrat und Rechts-
anwalt.
Stellvertretender Vorsitzender:
Dr. Bernhard Hagen, großherzoglich badischer Hofrat und
Leiter des städtischen Völkermnseums.
Oeneralsekretiir :
Dr. Hermann Traut, Bibliothekar an der Stadtbibliothek.
Erster Schriftführer:
Dr. Hermann Traut, Bibliothekar an der Stadt bibliothek.
Zweiter Schriftführer:
Rudolf Stern, Privatier.
Kassenführer:
August Rasor, Kaufmann.
Beisitzer:
Dr. Heinrich Bleicher, Professor und Stadtrat.
Dr. Emil Deckert, Professor an der Akademie für Sozial- und
Handelswissenschaften.
Dr. Theodor Demmer, praktischer Arzt.
Eugen Grumbach-Mallebrein, Privatier.
Dr. Alfred Fritsch, kgl. Amtsrichter.
Friedrich Wilhelm Lejeune, Kaufmann.
Wilhelm Rehmer, Privatier.
— 182 —
Yertreter des Vereins in der gemeinsamen Kommission fBr
die Dr. Sencltenbergische Bibliothek:
Dr. Friedrich ClemeDS Ebrard, kgl. gebeimer Konsistorialrat,
Professor und Direktor der Stadtbibliotbek.
Reyisoren.
Albeit Flersbeim, Kaufmann.
Pbilipp Heinz, Kaufmann.
Georg Völcker, Buchhändler.
Mitglieder-T erzeich nis.
(Nach dem Stand vom 1. Oktober 1908.)
I. Ordentliche Mitglieder.
Einilie Abresch, Rentnerin. 190G.
Dr. Franz A dickes, Oberbürgermeister und Mitglied des Herrenhauses. 1891.
Anton Ahrens, Bankbeamter. 1906.
August Albert, Architekt. 1897.
Heinrich Alten, Privatier. 1903.
Ferdinand Andreae, Kaufmann. 1903.
Philipp A n d r e a e , Kaufmann. 1907.
Frau Edgar Andreae-Grumbach. 1908.
Alhard Andreae-von Grunelius, Kaufmann. 1893.
Frau Elise Andreae-Lemm6, Privatiere. 1894.
Victor Andreae-Majer, Bankier. 1904.
Jean Andreae-Passavant, kgl. geheimer Kommerzienrat, Präsident der
Handelskammer, Direktor der Filiale der Bank für Handel und
Industrie und kgl. rumänischer Generalkonsul. 1893.
Richard Andreae-Petsch, Bankier. 1874.
Gottfried Andreas, Kaufmann. 1906.
Julius von Arand, Privatier. 1896.
Alexander Askenasy, Ingenieur. 1902.
Karl Auffarth, Buchhändler. 1898.
Julius Aurnhammer, Kaufmann. 1904.
Anton Baldus, Ingenieur. 1906.
Frau Marie Bansa geb. Winckler, Privatiere. 1880.
Joseph Baer, Stadtrat. 1897.
Max Baer, Bankier und kgl. Generalkonsul von Schweden und Norwegen. 1903.
Simon Leopold Baer, Buchhändler. 1882.
Dr. Karl Bardorff, praktischer Arzt. 1864.
Karl Th. B a r t h e 1 , Kaufmann. 1900.
Emma Baerwald, Direktorswitwe. 1907.
Jacob de Bary, kgl. geheimer Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1901.
Karl de Bary, Privatier. 1889.
Heinrich de Bary-Jeanrenaud, Bankier. 1888.
Heinrich de Bary-Osterrieth, Kaufmann. 1907.
— 184 —
Rudolf Baner, EaufmanD. 1907.
Robert Bau nach, Fabrikant. 1907.
Dr. Hans Becker, kgl. Amtsrichter. 1902.
Dr. Beckmann, kgl. geheimer Regierungsrat und Landrat in Usingen. 1900.
Frau Carl Behrends. 1906.
Robert Behrends, Ingenieur. 1898.
Frau Constanze Behrends-Hauck, Privatiere. 1907.
Karl Elias Behrendt, Privatier. 1897.
Heinrich Bernhard, Professor und Oberlehrer der Musterschule. 1908.
Eduard Beit, kgl. Kommerzienrat und Bankier. 1903.
Dr. Alexander Berg, Rechtsanwalt. 1904.
Heinrich Berg, Kunstgärtner. 1906.
Moritz Bern er, kgl. Major im 1. kurhessischen Inf.-Reg. No. 81. 1900.
Paul Oskar Bethge, Oberlehrer an der Humboldtschule. 1906.
Gustav Beyerbach, Fabrikant in Hattersheim. 1887.
Emil Bieber, Stadtbaumeister. 1908.
Konrad Bin ding, Privatier. 1903.
Ludwig Adolf Blascheck, Kaufmann. 1900.
Dr. Heinrich Bleicher, Professor und Stadtrat. 1890.
Ferdinand Bodesheim, Kaufmann . 1906.
Wilhelm B o e h m , kgl. geheimer Justizrat und Oberlandesgerichtsrat a. D. 1907.
Wilhelm B. B o n n , Bankier. 1886.
Karl Borgnis, Bankier. 1901.
Frl. Friederike Bourgignon, Privatiere. 1900.
Friedrich Braun, Opernsänger. 1908.
Otto Braunfels, kgl. geheimer Kommerzienrat, Bankier u. kgl. spanischer
Konsul. 1904.
Frl. Cl. Bremme. 1908.
Ferdinand Breuer, Kaufmann. 1906.
Otto Brockmann, städt. Landmesser. 1906.
Franz Brofft, Bauunternehmer. 1873. (f)
Richard Brück, kgl. Justizrat und Rechtsanwalt. 1906.
Max Bruder, Chemiker in Griesheim. 1907.
Dr. Julius B u r g h 0 1 d , Rechtsanwalt. 1899.
Adolf Freiherr von Büsing-d'Orville, Rentner. 1892.
Alfred Cahn, Bankproknrist. 1903.
Heinrich Cahn-Blumenthal, Bankier. 1903.
Hermann von Chappuis, kgl. Generalleutnant z. D., Exzellenz. 1901.
Carl Clemm, Privatier. 1906.
Franz Egon C 1 o 1 1 e n , Kaufmann und Ingenieur. 1901.
Frl. Collischonn. 1903.
Frau Maria Collischonn. 1906.
Karl Cr am er, Kaufmann. 1902.
Hermann Creutzer, Inspektor der Providentia. 1903.
Alfred Magnus Cristiani, Optiker. 1906.
Dr. Hugo C u e r 8 , Professor. 1903.
Dr. Dietrich Cunze, Fabrikbesitzer. 1890.
— 185 —
Theodor Carti, Direktor der Frankfurter Zeitung. 1904.
Gh)ttfried Danbe, Kaufmann. 1893.
Dr. Kurt Danbe, kgl. Sanitätsrat and praktischer Arzt. 1889.
Dr. Emil Decker t, Professor an der Akademie für Sozial- und Handels-
Wissenschaften. 1906.
Clemens Delkeskamp, Kaufmann. 1906.
Dr. Robert D e 1 o s e a , praktischer Arzt. 1877.
Dr. Theodor D e m m e r , praktischer Arzt. 1896.
Oskar von Deuster, Rentier. 1886.
Hugo Dicke, Direktor. 1907.
Carl Dickhaut, Kandidat des höheren Lehramts. 1906.
Richard Diener, Kaufmann. 1904.
Friedrich Dieterichs, Apotheker. 1900.
Heinrich D i e t z , Stadtrat a. D. 1907.
Hermann D i e t z e , Privatier. 1899.
Frau Elise Dilger, Privatiere. 1908.
Dr. Ernst Doctor, praktischer Arzt. 1903.
Karl Philipp Donner, Kaufmann. 1871.
Frau Helene Dorn, geb. Bartenstein, Landgerichtsdirektorswitwe. 1907.
William W. Drory, Direktor der Englischen Gasfabrik. 1874.
August Du Bois, Bankier und Konsul der Schweizerischen Eidgenossen-
schaft. 1888.
Dr. Friedrich Eben au, praktischer Arzt und Chefarzt der chirurgischen
Abteilung des Bürgerhospitals. 1893.
Friedrich Eckhard, Privatier. 1902.
Georg Egly-Manskopf, Kaufmann. 1903.
Stefan Ehr mann, Kaufmann. 1903.
Hermann von Eichhorn, kgl. General der Infanterie und kommandierender
General des XVIII. Armeekorps, Exzellenz. 1904.
Fritz Eisele, Architekt und Maler. 1903.
Leo Ellinger, Kaufmann. 1893.
Frau Alice Ellissen, geb. Heß, Privatiere. 1884.
Otto Engelhard, Fabrikant in Hofheim. 1906.
Frau Luise Engelhard-Fay, Privatiere. 1899.
Jakob Hermann Epstein, Kaufmann. 1879.
Wilhelm Freiherr von Erlanger in Niederingelheim. 1900.
G. Ern6, Bäckermeister. 1907.
Frau Josefine Etienne geb. Willemer, Privatiere. 1897.
Christian Ewald, Lehrer an der Weißfrauenschule. 1904.
Frau Emma Eyssen, Privatiere. 1906.
Remy Eyssen, Privatier. 1875.
Frau Alexandrine Eyssen-Du Bois, Privatiere. 1885.
Robert Falke, kgl. Militär-Oberpfarrer des XVIII. Armeekorps. 1906.
Frl. Victoria Favre, Privatiere. 1903.
Dr. Adolf Fester, kgl. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1903.
Frau Fides Fiedler-Kalb, Privatiere. 1903.
Robert Flauaus, Privatier. 1895.
— 186 —
Frau Cornelia Fleck geb. Kaiser, Amtsgerichtsrats witwe. 1904.
Albert Flersheim, Kaufmann. 1878.
Robert Flersheim, Kaufmann. 1871.
Wilhelm Flinsch, kgl. Kommerzienrat. 1890.
Gustav Flörsheim, Kaufmann. 1906.
Dr. Richard Fösser, kgl. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1882.
S. Valentin Franque, Kaufmann. 1907.
Wilhelm Franz, Schneidermeister. 1908.
Albert Frech, Kaufmann. 1906.
Frau Mina Frenzel, Privatiere in Eschersheim. 1904.
Dr. Eduard Fresenius. Apotheker. 1907.
Frl. Minna Fresenius, Privatiere. 1907.
Dr. Philipp Fresenius, Apotheker. 1875.
Dr. Peter Frey, Zahnarzt. 1900.
Richard F r i e d e r i c i , kgl. Landgerichtsrat. 1906.
Anna Friedleben-Martin, Doktorswitwe. 1906.
Heinrich Friedmann, Kaufmann. 1896.
Dr. Alfred Fritsch, kgl. Amtsrichter. 1893.
Frau Mathilde Fritsch geb. Eyssen, Sanitätsratswitwe. 1905.
Dr. Theodor von Fritzsche, Fabrikbesitzer. 1874.
Friedrich Fuchs, Kaufmann. 1906.
Konrad Fuchs, Kaufmann. 1901.
Franz Fuchs-Sie smay er, Kaufmann. 1906.
Karl Funck, Kaufmann. 1896.
Dr. Alfred Fürth, kgl. Landrichter. 1907.
Bruno Gabler, kgl. Landgerichtsrat. 1903.
Adolf Gans, Kaufmann. 1897.
Friedrich Gans, Fabrikbesitzer. 1888.
Dr. Leo Ludwig Gans, kgl. geheimer Kommerzienrat und Fabrikbesitzer. 1886.
Karl Geis, Lehrer. 1907.
Charles Gemmer, Privatier. 1904.
Dr. Eduard Gent seh, Oberlehrer am Wöhler-Realgymnasium. 1903.
Dr. Carl Ger lach, praktischer Arzt. 1906.
Moritz Getz. 1899.
Karl Gneist, kgl. Major im 1. kurhessischen Inf. -Reg. No. 81. 1899.
Harry Goldschmidt, beeidigter Wechselsensal. 1888.
Maximilian Freiherr von Goldschmidt- Rothschild, k. u. k. öster-
reichisch-ungarischer Generalkonsul. 1901.
Louis Greb, Architekt. 1903.
Ernst Grieser, Buchdruckereibesitzer. 1904.
Dr. Otto Groß, praktischer Arzt. 1904.
Dr. Friedrich Großmann, Oberlehrer an der Klinger-Oberrealschale. 1900.
Eugen Grumbach-Mallebrein, Privatier. 1902.
Konrad Grumbacli-Petsch, Privatier. 1903.
Adolf von Grunelius, Bankier. 1871.
Eduard von Grunelius, Bankier. 1871.
Max von Grunelius, Bankier. 1904.
— 187 —
Heinrich Gunsenheimer, kaiserl. Postdirektor. 1903.
Allred Günther, Architekt. 1901.
Frl. Helene Günther, Privatiere. 1895.
Karl Haack, Kaufmann. 1904.
Dr. Hermann Haag, kgl. Justizrat, Rechtsanwalt und Direktor der Frank-
furter Hypothekenbank. 1883.
Frau Luise Haag geb. Mettenheimer, Privatiere. 1904.
Dr. Justus Haeberlin, kgl. Justizrat und Rechtsanwalt. 1870.
Dr. Bernhard Hagen, großherzogl. badischer Hof rat und Leiter des städtischen
Völkermuseums. 1900.
Ferdinand Hahn. 1906.
Otto Hahn, Kaufmann. 1901.
Frau Regina Hahn-Goldschmidt. 1902.
Dr. Fritz Hallgarten, Chemiker. 1908.
Karl Hamburg, Privatier. 1900.
Dr. Karl Hamburger, kgl. geheimer Justizrat, Rechtsanwalt und Notar.
1871.
Philipp H an hart, Kaufmann. 1897.
Fritz Happel, Privatier. 1902.
Dr. Adolf Harbordt, kgl. Sanitätsrat, praktischer Arzt und Chefchirurg
des Hospitals zum heiligen Geist. 1895. (f)
Georg Harig, Kaufmann. 1906.
Dr. Adolf von Harnier, kgl. geheimer Justizrat und Rechtsanwalt 1882.
Dr. Eduard vonHarnier, kgl. geheimer Justizrat und Rechtsanwalt. 1871.
Eugen Hartmann-Kempf, Professor und Ingenieur. 1898.
Franz Hasslacher. Patentanwalt. 1880.
Alexander Hauck, Bankier. 1881.
Max Hauck, Bankier. 1901.
Otto Hauck-von Metzler, Bankier. 1893.
Robert Haurand, Kaufmann. 1907.
Dr. Ludwig Hecht, kgl. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1908.
Frau Johanna H e c h t e l geb. Schmidt, Privatiere. 1899.
Rudolf Heer dt, Direktor der Frankfurter Sparkasse. 1893.
Karl Heicke, städt. Gartendirektor 1905.
August Heimpel-Manskopf, Kaufmann. 1892.
Chrisostomus Wilhelm Heinrichs, Privatier, 1907.
Philipp Heinz, Kaufmann. 1879.
H. H e i s t e r , Kaufmann. 1903.
Heinrich Heitefuß, Kaulmann. 1904.
Frau Mina Held geb. Hausser, Privatiere. 1875.
Heinrich Ernst Hemmerich, kgl. Major a. D. 1892.
Wilhelm Hemmerich, kgl. Hauptmann und Kompagnie-Chef im 1. kurhea-
sischen Inf.-Reg. Nr. 81. 1902.
Felix von Herget, Kaufmann. 1906.
Karl Herrmann, kgl. Rechnungsrat. 1903.
Georg Her t zog, Privatier. 1902.
Karl Herzberg, Bankdirektor und Konsul der mexikanischen Republik. 1904.
— 188 —
Fraa L. Herzfeld. 1906.
Aag^st Heß, Apotheker. 1904.
Dr. Jakob Heinrich Heß, Chemiker in Qriesheiin. 1902.
Dr. Lucas von Hey den, kgl. Major a. D. und Professor. 1867.
Georg von Heyder, Privatier. 1891.
Arthar Heyne, stnd. phil. et cam. 1907.
August Hinkel, Ingenieur. 1902.
Hermann Hinüber, Lehrer. 1906.
Otto Hirsch, Kaufmann. 1906.
Dr. Raphael Hirsch, praktischer Arzt und Zahnarzt. 1903.
Heinrich Hisgen jun, Kaufmann. 1907.
Heinrich Hobrecht, Kaufmann. 1882.
Otto Höchberg, Kaufmann. 1877.
Zachary Hochschild, Direktor der Metallgesellschaft. 1893.
Dr. Ernst Uochstädter, Rechtsanwalt. 1906.
Willy Heinrich Hof er, Kaufmann. 1906.
Adolf Hoff, Kaufmann. 1903.
Alfred Hoff, Kaufmann und kgl. serbischer Vizekonsul. 1905.
Paul Hoffmann-Ebner, Fabrikant. 1884.
Dr. Moritz H o f m a n n , Rechtsanwalt. 1902.
Otto Hofmann, Rentier. 1906.
Richard Hof mann, Kaufmann. 1891.
Moritz Wilhelm Hohenemser, Bankier. 1901.
Frau von Holbach, Majorsgattin. 1906.
Georg Holtzwart, Kaufmann. 1903.
Hermann Holz, Kaufmann. 1903.
Wilhelm Holz, Kaufmann. 1903.
Leo Holz mann, Kursmakier. 1906.
Eugen Hoerle, Gutsbesitzer. 1908.
Philipp Alexander Julius Hoerle, Kaufmann. 1903.
Hans Hörn, Lehrer. 1906.
Georg Horstmann, Zeitungs Verleger. 1897.
Franz von Hoven, kgl. Baurat. 1906.
Frau Josephine Hüllstrung geb. Daberkow, Rentnerin. 1893.
Dr. Gustav Adolf Hu ms er, kgl. geheimer Justizrat, Rechtsanwalt und
Notar. 1871.
Adolf Hüttenbach, Kaufmann. 1903.
Heinrich Hüttenbach, Kaufmann. 1904.
Frau Susette Ihlee geb. Andreae, Privatiere. 1903.
Frau Marie Ihm geb. Rittner, Privatiere. 1898.
Leo Isaac, Bankier. 1903.
Frau Dr. H. Jacob i in Griesheim. 1906.
Norbert Jacobi, Ingenieur- und Bureauvorsteher des städtischen Elektrizi-
täts- und Bahnamtes. 1906.
Frau Sophie Jacobi geb. Borle, Privatiere. 1907.
Hermann Jacquet, Rentner. 1897.
Frau Karl Jacqaet, geb. Meyer, Privatiere. 1908.
— 189 —
Gnstay Jaf!6, Rechtsanwalt. 1903.
Dr. Tbeophil J a f f 6 , kgl. Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1898.
Fritz Jäger-Manskopf, Kaufmann. 1892.
Dr. August J a s 8 0 y , Apotheker. 1901.
Louis Jay, Rentner. 1901.
Frau Sophie C. Jay geb. Pickersgill, Rentnerin. 1901.
Heinrich August Jeanrenaud, Kaufmann. 1907.
Dr. Friedrich Jelkmann, Tierarzt I. Kl. 1900.
Dr. Oscar Jonas, Chemiker in Griesheim. 1903.
Frau L. M. Jordan de Rouville, Bankierswitwe. 1904.
Dr. Fritz Jucho, Kaufmann. 1903.
Dr. Heinrich Jucho, Notar. 1906.
Dr. Rudolf Jung, Professor und Direktor des Stadtarchivs. 1904.
Frau Emy Jung6 geb. Fritsch, Kaufmannswitwe. 1902.
Otto Junghanss, Fabrikbesitzer in Johannisberg im Rheingau. 1899
Eduard Jungmann, Kaufmann. 1896.
Gustav Junker, Direktor der Martins-Missionsanstalt. 1906.
Hermann Kahn, Kaufmann. 1871.
Richard Kahn-Freund, Fabrikant. 1900.
Julius Kahnweiler, Privatier. 1908.
Frau Klara Kalb geb. Faust, Privatiere. 1904.
Leonhard Kalb, Privatier. 1897.
Moritz Kalb, Privatier. 1902.
Bernhard Kamel, Kaufmann. 1894.
Kauffmann, Oberleutnant in Marburg a. d. Lahn. 1907.
Frau M. Kaysser, Privatiere. 1902.
August Keller, Buchhändler. 1901.
Otto Keller, Buchhändler. 1890.
Dipl.-Ing. Paul Kesten, Direktor der Zentrale für Bergwesen. 1908.
Frau Emma Kirchberg geb. Neubürger, Privatiere. 1903.
Raphael M. K i r c h h c i m , Bankier. 1903.
Dr. Simon Kirchheim, praktischer Arzt und Chefarzt des israelitischen
Gemeindehospitals. 1875.
Hermann Klee, Kaufmann. 1907.
Willi A. Klein, Kaufmann. 1904.
Jakob Klein-Hoff, Privatier. 1908
Karl K lim seh, Kunstmaler. 1904.
Jakob Kloos, Kaufmann. 1907.
Frl. Paula Klotz. 1903.
Fritz Knauer. 1904.
Jean Knauer, Buchdruckereibesitzer. 1886.
Hermann Knecht. 1906.
Louis Koch, Hof Juwelier. 1904.
Hermann Köhler, Bankier. 1897.
Karl Kohn, Direktor der Frankfurter Gasgesellschaft. 1903.
Karl Kolb, Kaufmann. 1879.
Adolf Kolligs, Kaufmann. 1906.
— 190 —
Heinrich Freiherr von KOnigswarter, Rentier. 1897.
Heinrich Königswerther, Kaufmann. 1907.
Emmeline K o n i d g geb. Reiser, Professorswitwe. 1906.
Oskar Könitzer, Privatier. 1902.
Frau AnDa Korn geb. Dollmann, Privatiere. 1903.
Jakob Kothe, Schreinereibesitzer. 1891.
Karl Kotzenberg, Kaufmann. 1903.
Joseph Kowarzik, Bildhaner. 1897.
Adolf Kr äfft, Kommerzienrat in Offenbach. 1903.
Georg Kranz, Privatier. 1906.
Dr. Alois Kraus, Professor, Oberlehrer an der städt. Handelslehranstalt
und Privatdozent an der Akademie für Sozial- und Handelswissen-
schaften. 1903.
Hermann Kreutzer, Privatier. 1906.
Frau Klara Kreuzberg. 1905.
Eduard Küchler jnn., Fabrikbesitzer in Rödelheim. 1903.
Eduard Küchler sen., Privatier. 1888.
Karl Küchler, Kaufmann. 1893.
Konrad Adolf Kugler, Kaufmann. 1906.
Karl Künkele, Kaufmann. 1901.
Dr. Friedrich Kurtz, praktischer Arzt. 1901.
Theodor Kurz, Kaufmann. 1906.
Frau Emma Kyritz geb. Hagen, Privatiere. 1899.
Alfred Kyritz-Drexel, Kaufmann. 1897.
August Ladenburg, Bankier. 1902.
Ernst Ladenburg, kgl. Kommerzienrat und Bankier. 1897.
Willy Lampe, Schneidermeister. 1901.
Frau Gabriele von Lang-Puchhof geb. Frei in von Reischacb, Rentnerin.
1901.
Karl Langenbach, Kaufmann. 1904.
Franz Lauth-Becker. 1903.
Alfred Lejeune, Kaufmann. 188Ö.
Friedrich Wilhelm Lejeune, Kaufmann. 1906.
Franz Lemm6, Kaufmann. 1903.
Toni Freiherr von Lersner, kgl. Amtsanwalt. 1906.
Georg Leschhorn, Privatier. 1890.
Dr. Maximilian Leuchs-Mack, kgl. Gerichtsassessor. 1907.
Adolf Levi, Kaufmann. 1906.
Leopold Levi, Kaufmann. 1907.
Philipp Leyerzapf, Lehrer in Langen. 1907.
Dr. Otto Lindenmeyer, Augenarzt. 1904.
Wilhelm Lind he im er, Domänenpächter. 1902.
Frl. Rosa Livingston, Privatiere. 1884.
Frau Anna L ö f f 1 e r geb. Rücker, Regicrungsratswitwe. 1902.
Frau Ludwig Lohmeyer, geh. Bauratsgattin. 1907.
Engelbert Loeninger, kgl. Polizeirat. 1907.
Frau Fritz Lorch. 1908.
— 191 —
Frau Luise L o r e y geb. Boeder, Doktorewitwe, Privatiere. 1906.
Hedwig Lösen er, Begierungsratswitwe. 1906.
Dr. Hago Lotz, kgl. Oerichtsassessor. 1903.
Adam Ludwig. Privatier. 1903.
Fraa Richard Ludwig. 1904.
Ferdinand Haas, Privatier. 1875.
Robert Mack, Kaufmann. 1894.
John M. Mackenzie, Kaufmann. 1902.
Johannes Magdalinski, Kaufmann. 1903.
Dr. Ernst Maier, praktischer Arzt. 1906.
Alexander Majer, Bankier. 1906.
Frau Helene Manskopf geb. Keßler, Bentneriu. 1874.
Heinrich Mappes, kgl. sächsischer Generalkonsul und Konsul von Rrasilien.
1888.
Gustav Marburg, Kaufmann. 1903.
Dr. Karl Marx, praktischer Arzt. 1906.
Alexander Matthes, Kaufmann. 1900.
Adam May, Fabrikant. 1890.
Dr. Franz May, Fabrikant. 1895.
Martin May, Fabrikant. 1884.
Bobert May, Kaufmann. 1893.
Lttdo Mayer, Fabrikbesitzer. 1904.
Frau Meister geb. Hauswald, Privatiere. 1904.
J. F. Meixner, Architekt. 1906.
Friedrich M eiber, Kaufmann und Konsul der chilenischen Bepublik. 1903
Dr. Wilhelm Merton. Kaufmann. 1888.
Julius Wilhelm Merz, Professor. 1899.
Theodor Mettenheim er -Breul, Kaufmann. 1901.
Kduard Metzener, kgl. geheimer Begierungsrat a. D. 1891.
Hugo Metz 1er, Bankier. 1900.
Karl Metzler. 1903.
Albert von Metzler, Bankier, Stadtrat u. kgl. bayrischer Generalkonsul.
Mitglied des Herrenhauses. 1893.
Dr. Paul Meyer, kgl. Oberregierungsrat. 1903.
Dr. Edward von Meyer, praktischer Arzt. 1907.
Eiiiil Michel-Speltz, Privatier. 190t).
Heinrich J. F. Minoprio, Bankier. 1903.
Franz Moldenhauer, Ingenieur. 1902.
Fritz Mönch, Kaufmann in Offenbach. 1892.
Eduard Morel, Kaufmann. 1884.
Wilhelm Mössinger, Kaufmann. 1906.
Frl. Helene Müller, Privatiere. 1885.
Frau Mina Müller. 1908.
Wilhelm Müller, Kaufmann. 1899.
Frau Susette MülIer-KoUigs, Bentiere. 1897.
Frau Emma Mumm von Schwarzenstein geb. Passavant. 1876.
Frl. Marie Mumm von Schwarzenstein, Privatiere. 1902.
— 192 —
Dr. Max Nassaaer, Chemiker. 1906.
Dr. Edmund Naumann, Geologe. 1899.
Andreas Neander, Kaufmann. 1903.
Ludwig Neher, kgl. Baurat. 1893.
Dr. Max Neißer, Professor und Mitglied des kgl. Instituts für experimen-
telle Therapie. 1903.
Richard Nestle jun., Kaufmann. 1893.
Curt Netto-Nothwang, Professor und Ingenieur. 1903.
Dr. Otto Neubürger, praktischer Arzt. 1906.
Robert de Neufville, Kaufmann. 1897.
Adolf von Neufyille, Bankier. 1895.
Karl von Neufville, Bankier und Generalkonsul a. D. 1904.
Frau Emma Neukirch, Justizratswitwe. 1907.
Hermann Ochs, Privatier. 1884.
Franz Oechsler, Kaufmann. 1906.
Frau Frieda Ohlenschlager. 1907.
Gustav Eduard Oehler-Denner, Buchhändler. 1906.
Dr. Hermann Oelsner, kgl. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1903.
Frau Juliette Oplin geb. Godchaux, Privatiere. 1875.
Eduard Oppenheim, Direktor der Dresdener Bank in Frankfurt a.M. 1907.
Moritz Oppenheim, Kaufmann. 1887.
Sir Francis Oppenheimer, kgl. großbritannischer Generalkonsul. 1900.
V. d. Osten, Baronin in OSenbach. 1907.
Frl. Adele Osterrieth, Privatiere. 1904.
Robert Osterriech, Kaufmann. 1907.
Heinrich Ostertag, Kaufmann. 1906.
Frau Maria Oestreich, geb. Creizenacb, Lehrerswitwe. 1869.
Dr. Henry Oswalt, kgl. Justizrat und Rechtsanwalt. 1871.
Frau L. Overhamm geb. Hilf. 1899.
Dr. Alexander Pagenstecher, Chemiker in Mainkur. 1906.
Johann Friedrich Pahl, Kaufmann. 1904.
Dr. Alfred Parrisius, Bankdirektor. 1903.
August Parrot, Privatier. 1892.
Philipp Passavant, Kaufmann. 1901.
Hermann von Passavant, Kaufmann und kaiserlich japanischer Honorar-
konsul. 1901.
Richard von Passavant, kgl. geheimer Kommerzienrat. 1889.
Max Paulsen, kgl. Ober-Telegraphen-Assistent. 1906.
Dr. Eduard Pelissier, Professor und Oberlehrer am Lessing - Gymnasium.
1882.
Frau Wilhelmine Peschel-Huygens, Privatiere. 1907.
Dr. Theodor Petersen, Professor und erster Vorsitzender der Sektion
Frankfurt am Main des Deutschen und Österreichischen Alpen-
vereins. 1871.
Karl Peters-Frensdorff, Kaufmann. 1906.
Franz Petry, Kaufmann. 1906.
Eduard Petsch-Manskopf, Privatier. 1900.
— 193 —
Fran Dr. Bertha Pfefferkorn geb. Kessler. 1854.
Christian WUhelm Pf eif f er-Belli, Bentner. 1883.
Dr. Arthur P fängst, Chemiker. 1889.
Lncien Picard, Bankier. 1906.
Dr. Gustav PI stör, Chemiker in Griesheim. 1904.
Theodor P 1 i e n i n g e r , Direktor der chemischen Fabrik Griesheim-Elektron.
1906.
Wilhelm Pohl mann, Kaufmann. 1897.
Frau Mathilde Ponfick-Salom6, Kommerzienratswitwe. 1897.
Dr. Eduard Posen, Fabrikant. 1894.
Sidney Posen, Fabrikant. 1883.
Hermann Quincke, kgl. Landgerichtsdirektor. 1902.
Gnstay Baabe, Kaufmann. 1907.
August Basor, Kaufmann. 1890.
Walther vom Bath, Bentner. 1897.
Emil Bau, Kaufmann. 1901.
Simon Bavenstein, Architekt. 1871.
Dr. Ludwig Behn, Professor und Oberarzt der chirurgischen Abteilung des
städtischen Krankenhauses. 1900.
Frl. Anna Beichard, Verwalterin. 1901.
Fritz Beichard, Kaufmann. 1906.
Frl. Mina Beichard. 1903.
Gottlob Beichard-Frey, Kaufmann. 1900.
August Beichard- Marburg, Kaufmann. 1877.
Leopold Bciss, Prokurist. 1896.
Dr. Paul Beiss, kgl. Justizrat und Bechtsanwalt. 1886.
Otto Benner, Kaufmann. 1906.
August Beuter, Lehrer.
August de Bidder, Kaufmann. 1908.
Dr. Alexander Biese, Professor. 1897.
Frl. Kathinka Bode, Lehrerin. 1898.
Dr. Paul Bo e d i g er , Bechtsanwalt und Direktor der Metallgesellschaft. 1893.
Karl Bog er, Direktor der Filiale der Bank für Handel und Industrie. 1890.
Wilhelm Böhmer, Privatier. 1900.
Dr. Fritz Bömer, Professor und Direktor des Senckenbergischen Natur-
historischen Museums. 1906.
Heinrich Bömhcld, Kaufmann. 1900.
Dr. med. hon. c. Adolf Börig, kgl. Forstmeister a. D. 1907.
Dr. Emil Bosenbaum, praktischer Arzt. 1906.
Alfred Bosenthal, Kaufmann. 1903.
Dr. Budolf Bosenthal, Bechtsanwalt. 1904.
Frl. Alwine Both. 1906.
Emil Bothbarth, Privatier. 1903.
Georg Bothgeb, Kunst- und Dekorationsmaler. 1908.
Ernst Bttbsamen, Apotheker. 1904.
Franz Bück er, Privatier. 1890. (f)
Heinrich Buppel, Kaufmann. 1890.
13
- 194 —
Willy Rytz städt Eabel-Ingenieor. 1907.
Alfred Salin, EanfmanD. 1902.
Wilhelm Sandhagen, Kaufmann. 1903.
Fritz Schaeffer-Stackert, praktischer Zahnarzt. 1908.
Fran Carrie Schar ff geb. Otto. 1890.
Charles A. Scharff-Andreae, Ingenieur. 1901.
Dr. Hugo Schanmberger, Oberlehrer. 1907.
August S c h e i b 1 e , Fabrikant. 1906.
Karl Seh eil er, Buchhändler. 1902.
Heinrich Theodor Sehen ck, Kaufmann. 1876.
Hermann Schepeler, Kaufmann. 1906.
Fritz Schiermann-Steinbrenck, Privatier. 1906.
Ludwig Schiff, Kaufmann. 1878.
Philipp Schiff, Privatier. 1903.
Christ. Schlesicky, Kaufmann. 1903.
Qustav Schlesicky, Kaufmann. 1895.
Frau Heinrich Schlesicky, Privatiere. 1902.
Friedrich Schleussner, Fabrikdirektor. 1903.
Dr. Karl Schleussner, Fabrikdirektor. 1897.
Frl. Julie Schlosser, Lehrerin. 1903.
Georg Schlund, Juwelier. 1888.
Frau Maria Schlund geb. Leuchs-Mack, Juwelierswitwe. 1901.
August Schmidt, Kaufmann. 1906.
Frau Emma Schmidt geb. Wolf, Professorswitwe. 1907.
Dr. Isidor Schmidt, praktischer Arzt. 1906.
Wilhelm Schmidt-Diehler, Architekt. 1899.
Gustav Schmidt-Günther, Ingenieur. 1864.
Frau Mathilde Schmidt-Metzler, Exzellenz. 1888.
Edgar Schmidt-Polex, Privatier. 1907.
Dr. Wolf gang Schmidt-Scharff, Rechtsanwalt. 1893.
Peter Schmölder, Kaufmann. 1872.
Alexander Schneider, Direktor der Deutschen Gold- und Silber-Scheide-
anstalt. 1875.
Frl. Marie Schneider, 1907.
Heinrich Schnell, Privatier. 1876.
Hans Schulze-Hein, praktischer Zahnarzt. 1885.
August Schumacher, Kaufmann. 1906.
Frl. Katharina Schumacher, Privatiere. 1898.
Dr. Gustav Schürenberg, Augenarzt. 1906.
Adolph Schürmann, Privatier. 1906.
Bernhard Schuster, Rentier. 1874.
Frau Lina Schöner geb. Holler, Privatiere. 1903.
Frau Elisabeth Schott, geb. Bruchhäuser, Sanitätsrats witwe. 1908.
Wilhelm Schott, Apotheker in Otfenbach. 1906.
Heinrich Schreiber sen., Privatier. 1904.
Frau Margaretha Schreyer, Professorswitwe. 1904.
Adolf Schroeder, Privatier. 1906.
— 195 —
Frl. Charlotte Schalte, Privatiere in Cronherg. 1906.
Dr. Erich Schwartze, Oherlehrer. 1907.
Albert Schwarz, kgl. Landgerichtssekretär. 1906.
Lic. Dr. Karl Schwarzlose, Pfarrer der St. Katharinengemeinde. 1903.
Jakob Alfred Schwarzschild, Bankier. 1908.
Moses Martin Schwarzschild, beeidigter Wechselsensal. 1888.
Dr. Engen Scriba, praktischer Arzt. 1901.
Wilhelm S e e f r i e d , Direktor der Frankfurter Filiale der Deutschen Bank. 1888 .
Frau Anna S e e g e r. 1901.
Qeorg Seeger, Architekt. 1897.
Qeorg Seitz, Finanzrat. 1899.
Hermann Seitz. 1904.
Fran Tina Senm-Keller, Privatiere. 1908.
Fritz Sichel. 1905.
Carl Hermann Siebert, Kaufmann. 1907.
Arthur Siebert-Mttller, Direktor der Mitteldeutschen Kreditbank und
kgl. württembergischer Konsul. 1901.
Dr. Friedrich Sieger, kgl. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1903.
Ernst Simon, Kaufmann. 1906.
Oskar Simon-Buss, Kaufmann. 1897.
Eduard Simonis, Kaufmann. 1903.
Hans Simonis, Kaufmann. 1903.
Dr. Emil Sioli, Direktor der Irrenanstalt. 1889.
Dr. Richard So Im, Augenarzt. 1904.
Friedrich Sommerlad, Kaufmann. 1904.
Frau Karl Sömmerring geb. Kretzer, Privatiere. 1865.
Leopold Sonnemann, Privatier. 1881.
Frau Georg Speyer geb. Gumbert, Rentnerin. 1903.
Frau Clotilde Spiess geb. Zickwolfi, geh. Sanitätsratswitwe. 1904.
Karl Stauffer, Direktor der Bockenheimer Volksbank. 1898.
Frau Baronin Karoline von Stein, Pröbstin des adeligen von Cronstett-
und von Hynspergischen evangelischen Damenstifts. 1884.
Dr. Victor Steinohrt, Bankbeamter. 1903.
Dr. Johannes Moritz S t e i n t h a 1 , Rechtsanwalt. 1893.
Wilhelm Steitz, Lehrer am Wöhler-Realgymnasium. 1906.
Frau Anna Stern geb. Kalb, Privatiere. 1897.
Dr. Richard Stern, praktischer Arzt. 1906.
Rudolf Stern, Privatier. 1890.
Frau Theodor Stern, Privatiere. 1871.
August Stern-Wiedebusch, Kaufmann. 1903.
Paul Sternberg, Fabrikant. 1908.
Karl Stiebel, Privatier. 1897.
Emilie Stiefel geb. Mayer, Privatiere. 1906.
Friedrich Stock, Kaufmann. 1904.
Wilhelm Stock-de Neufville, Bankier. 1882.
Frl. Lydia Stoltze, Privatiere. 1903.
Otto S t r a ß f e 1 d , Kaufmann. 1903.
13*
— 196 —
Frau Tony Straus-Negbaar, Privatiere. 1903.
ErDSt Strauß, Kaulmann. 1906.
Isaak Strauß, Privatier. 1906.
Hans Streck ei Ben, Architekt 1903.
Dr. phil. hon. c. Ignaz Stroof, Direktor. 1904.
Bruno Strubel!, Kaufmann. 1903.
Emil Sulzbach, Privatier. 1900.
Alfred von Stryemieczny, kgl. Oberstleutnant a.D. 190/.
Dr. Karl S u 1 z b a c h , Bankier. 1890.
Heinrich Tansent, Privatier. 1906.
Dr. L. Thebesius, Rechtsanwalt und kgl. serbischer Generalkonsul. 1906.
Dr. Hermann Traut, Bibliothekar an der Stadtbibliothek. 1893.
Dr. Gustav Treupel, Professor und Chefarzt der medizinischen Abteilung
am Hospital zum heiligen Geist. 1903.
Jakob Ivon (Jeberfeld, Kaufmann. 1906.
Hermann Uhlfelder, Stadt-Bauinspektor. 1904.
Albert Ullmann, Kaufmann. 1901.
Otto Ulrich, Direktor der Diskonto-Gesellschaft. 1903.
Dr. Franz Vaconius, Pfarrer der Dreikönigs-Gemeinde. 1906.
Julius Valentin, Kaufmann. 1906.
Dr. Friedrich von den Velden, praktischer Arzt. 1899.
Frau Emmy Vogtherr geb. Weiler, Privatiere. 1899.
Dr. Karl Vohsen, kgl. Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1891.
Georg Völcker, Buchhändler. 1879.
Martin Vowinckel, Direktor der Providentia. 1882.
Emil Wagner, Dentist. 1908.
Dr. Paul Wagner, Augenarzt. 1906.
Karl Wagner- Nurick, Ingenieur. 1903.
Frau Anna Wagner-Schaller, Privatiere. 1904.
Dr. Gustav Wahl, Bibliothekar der Senckenbergischen Bibliothek. 1908
Wilhelm Walb, Fabrikant. 1906.
Dr. Leopold Walter, praktischer Arzt. 1906.
Dr. Heinrich Weber, praktischer Arzt. 1902.
Karl Weber, Verwalter der Irrenanstalt. 1885.
Frl. Emilie Weigel, Privatiere. 1902.
Martin Weigel, Verlagsbuchhändler. 1902.
Jakob Hermann Weil 1er, Bankier. 1871.
Karl von Weinberg, Fabrikbesitzer und kgl. griechischer Generalkonsul. 1903.
Alfred Weinschenk, Bankier. 1903.
Albrecht Weis, Kassierer der Englischen Gasfabrik a. D. 1874.
Richard Weise, kgl. Major a. D. 1902.
Philipp Weinsperger, Maler- und Weißbindermeister. 1907.
Daniel Weismann, Bankier. 1902.
Dr. Albert Weller, Direktor der Vereinigten Chininfabriken, Zimmer ft Co.
1907.
Theodor Wentz, Buchdruckereibesitzer. 1907.
Joseph Werner, Kaufmann. 1892.
— 197 —
Fran Rosalie Wertheim geb. Ballin, Priyatiere. 1884.
Emil Wetzlar, Bankier. 1900.
Fritz Christoph Wiemer, Mtthlenbesitzer in Bonames. 1893.
Johann Wilhelm Wilke, Fabrikant. 1906.
Dr. Karl Willemer, Augenarzt. 1903.
Lndwig Willemer-Rücker, Kaufmann. 1893.
A. A. Winter, D. D. S., praktischer Zahnarzt. 1906.
Fritz Winter, Lithograph. 1903.
Ünstav Wiß, stellvertr. Direktor der Diskonto-Gesellschaft. 1906.
Richard Wobith, Prediger. 1906.
Karl Wolf, Pfarrer der St. Petersgemeinde. 1903.
Dr. Ludwig Wolff, praktischer Arzt. 1907.
Frau Emma Wolfskehl geb. Feist, Kommerzienratswitwe. 1874.
August Wolschendorff, Kaufmann. 1904.
Siegmund Wormser, Direktor der Deutschen Vereinsbank. 1898.
Emil Wurmbach, Rentier. 1880.
Julius Wurmbach, Ingenieur. 1883.
Dr. Leo Wurzmann, Rechtsanwalt. 1906.
Ernst Wüsthoff, Kaufmann. 1906.
Louis Zeiß-Bender, Kaufmann. 1906.
Theodor Zelt mann, Privatier. 1896.
Frau Johanna Zickwolff-Passavant, Privatiere. 1906.
Frau Johanna Z legi er geb. Kleyer, Professorswitwe. 1902.
J. Ziervogel, Oberingenieur des Dampfkessel-Uberwachungsvereins. 1904.
Frl. Bertha Zimmermann, Privatiere. 1907.
Frau Mathilde Zisemann geb. Grüner, Rentnerin. 1902.
II. Korrespondierende Mitglieder.
Dr. Hermann Vamb^ry, Professor in Budapest, ernannt am 11. Mai 1876.
Anton G 0 e r i n g , Professor in Leipzig, ernannt am 10. Oktober 1887.
Dr. Felix von Lnschan, Professor und Direktor am Museum für Völker-
kunde in Berlin, ernannt am 10. Oktober 1887.
Dr. Karl Diener, Professor und Präsident des Österreichischen Alpen-
klubs in Wien, ernannt am 20. Januar 1888.
Dr. Alexander Freiherr von Danckelman, kgl. geheimer Regierungsrat
und Professor in Berlin, ernannt am 28. Juli 1890.
Dr. Alexander von Peez, Ehrenpräsident des Industriellen Club in Wien,
ernannt am 28. Juli 1890.
Dr. Paul Müller - Simonis, Ehrendomherr in Straßburg, ernannt am
29. Juni 1892.
Dr. Wilhelm Haacke in Jena, ernannt am 8. März 1893.
Dr. Max Friederich sen, Professor in Bern, ernannt am 12. Dezember 1906.
Dr. Karl 0 est reich, Professor in Utrecht, ernannt am 12. Dezember 1906.
Dr. Georg Wegen er, Forscbungsreisender in Berlin, ernannt am 12. De-
zember 1906.
198 —
lU. Ehrenmitglieder.
Dr. Julius Ritter vonPayer, k. und k. österreichisch-UDgarischer Haupt-
mann a. D. in Wien, ernannt am 14. Oktober 1874.
Dr. Max Buchner, Professor und Direktor des kgl. bayrischen ethnologi-
schen Museums in München, ernannt am 17. Februar 1886.
Dr. Emil B 1 e n c k , kgl. wirklicher geheimer Oberregierungsrat und Präsident,
Direktor des kgl. preuß. statistischen Landesamts in Berlin, er-
nannt am 8. Dezember 1886.
Luigi Bodio, kgl. italienischer Staatsrat, Senator und Generaldirektor der
Statistik im kgl. italienischen Ministerium fttr Ackerbau und Handel
und Vizepräsident der Societä geografica Italiana in Bom, ernannt
am 8. Dezember 1886.
Dr. Julius Euting, kaiserlicher geheimer Regierungsrat, Professor, Direktor
der kaiserlichen Universitäts- und Landesbibliothek und Präsident
des Vogesenklubs in Straßburg, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Theobald Fischer, kgl. geheimer Regierungsrat und Professor in
Marburg, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Georg Gerland, Professor in Straßburg, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Wilhelm Kobelt, Professor und praktischer Arzt in Schwanheim, er-
nannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Georg Ritter von Neumayer, kaiserlicher wirklicher geheimer Rat,
Professor und Direktor der Seewarte a. D., Exzellenz, in Neustadt
a. d. Haardt, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Karl von Obernberg, Vorsteher des Statistischen Amtes der Stadt a. D.,
in Frankfurt am Main, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Eduard Pechuel-Loesche, Professor in Erlangen, ernannt am 8. De-
zember 1886.
Baron Max du Prel , kgl. bayrischer Kammerherr, kaiserlicher Ministerialrat
und Vorstand des statistischen Bureaus im Ministerium für Elsaß-
Lothringen in Str&ßburg a. D., ernannt am 8. Dezember 1886.
Ernst Georg Rayenstein, Kartograph in London, ernannt am 8.Dezemberl886.
Ludwig Rayenstein, Kartograph in Frankfurt am Main, ernannt am
8. Dezember 1886.
Paul Reichard, Forschungsreisender, z. Zt. im Ausland, ernannt am 8. De-
zember 1886.
Dr. Johannes Rein, kgl. geheimer Regiemngsrat und Professor in Bonn,
ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Wilhelm Reiss, kgl. geheimer Regierungsrat in Könitz (Thüringen),
ernannt am 8. Dezember 1886.
QtoTg Freiherr yon Schleinitz, kaiserlicher Vizeadmiral und Landes-
hauptmann a. D., Exzellenz, in Hohenborn bei Lügde (Westfalen),
ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Georg Scbweinfurth, Professor in Berlin, ernannt am 8. Dezember 1886.
— 199 —
Elia Sidenbladh, Chefdirektor des kgl. schwedischen statistischen Central-
bureans a. D. in Stockholm, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Hermann Wagner, kgl. geheimer Begiemngsrat und Professor in
Göttingen, ernannt am 8. Dezember 1886.
Beinhold von Werner, kaiserlicher Vizeadmiral a. D., Exzellenz, in Wies-
baden, ernannt am 10. Oktober 1887.
Dr. Karl von den Steinen, Professor und Abteilnngsdirektor aui kgl.
Mnsenm für Völkerkunde in Berlin (Charlottenbnrg), ernannt am
20. Februar 1889.
Dr. Hans Meyer, Professor und erster stellvertretender Vorsitzender des
Vereins für Erdkunde in Leipzig, ernannt am 2ö. Februar 1891.
Dr. Siegmund Günther, Professor in München, ernannt am 2. März 1892.
Guido Cora, Professor und Direktor des geographischen Instituts in Born,
ernannt am 20. Dezember 1894.
Adolf Graf vonGötzen, kgl. Major ä la Suite der Armee, kaiserl. Gouverneur
von Deutsch-Ostafrika und Kommandeur der Schutztruppe für
Deutsch-Ostafrika a. D., kgl. Gesandter für Hamburg, Bremen,
Lübeck und beide Mecklenburg in Hamburg, ernannt am 9. De-
zember 1896.
Dr. ing. Wilhelm Launhardt, kgl. geheimer Begierungsrat und Professor in
Hannover, Mitglied des Herrenhauses, ernannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Fridtjof Nansen, Professor und kgl. norwegischer Gesandter a.D., er-
nannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Albrecht Penck, kgl. geheimer Begierungsrat und Professor, k. k. Hof-
rat, Direktor des Instituts für Meereskunde und stellvertretender
Vorsitzender der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin, ernannt am
9. Dezember 1896.
Dr. Joachim Graf von Pfeil in Schloß Friedersdorf, ernannt am 9. De-
zember 1896.
Peter Petrowitsch von Ssemenow, kaiserlich russischer wirklicher geheimer
Rat, Senator, Mitglied des Beichsrats und Vizepräsident der
kaiserlich russischen geographischen Gesellschaft, Hohe Exzellenz,
in St. Petersburg, ernannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Sven von Hedin in Stockholm, ernannt am 16. November 1897.
Dr. Friedrich Clemens Ebrard, kgl. geheimer Konsistorialrat, Professor und
Direktor der Stadtbibliothek in Frankfurt am Main, ernannt am
17. Oktober 1900.
Otto Schleifer, Hauptmann der Landwehr-Artillerie und Forschungs-
reisender in Bismarcksburg (D.-Ostafrika), ernannt am 18. De-
zember 1901.
Otto Neumann Sverdrup, Kapitän in Christiania, ernannt am 22. Oktober 1902.
Dr. Fritz Sarasin in Basel, ernannt am 28. Oktober 1903.
Dr. Paul Sarasin in Basel, ernannt am 28. Oktober 1903.
Dr. Erich von Drygalski, Professor und Vorsitzender der geographischen
Gesellschaft in München, ernannt am 2. März 1904.
Dr. Karl Bücher, kgl. geheimer Hof rat \^kd Professor in Leipzig, ernannt
am 12. Dezember 1906.
— 200 —
Dr. Friedrich Delitzsch, kgl. geheimer Regiemngsrat und Professor in
Berlin, ernannt am 12. Dezember 1906.
Dr. Gottfried Merzbacher, Forschangsreisender in München, ernannt am
12. Dezember 1906.
Dr. Theodor Petersen, Professor und erster Vorsitzender der Sektion
Frankfurt am Main des Deutschen und Österreichischen Alpen-
Vereins, ernannt am 12. Dezember 1906.
Yerstorbene Ehrenmitglieder.
Dr. Karl Ritter, Professor in Berlin, ernannt am 29. August 1838, ge-
storben daselbst am 28. September 1869.
Dr. Friedrich Tiedemann, großherzogl. badischer geheimer Rat und
Professor a. D. in Frankfurt am Main, ernannt am 22. Mai 1851,
gestorben in München am 22. Januar 1861.
Karl Weyprecht, k. u. k. österreichisch -ungarischer Linienschi&sleutnant
in Triest, ernannt am 14. Oktober 1874, gestorben in Michelstadt
am 29. März 1881.
Dr. Eduard Rüppell in Frankfurt am Main, ernannt am 20. November
1874, gestorben daselbst am 10. Dezember 1884.
Dr. Gustav Nachtigal, kaiserlicher Generalkonsul in Tunis, ernannt am
2. Jtini 1875, gestorben an Bord Sr. Maj. Kreuzers ^Möve" am
20. April 1885.
Dr. Ferdinand Freiherr von Richthofen, kgl. geheimer Regierungsrat,
Professor, Vorsitzender der Gesellschaft für Erdkunde und zweiter
Präsident des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins in
Berlin, ernannt am 11. Juni 1875, gestorben daselbst am 6. Ok-
tober 1905.
Dr. Gerhard Rohlfs, kgl. Hofrat, kaiserlicher Generalkonsul a.D. in Weimar,
ernannt am 9. Januar 1877, gestorben in Rüngsdorf bei Bonn am
2. Juni 1896.
Dr. Georg Varrentrapp, kgl. geheimer Sanitätsrat und Ehrenpräsident
des Vereins für Geographie und Statistik in Frankfurt am Main,
ernannt am 24. September 1881, gestorben daselbst am 15. März 1886.
Dr. Emil Holub in Wien, ernannt am 1. März 1882, gestorben daselbst am
21. Februar 1902.
Dr. Ferdinand von Hochstetter, Lu. k. österreichischer Hof rat und Pro-
fessor in Wien, ernannt am 27. Dezember 1882, gestorben daselbst
am 18. Juli 1884.
Dr. Hermann von Wissmann, kgl. Major ä la suite der Armee und
kaiserlicher Gouverneur z. D., ernannt am 31. März 1883, gestorben
in Sting bei Weißenbach (Obersteiermark) am 15. Juni 1905.
Henry M. Stanley, Parlamentsmitglied in London, ernannt am 8. Januar
1885, gestorben daselbst am 10. Mai 1904.
— 201 —
Dr. Adolf Bastian, kgl. geheimer RegiemngBrat, Direktor der ethnolo-
gischen Sammlung des lloseums für Völkerkunde nnd Ehrenprä-
sident der Gesellschaft für Erdknnde in Berlin, ernannt am 8. De-
zember 1886, gestorben inPort-of-Spain (Trinidad) am 3. Februar 1905.
Dr. Karl Becker, kaiserlicher wirklicher geheimer Oberregierungsrat und
Direktor des Statistischen Amtes des Deutschen Beichs in Berlin,
ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben in Charlotten bürg am
20. Juni 1896.
Dr. Hermann Berg haus, Professor in Gotha, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 3. Dezember 1890.
Dr. Heinrich Brugsch, kaiserlicher Legationsrat und Professor in Berlin, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 9. September 1896.
Francisco Coello de Portugal y Quesada, kgl. spanischer Ingenieur-
Oberst a. D., Ehrenpräsident der Sociedad geogräfica nnd Präsident
der Sociedad espaliola de geografia comercial, Exzellenz, in Madrid,
ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 30. Sep-
tember 1898.
Dr. Ernst Engel, kgl. geheimer Oberregierungsrat nnd Direktor des kgl.
statistischen Bureaus a. D. in Oberlössnitz bei Dresden, ernannt
am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 8. Dezember 1896.
Dr. Friedrich August Finger, Oberlehrer a. D. in Frankfurt am Main, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 31. Dezember 1888.
Friedrich Anton Heller von Hellwald in Stuttgart, ernannt am 8. De-
zember 1886, gestorben in Tölz am 1. November 1892.
Dr. Heinrich Kiepert, Professor in Berlin, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 21. April 1899.
Dr. Alfred Kirchhoff, kgl. geheimer Eegierungsrat nnd Professor a. D., Ehren-
vorsitzender des Vereins für Erdkunde in Halle , in Mockan bei Leipzig,
ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 8. Februar 1907.
Karl Koldewey, kaiserlicher Admiralitätsrat und Abteilungsvorstand der
Seewarte in Hamburg, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben
daselbst am 18. Mai 1908.
Charles Maunoir, Generalsekretär der Society de g6ographie in Paris, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 22. Dezember 1901.
Baron Cristoforo Negri, kgl. italienischer außerordentlicher Gesandter
und bevollmächtigter Minister a.D., Senator' des Königreichs und
Primo presidente fondatore der Societä geografica Italiana in
Turin, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben in Florenz am
18. Februar 1896
Dr. Adolf Erik Freiherr von Nordenskiöld, Professor in Stockholm, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 28. August 1901.
John Wesley Powell, Major und Direktor des Bureau of ethnology und
des United States geological survey in Washington, ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben in Haven (Maine) am 23. September 1902.
Nikolai Michailowitsch von Prjevalsky, kaiserlich russischer Generalmajor
in St. Petersburg, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben in
Karakol im Gebiet Ssemiretschensk am 1. November 1888.
— 202 —
Dr. Friedrich Rat sei, kgl. sächBischer geheimer Hofrat, Profestor und
Vorsitzender des Vereins für Erdkunde in Leipzig, ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben in Ammerland am Stamberger See
am 9. Augast 1904.
Dr. GKistav von Rümelin, kgl. württembergischer geheimer Rat und
Kanzler der Eberhard-Karls-Universität, Exzellenz, in Tübingen, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 28. Oktober 1889.
Dr. Wilhelm Stricker, praktischer Arzt in Frankfurt am Main, ernannt
-am 8. Dezember 1886, gestorben am 4. März 1891.
Dr. Bernhard S t u d e r , Professor a. D. in Bern, ernannt am 8. Dezember 1886
gestorben daselbst am 2. Mai 1887.
Dr. Pieter Jan Veth, Professor a. D. in Arohem, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 14. April 1895.
Louis Vivien de Saint-Martin, Ehrenpräsident der Soci6t6 de g^ographie
de Paris in Versailles, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben
daselbst am 3. Januar 1897.
Henry Yule, kgl. großbritannischer Ingenieur-Oberst a D. in London, ernannt
am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 30. Dezember 1889.
Dr. Emil von Oven, Senator und Ehrenvorsitzender des Vereins für Geo-
graphie und Statistik in Frankfurt a. M., ernannt am 26. Oktober
1887, gestorben daselbst am 27. November 1903.
Friedrich Jakob Kessler, Senator in Frankfurt am Main, ernannt am
26. November 1888, gestorben daselbst am 3. Mai 1889.
Dr. Wilhelm Junker in Wien, ernannt am 25. Februar 1891, gestorben in
St. Petersburg am 13. Februar 1892.
Dr. Richard Böckh, kgl. geheimer Regierungsrat, Professor und Direktor
a. D. des Statistischen Amtes der Stadt Berlin, in Grunewald bei
Berlin, ernannt am 20. Oktober 1895, gestorben daselbst am 5. De-
zember 1907.
Dr. Hans von Scheel, kaiserl. geheimer Oberregierungsrat und Direktor
des Statistischen Amtes des Deutschen Reichs in Berlin, ernannt
am 9. Dezember 1896, gestorben daselbst am 27. September 1901.
Dr. Eugen Zintgraff, ernannt am 9. Dezember 1896, gestorben in Teno-
rife am 4. Dezember 1897.
Dr. Carlo Freiherr von Erlanger in Niederingelheim, ernannt am 18. De-
zember 1901, gestorben in Salzburg am 4. September 1904.
Yerzeiehnls
der
Behörden, Gesellschaften und Bedaktionen,
mit welchen der Yerein in regelmäßigem
Schriftenaustausch steht.
(Nach dem Sfand vom i. Oktober 1906.)
A a r a n : Mittelschweizerische geograph.-commercielle Gesellschaft.
Statistisches Bureau des Kantons Aargau.
A 1 b a D y : Bureau of statistics of labor o! the State o! New York.
New York State library, serials section.
Altenburg: Herzogliches statistisches Bureau.
Amsterdam: De Indische Mercuur.
Koninklijk Nederlandsch aardrijkskundig genootschap.
Antwerpen: Society royale de g^ographie d'Anvers.
Baltimore: Maryland geological survey.
Basel: Evangelisches Missionsmagazin.
B a t a y i a : Bataviaasch genootschap van kunsten en wetenschappen.
Koninklijke natuurkundige vereeniging van Nederlandsch-
IndiS.
Berlin: Bureau des Hauses der Abgeordneten.
Bureau des Reichstages.
Deutsch-Österreichischer Orientklub.
Deutsche Eolonialgesellschaft.
Evangelischer Afrika -Verein.
Gesellschaft für Erdkunde.
Kaiserliches Beichsamt des Innern.
Kaiserliches Reichsmarineamt, nautische Abteilung.
Kaiserliches statistisches Amt.
Königliche Bibliothek.
Königliches Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und
Medizinalangelegenheiten.
Königliches Ministerium für Handel und Gewerbe.
Königliches statistisches Landesamt.
Statistisches Amt der Stadt
— 204 —
Bern: Eidgenössisches statistisches Bureau.
Geographische Gesellschaft von Bern.
Schweizerische statistische Gesellschaft.
Schweizerisches Finanz- und Zolldepartement: Alkohol-
Verwaltung.
Statistisches Bureau des Kantons Bern.
Bordeaux: Soci6t6 de g^ographie commerciale.
Boston: American academy of arts and sciences.
American Statistical association.
Massachusetts hureau of statistics of lahor.
Braunschweig: Verein für Naturwissenschaft.
Bremen: Bremisches statistisches Amt.
Geographische Gesellschaft.
Breslau: Magistrat der kgl. Haupt- und Besidenzstadt
Brisbane: Royal geographical society of Au8tralasia,Queensland brauch.
Brunn: Mährische Museumsgesellschaft (Landesbibliothek).
Brüssel: Commission centrale de statistique.
Inspecteur en chef du Service d^hygiene de la ville.
Minist^re de Tint^rieur et de Tinstruction publique: Ad-
ministration de la statistique g^n^rale.
Minist^e des sciences et des arts: Administration de
renseignement sup6rieur des sciences et des lettres.
Soci6t6 d*6tude8 coloniales.
Soci6t6 royale beige de g&ographie.
Universit^ nouvelle, Institut g6ographique.
Budapest: Statistisches Bureau der Haupt- und Residenzstadt
Budapest.
Ungarische geographische Gesellschaft.
Buenos Aires: Departamento nacional de estadistica.
Deutscher wissenschaftlicher Verein.
Direction g6n6rale de statistique municipale.
Institute geogräfico Argentino.
Museo nacional.
Oficina demogräfica nacional (Ministerio del interne).
Superintendencia administrativa de la comision nacional
de educaci6n.
Bukarest: Societatea geographica Rominä.
Caracas: Ministerio de fomento: Direcci6n de estadistica ö immi-
gradön.
Chicago: Bureau of labor statistics.
Christiania: Königlich norwegische Universitätsbibliothek.
Statistisches Centralbureau im königlich norwegischen
Ministerium des Innern.
C ö 1 n : Gesellschaft für Erdkunde.
Darmstadt: Großherzogl. hessische Centralstelle für die Landesstatistik.
Verein für Erdkunde und verwandte Wissenschaften.
Douai: Union g^ographique du nord de la France.
— 205 —
Dresden: Königlich sächBisches statietisches Landesamt.
Verein für Erdkunde.
Dublin: Statistical and social inquiry society of Ireland.
Dunkerque: Soci6t6 de g^ographie.
Frankfurt a.M.: Administration der Dr. Senckenbergiscben Stiftung.
Bürgeryerein.
Finanzherold.
Frankfurter allgemeine Lehrerversammlung.
Frankfurter Bezirksyerein deutscher Ingenieure.
Frankfurter Rudergesellschaft «Germania".
Frankfurter Turnverein.
Frankfurter Zeitung.
Freies Deutsches Hochstift.
General- A nzeiger.
Gesellschaft zur Beförderung nützlicher Künste und deren
Bilfswissenschaften (Polytechnische Gesellschaft).
Handelskammer.
Kaufmännischer Verein.
Kleine Presse.
Physikalischer Verein.
Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft.
Stadtbibliothek.
Stadtkanzlei.
Stadtverordnetenversammlung.
Statistisches Amt der Stadt.
Taunusclub.
Verein für Geschichte und Altertumskunde.
Freiberg i. S. : Geographischer Verein.
St. Gallen: Ostschweizerische geographisch-commercielle Gesellschaft.
Genf: Soci6t6 de g6ographie de Geneve.
Gießen: Gesellschaft für Erd- und Völkerkunde.
Großherzoglich hessische Universitätsbibliothek.
Glasgow: Sanitary department (Medical officer of health).
Gotha: Herzogliches statistisches Bureau.
S^Gravenhage: Indisch genootschap.
Institut international de statistique.
Koninklijk instituut voor de taal— land— en volkenkunde
van Nederlandsch-IndiS.
Ministerie van binnenlandsche zaken.
Greifswald: Geographische Gesellschaft.
Guatemala: Direcciön general de estadistica.
Kaiserliche Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie
der Naturforscher.
Halle a. S. Verein für Erdkunde.
Hamburg: Geographische Gesellschaft.
Handelsstatistisches Amt.
— 206 —
Hamburg: Modieinal-Inspektorat über die medidnische Statistik dn
hamburgischen Staates.
Statistisches Bnreaa der Steaerdeputation.
Hanaa: Bezirksverein für hessische Geschichte und Landeskunde.
Hannover: üeographische Gesellschaft.
Heidelberg: Großherzoglich badische Universitätsbibliothek.
Helsingfors: Geografiska föreningen i Finlaad.
Sällskapet för Finlands geografi.
Hermannstadt: Siebenbttrgischer Earpathenverein.
Verein für siebenbürgische Liandeskunde.
Igl6: Ungarischer Earpathenverein.
Jena: Geographische Gesellschaft (für Thtlringen).
Karlsruhe: Großherzoglich badisches statistisches Landesamt.
Kasan: Naturforscher-Gesellschaft.
Königsberg i. Pr.: Physikalisch-ökonomische Gesellschaft.
Kopenhagen: Statens statistiske bureau.
L an sing: Department of State.
La P 1 a t a : Direcciön general de Estadistica de la Provincia de Buenos
Aires.
Le Ha vre: Soci6t6 de g6ographie commerciale du Havre.
L e i p I i g : Geographisches Seminar der Universität.
Verein für Erdkunde.
Lima: Sociedad geogräfica.
Lissabon: Sociedade de geographia.
London: Chamber of commerce.
Royal geographical sociely.
Royal Statistical society.
Academy of science.
Lübeck: Geographische G^ellschaft.
Statistisches Amt.
Lyon: Soci6t6 de g^ographie.
Madrid: Sociedad espaiiola de geografia comercial (äntes de afri-
canistas y colonistas).
Real sociedad geogr&fica.
Mailand: Societä Italiana di esplorazioni geografiche e commerciali.
Mainz: Großherzoglich hessische Handelskammer.
Manchester: Manchester geographical society.
Manila: Ethnological survey for the Philippine Islands.
Marseille: Soci6t6 de g6ograpliie.
Melbourne: Department of mines.
Metz: Gesellschaft für lothringische Geschichte u. Altertumskunde.
Verein für Erdkunde.
Mexico: Deutscher wissenschaftlicher Verein.
Sociedad de geografia y estadistica de larepüblicaMexicana.
Montevideo: Direccion general de estadistica del Uruguay.
Montpellier: Soci6t6 languedocienne de g^ographie.
— 207 —
Moskau: Section g^ographiqne de la BOci6t6 imperiale dei amis
des sdences naturelles.
ICfl neben: Geographische Gesellschaft.
Königlich bayrisches statistisches Bureau.
Nancy: Sod^t^ de g6ographie de TEst.
Neapel: Societä Africana dltalia.
Neuch&tel: Soci6t§ neuchateloise de g6ographie.
New Hayen: Connecticut ncademy of arts and sciences.
New York: American geographica! society.
Secretary of State.
Offenbach: Großherzoglich hessische Handelskammer.
Oldenburg: Großherzogliches statistisches Bureau.
Paris: Bureau de statistique g6n6rale de France.
Coniit^ de TAfrique fran^aise.
Ministöre du commerce, de Tindustrie, des postes et des
t^l^graphes : Office du travail. Bureau de la statistique
g6n6rale de la France
Soci6t6 acadömique indo-chinoise de France.
Societ6 de g^graphie.
Soci^tö de g^ographie commerciale.
St. Petersburg: Acad6mie imperiale des sciences.
Kaiserlich russische geographische Gesellschaft.
Philadelphia: American philosophical society.
Geographica! society.
Pola: Kaiserliches und Königliches marinetechnisches Comit6
(Iklarine-Bibliothek).
Port-of-Spain: Government Statist of the colony of Trinidad.
Posen: Kaiser- Wilhelm-Bibliothek.
Prag: Statistische Kommission der königlichen Hauptstadt Prag.
Providence: City registrar.
Bio de Janeiro: Ministerio da industria, via^äo e obras publicas: Obser-
vatorio.
Sociedade de geographia.
B 0 m : Direzione di statistica e stato dvile de! comune di Boma.
Institut international de statistique.
Istituto cartografico Itaüano.
Ministero dei lavori public!.
Ministero deir interne.
Ministero della publica istruzione.
Ministero delle finanze: Direzione generale delle gabelle.
Ministero di agricoltura, industria e commerdo : Direzione
generale della statistica.
Societä. geografica Italiana.
Specnla Vaticana.
Bouen: Soci6t6 normande de g6ographie.
San Francisco: Gcographical society of California.
Health department of the city and county of San Francisco.
San Josft ä. C. B.: Institnto fiBico-geogrifico nacional de CoeU Bica.
Oficina de depäsito ; cijije de pnblicaciones de la n
de Costa Rica.
Santiago: Deutscher wiaseiiBcfaaltlicher Verein.
S a T aj e V o : StatistiBchea Departement der LandetregieruDg für ]
und die Hercegowina.
SchireriD: Grofiherzogliches statiBtiBcheB Amt.
Springfield: Barein of labor statigtica ol Illiaois.
Stettin: OeBellschaft für Volker- und Erdlrnnde.
Vereiti zur FQrdeinag ttberseeiBcber Handelsbetiel
8 t. L 0 D i ■ : Academ; of Bcience,
Stockholm: Eangl. Btatiatiaka centralbyrän.
STenaka taristlOremDgen.
Straßbnrg i. B.: KaiaerÜcbe UniverBitita- und LandeBbibliothek.
Statiatiachea Bureau des kaiserlichen Ministerin
Elsafi-Lothringen,
VogeEeaklub,
Stuttgart: Deutscher Lehrer -Verein für Naturkunde.
Kaniglicb wOrttembergiiche Zentralstelle für Hant
Gewerbe.
Eüniglicfa württembergiachea statietiaches Landesa
Statiatisches Amt der kgl. Haupt- nnd Beaidei
Stuttgart.
WUrtCembergiacber Verein IQr Handel sgeographie.
Tacnbaja: Obserratotio astronfimico nacional.
T i 1 1 i H : Kankasiscbe Sektion der kaiserlich niBBiscbengeogtap
Qesellschaft.
Tokio: Bureau de la etatiatiqne g^n^rale au cabinet ii
da Japon.
Deutsche Qesellschaft für Natur- und Volk erkunde Ost
Toronto: UDiTeraiiätsbibliothek.
Toulouse: Biblioth^ne de runiversic6.
Soci^tä acad^uiiqne franco-hispano-portugaise.
Tonre: Soci^t^ de g^ographie.
Tübingen: Königlich württembergieche Universitätsbibliothek.
Upsala: Königliche Univeraitütsbibliothek.
Washington: American hiatorial aasociation,
Bureau of American ethnolog;.
Department of labor.
Department of tbe interior: Bureau of education.
Department of the interior: Census offlce.
Department of tbe interior : United Statea geological i
National geogiapbic Society.
Smiths OD i an Institution.
Treasnr; deparunent: Bureau of statistics.
Treaanrj department : OfBce of comptroller of the cui
Unit«d States board on geographic names.
— 209 —
Weimar: Statistisches Bureau vereinigter thüringischer. Staaten.
Wien: Industrieller Club.
Kaiserlich königliche geographische Gesellschaft.
Kaiserlich königliche Universitätsbibliothek.
Kaiserlich königliches naturhistorisches Hofmuseum.
Kaiserliches und königliches militärgeographiBches Institut.
Statistische Abteilung des Magistrats.
Verein der Geographen an der Universität Wien.
Wtlrzburg: Königlich bayrische Universitätsbibliothek.
Zürich: Geographisch-ethnographische Gesellschaft.
Kantonales statistisches Bureau.
Tom
Yerein fttr Geographie und Statistik rerüelieiie
Anszeichnungen.
I. Die Nordenskiöld-Medaille :
(in Gemelnsohftft mit den geographischen Geselitohaften von Beriin, Bremen, Dresden,
Halle, Hamburg, Hannover, Leipzig and München):
1885. Adolf Erik Freiherr von N o r d e n s k i o 1 d in Stockholm, (f)
II. Die Bfippell-Medaille in Gold:
1894. Hermann von Wissmann in Gut Weißenbach bei
Lietzen (Obersteiermark). (f)
1896. Julius Euting in Straßburg.
1903. Sven von Hedin in Stockholm.
1906. Theobald Fischer in Marburg.
III. Die KOppell-Medaille in Silber:
1904. Karl G. Schillings in Düren.
1905. Bernhard Hagen in Frankfurt am Main.
1906. Wilhelm Filchner in Berlin.
0^
rbersicht der Einnahmen und Ausgaben
im Jahre 1906/1907.
EinDahmen:
Saldo des Jahres 1905/1906 M
Zinsen
Beiträge von 660 Mitgliedern
Verkauf von Beikarten
Ararialbeitrag
Ein Geschenk
JEtückstellung für den Jahresbericht
71.12
809.35
9879.—
245.—
600.—
100.—
1000.—
M 12 704.47
Ausgaben:
Honorare
Saalmiete
Lichtbilder nnd Ansstellangen
Inserate
Bibliothekariatbeitrag
Gehalt des Vereinsdieners
Aaslagen für Versendung des Jahresberichts, für
Porti und bei Anwesenheit der Redner . . .
Diplome und Medaillen anläßlich der Jubiläums-
feier
Vereinsregister
Drucksachen, BUcher, Buchbinder
Geschenk an die Senckenbergische Naturforschende
Gesellschaft
Geographentag
Jahresbericht
Kapitalanlage
Kleinere Auslagen
An die Vereinsbank
Saldo auf neue Rechnung
Jü 2650.—
1352.25
206.85
169.34
567.60
400.-
556.10
480.90
23.40
178.95
600.—
15.20
237275
1954.85
87.10
1088.25
—.93
M 12 704.47
Inhaltsübersicht.
Seite
A. TVisseiischaftliche Mitteilnni^en.
1.: Bartenstein, R.: Grundzüge der Bodenplastik von Tunesien.
Mit einer Höhenschichtenkarte 5
IL: Aus den Vorträgen:
B a e 1 z . £. von : Das französische Kolonialreich in Hinterindien 123
Bayer, H.: Was lehrt nns der Krieg in Südwestafrika ? 106
Boshart, A.: Das Kongobecken und seine Bevölkerung 141.
Bnllok-Workman, F.: Die erste Erforschung des Hoh-
Lumba und des Sosbon - Gletschers 127
Delitzsch, F.: Handel und Wandel in Altbabylonien . . 91
D 0 f 1 e i n , F. : Eine zoologische Forschungsreise nach Japan 122
Falkenhausen-Gnadenberg, H. von : Im Lande der
Hereros 94
Fischer, Th. : Die Häfen von Marokko 144
Frobenius, L. : Bilder vom Kongo 119
Grothe, H.: Wanderungen im südwestlichen und nordwest-
lichen Persien 145
Günther, S. : Aus den Felsengebirgen von Nordamerika . 138
Hartmeyer, R. : Bericht über meine Reise in West-
australien 98
— — Die Koralleninseln des westindischen Mittelmeeres . 149
H 0 s s e u s , C. C. : Von Bangkok nach der Nordgrenze Slams 116
Kalbfus, H.: Der Simplontunnel 103
Kauffmann, 0. : Britisch - Indien und sein Wild .... 92
Kindermann, K.: Deutschlands wirtschaftliche Welt -
Stellung 126
Le Coq, A. von: Ausgrabungen in Chinesisch-Turkestan . 151
Mielich, L. : Vom Ostjordanland durch das alte Moab in
unbekannte Gebiete der nordarabischen Wüste .... 100
Müllendorf f, F.: Französisch Guinea 105
Nahm er, E. von der: Quer durch Kleinasien, vom Mittel -
meer zum Pontus 108
— 214 —
8«lto
Oberhnmmer, E. : Von Canada bis Mexiko 152
Oestreich, K. : Ans dem nordwestlichen Himalaja . . . 133
Penck, A. : Das llnsenm für Meereskunde zu Berlin . . 114
Salzmann: Karthago einst und jetzt 130
S a r a s i n » P. : Unsere letzte Forschungsreise nach Ceylon und
die Steinzeit der Weddas 140
Schermann, L.: Die religiöse Kunst des alten Buddhismus 134
Schnee, P. : Jaluit und die Marshallinseln . . . . 120
Schwarzlose, K. : Serbien, Land und Leute 96
Steindorff, G. : Auf alten und neuen Wegen im englisch-
ägyptischen Sudan 132
Voeltzkow, A. : Madagaskar 110
Wegener, G. : Über meine neueren Reisen in lonerchina . 125
Zugmayer, £.: Über meine Forschungsreise in West-Tibet
1906 136
in. Bericht über den IX. Internationalen Geographen - Kongreß in
Genf im Jahre 1903. Von Dr. H.. T r a u t 154
B. Geschäftliche Mitteilungen.
Bericht über die Tätigkeit des Vereins in der Zeit vom 1. Oktober
1906 bis 30. September 1908 175
Vorstand und Amterverteilung 181
MitgUederverzeichnis 183
Verzeichnis der Behörden, Gesellschaften und Redaktionen, mit welchen
der Verein in regelmäßigem Schriftenaustausch steht .... 203
Vom Verein für Geographie und Statistik verliehene Auszeichnungen 210
Übersicht der Einnahmen und Ausgaben im Jahre 1906/1907 . . 211
-^^i/^A/b^UVXr^^-^
Jahresbericht
des
Frankfurter Yereii^s
fttr
Greographie und Statistik
DreiundsiebztgHter
and
Vierundsiebzlgster Jahrgang.
1908—1909 und 1909—1910.
Im Namen des Vorstandes herausgegeben
von
Dr. Hermann Traut,
Bibüuthekar an der Stadtbibliothek.
Generalsekretär des Vereins.
Frankfurt ain Main.
Umclc nnd Yerla^^ Ton Gebrflder Knauer.
1910.
WissenHchaftliche Mitteilungen.
Mit Rücksicht auf das in Vorbereitung begriffene Werk über
die von dem Verein veranstaltete große Sanda-Expedition
des Herrn Dr. Johannes Elbert maßte von der Aufnahme
besonderer wissenschaftlicher Abhandlungen in den vorliegenden
Jahresbericht Abstand genommen werden.
Aas den Vorträgen
Yom 28. Oktober 1908 bis 9. März 1910.
Mit teilweiser Benutzung der Mitteilungen der Herren Redner
zusammengestellt
Yon
Dr. H Traut.
Mittwoch, den 28. Oktober 1908.
Herr Professor Dr. Hermann Klaatsch-Breslau: Die
Eingeborenen Anstraliens und die Urgeschichte der Mensch-
heit. (Lichtbilder.)
Die Anregung zu seiner dreijährigen Forschungsreise nach Australien
(1904 — 1907) empfing der Vortragende durch seine Studien über den fossilen
Menschen Europas. Die Parallele zwischen den altdiluyialen Skelettresten
der Neandertalrasse und den heutigen Eingeborenen Australiens, welche
schon Thomas Huxley in den sechziger Jahren gezogen hatte, besonders mit
Rücksicht au! die eigentümliche Bildung der mit mächtigen Überaugenwülsten
versehenen Stirn lies es wünschenswert erscheinen, ein reiches Material an
Schädeln zu sammeln, wie es der Vortragende gewonnen hat. Auch in
kultureller Hinsicht forderten die zahlreichen Ähnlichkeiten zwischen dem
Paläolithikum Europas und dem Australiens sowie den leider schon aus-
gestorbenen Tasmanien! zu Untersuchungen an Ort und Stelle auf. Außer
einem großen Material an primitiven Steinwerkzeugen hat der Vortragende
reiche ethnographische Sammlungen mitgebracht, die sich jetzt in den Museen
von Hamburg, Cöln und Leipzig befinden.
Die Untersuchungen des Redners haben vollkommen die Richtigkeit
seiner schon früher vertretenen Ansichten über die außerordentliche Primitivität
der Uraustralier bestätigt. Mit keiner der übrigen Rassenzweige der Menschheit
speziell verwandt, bieten sie doch in ihrer sehr großen individuellen Variabilität
Anklänge an lokal weit entfernt wohnende Völker, besonders an Afrika-
neger und rohe Europäertypen. Dies kann nur so erklärt werden, daß die
Vorfahren der Australier in der Tertiärperiode von dem gemeinsamen Urort
der Menschheit abgekapselt wurden, als die Anfänge einer Rassenbildnng
_ 6 —
noch ganz in Fluß waren. Von der Urheimat der Menschheit, welche Redner
in einem untergesunkenen Kontinent zwischen Australien und Afrika und
Südasien vermutet, sind durch Landverbindungen die Vorfahren der Australier
zusammen mit dem wilden Hunde, dem Dingo, nach dem Kontinent gelangt,
der seitdem tiefgreifende geologische Veränderungen durchgemacht hat. Sein
Klima war im Tertiär besser, seine Tierwelt in gewaltigen Formen entwickelt.
Diese australische Fauna, in deren Mitte Mensch und Hund als Fremdlinge
erschienen, besteht aus »lebenden Fossilien", wie Darwin gesagt hat. Die
Säugetiere sind teils eierlegende „Monotremen", teils Beuteltiere, welche in
ausgestorbenen Vertretern gewaltige Größe erreichten. Ihre Herkunft weist
nach der untergesunkenen Antarktis und auf Zusammenhänge mit Südamerika.
In einigen Flüssen Ostaustraliens lebt noch heute ein Molchfisch „Ceratodus*",
dessen nächster fossile Verwandte der übrigen Welt der Triasperiode an-
gehört. Die seit undenklichen Zeiten bestehende völlige Absonderung der
australischen Wilden von der übrigen Welt erklärt es, daß sie körperlich
in vieler Hinsicht noch unter dem Neandertalmenschen stehen und kulturell
sich in eigenartiger Weise ganz für sich älteste Waffen, Werkzeuge, soziale
Einrichtungen und religiöse Vorstellung von der Primitivkultur der Menschheit
erhalten und weiter ausgebildet haben.
Australien ist noch heute der am wenigsten bekannte Erdteil; das
kann nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt, wie kurz die Zeit ist,
welche seit der Erschließung dieses Landes verflossen ist. Auf Grund von
Kartenmaterial gibt der Vortragende eine kurze Übersicht über die Ent-
deckung des zuletzt bekannt gewordenen Erdteils, über den selbst in Australien
noch viel Unkenntnis herrscht. Über den Fabelkontinent, die terra australis,
findet man schon in Karten des 16. Jahrhunderts Andeutungen, in der Mitte
des 17. Jahrhunderts entdeckten die Holländer Australien, aber nur die öde
Westküste, sodaß sie den Besitz aufgaben und ihn den Engländern über-
ließen, von denen Kapitän Cook an der Ostküste in der Nähe des heutigen
Sydney landete. Von hier aus begann im Anfang des vorigen Jahrhunderts
die Durchforschung des Kontinents. Die erste Durchquerung gelang einem
Deutschen Dr. Ludwig Leichhardt, der bei einer zweiten Expedition
spurlos verschwunden ist, dessen Andenken noch heute in Australien nicht
erloschen ist, wie überhaupt die deutschen Kolonisten in Australien ein
großes Ansehen unter den dortigen Engländern genießen. Während der Süden
vollständige europäische Kultur zeigt, und infolgedessen die Schwarzen fast
völlig ausgerottet sind, trotzdem die Eingeborenen den Weißen aufs freund-
lichste entgegenkamen und ihnen das Land bereitwilligst überließen, findet
man im Norden und Nordwest-Australien, wo es noch etwas zu erforschen
gibt, die Schwarzen in ihrem Urzustände. Redner schätzt die Zahl der
Ureinwohner auf etwa 100000, die aber meist nur in Trupps von 20 bis 30
zusammenleben, die nomadisieren, aber dabei die Grenzen ihres Bezirkes
streng innehalten, sodaß es ganz falsch ist, zu behaupten, daß die Ein-
geborenen den Begriff des Besitzes nicht kennen. Redner schildert den ersten
Eindruck, den er bei seinen Fahrten von den Eingeborenen erhielt, als er
auf einem von der Regierung Queensland für 6 Wochen ihm zur Verfügung
gestellten Segelschiff die einsamen Küstengebiete des Carpentariagolfes be-
— 7 -
suchte. Zahlreiche Lichtbilder erläuterten das Vorgetragene. In den Öden
Gegenden Nordwest- und Nord- Australiens mußte der Vortragende die Qerüchte
über sehr trübe Zustände bezüglich der Behandlung der Eingeborenen leider
bestätigen. Die Tendenz, dieselben auszurotten, ist unverkennbar, und es
ist lediglich ein Vorwand, wenn die Kolonisten behaupten, die Schwarzen
töteten die Rinder, welche man im Norden verwildem läßt, um die schnell
vermehrten Herden in großen Transporten nach den Kulturgegenden des
Südens zu befördern. Die armen Schwarzen werden in Zügen von 20 bis
H() Mann am Hals aneinandergekettet, viele Hunderte von Meilen aus dem
Innern nach der Küste geschleppt, wo sie als Gefangene gehalten und zu
Straßenbauten gezwungen werden.
Über die Tätigkeit der Missionare urteilt der Vortragende sehr an-
erkennend bezüglich der Aufopferung und des guten Willens derselben, den
Eingeborenen zu besserer Existenz zu verhelfen, bezweifelt aber die Möglich-
keit eines praktischen Erfolges.
Über die Kultur der Eingeborenen berichtet der Redner in Kürze.
Den Schwarzen fehlt jede Kenntnis der Töpferei, der Metalle, des Pfeils und
Bogens, nur Speere aus Holz findet man als Waffe, die mit ganz primitiven
Steininstrumenten geschärft werden, wie sie der älteren Steinzeit Europas
entsprechen. Femer dienen als Waffen die Bumerangs, die aber durchaus
nicht in jedem Falle die ihnen nachgesagte Eigenschaft haben, zu den
Schützen zurückzukehren. Die Holzschilde sind wunderbar bemalt, wie der
Farbensinn bei den Eingeborenen sehr entwickelt ist, was auch aus den in
Felsen geritzten gut gezeichneten und bemalten Tierfiguren hervorgeht. Die
Behausung besteht entweder aus zusammengebogenen Palmenzweigen oder
aus Rindenstücken hergestellten primitiven Hütten, während in manchen
Gegenden nur Höhlen Schutz gegen die Sonne oder die Tropenregen gewähren.
Mit langen Stangen, die sie auch beim Streite untereinander gebrauchen,
graben die Frauen Wurzeln aus dem Boden. Kleidung fehlt im Norden
gänzlich, während im Süden Felle benutzt werden oder auch Rindenstücke,
die von den Frauen mit den Händen vor den Körper gehalten werden. Statt
der Kleidung besteht durch ganz Australien die Mode des Narbenschneidens,
quere sehr tiefe Narben gehen über den ganzen Oberkörper, der auch weiß
bemalt wird. Als Schmuck wird ein Stock durch die Nase getragen: ein
beliebtes Schmuckmittel ist Menschenhaar, das eifrig gesammelt wird. Die
Eingeborenen sind ganz vorzügliche Kletterer, der Fischfang geschieht durch
mehrspitzige Speere oder Netze, auch indem die Fische durch einen künst-
lichen Steinwall am Meeresufer an der Rückkehr ins Meer bei Ebbe ge-
hindert werden. Die Schiffahrt fehlt im Westen gänzlich, in anderen Gegenden
kommen Rindenboote, Einbäume, auch Auslegerboote vor, die jedenfalls zum
Teil von benachbarten Gebieten entlehnt sind. Als Trinkgefäße werden ein-
fach Rindenstücke benutzt, aber auch Muscheln; Feuer wird wie in Indien
durch einen Feuerquirl oder mittels Holzsäge gemacht. Heilige Gegenstände
sind nur in geringer Menge vorhanden, so ein flaches Stück Holz, an Menschen-
haar geschwungen ; der dadurch hervorgerufene Ton, dem Waldteufel ähnlich,
hält Frauen und Kinder fern von den Männern. Musik wird durch An-
einanderschlagen zweier Bumerangs hervorgebracht, bei welchen Tönen die
- 8 —
nächtlichen Tänze aufgeführt werden. Feindliche Konflikte zwischen den
einzelnen Stämmen sind selten, häufig dagegen große Massenversammlungen
zur Entscheidung solcher Konflikte und besonders der sehr komplizierten
Ehe?erhältnisse, bei denen Verwandtenehen anscheinend ausgeschlossen sind.
Doch ist es sehr schwierig, etwas genaues darüber auszusagen, da die
Schwarzen über ihre intimen Angelegenheiten Unrichtiges sagen, wie sie
überhaupt, sogar an die Realität der Träume glaubend, nicht wahrheitsliebend
sind. Eine richtige Religion besitzen die Schwarzen nicht, sie kennen nur
böse Geister, gegen die sie sich durch Hülfe der Zauberdoktoren schützen,
die Krankheiten erzeugen und heilen können. Der Zauberdoktor kann auch
per distanze krank machen und töten durch Zielen mit spitzen Menschen-
oder Tierknochen. Sobald der Betreffende, auf den so gezielt worden ist,
dieses erfährt, legt er sich, von Todesfurcht ergriffen, hin, verweigert die
Nahrung und stirbt. Alle Naturkräfte werden durch tote Schwarze ausgeübt.
Die Toten werden entweder beerdigt oder auf Bäumen aufgebahrt, die
Knochen nachher von den Bäumen heruntergeholt und als Amulette gebraucht.
Auch Grabdenkmäler aus bemalten Muscheln findet man, andere Leichen
werden nach Herausnahme der Eingeweide durch Räuchern am Feuer mumi-
fiziert. Es gelang dem Vortragenden, eine solche Mumie, den Häuptling
eines Stammes, zu erwerben. Grabmonumente kommen nur selten vor, doch
fand Redner solche auf Melville-Island, der nördlich von Australien gelegenen,
in jeder Hinsicht dem Kontinent zugehörigen Insel. Es sind hölzerne Säulen,
mit Muscheln und Feuer bearbeitet und farbig bemalt, die in großer Zahl
(bis 9) in Form eines Ovals das Grab umgeben. Sie erinnern an ähnliche
Grabdenkmäler auf den Südsee-Inseln und bei den Ainos. Die Pietät für die
Toten ist ein Zug, welcher die Eingeborenen Australiens in sehr günstigem
Lichte zeigt. Daß hierin auch der altsteinzeitliche Mensch Europas keines-
wegs auf niederster Stufe stand, lehrt der neueste Fund eines Neandertal-
skeletts, welches Vortragender, der Einladung des Entdeckers, des bekannten
Schweizer Prähistorikers 0. Hauser, folgend, im August dieses Jahres
ausgrub und zwar in dem durch seine Kulturiunde berühmten Vez^re-Tal
(Dordogne). Dieses Skelett, das in ungestörter Schicht der sogenannten
Moustierkultur in der bisher nicht berührten unteren Grotte des Moustier-
felsens aufgedeckt wurde, gehört einem jugendlichen Individium der Neander-
talrasse an, deren sämtliche Charakterzüge an Kopf und Extremitäten es
aufweist. Zum ersten Male wurde hier eine richtige Bestattung aus paläo-
litischer Schicht festgestellt, denn das Skelett lag in einer Schlummerstellung
auf der rechten Seite, der Kopf auf Silexplatten gebettet, die künstlich ge-
schlagen und sorgfältig ausgewählt waren. Unter der Stirn lag eine grad-
kantig behauene Platte von zirka 10 cm Länge. Ähnliche Stücke befanden
sich unter den Schläfen und der Kieferregion. Zwei kleinere Platten faßten die
Nase ein, eine den Nasenrücken, die andere der Fläche angelagert so genau,
daß der Raum zwischen diesen Silex und dem Schädel noch die Nasenform
zeigt, deren Löcher nicht abwärts, sondern nach vom und abwärts schauten.
Der rechte Ellbogen lag unter dem Kopf und auch der Arm war gestützt
durch eine Silexplatte am Cubitalgelenk. Zahlreiche aufgeschlagene und mit
Feuerspuren versehene Tierknochen und ein schönes Instrument vom Acheul^en-
— 9 —
Typus, das in der Nähe der linken Hand gefunden wurde, ließen keinen
Zweifel an der Bestattung. Der Schädel, den der Vortragende aus zahl-
reichen Fragmenten zusammenfügte, zeigt noch viel mehr Ähnlichkeit mit
dem der Australier als die erwachsenen Neandertalschädel. Die Überaugen-
wülste sind noch nicht so stark ausgebildet, ebenso der Ast des Unterkiefers
noch kleiner, obwohl der Mund ganz wie eine „Schnauze" vorspringt. Die
Unterschiede des jugendlichen und erwachsenen Typus bilden eine Parallele
zu den Zuständen bei Anthropoiden, speziell Gorilla. Der Australierschädel
weist auf dieselbe Wurzel hin, wie die Neandertalrasse, ist aber in vieler
Hinsicht primitiver geblieben, und durch die Vertiefung der Nasen und
Augenregion, wodurch der hintere Oesichtsausdruck der australischen Wilden
entsteht, modifiziert.
Mittwoch, den 4. November 1908.
Herr Pfarrer Lic. Dr. Karl Schwarzlose-Frankfurt a.M.:
Balgarlen, Land und Leute. Nach eigener Studienreise ge-
schildert. (Lichtbilder.)
Der Vortragende, welcher zu kirchen- und kulturgeschichtlichen Studien
planmäßig alljährlich den Balkan bereist, machte im August und September 1907
eine Studienreise durch Bulgarien, die durch Empfehlungen des Berliner Aus-
wärtigen Amts und durch wohlwollendes Entgegenkommen der bulgarischen
Staatsbehörden in jeder Weise gefördert wurde. Auch der damalige Fürst jetzige
König Ferdinand wandte derselben sein Interesse zu. In der Person des Sofianer
Üniversitäts-Professors Dr. Dimitrow, der in Jena studiert und die Doktor-
würde erlangt hatte, erhielt der Vortragende einen sprachenkundigen und mit
vielen Gegenden Bulgariens vertrauten Reisebegleiter. Das Ereignis, welches
Bulgarien in aller Welt in den Vordergrund gerückt hatte, nämlich die am
5. Okt. 1908 erfolgte Erklärung zum unabhängigen Königreich,
bot sich dem Redner wie von selbst als Ausgangspunkt für seine Aus-
führungen dar. Er bemerkte, daß das Erstaunen über das zielbewußte Vor-
gehen Bulgariens nicht so groß sein würde, wenn das Land und sein Volk
und zwar namentlich die nationale Energie und militärische Schlagfertigkeit
desselben besser bekannt wäre.
Das ehemalige Fürstentum, jetzige Königreich Bulgarien — Redner
zweifelt nicht im mindesten daran, daß alle Großmächte sich mit der voll-
zogenen Tatsache wtlrden zufrieden geben müssen — hat einen Flächenraum
von 96345 qkm, von den B2Ö94 qkm auf das ehemalige Ostrumelien ent-
fallen, das seit 1885 unter der Bezeichnung Südbulgarien dem heutigen
Königreich angegliedert ist. Bulgarien ist doppelt so groß wie Serbien und
erreicht mit seinem Umfang etwa den der deutschen Königreiche Bayern und
Württemberg zusammengenommen. Zwischen Nordbulgarien, das auch als
Donau-Bulgarien bezeichnet werden könnte, und Südbulgarien besteht
klimatisch ein gewaltiger Unterschied, der z. B. schon daran anschaulich
wird, daß man in Sofia im Winter durchschnittlich 42 Schneetage zählt, in
Philippopel dagegen nur 14. Die Grenze zwischen beiden Landesteilen bildet
zumeist der Balkan (zu deutsch : Gebirge) , das Hauptgebirge Bulgariens
— 10 —
und zugleich der ganzen Halbinsel, das in einer Ausdehnung von 600 km
vom Timokfluß bis zum Schwarzen Meer läuft und von den Alten Hämns
genannt wurde, während es bei den Bulgaren Stara Planina =■ altes
Gebirge heißt. Seine höchste Erhebung ist der Jumruktschal, neuerdings
Ferdinandspitze genannt, mit 2385 m. Er liegt au! dem Zentral balkan, der
auch eine Menge vortrefflicher Pässe sein eigen nennt, unter denen der
Schipka (Passhöhe 1808 m) infolge der hier im russisch-türkischen Kriege
stattgehabten blutigen Kämpfe der berühmteste ist. Nach Norden hin dacht
sich der Balkan allmählich ab und ist an dieser Seite auch mit prächtigen
Buchonwaldungen bestanden. Nennenswerte Gebirge sind weiterhin der
majestätische, aus Urgestein bestehende Kilo mit dem 2924 m hohen Mussalla
und das hochromantische, aber sehr unwegsame Rhodopegebirge, außer-
dem die Vitoscha, der die Sofianer Ebene beherrschende und 2287 m an-
steigende Gebirgsblock. Im Kilo- und Rhodopegebirge gibt es dichte, hoch-
stämmige Tannenwaldungen, und zahlreich finden sich hier noch Gemsen und
Bären. In der Umgegend des verborgen im Rilogebirge gelegenen Riloklosters
bilden beide Tiere keine Seltenheit. Redner hat alle die genannten Gebirge
persönlich kennen gelernt und au! schwierigen Pfaden das Rilo- und Rhodope-
gebirge sowie den Balkan überritten. Bulgarien ist ein überwiegend gebirgiges
Land: die mittlere Höhe beträgt 425 m. Gleichwohl sind 50 ^o der Boden-
fläche für den Ackerbau geeignet, der noch zumeist in primitiver Weise,
aber mit erfolgreichen Ernten betrieben wird, da das Land von einer
staunenswerten Fruchtbarkeit ist. In dieser Hinsicht sind besonders gesegnet
die Strumaebene bei Küstendil, die Iskerebene bei Samokow und die
weite Maritzaebene in Südbulgarien. Die Maritza ist der Fluß Bulgariens,
an den sich die nationale Begeisterung ähnlich anschmiegt wie bei uns an
den Rhein. Die in den Freiheitskämpfen gegen die Türken entstandene
Nationalhymne beginnt „Schumi Maritza". In diesen auch landschaftlich
sehr reizvollen fruchtbaren Gebieten gedeihen nicht bloß alle Getreide-,
Gemüse- und Obstsorten sowie Wein aufs ergiebigste und in edelster Qualität,
sondern auch Reis, Tabak und südländische Gewächse. Der beste Wein
Bulgariens wächst allerdings am Schwarzen Meer, an den Uferhängen nördlich
von der aufblühenden Hafen- und Handelsstadt Warna, wo inmitten eines
200 ha bedeckenden Rebengeländes König Ferdinand das Schloß Euxinograd
besitzt, seiner Lage nach Miramare bei Triest vergleichbar. Die Bulgaren
sind geborene Gärtner; viele treiben mit diesem Beruf eine Art von
Sachsen gängerei , namentlich nach Rumänien und Südrußland hin. Dieses
ihr Talent wirkt sich vor allem im Gemüsebau und in der Blumenzucht
aus. So erklärt sich die gewaltige Rosenkultur, deren Hauptsitz vorzugs-
weise das Tundschatal ist, das sich 150 km lang und 20km breit am
Fuße des Zentralbalkans ausdehnt. Hier sieht man nichts als Rosenfelder,
die mit buschartigen Damaszenerrosen bestanden sind. Der Anbau geschieht
zum Zwecke der Rosenöldestillation. Der Mittelpunkt derselben ist die
18 km südlich vom Schipkapass und sehr lieblich gelegene Stadt K a -
zanlyk. Über die hohen Preise des Rosenöls wundert man sich nicht mehr,
wenn man hört, daß von 12 Kilo Rosenblüten im günstigsten Fall 4 gr.
Rosenöl erzielt werden. Die bulgarische Staatsregierung scheut keine Mühen
— 11 —
und Opfer, um auf jedem Gebiete die Kultur des Landes zu heben. Zu
diesem Behufe sind nicht nur in allen Bezirken berufliche landwirtschaft-
liche Inspektoren angestellt, welche durch Vorträge. Vorführung der neuesten
Maschinen u. a. m. die Fachkenntnisse und technischen Fertigkeiten der
Bauern zu heben haben, sondern auch hie und da Ackerbau- und Wcin-
bauschulen gegründet worden, welche mit tüchtigen, meistens im Auslande
vorgebildeten Lehrkräften besetzt sind. Vortragender hat die in Westbul-
garien, in Dupnitza neu ins Leben gerufene Ackerbauschule besucht. Der
Staat unterhält hier und überall die Schüler vollständig. Es gibt übrigens in
Bulgarien keinen Großgrundbesitz, sondern in die 3Vs Millionen ha unter dem
Pflug teilen sich 546084 Besitzer.
Die Bevölkerung Bulgariens, die sich gegenwärtig auf 4036000
beziffert, bietet ein buntes Gemisch dar. Neben rund 3V5 Millionen Bulgaren
gibt es etwa >/, Million Türken, 95000 Zigeuner, 84000 Rumänen, 70000
Griechen, 36 000 Juden, 19 000 Tataren, 14 000 Armenier u. a. mehr. Infolge
dieser nationalen Buntheit stößt man in Bulgarien auf viele Sprachen und
vielseitige Sprachkenntnisse. Die meisten Bulgaren, die wie alle Slaven über
ein erstaunliches Sprachtalent veriügen, sind mindestens in 2—3 Sprachen
gut zu Hause. In türkischer Zeit war das Türkische die Verkehrsspi-ache,
jetzt ist es das Bulgarische, welches eine südslawische, dem Serbischen nahe
verwandte Sprache ist; ein Hauptunterschied besteht darin, daß es im
Bulgarischen einen Artikel gibt. Neben der Landessprache kommt man am
weitesten mit Deutsch und Französisch. Beide Sprachen werden auf
den höheren bulgarischen Schulen gelehrt. Daneben wird selbstverständlich
das Russische von vielen verstanden und gesprochen.
Was das religiöse Bekenntnis angeht, so hängt dasselbe ge-
wöhnlich eng mit der Nationalität zusammen. Die Mehrzahl der Bewohner
— etwa 3 Millionen — gehört der griechisch-morgenländischen oder or-
thodoxen Konfession an. Die bulgarische orthodoxe Kirche ist unabhängig
und wird in 11 bischöfliche Diözesen zerlegt. Ihr Oberhaupt ist der in
Konstantinopel residierende Exarch, dem nicht nur die orthodoxen
Bulgaren im Königreich, sondern auch die noch unter türkischer Herrschaft,
namentlich in Mazedonien lebenden 1200000 Bulgaren in geistlicher Hinsicht
unterstellt sind.
Ebenso wie Serbien ist auch Bulgarien altes Kulturland. Es deckt
sich mit dem Mösien (zwischen Donau und Balkan) und Thracien (süd-
lich vom Balkan) der Römer. Infolgedessen werden unablässig interessante
Funde aus römischer Zeit gemacht. Seit 1906 arbeitet man erfolgreich daran,
die 17 km von Tmovo gelegene Römerkolonie Nicopolis ad Istrum
wieder auszugraben. Namentlich findet man bei den heilkräftigen heißen
Quellen, an denen der Balkan so reich ist, und die den alten Römern schon
bekannt waren, Spuren ihrer Kultur. Ebenso ist Bulgarien reich an alt-
christlichen Altertümern. Dieselben sind jetzt sachgemäß zusammengetragen
im Nationalmuseum zu Sofia. Dieses hieß in römischer Zeit Sardica und
war im 4. Jahrhundert ein Vorort des Christentums. In der Zeit der Völker-
wanderung fluteten zuerst germanische Stämme durch das Land, denen im
6. und 7. Jahrhundert Slawen folgten, die sich wie im Nordwesten der
— 12 —
Halbinsel so auch hier festsetzten. Am Ende des 7. Jahrhunderts wurden
sie von einem nachrückenden ugro-finnischen Stamm unterjocht. Es
waren dies die Bulgaren, auch Wolgaren genannt nach ihren ursprünglichen
Sitzen an den Ufern der Wolga. Die Bulgaren wurden nur politisch Herren
des Landes; die unterworfenen Slawen gaben ihnen Sprachen und Sitten.
Von Byzanz her nahmen sie im Jahre 864 das Christentum an und gründeten
im Osten der Balkanhalbinsel ein starkes Königreich. Ihr Herrscher S i m e o n
(890—927) dehnte seine Macht über Albanien hin bis zum Adriatischen Meere
aus und nahm den Titel ,Zar der Bulgaren'' an. Es ist dies der-
selbe Titel, den Fürst Ferdinand am 5. Oktober d. J. wieder
aufgenommen hat, wobei zu bemerken, daß das Wort Zar
in der bulgarischen Sprache nicht Kaiser, sondern König
bedeutet. Im Jahre 1015 kam Bulgarien unter byzantinische Oberhoheit;
Yon derselben wurde es im Jahre 1186 befreit durch das fürstliche Bruder-
paar Johann und Peter Assen, welche die Dynastie der Asseniden und
das zweite bulgarische Königreich mit der Hauptstadt Trnoyo gründeten,
romantisch am Nordabhang des Balkans an der Jantra gelegen und bis zum
heutigen Tage die Stadt des bulgarischen Nationalstolzes und der bulgarischen
Tradition. Im Jahre 1393 wurde Bulgarien eine Beute der Türken, unter
deren Joch es ziemlich 500 Jahre lang schmachtete. Wenn die Bulgaren
nicht im Türkentum und Islam aufgingen, so danken sie dies lediglich ihrer
orthodoxen Kirche, welche ihnen das Christentum, die
Muttersprache und die Erinnerung an die vergangene
nationale Größe bewahrte. Infolgedessen hängt der Bulgare an seiner
Kirche mit dankbarer Pietät; er weiß, daß die Kirche auch die Wiege der
politischen Erneuerung Bulgariens war. Die Sehnsucht nach nationaler
Wiedergeburt warf zuerst der Mönch Paissij in das Volk hinein, der
Ende des 18. Jahrhunderts lebte. Sein Traum ging erst im Jahre 1878 in
Erfüllung nach dem russisch-türkischen Kriege. Man kann nicht sagen, daß
der Berliner Kongreß vom 13. Juli 1878 die bulgarischen Grenzen zufrieden-
stellend abgesteckt hätte. Es ist verständlich, daß die Nation seitdem ziel-
bewußt an ihrer Korrektur arbeitet.
Wie bekannt, war der aus hessischem Geblüt stammende Prinz
Alexander von Battenberg erster bulgarischer Fürst (1879 bis
1886). Er hat mit großem Geschick die gesunden Fundamente für eine neue
Kultur des Landes und besonders für eine gute Verwaltung und straffe
militärische Organisation gelegt und durfte dem jungen Staate bei Slivnitza
auch die ersten Kriegslorbeeren gewinnen. Seit dem 14. August 1887 regiert
über denselben Prinz Ferdinand von Coburg, der mit liebenswürdiger
Geduld und mit opferfreudigem Eifer in jeder Hinsicht an der Hebung des
Landes gearbeitet und vor allem durch seine diplomatische Tüchtigkeit
Bulgarien zu einem geachteten Staatswesen innerhalb der europäischen
Völkerfamilie erhoben hat. Besonders ist hervorzuheben die Energie und
Sachkunde, mit der König Ferdinand von Anfang an die Verbesserung
der Kommunikationsmittel und den planmäßigen Ausbau des Eisen-
bahnwesens sich hat angelegen sein lassen. Auf letzterem Gebiete ver-
fügt er persönlich über ein bewundernswertes fachmännisches theoretisches
— 13 —
und praktisches Wissen, Die jetzt im Bau befindliche, großzügig angelegte
Balkan-Transyersalbahn, die eine direkte Verbindung zwischen Nord-
und Siidbulgarien herstellt, geht ebenfalls auf seine Initiative zurück. Bis
jetzt kann man nur zu Fuß oder zu Pferde über den Balkan vom Süden
nach dem Norden des Landes. Nicht nur militärisch, sondern auch handels-
politisch ist diese Förderung des Eisenbahnbaues von höchstem Wert. Daß
aber auch das Volk etwas davon haben und die Bahn zum Kennenlernen des
Vaterlandes benutzen soll, beweist die neiderregende bulgarische Einrichtung,
daß in der Hauptreise- und Ferienzeit vom 1. Juli bis zum 30. September
sämtliche Fahrkarten mit 25% Ermäßigung verkauft werden.
Redner hat au! seiner Studienreise alle historisch, kirchlich und kulturell
nennenswerten Orte Bulgariens kennen gelernt und führte Städte (wie z. B.
Sofia, Philippopel, Trnovo, Warna, Rustschuk, Plewna),
Dörfer, Kirchen und Klöster, Felder und Gebirgslandschaften in Lichtbildern
nach eigenen Aufnahmen vor. Insonderheit berichtete er von Sofia, wie dies
eine aufblühende, mit allen Errungenschaften der europäischen Großstädte
ausgestattete Residenz sei. Das neue Theater und die noch im Bau befindliche,
riesige Dimensionen aufweisende Kathedrale erregten vor allem die Be-
wunderung der Beschauer. Die Landstraßen im Innern Bulgariens sind nicht
schlecht ; hier ist man noch sehr auf Fuhrwerke oder Reitpferde angewiesen.
Auch außerhalb der großen Städte gibt es erträgliche Gasthäuser. Was über
die Unsicherheit des Landes und über die Unreinlichkeit vielfach erzählt
wird, gehört in das Reich der Fabeln. Eine gewisse Vorsicht ist nur geboten
an der bulgarisch-mazedonischen Grenze, sonst reist man im ganzen
Lande völlig sicher. Die Verhältnisse des Wohnens und die Lebens-
haltung überhaupt sind überwiegend noch sehr primitiv, was sich nicht
bloß aus der jungen Kultur, sondern auch aus einer bewußten Genügsam-
keit und Sparsamkeit der Bulgaren erklärt. Das Reisen im Lande ist
strapaziös, aber sehr genußreich. Die größte Schwierigkeit liegt für den
Fremden in der Verpflegung, da die Zubereitung der Speisen eine von der
unseren völlig abweichende ist.
Als den Glanzpunkt seiner Reise schilderte der Redner den Besuch des
nicht weit von der türkischen Grenze, inmitten eines waldreichen Felsentales
1200m hoch im Rilogebirge gelegenen Riloklosters. Dieses ist das
Nationalheiligtum des bulgarischen Volkes, gebaut an der Stelle, wo
im 10. Jahrhundert ein bulgarischer Mönch, der hl. Johannes, als Eremit
gelebt hat. Das heutige Kloster ist ein fünfeckiger, festungsartiger Bau.
Nach dem Hof zu hat es vier Stockwerke, in denen sich 300 Zimmer befinden,
die teils den Mönchen (45 an Zahl) zur Wohnung dienen, teils zur Aufnahme
von Gästen und Pilgern bestimmt sind. An sechs Feiertagen im Jahr
strömen zwischen 15(X)— 6000 Pilger im Rilokloster zusammen, die 3 Tage
lang im Kloster umsonst beherbergt und gespeist werden. Die mumifizierte
Leiche des Nationalheiligen liegt in der mit Bildern übersäten Klosterkirche.
Die Klosterbibliothek ist reich an altslawischen Codices, die Redner ebenfalls
im Bilde vorführte. Außer dem Rilokloster zeigte er verschiedene hoch-
romantisch gelegene Klöster aus dem Balkan, z. B. Sv. Bogoroditza bei
Gabrowo u. a.
— 14 —
Die hervorstechendsten Eigenschaften der Bulgaren sind Fleiß,
Genügsamkeit, Sparsamkeit, schnelle Auffassungsgabe, militärische Tüch-
tigkeit. Sinn für Disziplin und opferwillige Vaterlandsliebe. Jeder be-
zahlt z. B. gern Steuern zum Wohle der Gesamtheit. Jedem Fremden
fällt der soldatische Geist des Volkes auf. Überall im Lande trifft man
auf Soldaten. Sofia mutet in dieser Beziehung an wie Potsdam. Der bul-
garischen Armee hat unser Kaiser ein glänzendes Zeugnis ausgestellt.
Auch Bulgariens König und Volk schätzt den Wert seines Heeres richtig
ein. Dieses gab ihm den Rückhalt für das mutvolle Vorgehen im Ok-
tober d. J. und sichert ihm eine unverlierbare Bedeutung in der zukünftigen
Geschichte des Balkans.
Mittwoch, den 11. November 1908.
Herr Dr Albert Tafel-Stuttgart : Meine Reisen in
Osttibet. (Lichtbilder.)
Von den Reisen Dr. Tafeis wurden in dem Vortrage nur diejenigen
behandelt, die er in den Jahren 1906 und 1907 in Osttibet ausführte. Der
Redner gab zunächst an der Hand seiner Lichtbilder eine kurze Darstellung
der verschiedenen Völkerschaften, welche die Gegend von Hsi ning fu und
vom Knku nor, also der Grenze der chinesichen Provinz Kan su und Nordost-
Tibets, bewohnen. Unter der Herrschaft der Chinesen bezw. Mantschu drängen
sich dort auf einen engen Raum chinesische Bauern, Mongolen, die vom
einstigen Kalmükenreich übrig geblieben sind, chinesische und türkische
Mohammedaner, Hsi fan-Tibeter und endlich Angehörige eines heute kleinen,
gleichfalls Ackerbau treibenden Volkes zusammen, welche die Chinesen T^u jen
nennen und die unter eigenen Fürsten stehen. Die Trachten der Frauen aller
dieser Völker zeigen besonders große Verschiedenheit. Die der T'u jen sind
auffallend bunt und originell.
Nach einem ersten, im Januar 1906 ausgeführten Versuch, den See
Kuku nor genauer zu erforschen, der aber wegen eines räuberischen Über-
falls vorzeitig endete, ging die Reise im Frühjahr 1906 auf dem rechten Ufer
des Hoang h'o aufwärts nach Süden, bis in die Nähe des Berges Amne
Matschin. Der Berggeist, der nach Ansicht der Tibeter auf diesem Gipfel
thront, gilt in ganz Nordosttibet als der mächtigste Gott, von dem das Wohl
und Wehe der Bewohner abhängt. Von dort ging die Reise durch unbe-
wohntes Hochland in das abflußlose und salzreiche Becken von Ts^aidam
hinab, wo die Karawane sich etwas erholte, da sie aufs neue den Unbilden
der tibetischen Hochländer ausgesetzt wurde. Südlich von Ts'aidam ging es
nun in das Quellgebiet des Hoang h'o zum Sternenmeer und zu den äußersten
Quellen dieses Flusses, dann an den Yang tse kiang, wo der Stamm der
Yüchü-Tibeter die Reisenden aufhielt. Um einen feindlichen Zusammenstoß
zu vermeiden, zog der Vortragende weiter nach Westen und erreichte einen
halben Monat später die Gegenden der flachen Wasserscheiden zwischen dem
abflußlosen Gebiet Hochtibets und den Quellflüssen des Yang tse kiang.
Dort erlitt das Unternehmen ein weiteres Fiasko. Unbemerkt waren die Yüchtl-
Tibeter nachgezogen und raubten nun die Karawanentiere, als sie auf der
— 15 —
mageren Weide zerstreut waren. Es begann darauf ein äußerst mühseliger
Rückmarsch zu Fuß über den Arka tag und den ganzen nördlichen Teil des
Hochlandes von Tibet in direkt nördlicher Richtung. Erst etwa einen Monat
später begegnete man wieder Menschen. Diese gehörten zu den Tätschinär-
Mongolen; es war gelungen, Ts'aidam zu erreichen. Zur Ausrüstung einer
neuen Karawane mußte etwa bis Hsi ning !u zurückgegangen werden.
Die dritte Reise nach Tibet führte im Januar 1907 über den oberen
Hoang h'o quer durch das Gebiet der völlig unabhängigen Nggolokh nach
Tombuda, wo einst Dutreuil de Rhins ermordet worden war, und dann nach
Dyerkundo. Auch dort mißlangen die Bemühungen des Reisenden, nach Süden
durch das bisher ganz unbekannte Gebiet des Königs Nan tsien zu gelangen.
Auf der sogenannten oberen Lhasastraße zog Redner nach der chinesischen
Provinz Setschuan und bereiste noch im Sommer 1907 die chinesisch-tibetische
Grenze, die Fürstentümer Kiala, Niarong, Tschoktsi, Somo, Merge. Dieser
letzte Teil bot namentlich große Terrainschwierigkeiten. Im September 1907
wurde der äußerst enge Bogen gefunden, den der Hoang h^o in Tibet macht
und der danach weiter östlich und südlich liegt, als bisher angenommen
wurde.
Die Heimreise führte über die Grenzstadt Tao tschou und das große
tibetische Kloster Labrang, das nicht bloß eine Hochburg der lamaistischen
Religion, sondern auch in administrativer Beziehung von größter Bedeutung
ist, da hiervon viele tibetische Stämme abhängig sind. Von Kloster Labrang
aus wurden nach einer weiteren dreimonatlichen Reise, die noch durch ganz
China führte, Hankow, Shanghai und die modernen Verkehrsmittel erreicht.
Mittwoch, den 25. November 1908.
Herr Professor Dr. Karl Dyroff-Mtinchen: Die Märchen
der Tausendandeinen Naeht auf ihrer Weltwandermig.
Der Redner ging aus von der Tatsache der großen Verbreitung des
Buches „Tausendundeine Nacht'' als eines Märchenbuches für die Jugend.
Er bemerkte, daß ihm persönlich in jüngster Zeit Anzeichen lebhafteren In-
teresses für das Buch entgegengetreten seien, und meinte, man müsse es im
kulturhistorischen Sinne, als ein Denkmal des arabischen Mittelalters,
lesen ; so könne dann das Märchenbuch auch als ein vortreffliches Hilfsmittel
für die Kenntnis des modernen orientalischen Lebens dienen, das von dem
mittelalterlichen ja gar nicht so sehr abweiche. Die Tatsache seines dau-
ernden Fortlebens sei aber doch wohl in seinem innem. poetischen Werte
begründet, und in der Tat hätten eine Reihe nicht unbedeutender Prosa-
dichter von sehr verschiedener Nationalität zum Zustandekommen der Samm-
lung beigetragen.
Der Redner besprach sodann die fünf wichtigsten Gestaltungen, die
das Buch im Laufe der Jahrhunderte durchgemacht hat.
Die französische Tausendundeine Nacht, durch Galland 1704 be-
gründet, ist die Quelle für fast alle europäischen Bearbeitungen, die türkische
ausgenommen. Galland hat das arabische Buch in den Stil Louis quatorze
umgesetzt.
— 16 -
Von der ägyptischen Taasendundeine Nacht gibt es eine moderne
Form, die der landläufigen arabischen Drucke und Handschriften, und dann
eine ältere, spätestens zu Anfang des 14. Jahrhunderts entstandene, deren
Umfang und Charakter der Redner vor kurzem festzustellen versucht hat
(im 12. Band der im Leipziger Inselverlag erschienenen Übersetzung); es
waren 17 lange und meist sehr hübsche Novellen (oder Romane).
Die bagdadische Tausendundeine Nacht des — spätestens — 10.
Jahrhunderts, die nur aus literarischen Nachrichten bekannt ist, war ein von
der ägyptischen völlig verschiedenes Buch ; es hatte fast nur die sogenannte
Rahmenerzählung mit der ägyptischen gemeinsam und bestand aus kurzen
Novelletten.
Die bagdadische Tausendundeine Nacht war aus einer persischen
tlbersetzt und diese ging vielleicht, was gegenwärtig nicht nachzuweisen ist,
auf eine indische zurück.
Zum Schluß handelte der Redner von der Wichtigkeit der arabischen
Tausendundeinen Nacht für die moderne Märchenforschung.
Mittwoch, den 2. Dezember 1908.
Herr Dr. Fritz Jaeger-Off eubach: Zorn Hochland
der Biesenkrater in Dentsch-Ostafrika. (Lichtbilder.)
Bis vor wenigen Jahren war der zwischen dem Kilimandscharo und
dem Viktoriasee gelegene Teil unserer ostafrikanischen Kolonie noch sehr
wenig bekannnt. 1882 war als erster Europäer Dr. Fischer hier in das
Land der kriegerischen Massai eingedrungen, hatte zuerst den Dönjo TEngai,
den Gottesberg, gesehen und seine jungvulkanische Natur festgestellt. An
seinem Fuße entdeckte er einen See, der so salzhaltig war, daß das Salz
sich ausschied und wie eine Eisdecke auf dem Wasser schwamm. Nach
Fischer durchzogen 1887 Graf Telecki und Leutnant v. Höhnel diese Gebiete
und die nördlicher gelegenen Gegenden. Sie hatten einen großen wissen-
schaftlichen Erfolg, denn auf Grund der vorzüglichen topographischen Auf-
nahmen V. Höhneis vermochte der Wiener Geologe Eduard Sueß den „Großen
Ostafrikanischen Graben" zu erkennen, der vom Nyassasee nordwärts bis
nach Abessynien zieht und dann, wenn auch in veränderter Richtung im
Roten Meer, im Toten Meer und im Jordantal seine Fortsetzung findet. 1892
zog Oskar Baumann zum Viktoriasee. Auf den Hochländern über dem West-
rand des großen Grabens, welcher als steile nach Osten abfallende GJebirgs-
mauer das Land von Norden nach Süden durchzieht, entdeckte er die
kesselförmigc Senke Ngorongoro sowie den langgestreckten Njarasasee, der
auf der Sohle einer anderen Grabensenke liegt. Nach diesen Pionier- und
Entdeckungsreisen hörten wir kaum mehr etwas aus jenen Gegenden bis
1904. Seit diesem Jahre haben drei größere Unternehmungen die weißen
Flecken der Karte so ziemlich ausgefüllt. Es waren dies die Vermessung der
Nordgrenze des Schutzgebiets durch eine englisch-deutsche Kommission und
zwei wissenschaftlich geographische Forschungsreisen, an denen ich teilnahm.
Die erste dieser Reisen war von Prof. Dr. Carl Uhlig geleitet und
fand in der zweiten Hälfte 1904 statt. Ihr Hauptforschungsgebiet war die
— 17 —
Sohle und der Westrand des Großen Ostafrikanischen Grabens zwischen 2.
und 4. Grad südlicher Breite. Ein östlicher Grabenrand existiert in dieser
Gegend nicht, sondern das Land senkt sich allmählich westwärts bis zum
Fuße des westlichen Steilrands. Da also in dieser geographischen Breite
die Grabenform nicht vorhanden ist, so nennt Uhlig den Steilabfall, der die
Fortsetzung des Graben Westrandes bildet, die „Ostafrikanische Brachstufe''.
Aus der Grabensohle erheben sich, wie riesige Maulwurfshaufen, einzelne
mächtige Vulkankegel. Einer derselben, der steile Dönjo TEngai, der Berg
Gottes, steigt unmittelbar am Fuß der Bruchstufe empor. Seine Besteigung
war überaus anstrengend, weil er mit dicht verfilztem Gras bewachsen und
von steilen Schluchten durchfurcht war, besonders aber, weil wir die Schwierig-
keiten unterschätzt und uns nicht mit genügend Proviant versehen hatten.
Bei der großen Hitze litten wir sehr unter dem Durst. Zuletzt gelang es
mir allein den Gipfel zu erreichen und festzustellen, daß dem mit weißem
Salz überkleideten Krater noch Dämpfe entströmten. Uhlig erkannte unter-
dessen auf dem Hochland westlich über der Bruchstufe einen ganz gewaltigen
Krater. Diese Entdeckung veranlaßte uns, jenes Hochland zu besteigen, und
wir fanden daselbst noch zwei andere große Kraterberge. Wir erreichten
am Loomalasin einen Gipfel von 3575 m.
Inzwischen hatte sich die Landeskundliche Kommission zur Erforschung
der deutschen Schutzgebiete unter dem Vorsitz des bekannten Kilimandscharo-
forschers Prof. Dr. Hans Meyer gebildet, welche die Erforschung systematisch
zu betreiben beabsichtigte und dem Kolonialamt entsprechende Vorschläge
machte. Auf ihren Beschluß erhielt ich vom Kolonialamt den Auftrag zu
einer Forschungsreise in die Gebiete zwischen Kilimandscharo und Viktoria-
see. Als Begleiter schloß sich mir auf eigene Kosten mein Vetter Eduard
Oehler aus Frankfurt a. M. an, der die meteorologischen Beobachtungen,
das botanische Sammeln und das Photographieren übernahm. Außerdem hat
er mich in allen technischen Schwierigkeiten einer solchen Karawanenreise
mit großer Hingebung unterstützt, so daß ich seiner selbstlosen Hilfe und
treuen Freundschaft sehr wesentlich den Erfolg der Expedition verdanke.
Unser Hauptforschungsgebiet lag in den Hochländern über der Bruch-
stufe, westlich anschließend an das von Uhlig und mir besuchte Gebiet. Da ich
diese Gegenden nicht nur längs einiger Marschrouten, sondern über die
ganze Fläche hin erforschen wollte, so trat an Stelle der Routenaufnahme
eine wenn auch rohe Triangulation, die eine für afrikanische Verhältnisse
sichere Grundlage der Karten abgeben wird. Wir besuchten — um nur
einige der interessantesten Unternehmungen herauszugreifen — im Oktober
1906 den von Baumann entdeckten Njarasasec. Eine großzügige, echt afri-
kanische Landschaft! Die weite, sturmgepeitschte Seeüäche ist beiderseits
von steilen, hohen Gebirgsmauern, den Rändern des Njarasagrabens um-
schlossen, am Nordostende ragen zwei gewaltige Vulkane darüber empor.
Ihnen strebten wir zu, konntf'n sie aber nicht erreichen, weil wir kein
Wasser fanden. Am Ufer des Sees entlang marschierend, mußten wir mit
der Gefahr des Vcrdurstens rechnen, denn das scharfe Salzwasser des Sees
war gänzlich untrinkbar. Einen des Landes und namentlich der Wasser-
stellen kundigen Führer hatten wir nicht in diesem unbewohnten Gebiet,
2
— 18 —
daher mußten wir umkehren und die Erforschung jener Vulkane auf die
Regenzeit verschieben.
Im Januar 1907 kamen wir von Nordwesten her wieder in diese Gegen-
den. In dem von Baumann entdeckten riesigen Kessel von Ngorongoro
schlugen wir bei der Farm eines weltlem hier wohnenden deutschen An-
siedlers unser Standquartier auf. Das Schwierigste war in diesen unbewohnten
Ländern die Verpflegung unserer Karawane. Wir mußten fast die Hälfte
der Leute in verschiedenen Abteilungen nach 8 Tage entfernten Orten
schicken, um Proviant für die Zurückbleibenden einzukaufen. Ngorongoro ist
ein riesiger vulkanischer Krater von nicht weniger als 20 km Durchmesser.
Den ebenen, grasigen Kraterboden, auf dem sich zahlreiche Gnuherden tummeln,
umschließen 500 bis 700 m hohe steile Lavawände. Und Ngorongoro ist
nicht der eineige derartige Krater. Im Südwesten erheben sich die schon
vom Njarasasee aus goschauten Vulkane, im Nordosten diejenigen, die ühlig
und ich 1904 entdeckten, alle von mehr als 3(KX) m Höhe. Wir haben sie
sämtlich bestiegen. Die Stellen, aus denen die Lavamassen ausquollen,
liegen hier so dicht beieinander, daß sich nicht, wie auf der Grabensohle
einzelne große Vulkankegel bilden, sondern daß sie untereinander zu einem
massigen Hochland verwachsen, über das nur die Gipfelkuppen mit ihren
riesigen Kratern emporragen. Die gewaltige vulkanische Tätigkeit ist die
Folge des sehr zerbrochenen Untergrundes. Ringsum, wo das alte Rumpf-
land unter den Laven hervortritt, ist es in Schollen zertrümmert, deren
Ränder durch Steilabfälle kenntlich sind. Überblickt man das Land vom
höchsten der Vulkane, dem 3650 m hohen Loomalasin, so möchte man sich
auf eine Mondlandschaft versetzt glauben inmitten dieser vielen, gewaltigen
Kraterlöcher. Darum sei dieses mächtige Gebirge, nach dem Kilimandscharo
die massigste Erhebung Dcutsch-Ostafrikas, das Hochland der Riesenkrater
genannt.
Mittwoch, den 9. Dezember 1908.
Herr Abteilungs-Baumeister Dipl.-Ingenieur H. Kalbfus-
Altona: Die Albulabahn« (Lichtbilder.)
Die Albulabahn führt von Thusis bezw. nach anderer, ebenfalls häufiger
Auffassung der Zugehörigkeit dieses Namens, von Chur nach dem Oberengadin
und ist die z. Zt. höchste auch für den Winterbetrieb bestimmte Adhäsions-
bahn Europas. Infolge des hochgelegenen, durch die große Höhenlage des
Oberengadins bedingten Scheiteltunnels unter den Piz Giumels weist die Linie
wenigstens auf der Nordseite eine hervorragende Trassierung auf und bietet
ein treffliches Beispiel dafür, welche Schwierigkeiten derartige Zufahrtsrampen
oft verursachen. So bildete der Vortrag zugleich eine interessante und
wertvolle Ergänzung eines früheren desselben Redners über den Simplontunnel.
Die Albulabahn gehört zum rätischen Bahnnetze, das heute noch die
Strecken Landquart— Chur. Landquart- Davos, sowie Chur— Thusis und
Reichenau -Ilanz umfaßt, in nächster Zeit aber noch nach Italien zu. sowie
bis Disentis und durch eine Querverbindung Davos— Filisur erweitert werden
wird. Sein eigentlicher Mittelpunkt ist, auch entsprechend seiner Eigen-
— 19 —
Schaft als größte Stadt Graubündens. Char. dem in der Geschichte des
Bündener — , sowie des nord-südlichen Transit- Verkehres von jeher eine
nicht unbedeutende Rolle zukam. Denn dank der Geländebeschaffenheit der
Bündener Täler, die langgestreckt, allmählich aber terrassenförmig ansteigen,
blieb hier der öde und unwirtliche Weg zur eigentlichen Paßeinsattelung
verhältnismäßig kurz; hinzu kam noch, daß der bequemere und billigere
Wasserweg hier ebenfalls relativ nahe (Comer- und Walensee) an die Pässe
heranreichte. Schon frühzeitig hatten deshalb die Septimer- und Splügen-
straße starken Verkehr, ja von letzterer wird bereits 1498 gerühmt, daß ihr
guter Zustand ihre Benutzung sogar zur Nachtzeit und mit Eilwagen er-
laubte. Neben der Gunst der geographischen Verhältnisse war aber von
Wichtigkeit, daß sich schon im frühen Mittelalter die anliegenden Gemeinden
zu sogenannten Portensgenossenschaften zusammengeschlossen hatten, welche
gegen Wegegeld für Unterhaltung der Straßen und eine gewisse Sicherheit
der Transporte sorgten.
Während somit die Geschichte der Grau bündener Straßen von viel
verkehrspolitischem Verständnis zeugt, ist in merkwürdigem Gegensatze dazu
die Geschichte der dortigen Bahnen ein lehrreiches Beispiel, wie trotz aller
Erkenntnis selbst die besten Projekte an steter Uneinigkeit der Interessenten
lange scheitern mußten. Die allerersten Projekte für einen Schweizer Alpen-
übergang tauchten hier auf ; 1888 für den Splügen, kurz darauf auch für
den Luckmanier, welche dann nach Sicherung der Gotthardbahn durch
Entwürfe und Rentabilitätsnachweise des Advokaten Seb. Hunger in Thusis
für eine zentral gelegene Linie Chur— Thusis— Filisur—Preda verdrängt
wurden. Trotzdem aber inzwischen der Bündener Transitverkehr durch
Brenner- und Gotthardbahn fast vernichtet war, geschah nichts, und erst
das energische Auftreten Halsboer's, der binnen 4 Jahren die Linie
Landquart- Davos schaffte und mit seinen weiteren Plänen (Scaletta) alle
Hoffnungen auf Verwirklichung der Hunger'schen Pläne zu vernichten drohte,
lehrte Einmütigkeit und Verzicht auf alle kleinlichen Sonderinteressen.
Halsboer wies mit seiner Bahn aber auch auf den rechten Weg; Grau-
bünden verzichtete vorerst auf die nach Eröffnung der Gotthardbahn nicht
mehr wirtschaftliche normalspurige Hauptbahn und entschied sich für die
billigere, aber noch erreichbare Schmalspurbahn von 1 m Spurweite. Am
20. Juni 1898 beseitigte ein Eisenbahngesetz alle vorwiegend finanziellen
Hemmnisse und sicherte die 19(J8 eröffnete zentrale Albulabahn.
Diese 62,8 km lange Linie von Thusis nach St. Moritz hat bis Filisur 25 %o
weiterhin 35 °/oo größte Steigung, blieb aber trotzdem noch außerordentlich
schwierig, sodaß außer dem 5866 in langen Albulatunnel noch weitere 10
km Tunnel und rund 8'/« km Brücken und Viadukte zu erstellen waren.
In der Schynschlucht beanspruchte der km Unterbau die bedeutende Summe
von 220.0(X) M und bot zu hervorragenden Brückenbauten Veranlassung,
als deren wichtigster die in einem einzigen 42 m weiten Bogen, 86 m
hoch über die Schlucht gespannte Solisbrücke zu nennen ist. Auch die
kühnen Bauten vor Filisur, der Schmittentobel- und der Landwasserviadukt,
bei dem ein sehr interessanter, von der gewöhnlichen Ausführung abweichen-
der Bauvorgang gewählt war, müssen Erwähnung finden. Betreffs der
2*
— 20 —
Linienfühnmg verdienen neben der Schynschlacht die Strecken Filisar— Bergün
und Yor allen Mnot — Naz Beachtung. Auf letzterer vermag die Bahn den
von der allerdings steilen Straße in 2Vt km erreichten, noch dazu um 40 m
größeren Höhenunterschied nur mittels vierfacher Kreuzung des Tales, durch
große Kurven und mit Hilfe von 3 Kehrtunnels zu überwinden, eine Tras-
sierung, die den Glanzstrecken der Gotthardbahn in nichts nachsteht. Manche
Schwierigkeit schafften auch einzelne der vielen Tunnels, ein Martyrium von
Arbeit verlangte aber der große Albulatunnel, welcher in seiner Zellen-
dolomit und in der südlichen Eingangsstrecke (Granitschutt mit Sand) oft
Stillstand gebot und vielfach keine größeren Tagesleistungen als 10 bis
30 cm zuließ.
Neben solchen technischen Erörterungen fehlten aber auch ebenfalls
durch schöne Lichtbilder unterstützte Landschaftsschilderungen nicht, und
da der Vortragende dazu noch der wirtschaftlichen Bedeutung der berührten
Gebiete nach Siedlungsgeschichte und Industrie (Bergbau) Aufmerksamkeit
schenkte, boten die Ausführungen ein vielseitiges und umfassendes Bild
der an Naturschönheit wie an technischer Großartigkeit gleich beachtens-
werten Bahn.
Mittwoch, den 16. Dezember 1908.
Herr Hauptmann a. D. Dr. Wettstein -Heidelberg:
Yergleiche deutscher Überseearbeit in SfidbrasilieD^ Deatsch-
SBdwestafrika und der Kapkolonie. (Lichtbilder.)
Redner stellte in erster Linie die beiden erstgenannten Neuländer
und jungen deutschen Kolonien Südbrasilien und Südwestafrika einander
gegenüber, um au! dieser Basis die Gründe des höheren Fortschritts der
Nachbarländer, insbesondere der Kapkolonie, zu untersuchen und auf Grund
deren Vorgeschrittenheit wiederum Schlüsse auf die Entwicklungsfähigkeit
Südwestafrikas zu ziehen.
Im Verfolg der geographischen Bedingtheiten der genannten
beiden Neuländer wurde auf die scheinbar gleichgültige Tatsache hingewiesen,
daß beide Länder zwar auf der südlichen Erdhalbkugel in denselben sub-
tropischen Breiten lägen, aber auf verschiedenen Seiten der in den Ozean
weit hineinragenden und deshalb dessen klimatischen Einflüssen besonders
ausgesetzten Erdteile. Während Südwestafrika auf der Regen-Schattenseite
seines Erdteils gelegen ist, zwingen die Randgebirge des Berg- und Tafel-
lands von Brasilien die in den beiden Ländern vorherrschenden Südostpassate
zum Aufsteigen; daher Abkühlen der Temperatur und deshalb zu starke
Niederschläge. Ähnlich die Ostküste Südafrikas und der Tafelberg mit
3000 Fuß absoluter und relativer Höhe. Freilich treten dort die westlichen
Winterregen hinzu und schaffen gerade in diesem Teile der Kapkolonic
häufige Oasen in der Steppenlandschaft.
Das verschiedene Klima bedingt in Südwestafrika eine dürftige Vege-
tation und gestattet nur im regenreicheren Nordosten des Landes z. B. am
Waterberg noch Ackerbau auf unberieseltem Boden; im Westen aber stirbt
die Vegetation mit Aloen und Agaven ab, verbleicht und verliert sich im
— 21 —
Wtlstensande der Namib. Die Flora bei Kapstadt ist zwar sehr mannigfaltig,
allein am Tafelberg finden sich 300 Spielarten des Heidekrauts, aber sie
bleibt auf die regenreicheren Oasen beschränkt. Demgegenüber erhebt sich
im Randgebirge Südbrasiliens tropischer Urwald mit Palmen, Orchideen,
Lianen und Baumfamen.
Trotzdem erfuhren beide Länder dasselbe Schicksal des geschieht-
lichenWerdegangs. Sie fielen in die Machtsphäre der Portugiesen, die
volkswirtschaftlich nicht die Spannnkraft besaßen, die Besiedlungsaufgaben
hier der Wüstensteppe, dort des gebirgigen Urwalds zu lösen. Handel mit
dichtgescharten Völkern, bequeme Bereicherung an deren bereits aufgestapelten
Schätzen, kostbare Rohmaterialien, namentlich Gold, das waren die Lock-
mittel, die die portugiesischen Krämer bestimmten. Es ist dasselbe Volk, das
auch heutigen Tages 43°/o seines Stammlandes Portugal als Ödland oder
Unland unkultiyiert liegen läßt. Dabei ist heute Portugal dicht beyölkert,
damals war es dünn bevölkert. Dieselbe geringe Zahl seiner Arbeitskräfte
war es, die auch die Holländer verhinderte, in der Kapkolonie selbständig
zu besiedeln. Eingewanderte Hugenotten, daneben auch Deutsche waren es,
die mit ihnen sich ein gemeinsames Vaterland schufen: Afrika. Sie wurden
Afrikaner, d. h. Leute gleichviel welcher nationalen Abstammung, die sich
Afrika zu ihrer Heimat gewählt haben. Auch dort gingen die Deutschen
fast vollständig in der Bevölkerung auf, haben sich aber immerhin auch
am Kap den Ruf der besten Kolonisten erworben.
Wie nun der deutsche Einwanderer von heute seine Besiedelungsauf-
gaben in den genannten Ländern auffaßt und behandelt, die Namib -Wüste
mit Bahnen ausschaltet und den Urwald Brasiliens mit Axt und Waldmesser
durchdringt, zeigten die zahlreichen Lichtbilder, die als Illustrationen
zu dem fortlaufenden Vortragstext des besonderen Teils dienten.
In Südwestafrika erweist sich als vorteilhaft die Schulbildung und
Intelligenz des deutschen Farmers, eines Mitteldings zwischen Bauer und
Rittergutsbesitzer, der sich und seine Bildung auf dem Laufenden hält und
Errungenschaften moderner Technik verwendet, während der Bure als richtiger
und rückständiger Bauer einen Argwohn gegen alles Maschinelle zeigt. In
Südbrasilien ist es die tief eingewurzelte Veranlagung des Waldvolks der
Germanen, das sich im Kampf mit dem Walde besonders bewährt. Waldvölker,
damit auch die deutschen Stämme, treten meist erst spät in das Licht der
Geschichte. Je länger es aber gedauert hat, bis das deutsche Volk einen
würdigen Platz in der Entwicklungsreihe moderner Völker gefunden hat,
umsomehr nationale Kraft ruht hier aufgespeichert.
Die Aufgaben der Kolonisation sollen wir aber nicht zu eng fassen:
„Das Deutschtum im Auslande ist unsere wichtigste Kolonie*!
Versuchen wir weitere Perspektiven zu stellen, so leuchtet in etwa
50 Jahren dem kontinentalen Riesenreiche Brasilien eine epochale Entwick-
lung ähnlich der in den Vereinigten Staaten Nordamerikas. Südwestafrika
aber dürfte wie das übrige Südafrika durch eine vorüberflutende Goldwelle
des Bergbaus und des durch ihn flüssig gewordenen Kapitals wirtschaftlich
gehoben und entwickelt werden, aber nach menschlicher Berechnung ein
dünn besiedeltes Hirten- und Bauernland sein und bleiben.
— 22 —
Mittwoch, den 6. Januar 1909.
Frau Cäcilie Seler-Berlin: Von Mexico uach Gnate-
mala. (Lichtbilder. )
Wer heute von Mexico nach Guatemala reist, benutzt die Isthmus-
Bahn, sodann die neue Küstenbahn, die schon fast die Grenze Guatemalas
erreicht. Von dort muß er entweder noch mit dem Dampfer bis S. Jos6, von
wo die Bahn in wenigen Stunden bis zur Hauptstadt führt, oder er fährt
von Salina Cruz, dem Endpunkt der Istmus-Bahn, gleich nach S. J{>s6. Auch
mein Mann und ich hätten vor Jahren schon einen Teil dieser Möglichkeiten
für unsere Reise benutzen können ; es lag uns aber weniger daran, schnell
nach der Stadt Guatemala zu gelangen, als vielmehr die Grenzgebiete, die
Gebirgsländer von Chiapas und Guatemala, deren Bevölkerung und etwa
dort vorhandene alte Kulturstätten kennen zu lernen. So brachen wir von
Oaxaca zu Pferde auf und reisten über Tehuantepec nach Tonalä, stiegen
dann von der Küste das Gebirge hinan, das hier wegen der fast immer
wehenden, heftigen Fallwinde berüchtigt ist. Wir durchzogen auf guten und
schlechten Wegen Chiapas, das uns mit seinen herrlichen flöhenwaldungen.
seinen vegetationsreichen Schluchten, seiner indianischen Bevölkerung viel
Interessantes bot, aber in archäologischer Hinsicht arg enttäuschte. Erst au
der Grenze blühte uns das Glück, ein weites Gebiet zu betreten, das in alter
Zeit stark besiedelt war und viel lohnende Arbeit bot. Nach mühseliger
dreimonatlicher Reise erreichten wir die Stadt Guatemala, die für ungefähr
die Dauer eines Jahres der Mittelpunkt für unsere Streifzüge nach Norden
und Süden wurde. Wir besuchten die Alta Vera Paz, die Ruinen von Qui-
rigua am Motagua und die von Copan in Honduras, um über den weit-
berühmten Wallfahrtsort Esquipulas, über Ipala nach Guatemala zurückzu-
kehren. Wir gingen noch einmal, diesmal über Quetzaltenango. nach dem
nördlichen Grenzgebiet, wo wir mehrere Monate arbeiteten, und besuchten
zweimal die jenseit der beiden groben Vulkane Fuego und Agua am Abfall
zur pazifischen Küste gelegenen Kaffeegebiete, wo wir Gelegenheit hatten.
Abklatsche von etlichen interessanten Skulpturen zu nehmen.
(Vgl. das Werk der Frau Vortragenden : „Auf alten W\'gen in Mexiko
und Guatemala'. Berlin, I). Reimer, li)0().)
Mittwoch, den 13. Januar 1909.
Herr Dr. Gustav W von Zahn = Berlin-Halensee:
Der Ibthmus von Tehaautepec. (Lichtbilder.)
Der Isthmus von Tehuantepec bezeichnet die erste jener verkehrs-
geographisch so wichtigen Einschnürungen in Amerika und zugleich das
Ende von Nordamerika, da das hier beginnende Zentralamerika durchaus
anderen Bau zeigt. Von Ost nach West sich erstreckend, geht er nach
Westen in die Gebirge Mexikos, nach Osten in die von Chiapas und Tabasco
über. Seinem Bau nach zerfällt er in drei Teile, die sich auch durch eine
abweichende Gestaltung des Flußnetzes, des Klimas, der Flora und der wirt-
— 23 —
schaftlichen Bedingangen nnterscheiden. Am Pazifischen Ozean erstreckt
sich in geringer Breite die trockene, unfruchtbare pazifische Küstenebene.
Hinter ihr steigt mauergleich die Sierra bis zu 600—700 m an, doch bildet
sie nicht ein eigentliches Gebirge, sondern einen Wechsel von Bergketten
und breiten Ebenen, die allmählich nach Norden an Höhe verlieren. Sie ist
regenreicher, von Savanne und Wald bedeckt und ist der Ursprung des aus-
gedehnten Flußnetzes des Rio Coatzacoalcos. Im Norden schließt sich die
atlantische Küstenebene an ; zuerst ein Hügelland, bildet sie dann eine reine
Ebene, von breiten Flüssen mit sumpfigen Ufern durchzogen und von tropi-
schem Urwald bedeckt, der dem Regenreichtum des Gebietes sein Entstehen
verdankt. Sie ist wirtschaftlich der wichtigste Teil, da der Wald tropische
Nutzhölzer liefert und eine Fülle tropischer Nutzpflanzen angebaut werden
können.
Die verkehrsgeographisch günstige Lage des Isthmus ist früh erkannt,
aber erst spät ausgenutzt worden. Sie erlaubt bei der geringen Höhe und
Breite eine leichte Verbindung von Meer zu Meer und kürzt von den drei
zentralamerikanischen Isthmen den Weg um Südamerika am meisten ab.
Seit 1894 führt eine Bahn über den Isthmus, die aber erst seit 190(5 durch
die Arbeiten der Firma Pearson and Son in London wirklich verkehrsfähig
ist. In Verbindung mit der mexikanischen Regierung hat die Firma die
beiden Endhäfen ausgebaut. An die Mündung des Rio Coatzacoalcos am
mexikanischen Golf wurde Puerto Mexico angelegt und durch Dammbauten
die hinderliche Barre zum Teil beseitigt. An der Südküste wurde in Salina
Cruz ein guter Hafen mit einem großen Trockendock vollkommen ausge-
graben, da die sandige Bucht gar keine brauchbaren natürlichen Verhältnisse
darbot. Beide Häfen wurden am 23. Januar UK)7 dem Verkehr übergeben.
Es scheint, daß bis zur einstigen Eröffnung des Panama-Kanals sich hier
ein neuer Welthandelsweg entwickeln wird. Deutsche Linien laufen die
beiden Häfen bereits an, ebenso Dampfer, die nach Ostasien gehen. — So
wird sich in gewissem Sinne Humboldts Wort erfüllen, daß der Isthmus von
Tehuantepec die Brücke des Welthandels sei.
(Der Vortrag ist gedruckt in der Zeitschrift der Gesellschaft für Erd-
kunde zu Beriin 1907, Heft 5 und 6.)
Mittwoch, den 20. Januar 1909.
Herr Professor Dr. Oskar Mann-Charlottenburg:
Über meine Reise im tfirliisclieii Kurdistan. (Lichtbilder.)
Was die erste Expedition des Vortragenden zur Erforschung des Kurden-
volkes, von 1901 bis 1904, über welche er am 25. Januar 1905 dem Vereine
berichtet hat, hatte unerledigt lassen müssen, nämlich die Untersuchung der
auf türkischem Gebiete gesprochenen kurdischen Mundarten, galt es auf der
zweiten Expedition, die vom Februar 1906 bis September 1907 dauerte, nach-
zuholen, nachdem es erneuten Bemühungen in Konstantinopel endlich gelungen
war, die Erlaubnis der Hohen Pforte zum Aufenthalt in den Wilayets Aleppo,
Diarbekr, Bitlis, Wan und Mosul zu erhalten. Der Vortragende trat die Reise
ins Inland Anfang April 190B von Aleppo aus an. Schon in Urfa, sechs Tage-
— 24 —
reisen östlich, wurden vielfach angesiedelte Kurden angetroffen, und schon
hier lohnte eine reiche Ausbeute an alten kurdischen Volksliedern und epischen
Gesängen die aufgewendete Mühe. Dann ging der Reisende mit seiner Kara-
wane über Siwerek, wo die sogenannte Zaza-Sprache eingehend studiert wer-
den konnte, nach Diarbckr, und von dort tigris-aufwärts über Arghana nach
Mezereh und Kharput. Hier, bei der alten Hauptstadt West-Armeniens, fand
der Forscher reichlich Gelegenheit, seine Studien über das sprachlich wich-
tige Zaza- Idiom fortzusetzen. Die Heise ging darauf ostwärts auf dem
Nordufer des Euphrat über Palu nach Musch, und weiter auf den Wegen
Xenophons nach Bitlis im Tale des östlichen Tigris. Hier, während eines
sechswöchigen Aufenthaltes, sowie weiterhin in dem unglaublich schmutzigen
Kurdenstädtchen Dschezireh Ibn-Omar am Tigris, und später im Winter
1906.07 in Mosul, wurden reiche Sammlungen aus der kurdischen Volks- und
gelehrten Poesie angelegt. Von Mosul aus wurde die Sekte der Yeziden in
Sindschar, sowie späterhin in ihrem heiligsten Wallfahrtsorte Scheich Adi,
einem geradezu paradiesischen Fleckchen Erde in den Bergen nördlich von
Mosul, besucht. Bis Amadia gelang es vorzudringen, dann aber machte das
Mißtrauen der türkischen Regierung, die gerade damals mit Persien Krieg
führte, den weiteren Studien in jenen kurdischen Grenzgebieten ein Ende.
Von Mosul fuhr der Forscher den Tigris hinab nach Bagdad, von dort nach
Buschehr in Persien. Und nun ging es quer durch das iranische Hochland von
Süd nach Nord über Schiras, Isfahan, Kaschan Suitanabad nach Teheran.
Allerorten konnte noch eine umfangreiche Nachlese zu den im Jahre 1902
bis 1904 hier gemachten Studien gehalten werden. Von Teheran aus wurde
dann Ende Juli 1907 die Heimreise über Rescht, Baku, Batum und Kon-
stantinopel angetreten.
Mittwoch, den 3. Februar 1909.
Herr Dr.Max Ohnef alsch-Richter=Berlm-Friedenau:
Dreißig Jahre englischer Okkapation and die heatige Be-
deatung Gyperns fKr die orientalische Frage. (Lichtbilder.)
Der Vortragende, welcher 14 Jahre lang auf der Insel Cypem lebte,
daselbst im Dienste der englischen Regierung, des Cyprus Museum, des British
Museum und der Königl. Berliner Museen stand, auch umfangreiche Aus-
grabungen ausgeführt hat, die von namhaftem Erfolg begleitet wurden, be-
gann seine Ausführungen mit dem Hinweise, daß die Kupferzeitkultur Yon
der ca. 9537 qkm großen Insel Cypem ausging. Hier wurde das Kupfer im
Altertum zuerst entdeckt und bergmännisch weit früher als in Spanien
oder anderen Orten der alten Welt gewonnen.
Der geographischen Lage nach zwar zu Asien gehörend, aber gleich-
sam zwischen den drei Erdteilen der alten Welt gelegen, auch überreich
an dem besten Wald-, Wein- und Ackerboden, sowie an Quellen, wurde die
Kupferinsel mit der Zeit ein hochentwickeltes Bindeglied zwischen Morgen-
land und Abendland im Altertume, dann zu einem großen und wichtigen
Waffenplatze und Handel semporium im Mittelalter während der Kreuzzüge
und später unter der Herrschaft der Lusignans und in der Renaissanceseit
— 25 —
zur unentbehrlichen Frucht- und Geldkammer in den Kämpfen der Republik
Venedig mit den Türken.
In der Zeit der mohammedanischen Hochflut 1570/71 von den Türken
erobert, schaltete Cypcrn aus dem Groüverkehr zwischen Morgenland und
Abendland ganz aus und hat seine frühere Bedeutung nie wiedererlangt,
weil es heute außerhalb der sämtlichen großen Verkehrswege der Neuzeit liegt.
Der große Landschienenweg geht nördlich über Konstantinopel. Alle
großen Dampferstraßen aus den europäischen Häfen befördern Passagiere
und Waren nach den Mittelmeerländem und den Häfen des nahen Orients
wie nach dem fernen Osten durch den Suezkanal, ohne Cypem nur zu be-
rühren. So bleibt also nur der geringe Lokalverkehr.
Ebensowenig ist Cypem von den Engländern, an welche die Insel seit
dem Berliner Kongreß abgetreten ist, als wichtige Militär- und Flottenstation
zu benutzen, wie Malta und Ägypten, da der einzige kleine Hafen des Eilands
Famagusta an der Ostküste der Insel, selbst wenn er ganz gereinigt und
unter Riesenkosten ausgebaut würde, nie für englische Schiffskolosse geräumig
genug gemacht werden kann.
Die zwar hochinteressante, aber kleine Hausindustrie, der Mangel jeder
Maschinenindustrie, der eingegangene Kupferbergbau und die bisher fehl-
geschlagenen Versuche, ihn unter England neu zu beleben, weil offenbar die
Kupfererzlager bereits im Altertume erschöpft wurden, haben die Insel wieder
zu einem reinen Ackerbaulande gemacht, das es in den frühesten Zeiten
vor der Gewinnung des Kupfers gewesen war.
In den dreißig Jahren englischer Verwaltung, bei einer Bevölkerung
von 237053 Seelen nach der Volkszählung von 1901, hat sich die Insel, wie
Redner im einzelnen ausführlich darlegte, außerordentlich gehoben und ist
ein Muster englischer Kolonisation und Verwaltung geworden.
Jedoch krankt die Insel trotz der vortrefflichen englischen Neuein-
richtungen an dem jährlichen der Hohen Pforte zu zahlenden Tribut von rund
92800 Pfund Sterling, der während des Kongresses 1878 in einem zwischen
England und der Türkei abgeschlossenen Geheimvertrage festgesetzt wurde.
Mittwoch, den 10. Februar 1909.
Herr Dr. Siegfried Benignus-Berlin: Wissenscliaft-
liehe und wirtschaftliche Studien im argentinischen nnd
chilenischen Patagonien und auf Feuerland. (Lichtbilder und
Ausstellung von Landesprodukten.)
Der Vortragende, der in lang ausgedehnten Forschungsreisen in den
Jahren 1905— 1908, meist zu Pferde und im Boot, dieses südlichste Land
Amerikas von Nord nach Süd und von West nach Ost kennen lernte, gab
ein Bild von geographisch-politischen, geologischen und wirtschaftlichen
Gesichtspunkten aus. Auch Flora, Fauna und Ethnographie wurden gebührend
berücksichtigt.
Im Gegensatz zu den meisten Forschern bezeichnete er nicht den Rio
Negro, sondern eine Linie nördlich vom Coloradofluß, vom Cerro Payen über
— 26 —
den Urre Lauquen-See nach Bahia Bianca, als die nördliche Grenze des geo-
graphischen Patagonien im engeren Sinne, oder des ansserandinen Patagonien,
das sich als gewaltiges, zum atlandischen Ozean in Terrassen abfallendes,
baumloses Hochland bis zur Magellanesstraße über 15Vs Breitengrade aus-
dehnt (Messina-Uamburg) und größtenteils Argentinien angehört. Das andine.
meist chilenische Patagonien zwischen der zerrissenen Inselwelt des pazi-
fischen Ozeans und den Cordilleras de los Andes südwärts vom Gletscher-
berg Tronador (unter 41^) ist bis zu den Inseln des Feuerlandes dichtester,
immergrüner, in manchen Erscheinungen subtropischer Urwald, von Schnee-
bergen, Gletschern, Vulkanen. Flüssen, Seen von phantastisch zerhackten
Ufern, von Wasserfällen, Inseln, Buchten und Kanälen labyrinthisch durchsetzt.
Feuerland, von dem ein kleiner Streifen der östlichen Hauptinsel zu
Argentinien gehört, zeigt dieselben physischen Züge wie Patagonien jenseits
der Magellanesstraße.
Die amtliche Einteilung vom 16. Oktober 1884 in die argentinischen
Nationalterritorien Nöuquen, Rio Negro, Chubut, Santa Cruz, Tierra del
Fuego, und in die chilenische Provinz Llanquihue und das Territorium
Magellanes gebraucht kaum mehr den geographischen Namen Patagonien.
Das ganze Gebiet, zweieinhalbmal so groß als Deutschland, zählt nur
80000 Einwohner. Die „weißen" Frauen haben Seltenheitswert, da an der
Ostküste das Verhältnis zu den Männern 1 : 10. am Cordillerenrand sogar
1 : 40 ist.
Land und Meer haben in Patagonien oft miteinander gewechselt. So
ragten im späteren Pliocän die Cordilleren nur noch als Inseln aus den
Fluten. Aus dieser jüngsten Meeresablagerung zeigte der Vortragende eine
Riesenauster, die z. B. beim mittelpatagonischen Hafen Comodoro Rivadavia
Riffe von 800 Meter. Berge von 160 Meter und von der Höhe abgestürzte
Muschelfelsen bildet, in welchen die Eingeborenen sich häuslich niedergelassen
haben. (Lebende, recht schmackhafte Austern sind nur noch am Nordstrand
des andinen Patagonien anzutreffen.) Die späteren glazialen Erscheinungen
haben Patagonien in Orographie und Hydrographie jene seltsame Eigenart
bezüglich der Wasserscheide geschaffen, welche zwischen Chile und Argentinien
die heftigen, über ein halbes Jahrhundert dauernden Grenzstreitigkeiten her-
beigeführt haben, die 1902 durch englischen Schiedsspruch geschlichtet wurden.
Die Eiszeit diluvialer Vergletscherung hat die sehr zahlreichen patagoniscben
Cordillerenseen, von denen manche größer als der Bodensee sind, angefüllt
und fjordartig gestaltet. Mächtige erratische Blöcke sind bis zu den beiden
Ozeanen verstreut zu finden. Gletscher in der Nähe des ewigen Grüns des
Urwaldes steigen nicht nur in den Kanälen des Feuerlandes zum Meere
hernieder, sondern in den Westkanälen sogar bis zum 46'/«** (entsprechend
Lausanne am Genfersee).
Die erläuternden Photogramme zeigten neben Strecken ödester Trost-
losigkeit eine Welt von wunderbarer Schönheit und überwältigender Majestät.
Sie schilderten auch die Flora, zunächst des andinen Patagonien, wie die
Winter- und sommergrünen Buchenarten (Unterart: Nothofagus), welche noch
auf Feuerland urwaldbildend auftreten, die eigenartigen Coniferen, wie die
stattliche Araucaria imbricata mit den kopfgroßen Zapfen und nährenden
— 27 —
Kernen, Zypressenarten wie die riesige Alerce (Fitzroya patagonica mit
5 Meter Durchmesser), einen Taxnsbaum, weiter einen Magnolienbaum Canelo
(Drimys Winteri), den heiligen Baum der Araukaner, und manche andere,
die an australische Bäume erinnern, zudem undurchdringliche Dickichte von
zwei Bambuseen (Chusquea). scharlachrote Fuchsien und Myrtenbäume, sowie
die riesige Blattpflanze Gunnera chilensis.
Gleichermassen wurde das außerandine Patagonien veranschaulicht
mit seinem charakteristischen Büschelgras Coiron (Festuca-Art) und Dorn-
gestrüpp, den üppigen, für unzählbare Rinderherden geeigneten Weiden am
Cordillerenrande, den Geröllterrassen, den mächtigen Basaltdecken, von Wind
und Regen merkwürdig geformten Tuffen, den vielfach gewundenen Flüssen,
oft aufgestaut durch die mit Heftigkeit wehenden Westwinde, den Küsten-
landschaften mit den Häfen, die oft nur aus einzelnen Hütten be-
stehen usw.
Von der Flora dieses Teiles zeigt der Vortragende zwei Arzneipflanzen,
eine Verbenaceae und eine Acaenae, welche Pflanzen den Reisenden heilten,
als er infolge eines Sturzes mit dem Pferde in dem von der patagonischen
Kammratte Tucutucu (Ctenomys magellanicus) durchsiebten Boden einen Monat
in einer Indianerhütte zubrachte.
Durch die ausgelegten, zum Teil bemalten Felle und auch die Licht-
bilder wurden die hauptsächlichsten Tierarten des Landes beschrieben, be-
sonders auch in ihrer Bedeutung für den Indianer: Guanaco (die südlichste
der vier Lamaarten), Strauß mit seinem Fleisch und seinen Eiern, der Silber-
löwe Puma, der langbeinige, patagonische „Hase" Mara (zu den Meer-
schweinchen gehörig), Gürteltiere, Stinktiere, Tucutucu, die zwei Hirscharten,
der Gabler Huemul und der Spießer Pudu (kleinster aller Hirsche), W^ alfische,
Ohrenrobben, der seltene See-Elefant (Blasenrobbe). Condore, Falken. Schwäne,
Flamingos usw., weiter die eingeführten Schafe, Pferde und Rinder.
Mit sichtlicher Vorliebe verweilte der Redner in Wort und Bild bei
den Eingeborenen, den wohlproportionierten, 1,83 m großen Tehuelchen (fälsch-
lich von Magallanes Patagonier = Großtatze genannt), einem ausgeprägten
.lägervolk, den mit ihnen verwandten Onas auf Feuerland, den Bootsindianem
Alacalufes und Yaaganes, unsinnigerweise Pescheräh (eine Makrelenart) ge-
nannt, und den Moluchen (Ostaraukaner) am Nordostrande der Cordilleren.
Bei dieser längeren Schilderung der Ureinwohner wußte der Vortragende,
wie in seinem ganzen Vortrage, viel Neues und Interessantes zu berichten.
In wenigen Jahrzehnten werden die schwachen Stämme der Indianer ver-
schwunden sein.
In wirtschaftlicher Hinsicht sieht der Redner Patagonien als ein sehr
bedeutsames Land an. Er besprach im Einzelnen die Schaf-, Rindvieh-,
Pferde- und Maultierzucht, Ackerbau, Obstbau, den Holzreichtum des andinen
Teiles und auf Feuerland die Mineralschätze (Gold, Kupfer, Silber, Asbest,
Petroleum), die Automobil- und Eisenbahnfrage.
Für eine groß angelegte deutsche Besiedelung am Cor-
dillerenrande wäre Patagonien ein geradezu ideales Land.
Aber in wenigen Jahren wird auch diese Welt für den Deutschen ver-
geben sein.
— 28 —
Das Klima ist, mit Ausnahme vom yergletscherten Süden, durchaus
gesund. Giltige Tiere fehlen.
Die Zeit der eigentlichen Entwickelang für Patagonien beginnt mit
dem Anlegen der Hamburg - Südamerikanischen Dampfschiffahrtgesellschaft;
die am 15. Oktober 1901 ihre patagonische Linie eröffnete. Der Vortragende
hofft, daß diese deutsche Linie sich siegreich gegen die zwei Konkurrenten,
die sich im Laufe eines halben Jahres — ein deutlicher Beweis für die wirt-
schaftliche Bedeutung Patagoniens — 1908 eingestellt haben, behaupten wird.
Auch die argentinische Regierung bemüht sich ernstlich um die Hebung
Patagoniens. Zwei Eisenbahnlinien sind bereits ausgeschrieben, Stauwerke
sollen an zwei Flüssen angelegt, große bauliche Anlagen an verschiedenen
Häfen vorgenommen werden. Die erforderlichen Gelder sind bereits bewilligt.
Mittwoch, den 17. Februar 1909.
Herr Dr. Hugo Merton-Heidelberg: Eine zoologische
Forschangsreise nach den sädöstlichenMolnkken. (Lichtbilder.)
In den fünfziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts bereiste
A. R. Wallace, den man als den Begründer der neueren Tiergeographie be-
trachten muß, den indoaustralischen Archipel und in einem Brief, den er von
Temate in den Molukken an Darwin schrieb, legte er seine Anschauungen dar,
die er sich auf Grund tiergeographischer Beobachtungen über die Entstehung
neuer Arten gebildet hatte. Sie deckten sich im wesentlichen mit den An>
sichten von Darwin, und erst dadurch ließ dieser sich bestimmen, mit seiner
Entwicklungslehre an die Öffentlichkeit zu treten. Gerade in diesen Tagen,
wo allerorten der hundertste Geburtstag von Charles Darwin gefeiert wird,
scheint es daher berechtigt, darauf hinzuweisen, welch enge Beziehungen
zwischen Abstammungslehre und Tiergeographie bestehen, und wie bei allen
tiergeographischen Untersuchungen das Problem der Abstammung den Aus-
gangspunkt för die ganze Fragestellung bildet.
Die ganze Inselwelt, die sich zwischen Asien und Australien ausdehnt,
ist schon lange Gegenstand tiergeographischer Forschung. Tiergeographische,
geologische und paläontologische Untersuchungen haben ergeben, daß die
drei großen Sundainseln in früheren Erdperioden dem asiatischen Festland
angehörten, ebenso wie Neu-Guinea früher mit Australien eine einheitliche
Landmasse gebildet hat. Die Faunen der indischen und der australischen
Region haben nur wenig Berührungspunkte und die Landverbindung, die
zwischen asiatischem und australischem Festland vorübergehend bestanden
hat, und durch die Australien den größten Teil seiner Tierwelt erhielt, ver-
legt man in den Beginn des Tertiärs. Zwischen diesen beiden tier-
geographischen Regionen läßt sich keine scharfe Grenzlinie ziehen, denn
man muß den ganzen mittleren Teil des Archipels als ein Übergangsgebiet
betrachten, das von einer indoaustralischen Mischfauna bewohnt wird.
Die tiergeographischen Fragen, die der Vortragende auf seiner Reise
in dem indoaustralischen Archipel näher untersucht hat, betreffen die A r o e-
und Kei-Inseln, zwei Inselgruppen in den südöstlichen Molukken.
Speziell sollten die Beziehungen der Fauna dieser Inseln zu derjenigen von
— 29 —
Neu-Goinea näher untersucht werden, um dadurch auch Aufschlüsse über die
frühere Ausdehnung des australischen Kontinents zu erhalten.
Zusammen mit Dr. Jean Roux von Basel reiste der Vortragende über
Colombo und Singapore nach Java, wo sich die beiden Zoologen einige Zeit
aufhielten, zunächst um ihre Vorbereitung für die Weiterreise zu Ende zu
führen ; dann reisten sie durch Java, besuchten in Buitenzorg den wunder-
baren botanischen Garten, fuhren von da zu den alten buddhistischen Tempeln
von Central-Java, um dann noch die im östlichen Java gelegenen Tengger-
berge aufzusuchen.
Die Fahrt von Batavia bis Dobo, dem Hauptort auf den Aroe-
Inseln währt 15 Tage. In Dobo wurde für längere Zeit das Standquartier
aufgeschlagen und von hier aus die verschiedenen Inseln in mehrwöchent-
lichen Touren besucht. Dank dem großen Entgegenkommen der nieder-
ländischen Regierung stand den Forschern zeitweise der in Dobo stationierte
Polizeidampfer zur Verfügung, und auf Inlandtouren begleitete sie ein
Detachement Soldaten, da sie sich hier vielfach in Gegenden begaben, wo
kurz zuvor Aufstände gewesen waren. Auf der Ostseite der Aroe-Inseln
liegen ausgedehnte Perlaustembänke, die schon seit mehreren Jahren von
Australiern und Arabern befischt werden. Der jährliche Ertrag der Fischerei ist
ein recht beträchtlicher, er nimmt aber schon zusehends ab, da die Fischerei in zu
großem Maßstab betrieben wird. Trotz zeitweise ungünstiger Wittcrungs-
verhältnisse gelang es ziemlich umfangreiche zoologische Sammlungen anzu-
legen. Sehr farbenprächtig ist die Vogelwelt der Aroe-Inseln und neben Kakadus
und Papageien haben die Paradiesvögel besonders leuchtende Farben ; aber sie
sind schon recht beträchtlich dezimiert worden, da sie jährlich in großen
Mengen von hier in den Handel gebracht werden. In den Monaten Mai und
bis Juli, wenn die Paradiesvögel ihr schönstes Gefieder haben, gehen die
Aroenesen auf die Jagd; sie erlegen die Paradiesvogelmännchen, denn nur
diese haben ja das kostbare Gefieder, mit Pfeilen, die vorne mit Bolzen
versehen sind, sodaß die Vögel durch den Anprall betäubt zu Boden fallen.
Die Hauptlandmasse der Aroe-Inseln wird von 4 eigenartigen See-
wasserkanälen in fünf Inseln gespalten, die als Sungi's bezeichnet werden.
Von diesen Sungi's gehen in großer Anzahl Seitenkanäle aus, und so ist es
möglich auf Booten tief in das Innere des Landes vorzudringen. In diesen
Kanälen und vor allem in der Flachsee auf der Ostseite hat die Bodenfauna
eine wunderbar üppige Entfaltung erfahren; die hier ausgeführten Dredge-
züge lieferten eine reiche Ausbeute.
Die Aroe-Inseln sind schwach bevölkert, zumal durch verschiedene
Epidemien ihre Einwohnerzahl sehr reduziert worden ist. Das hatte auch
zur Folge, daß ein großer Teil der Küstenaroenesen ins Inland flüchtete,
aus Furcht vor den bösen Geistern, die von ihren Dörfern Besitz ergriffen
hatten. Die Aroenesen sind den Papuas von Neu-Guineas nah verwandt
nnd stehen auf einer sehr niederen Kulturstufe. Sie wohnen in Pfahlbauten,
die sie jedoch nie in das Wasser hinein bauen. Ihre Boote kaufen sie von
den Bewohnern der Kei-Inseln, abgesehen von den Einbäumen, die sie selbst
herstellen. Auf der Westseite der Aroe-Inseln gibt es eine Anzahl protestan-
tischer Christendörfer, in denen sich ambonesische Missionare niedergelassen
— 30 —
haben. In einigen Dörfern lebt eine mohammedanische Bevölkerung, aber
die überwiegende Mehrzahl . aller Aroenesen ist noch heidnisch. In jedem
Dorf findet man einen Opferplatz, wo der Arocnese Gongs, Teller und andere
für ihn wertvolle Gegenstände bei den verschiedensten Gelegenheiten als
Opfer darbringt.
Nach einem Aufenthalt von vier Monaten auf den Aroe-Inseln begaben
sich die beiden Reisenden nach den weiter westlich gelegenen Kci-Inseln,
blieben erst eine Zeitlang auf Klein-Kei, das wie die Aroe-Inseln ganz flach
ist und gehobenen FlachrifTen seine Entstehung verdankt, im Gegensatz zu
Groß-Kei, das aus einem langgezogenen Gebirgsrücken besteht In Elat,
dem Hauptort auf Groß-Kei, wurde Aufenthalt genommen. Hier in Elat haben
sich neben Chinesen und Buginesen, die ja in allen Hafenplätzen des Archipels
anzutreffen sind, auch die früheren Bewohner der Banda-Inseln in großer Zahl
niedergelassen Sie betreiben hier eine ganz kunstvolle Töpferei, die neben
den primitiven Töpfereien, die die Keinesen herstellen, vor allem durch ihre
hübsche Ornamentik angenehm auffällt. Die Dörfer der Keinesen liegen
größtenteils an der Küste. Es gibt aber auch noch eine Anzahl Gebirgs-
kampungs, die von Befestigungsmauern umgeben sind. Diese hohen Stein-
mauern verfallen langsam, da hier jetzt ziemlich gesicherte Zustände herr-
schen und Kämpfe zwischen den einzelnen Stämmen kaum mehr vorkommen.
Die Keinesen haben eine bedeutend hellere Hautfarbe als die Aroenesen, aber
Leute mit krausem Haar sind auch hier noch ganz häufig.
Mittwoch, den 24. Februar 1909.
Herr Professor Dr. Fritz Römer-Frankfurt a. M. (f):
Die Tiefsee. (Lichtbilder.)
Der Vortragende gab einleitend einen Überblick über die Geschichte
der Tiefseeforschung, welche zwar schon im Altertum die Phantasie der
Menschen lebhaft beschäftigte, aber als Wissenschaftszweig im Hinblick auf
die groüen Schwierigkeiten und den Mangel geeigneter Instrumente erst seit
etwa 40 Jahren besteht. Als Vorläufer auf diesem Gebiete sind zu nennen
der englische Kapitän John Ross. der 1818 die ersten Seesterne aus der
Tiefe heraufholte und Edward Forbes, der zuerst Dredge-Netze für seine
Tiefseeforschungen anwandte und dadurch zur Erkennung der faunischen
Zonen in den Ozeanen gelangte, aber jedes Leben in Tiefen von über
600 Metern in Abrede stellte. Erst die Legung transozeanischer Kabel
machte die Ozeane zum Gegenstand ausgedehnter Forschungen, insbesondere
die Hebung des unterseeischen Kabels im Mittelmeer im Jahre 1868, welche
zur Entdeckung einer bis dahin unbekannten Tierwelt von den abenteuer-
lichsten und mannigfaltigsten Formen führte. Sie hatte die Ausrüstung der
enghschen Korvette ,,Challengcr"* zur Erforschung der Meerestiefen zur Folge,
deren Expeditionsfahrten 1872—1876 mit besonderer Berücksichtigung des
Atlantischen und Indischen Ozeans epochemachend und grundlegend für alle
weiteren maritimen wissonschaftlichen Expeditionen geworden sind. Ihre
Ergebnisse wurden bis jetzt in 52 Prachtbänden veröffentlicht. An dem
internationalen Wetteifer der neueren Zeit auf dem Gebiete der Tiefsee-
— 31 —
forschung hat sich Deutschland erst spät beteiligt, dafür aber in seiner
Valdivia-Expcdition, die hauptsächlich im Atlantischen Ozean, im Indischen
Ozean und im Südlichen Eismeer tätig war, von Reichswegen ein Unter-
nehmen ins Werk gesetzt, dessen Resultate sich denen der Ghali enger- Expe-
dition würdig an die Seite setzen und bis jetzt 14 stattliche Bände zählen.
Von Privatleuten, die auf dem Gebiete der Tiefseefoi-schung mit großem
Erfolge arbeiten, verdient Fürst Albert von Monaco besondere Hervorhebung.
Redner schilderte sodann die bei diesen Expeditionen angewandten
Arbeitsmethoden und führte im Bilde die hauptsächlichsten Instrumente
und Netze zur Tiefseeforschung vor, um sich darauf über die Tiefenverhält-
nisse der Ozeane, über Lotungen, Temperaturen des Meerwassers, über Licht-
verhältnisse, über Fauna und Flora, die Art ihrer Ernährung, die Häufigkeit
ihres Vorkommens in den verschiedenen Zonen u. a. m. im Einzelnen aus-
führlicher zu verbreiten.
Den Schluß bildeten hochinteressante Mitteilungen über den Laichort
der Aale, der bis vor kurzem unbekannt war, sowie über ihre Entwicklungs-
form, den vom Italiener Grassi aufgefundenen Bandfisch. Eingehende Arbeiten
der Vereinigung für inteniationale Meeresforschung, insbesondere die Unter-
suchungen des Zoologen Johannes Schmidt in den Jahren 1904 — 1906 haben
nach vielen vergeblichen Versuchen (550 Züge) festgestellt, daß die Laich-
plätze der Aale sich in der Nordsee, dann im Westen der Hebriden und
besonders im Bristol-Kanal befinden und in einer Tiefe bis über 1000 m
sich bis an die spanische Küste erstrecken. Ungeheure Mengen Aale wurden
darauf im Bristol-Kanal gefangen. Von ihren Laichplätzen aus wandern
die jungen Aale nach östlicheren, wärmeren Zonen ; bei Helgoland treffen
sie im Mai ein, in der Ostsee sind sie im Herbst. In unseren Flüssen bleiben
sie 6 bis 7 Jahre. Hat man auch die Eier der Aale bis jetzt noch nicht
gefunden und besteht auch noch Ungewißheit über die Nahrungsaufnahme,
so darf doch das Aal-Problem als gelöst angesehen werden, ein Triumph der
neueren Biologie.
Mittwoch, den 3. März 1909.
Herr Professor Dr. F. Sarre-Berlin: Reise in Meso-
potamien im Winter 1907/08. (Lichtbilder.)
Der Vortragende berichtete über eine Forschungsreise, die er in weiterem
Verfolg früherer Studienreisen in Vorderasien und Persien während der
Wintermonate 1907/08 in Begleitung von Dr. Ernst Herzfeld in Mesopotamien
unternommen hatte. Der Zweck der Unternehmung war, Baudenkmäler
des Altertums und vor allem des islamischen Mittelalters in wenig oder
ungenügend bekannten Gegenden aufzunehmen und zu untersuchen. Nach-
dem der Redner in Konstantinopel durch Vermittlung der Kaiserlichen Bot-
schaft die nötigen Empfehlungen an die türkischen Behörden erhalten hatte,
fuhren die Reisenden mit der anatolischen Bahn über Konia nach Eregli,
überstiegen auf den kilikischen Pässen den Taurus, fuhren von Mersina zu
Schiff nach Beirut und dann mit der syrischen Bahn nach Aleppo, wo die
Karawane ausgerüstet wurde, und die Expedition ihren Anfang nahm. Die
— 32 —
üntersuchuDg der DeDkmäler wurde in der Weise ausgeführt, daß der Vor-
tragende hauptsächlich photographisch, Dr. Herzfeld zeichnerisch tätig waren.
Ein genaues Kontier des Weges wnrde nicht vergessen und hat der besten
bisherigen Karte, der Kiepertschen vom Jahre 1893, die dem Oppenheimschen
Reisewerke beigegeben ist, wichtige Verbesserungen und Znsätze zu geben
vermocht.
In sechswöchentlichem Marsche wurde der Weg von Aleppo nach
Mossul zurückgelegt. Man ging am rechten Euphratufer bis zur Einmündung
des nördlichen Nebenflusses, des Chabur, dann diesen am westlichen Ufer
aufwärts bis zur Einmündung des Dscharadschak und von hier aus östlich
über das Sindschar-Gebirge zum Tigris und nach Mossul.
Als bemerkenswertestes Ergebnis dieses ersten Teils der Reise ist die
Untersuchung der bisher fast ganz unbekannten Ruinen von Rusafa-Sergio-
polis, der südlich vom mittleren Euphrat gelegenen Stadt des hl. Sergius
hervorzuheben. Die relativ wohl erhaltenen Baudenkmäler, die das Heiligtum
begrenzende Befestigung mit einem Prachttor sowie eine Säulenbasilika und
Zentralkirche im Innern sind für die frühbyzantinische Kunst von hoher
Bedeutung. Sie gehören derselben Zeit an und dürften spätestens um öOO
n. Chr. entstanden sein. Dann sind, abgesehen von kleineren Untersuchungen
antiker, byzantinischer und islamischer Ruinen, die imposanten, vom Kaiser
Justinian errichteten Befestigungswerke von Halebije-Zenobia und die Moschee-
und Palast-Ruinen der Chalifenstadt Rakka hervorzuheben.
Im Chaburtal, das voll ist von Resten altorientalischer Kultur, wnrde
u. a. Arban und im weiter östlich gelegenen Sindschar- Gebirge die Hauptstadt
des auch ethnographisch interessanten Jeziden-Gcbietes, die Bergveste Sind-
schar mit ihren interessanten mittelalterlichen Denkmälern näher untersucht.
Am Chabur und Sindschar konnte die bisherige Karte, besonders was die
Lage des Teil Kokab und des Sees von Chatunije betrifft, bedeutend ver-
bessert worden.
In Mossul beschäftigte man sich während eines mehrwöchigen Aufent-
haltes mit der Aufnahme mittelalterlich-islamischer Denkmäler, unter denen
die architektonisch wichtige Hauptmoschee und dann die Bauten des Seld-
schuken Badr eddin Lulu aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vor
allem zu nennen sind. Auch die christlichen Kirchen der Jakobiten und
Nestorianer mit ihren interessanten Grundrissen und ihren merkwürdigen
dekorativen Schmuckformen wurden in den Bereich der Untersuchungen
gezogen
Der zweite Teil der Expedition betraf das Tigristal zwischen Mossul
und Bagdad. Die 14tägige, durch häufigen Aufenthalt unterbrochene Fahrt
auf dem Fluß wurde auf einem, aus aufgeblasenen Ziegenhäuten zusammen-
gesetztem Floß, wie solche schon im Altertum in Gebrauch waren, ausgeführt.
Abgesehen von den altorientalischen Ruinenstätten Ninive, Nimrud, Assur,
wo bei den Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft ein mehrtägiger
Halt gemacht wurde, besuchte man frühchristliche oder islamische Denkmäler,
wie die von Tekrit und Samarra. Diese gewaltige Chalifenresidenz, die nur
40 Jahre, von 83(5— 87(j bewohnt gewesen ist, enthält in ihren umfangreichen,
sich vor allem am linken Tigrisufer ausstreckenden Ruinen die Reste Ton
— 33 —
zwei großen Moscheeanlagen, von denen die eine mit Säulen-, die andere
mit Pfeiler- Arkaden ausgebaut war ; beiden gemeinsam ist ein merkwürdiges
Minare, massive Spiraltürme mit einem äußeren Umgang, die an die alt-
orientalischen Tempeltürme erinnern.
In Bagdad beschäftigte man sich eingehend mit den geringen Resten,
die sich hier noch aus der Chalifenzeit erhalten haben, unter denen das
sogenannte Talismantor mit seinem Portalrelief besonderes Interesse verdient ;
es stellt den Chalifen Masir mit Schlangen zu beiden Seiten dar.
Ein Ausflug nach Seleucia ergab die ungefähre Lage der Stadtmauern
der jetzt unter den Schlammablagerungen des Tigris begrabenen Hauptstadt
der Diadochen. Auf der gegenüberliegenden östlichen Seite des Flusses lag
Ktesiphon, die Winterhauptstadt der Sassaniden ; hier wurden die Reste des
von Sapor I. erbauten Königspalastes, des Tak i Kesra, näher untersucht.
Bei diesem gewaltigen Bauwerk ist die wohl als Audienzraum gebrauchte
Mittelhalle als eine der in ihren Abmessungen bedeutendsten Gewölbeanlagen
zu beachten. Weiter im Süden von Babylonien wurden längs des ehemaligen,
den Tigris mit dem Euphrat verbindenden Kanals, des Schat el Nil, nicht
unwichtige, früh-islamische Ruinen gefunden. Den Beschluß dieser kleineren
Tour machte ein Aufenthalt in Babylon, wo unter Koldeweys Führung die
seit 10 Jahren im Gange befindlichen Ausgrabungen der Deutschen Orient-
Gesellschaft besichtigt wurden.
Der Vortragende schloß seine Ausführungen, die durch eine große
Zahl von Lichtbildern illustriert wurden, mit dem Hinweis auf die Fülle
des wissenschaftlichen Materials, das in und über der Erde in Mesopotamien
noch der Erschließung und Untersuchung harrt ; er sieht die hauptsächlichste
Kulturaufgabe der projektierten Bagdadbahn darin, die wissenschaftliche
Erschließung Mesopotamiens zu fördern und zu erleichtern.
Mittwoch, den 10. März 1909.
Herr Pfarrer Lic. Dr. Karl Schwarzlose-Prankfurt
a. M : Montenegro, Land nnd Leate. Nach eigener Studien-
reise geschildert. (Lichtbilder.)
Der Redner, welcher für einen ausgebliebenen Forschungsreisenden
unvorbereitet eintrat, hat im August und September 1908 eine Studienreise durch
den Nordwestbalkan und zwar hier vorzugsweise durch das noch wenig
bekannte Innere von Montenegro unternommen. Die montenegrinische
Staatsregierung, welche seinen Studien ein warmes Interesse entgegenbrachte,
stellte ihm als Reisebegleiter den Gymnasialprofessor Reinwein
zur Verfügung. Prof. Reinwein, der seine Aufgabe mit zuvorkommendem
Eifer erfüllte, ist Nachkomme einer in Montenegro eingewanderten deutschen
Familie, dagegen selbst vom Scheitel bis zur Sohle Montenegriner. Wie die
meisten gebildeten Söhne seines Volkes hat er seine Studien im Ausland
gemacht und verfügt infolgedessen über namhafte Sprachkenntnisse.
Montenegro (slaw. Crnagora — Schwarzenbergj zählt 9080 qkm
und etwa 300000 Einwohner, die überwiegend dem serbischen Volks-
stamm und hinsichtlich der Religion dem orthodoxen Bekenntnis
3
- 84 —
angehören. In Podgoritza gibt es noch ein Tollstftndiges Türkenyiertel.
Hier sowie überhaupt im Süden des Landes wohnen außerdem Albanier, die
allerdings montenegrinische Staatsangehörige sind. Die Flächenausdehnnng
Cmagoras ist nahezu 2000 qkm größer als das deutsche Großherzogtum
Hessen und deckt sich an Ausdehnung etwa mit den gesamten thüringischen
Staaten. Wie es schon der Name andeutet, ist Cmagora ein Gebirgsland.
Kaum irgendwo anders in der Welt gibt es eine so schaurig schöne Berg-
welt wie hier. Durch den Zetafluß, der das Land in der Mitte von
Norden nach Süden durchfließt und sich östlich von Podgoritza mit der dem
Skutarisee zufließenden Moratscha vereinigt, wird Montenegro in zwei
ihrer Beschaffenheit nach sehr ungleiche Hälften zerlegt Die Westhälfte,
das ursprüngliche und eigetitliche Montenegro, ist eine karstartige, steinige,
in einzelne felsige mehr oder weniger weite Gebirgskessel zerfallende Hoch-
fläche, die zwischen einer Höhe von 600—1000 m abwechselt und sehr wasser-
arm und unproduktiv ist. Dagegen trägt der Ostteil, die sogenannte B r d a ,
einen lieblichen Charakter. Hier findet sich zureichende Bewässerung, frucht-
bare Vegetation und guter Waldbestand. Auffallenderweise besitzt dieser
freundlichere Landesteil die höchsten Bergspitzen, den Durmitor mit 2528
und den K o m mit 2460 m, während in dem viel gebirgigeren und wilderen
Westen die höchste Erhebung nur 1759 m erreicht Diese ist der Lovtschen,
der die von der Natur geschaffene Zitadelle des Landes darstellt, niemals
von den Türken erobert ist und daher als nationales Wahrzeichen gilt,
letzteres um so mehr, als auf seinem hochragenden Gipfel in einer weit-
hin leuchtenden weißen Kapelle der Dichterfürst aus der Dynastie Petrovitch,
Peter ü. (1830—1851), der als Klassiker der serbischen Literatur gilt, ein
einsames, aber poesievolles Grab gefunden hat.
Die Montenegriner haben übrigens zur Erklärung ihres steinigen
Vaterlandes eine hübsche Legende. Dieselbe lautet: „Als der liebe Gott
die Welt geschaffen und die Erde gebildet hatte mit ihren Flüssen und
Fluren, da kam ihm dieselbe sehr monoton vor. Um Abwechslung hinein-
zubringen, kam ihm der Gedanke, Berge aufzutürmen. Zu diesem Zwecke
sammelte er Steine aus dem Weltall und füllte sie in zwei große Säcke,
die er sich über die Schultern warf. Als er nun über die Erde schritt,
platzten ihm gerade auf der Stelle, wo das heutige Montenegro liegt, die
beiden Säcke und alle Steine aus denselben fielen hier zu Boden. Durch
dieses Geschehnis ist Montenegro solch ein steiniges Felscnland geworden.*
Aber dieses Felsenland ist wunderbar schön, zumal wenn die Abendsonne
auf die wie versteinerte Meereswellen aufragenden Bergkuppen fällt und an
ihnen ein Farbenspiel entfaltet, das noch prächtiger ist, als das an den
Dolomiten. Aber Montenegro ist nicht bloß eine Welt von Steinen, sondern
besitzt auch Gebiete von überraschender Fruchtbarkeit. Die weite Ebene
von Nikschitch, das Z e t a t a 1 bei Danilograd, dieMoratschaebene,
in der die zusehends aufblühende Handelsstadt Podgoritza liegt, sowie west-
lich vom Skutarisee an den Hängen des Sutorman die lachende Crmnitza-
ebene, das sind solche Kornkammern und Obstgärten, wie man sie in
Montenegro infolge der verkehiten gangbaren Vorstellungen von dem Lande
nicht vermutet. Hier gedeihen nicht nur alle Getreide- und Gemüsearten,
— 35 —
sondern auch Obst, Wein und Tabak in hervorragenden Erträgen and Quali-
täten. Aber auch auf den minder gesegneten Strecken seines Vaterlandes
müht sich der Montenegriner mit zähem Fleiß, dem steinigen Boden die
unentbehrliche Nahrung für Mensch und Vieh abzuringen. Es ist rührend
anzuschauen, wie oft winzige Ackerfelderchen und Gärtchen mit dünnen
Pflänzchen wie kleine Oasen schräg an den kahlen Steinbergen hängen. Und
wer dann die montenegrinischen Männer und Frauen mühsam in diese ver-
streuten Miniaturäcker den Humus schleppen oder sie darin bei glühendem
Sonnenbrande arbeiten sieht, der glaubt dann nicht mehr an das Gerede,
daß die Montenegriner faul seien. Es ist auch falsch, daß die Männer alle
schwere Arbeit den Frauen aufbürden. Wenn dies früher geschah, so war
dies ein Akt der Notwendigkeit, weil die Männer unablässig mit der Waffe
in der Hand die Grenzen gegen die Türken schützen mußten. Danach, daß
die Frauen zumeist den Verkehr mit Cattaro vermitteln und Waren in
schweren Lasten hinunter- und hinauftragen, darf man nicht die Zustände
im Lande selbst beurteilen.
Wie schon erwähnt, gehören die Montenegriner dem serbischen Volks-
stamm an und zwar gelten sie als die Auslese des Serbentums. Natur-
gemäß ist daher ihre Sprache auch eine serbische Mundart. Der ursprüngliche
Name des Landes zwischen Skutarisee und Cattaro ist Zeta. Als auf dem
Schlachtfelde von Kossovo am lö. Juni 1889 das großserbische Königreich
der Türkenmacht erlag, da suchten die tapferen und freiheitliebenden ser-
bischen Familien, welche dem türkischen Joch entrinnen wollten, ihre Zuflucht
in den öden, schwer zugänglichen Felsentälern des Fürstentums Zeta. Hier
haben sie sich tapfer fünf Jahrhunderte hindurch gegen die türkische Über-
macht gehalten, in fortwährenden blutigen Kämpfen, bei denen sie sich oft
mit Weib und Kind auf die Höhen der Berge zurückziehen mußten. Man
darf behaupten, daß fast um jeden Stein in Montenegro Blut geflossen ist.
Aber dieses unablässige Ringen um die Freiheit hat dazu gedient, in den
Cmagorsen einen ritterlichen Stolz und einen glühenden Sinn für Unab-
hängigkeit zu erzeugen sowie sie zu einem Soldatenvolk ersten Ranges
zu erziehen. Noch heute ist jeder Montenegriner ein geborener Soldat, bei
dem die militärische Dienstzeit, zu der sich jeder mit Begeisterung drängt,
nur die letzte Feile anlegt. Die militärische Ausbildung erfolgt vorzugs-
weise im Sommer und zwar im Militärlager auf dem hochragenden gesunden
Lovtschen - Plateau. Sogar in den Mußestunden gibt sich hier jeder mit
Eifer militärischen Studien oder Übungen hin. Es ist daher eine hervor-
ragende tüchtige Elitetruppe, über welche Fürst Nikolaus gebietet, und auch ein
zahlenmäßig bedeutend überlegener Gegner wird den Kampf mit ihr sehr
ernst zu nehmen haben. In der Kleidung ist der Soldat kaum vom Zivilisten
zu unterscheiden; nur die verschiedenartigen Abzeigen an der nationalen
Kopfbedeckung machen den ersteren kenntlich. Sonst trägt Zivil wie Mili-
tär in gleicher Weise die kleidsame Nationaltracht, in welcher die musku-
lösen Gestalten der Cmagorsen, deren Durchschnittslänge sich auf 1,80 m be-
laufen dürfte, recht vorteilhaft zur Geltung kommen. Die wichtigsten Stücke
der Nationaltracht sind die blaue bauschige Kniehose, die scharlachrote
schalartige Weste, weiße Strümpfe und ein Gürtel zur Aufnahme der Waffen.
3*
— 36 —
Sobald ein Junger Sohn der Schwarzen Berge das 16. Lebensjahr erreicht,
erhält er yon Staatswegen einen Reyolyer, den er beständig im Gflrtel trägt.
Den Fremden berührt es zuerst eigentümlich, daß nicht nur der Bauer auf
der Landstraße und der Kutscher auf dem Wagenbock, sondern auch der
Postbeamte am Schalter und der Lehrer in der Schule mit der Waffe ver-
sehen ist. Trotz der allgemeinen Bewaffnung kommt unüberlegtes Schießen
80 gut wie gar nicht vor. Das wird schon durch die Selbstbeherrschung
behindert, zu der jeder von frühester Jugend an erzogen wird. Die Farben
der Kleidung sind übrigens nicht willkürliche, sondern bilden in ihrer
Zusammensetzung die alte serbische Tricolore: Rot, blau, weiß ab. Ebenso
hat die nationale Kopfbedeckung, eine schirmlose Kappe, symbolische Be-
deutung. Der schwarze Rand versinnbildlicht die Trauer um den Untergang
des alten Serbenreiches auf dem Amselfelde (1389), der rote Deckel das viele
um Erhaltung der Freiheit vergossene Blut und die darauf golden einge-
stickten Initialen des Herrschers die Hoffnung, die man auf die Dynastie
setzt für eine glorreiche Zukunft. Ein Anzug in montenegrinischer National-
tracht ist ziemlich teuer, und es ist zu befürchten, daß ihr dieser Umstand, wie
dies auch anderswo zu beobachten ist, leider nach und nach den Untergang
bereitet. Gegenwärtig wird sie allgemein noch sehr hochgehalten und dies
um so mehr, als Fürst Nikolaus und seine erlauchte Gemahlin, Fürstin
Milena, ausschließlich in Landestracht erscheinen.
Die montenegrinischen Frauen sind an Wuchs kleiner als die Männer ;
ihre Tracht, die aus Rock, schalartiger Bluse und einem die Brust frei-
lassenden Mantel besteht, ist nicht ganz so kleidsam wie die der Männer.
Die Verheirateten tragen auf dem Kopf ein Tuch, die jungen Mädchen die
nationale Kappe, jedoch ohne die lürstlichen Initialen. Die Stellung der
Frau war unter dem Einflüsse des Türkentums, welches das Land umringte,
früher bei aller Hochschätzung doch nicht eine dem Manne ganz ebenbürtige ;
jedoch vollzieht sich in dieser Beziehung zusehends eine Wendung zum
Besseren.
Neben den schon angeführten Eigenschaften der Montenegriner sind
weiter als solche zu vermerken ihre Nüchternheit, Zuverlässigkeit, Ehrlich-
keit und Sittenstrenge. Mit Neid kann man in vielen Beziehungen auf
die montenegrinischen Zustände blicken, besonders was die sittlichen Ver-
hältnisse anbetrifft. Hoch ist die Achtung vor weiblicher Tugend und
Ehre. Jede Frau, jedes Mädchen kann allein bei Tage und bei Nacht
sicher und unbehelligt auf den einsamsten Gebirgs- und Waldpfaden
wandern. Wenn man das einfache, abgehärtete, ernste Volk von Cmagora
mit seinem tapferen Mut und mit seinen strengen Sitten kennen lernt, so
wird man unwillkürlich mit ehrlicher Hochachtung für dasselbe erfüllt und
erlebt Empfindungen, wie sie die Lektüre der Germania des Tacitus in den
kultursatten Römern auslösen mußte.
Was das Reisen im Innern des Landes anbetrifft, so ist dasselbe
strapaziös, aber vollständig sicher. Auch die Landstraßen sind gut.
Meistens schlängeln sich dieselben in Serpentinen an den Felswänden auf
und nieder, ähnlich der Fahrstraße Cattaro-Njegusch-Cettinje, die sich in 28
Serpentinen an den Abhängen des Lovtschen-Gtebirges emporwindet. Bs wird
— 37 -
seitens der montenegrinischen Staatsreglemng sehr viel für Erhaltung nnd
Anlegung von guten Landstraßen getan, überhaupt für Verbesserung der
Kommunikationsmittel und Hebung des Verkehrs. Neuerdings wird die
Verbindung zwischen Cattaro und Cettinje durch Postautomobile besorgt,
welche den für Fuhrwerke mühsamen Weg in 3Vt Stunden zurücklegen,
was ein wichtiger Faktor ist für die Hebung des Fremdenverkehrs nach
Montenegro. Die Postautomobile fahren übrigens auch in das Innere des
Landes weiter nach Podgoritza und Nikschitch. Dieses Innere Montenegros
ist wohl eines Besuches wert, namentlich das romantisch hoch in der Fels-
wand des Prekomitza-Gebirges gelegene Kloster Ostrog, das religiöse
Heiligtum der Montenegriner und ein Wallfahrtsziel für die Christen des
Balkans. Von großem Reiz ist femer eine Fahrt über den Skutarisee.
Westlich von demselben besitzt Montenegro zu beiden Seiten des Sutorman-
passes Gebiete von wunderbarer Schönheit und Fruchtbarkeit. Um die reichen
Erträge dieses Landteiles verwerten zu können, ist hier seit 1908 eine Bahn
in Betrieb zwischen Virpazar und dem aufblühenden Hafenort Antivari,
die erste Eisenbahn Montenegros. In Dulcigno am Adriatischen Meer
besitzt es auch ein zukunftsvolles Seebad. Neuerdings wird zielbewußt seitens
der montenegrinischen Staatsregierung, deren Beamte meistens im Auslande
eine sorgfältige und vielseitige Ausbildung errungen haben, nichts versäumt,
um das Land in jeder Weise auf die Höhe der europäischen Kulturstaaten
zu bringen. Handel und Wandel werden bewußt gefördert, das Post- und
Tclegraphenwesen ist zuverlässig, das Schulwesen geregelt und den Bedürf-
nissen des Volkes angepaßt; auch hygienische Fürsorge macht sich bemerk-
bar. Das Land ist verhältnismäßig gut mit Ärzten versorgt, die zumeist
in Osterreich oder in Deutschland studiert haben. In Cettinje ist ein vor-
treffliches Krankenhaus.
Die politische Stellung, die Montenegro heute einnimmt, der Gebiets-
zuwachs, den es 1878 erhalten, sowie die kulturellen Errungenschaften, die
es sich zu eigen gemacht, alles dies ist in der Hauptsache das Verdienst des
Fürsten Nikolaus, der zweifellos einer der tüchtigsten und weit-
blickendsten Regenten Europas ist und sich würdig seinen Vorgängern aus
dem Hause Petrovitch anreiht, das seit 200 Jahren die Geschicke Cmagoras
lenkt. Bis zum Jahre 1852 vereinigten die Herrscher Montenegros die höchste
geistliche Würde des Landes mit der weltlich-fürstlichen ; seitdem haben sie
sich auf die letztere beschränkt und die geistliche Verwaltung dem Metro-
politen von Cettinje übertragen. Fürst Nikolaus wird im August 1910 auf
eine öOjährige erfolgreiche Regierung zurückschauen können; das ganze
Land sieht diesem Jubiläum mit froher Spannung entgegen.
Die Ausführungen des Redners wurden durch eine stattliche Reihe
von Lichtbildern nach eigenen Aufnahmen erläutert, welche überraschend
die eigenartigen landschaftlichen Reize Montenegros und seine Bewohner
veranschaulichten. Der Vortragende war von seiner Gattin begleitet, ein
Beweis, daß eine Studienreise in das wenig besuchte Innere des Landes
der Schwarzen Berge trotz aller Strapazen gut zu bewältigen ist.
— 38 —
Montag, den 15. März 1909.
Seine Hoheit H e r z 0 g Adolf Friedrich zu Mecklen-
burg: Die Deutsche wissenschaftliche Zentral- Afrika-Expe-
dition 1907 — 1908. (Lichtbilder und kinematographische
Vorführungen.)
Seine Hoheit wies einleitend auf die Schwierigkeiten hin in der Zeit
von l'/s Stunden über eine Expedition zu berichten, die sich über einen
Zeitraum von ^j^ Jahren erstreckt habe. Er müsse sich daher begnügen
unter fast gänzlicher Ausschließung des wissenschaftlichen Materials nur
eine allgemeine Übersicht zu geben, persönliche Arbeiten nur zu streifen
und in großen Zügen die Aufgaben und die wissenschaftlichen Ergebnisse
der Expedition darzulegen.
Die Aufgaben der Expedition bestanden in der wissenschaftlichen Er-
forschung des zentralafrikanischen Grabens zwischen Kiwu-See und Albert-
See, ferner daran anschließend im Osten der Landschaften des Kagera-Beckens
und Ruandas, im Westen des Ostrandes des großen Kongo-Urwaldes und
weiter der großen Kautschuk-Gebiete am Uelle und Aruwimi, der beiden
großen Nebenströme des Kongo.
Die Teilnehmer der Expedition waren Oberleutnant Weiß als Topograph,
Herr Kirschstein als Geologe, Dr. Gzekanowski als Ethnologe und Anthro-
pologe, Dr. Schubotz als Zoologe, Dr. Mildbread als Botaniker und Dr. von
Raven als Arzt.
Die Herren Oberleutnant der Schutztruppe von Wiese und Kaiserwaldan
übernahmen das schwierige Amt der Expeditionsleitung.
Das Programm war ein sehr reichhaltiges. Es galt die floristische
und faunistische Grenze zwischen Ostafrika und Westafrika nachzuprüfen
und zu ergänzen, große floristische, faunistische und ethnologische Samm-
lungen anzulegen, Sprachen phonographisch aufzunehmen und Messungen vor-
zunehmen, den Kongo- Urwald zu erforschen, die großen Vulkane nördlich
vom Kiwu-See einer eingehenden geologischen Forschung zu unterziehen,
unbekannte Gebiete zu kartieren, Flüsse und Seen zu untersuchen und die
Verbreitung der Schlafkrankheit möglichst genau zu studieren.
Die Interessen waren also verschieden und schon aus diesem Grande
war es geboten, die Karawane möglichst zu teilen. Tatsächlich sind nur
ein einziges Mal alle Mitglieder der Karawane zusammen gewesen. Die
Expedition bestand aus 10 Europäern und 700 Trägem, eine Menschenmenge,
deren Verpflegung die größten Schwierigkeiten verursachte, besonders im
Kongogebiet. Fünf große Depots waren angelegt und zwar bis in den Kongo-
staat hinein.
Am 17. Juni 1907 trat die Expedition den Ausmarsch aus Bnkoba,
am Westrande des Viktoria- Nyansa-Sees, nach dem Innern an.
Die erste Teilung der Karawane erfolgte schon in Kifumbiro, einem
ünteroffizierposten am Kagera, von wo der Zoologe Dr. Schubotz und der
Botaniker Dr. Mildbread eine Sonderforschung in den Buddu-Wald unternahmen,
der wegen seines Kautschukreichtums von besonderer Bedeutung ist. Die
— 99 —
Hauptabteilung folgte dem Laufe des Kagera bis Mpororo, das am 1. Juli
erreicht wurde, während der Geologe Kirschstein und der Topograph Ober-
leutnant Weiß die Richtung über die heißen Quellen Mtagata in Karagwe
bis an den Kagera nahmen, von wo aus das westlich gelegene, zu Ruanda
gehörige Gebiet, in das der Herzog als erster eingedrungen war, karto-
graphisch aufgenommen wurde. Die heißen Quellen von Kagera besitzen eine
außerordentliche Heilkraft, die den Eingeborenen bekannt ist.
Nach einigen Ruhetagen erfolgte eine abermalige Teilung der Expe-
dition. Seine Hoheit marschierte mit Dr. Schubotz und Leutnant Wintgens,
einem von dem Residenten von Ruanda zur Verfügung gestellten Offizier
der Schutztruppe, am östlichen Gubogora entlang durch ein völlig unbekann-
tes Gebiet, während die Herren v. Wiese und Weiß besondere Routen ein-
schlugen, desgleichen Herr Kirschstein.
Der Marsch gestaltete sich außerordentlich schwierig und ging lang-
sam vonstatten, da er zum Teil über Höhen, Felsplateaus und steile Abhänge
führte. Es war frisch in den Morgen- und Abendstunden, das Thermometer zeigte
durchschnittlich morgens 8 Grad Celsius, mittags 28 und abends kaum 15 bis
18 Grad. Das Gebiet ist sehr wildreich und besitzt außergewöhnlich viel
Löwen. Beim Abbrennen eines Gebüsches wurden nicht weniger als zehn
Löwen aufgetrieben und davon drei erlegt.
Es war in diesem unübersichtlichen Gelände nicht leicht, die Ver-
bindung mit den anderen Lagern aufrecht zu erhalten, was sich nur mittelst
Leuchtraketen bewerkstelligen ließ. Später war auch dieses nicht mehr
möglich, da die Steppen nach Süden zu so dicht bewachsen waren, daß
Lichtsignale nicht mehr funktionierten. Deshalb blieben die einzelnen Ab-
teilungen lange Zeit ohne Nachricht, was oft recht unangenehme Situationen
verursachte. So erreichte die Expedition den Mohasi-See.
Vom Mohasi-See, wo eine ganz neue Sumpfflora entdeckt wurde, ging
es nach dem interessantesten Teile Zentralafrikas, nämlich nach Ruanda,
dessen Sultan Msinga in seiner Residenz Niansa ein Besuch abgestattet
wurde. Ruanda, auf deutschem Gebiet gelegen und bis an den Kiwu-See
reichend, ist immer noch eine terra incognita und ein Bergland von großer
Schönheit in 1600 m Meereshöhe. Graf Goetzen, der es im Jahre 1894
zuerst besucht hat, verdanken wir die ersten Schilderungen, sodann Herrn
Dr. Kandt, welcher auch jetzt dort als Resident ansässig ist. Neben ihm
hat sich Herr Hauptmann von Grawert die größten Verdienste um die Er-
schließung Ruandas erworben. Die Einwohnerzahl Ruandas wird auf
5 Millionen geschätzt. Das Klima ist ein sehr gesundes und verhindert jede
Krankheit und Fiebererscheinungen, weder Tsetsefliegen noch Moskitos be-
drohen die Gesundheit der Europäer. Die tiefen Schluchten, welche die
Höhen von einander trennen, besitzen reiche Wasserläufe, welche selbst in
der Trockenheit nicht versiegen. Die Bergkuppen sind fast alle mit Resten
von Hainen bedeckt, die als heilig gelten. Die Haine wurden einst von den
Sultanen angelegt, sind aber bald wieder verfallen.
Die Bevölkerung Ruandas zerfällt in drei Stämme : die Urbevölkerung,
die Wahutu, sodann die später eingewanderten und jetzt im Lande herr-
schenden Watussi und das unentwickelte kleine Volk der Batwa.
— 40 —
Die Watnssi, deren Gesichtsbildnng. besonders die Nasen, sie ohne
Weiteres als Angehörige der semitischen Rasse erkennen lassen, sind sehr
schlank und von bedeutender Körpergröße. Messungen ergaben 1,80 m bis
2,20 m. Ihre Hautfarbe geht vom dunkelsten Braun bis ins hellste Braun
hinein, in allen Variationen.
Das Land mit lebendem und totem Inventar gehört dem Sultan, dem
letzten Autokraten, den wir in Afrika noch haben, und welcher eine be-
deutende Rolle spielt. Unter ihm stehen Unterhäuptlinge, die das Land
nach allen Kräften aussaugen, und deren Hauptbeschäftigung darin besteht,
sich allabendlich ordentlich zu berauschen
Dank einem gesunden Klima gedeiht in Ruanda die Viehzucht ganz
vorzüglich. Im Boden liegen noch ungeheure Kräfte unbenutzt und bei einem ge-
eigneten Schienenstrang könnten Landwirtschaft und Viehhandel und Viehzucht
in großem Maßstabe betrieben werden. Mit Nachdruck wies der Herr Vor-
tragende auf den Reichtum und die Besiedlungsfähigkeit Ruandas hin, dessen
genauere Erforschung durch das Gouvernement ein unbedingtes Erfordernis sei.
Um Seine Hoheit besonders zu ehren, beschenkte ihn der Sultan mit
einer Anzahl Rinder und weit über 1000 Schafe und Ziegen. Der Sultan
Msinga ist eine hohe, schlanke Erscheinung, über 2 m groß mit etwas
weichlichen Formen. Sein nicht unsympathischer Gesichtsausdruck leidet
unter einem Augenfehler und stark hervortretenden Oberzähnen.
Hochinteressant war die von kinematographischen Vorführungen be-
gfleitete Schilderung des Besuches des Sultans bei Seiner Hoheit und der
Expedition nach ihrem Einzug in der Residenz Niansa, von dem einen pracht-
vollen Anblick gewährenden Zug des Sultans, der in einer Sänfte getragen
wurde, nach dem Zelte Seiner Hoheit sowie des interessanten Treibens der
Eingeborenen, ihrer Tänze und ihrer großen Gewandtheit im Springen. Bei
den Tänzen findet keine Musikbegleitung statt, ein Regisseur leitet sie und
feuert durch Händeklatschen und Stampfen mit den Füßen an. Wenn in
Deutschland eine Kraftleistung im Hochsprung 1,74 m, in Amerika der
Record hierin 1.97 m beträgt, so waren die hier vorgeführten SprtLnge
2,50 m hoch, eine ganz bedeutende Leistung, wenn man bedenkt, daß die
Sprünge bei uns mittelst gut federnden Sprungbrettes ausgeführt werden,
während hier nur ein Termitenhügel als Sprungbrett dient.
Von den Geschenken, welche der Sultan erhielt, erfreute ihn am meisten
eine alte Weckeruhr und eine Säge.
Am 12. August 1907 brach die Expedition nach der Ostküste des
Kiwu-Sees auf und überschritt die Wasserscheide zwischen Kongo und Nil,
welche zugleich auch die Grenze zwischen einer östlichen und westlichen
Fauna und Flora bildet. Der Kiwu-See, landschaftlich im schönsten Teil
Zentralafrikas gelegen, ist in geologischer und zoologischer Beziehung sehr
interessant ; starke Sinterkalkbildnngen an den felsigen Ufern geben Zeugnis
von dem kalkhaltigen Wasser, in dem Krokodile fehlen. Dafür aber hat er
eine reiche, einheitliche Fischfauna und gab Gelegenheit zu fossilen Funden.
Merkwürdig ist die Erscheinung, daß bei Sonnenuntergang eine hohe Bran-
dung am Ufer auftritt, was noch unerklärt ist. Plankton wurde reichlich
gefunden, Dredjezügc lieferten nur reinen Sand.
— 41 —
In Kissenji, dem nördlichst«!! Punkte unseres deutschen Schutzgebietes
an der kongonesischen Grenze, f&nd sich die gesamteKarawane wieder zusammen
und blieb hier einige Monate, um die ganze Gegend nach Osten und Westen
genau zu durchforschen. Kautschuk und Elfenbein wird hier in ungeheuren
Mengen durch Schmuggler über die Grenze gebracht, ein Betrieb, der immer-
hin unserem Schutzgebiet zugute kommt.
Aul der Insel Kwidschwi wurde das kleine Volk der Batwa, des
dritten Volksstammes Ruandas, besucht. Sie haben eine dunkle Hautfarbe
im Gegensatz zu den Pygmäen des Kongo-Urwaldes, welche heller sind, da
sie nicht soviel mit der Sonne in Berührung kommen. Die vorgenommenen
Messungen ergaben bei den Batwas des Kiwu-Sees eine durchschnittliche
Größe von 1,60 m, bei denen des Kongo-Urwaldes etwa 1,40 m. Die Batwas
sind sehr scheu, aber ausgezeichnete Jäger und Fischer und große Spitz-
buben. Ihr Häuptling leistete aber, nachdem er sich von den friedlichen
Absichten der Expedition überzeugt hatte, als Führer in dem undurchdring-
lichen Wald gute Dienste. Auch das Land der Batwas ist reich an Wild,
besonders an Büffeln. Auch zeigten sich Bergelefanten, die bis auf 3000 m
hinauf gehen und sich von denen der Ebene durch kleinere Maße und
schlechtere Zähne unterscheiden, ebenso neue Antilopen, Affenarten, Scha-
kale u. a. m.
Die Expedition wandte sich nun den großen Vulkanen nördlich des
Kiwu-Sees zu, deren Untersuchung den interessantesten Teil der Reise bil-
dete und 6 Monate in Anspruch nahm. Sie zerfallen in eine Ost-, Mittel-
und Westgruppe. Die östlichen und mittleren Vulkane sind erloschen,
während sich im Westen noch neue Vulkane bilden. Die meisten Vulkane
erreichen fast Montblanchöhe. Mit Ausnahme des Mikeno-Vulkans, dessen
Besteigen sich aber wegen der Ungunst der Witterung und des steilen Aul-
baus des Gipfels als unmöglich erwies, wurden sämtliche Vulkane erstiegen
und von ihren Ausbrüchen photographische Aufnahmen gemacht.
Beim Abstieg vom Karissimbi, welcher quer durch den Branca-Krater
führte, verlor Herr Kirschstein, der alle Gipfel erkletterte, infolge eines
Schnee- und Hagelsturmes die Hälfte seiner Karawane durch den Tod. Der
Führer selbst erkrankte an einem heftigen Fieber und mußte zurückbleiben.
Von dem Vortragenden wurde u. a. auch der Ninagongo erstiegen, den
Graf Goetzen 1904 zuerst bestiegen hat. Der Rand des Graf Goetzen-Kraters
fällt mit 60 Grad ab und hat einen Durchmesser von 1251 m, der Um-
fang desselben beträgt 4V« km. Als Graf Goetzen hier war, war der Vulkan
noch in voller Tätigkeit, jetzt ist er ruhig; es steigen nur noch Schwefel-
dämpfe auf.
Den schönsten Anblick gewährten die zahlreichen, weithin leuchtenden
Auswürfe des der Westgruppe angehörenden Namlagira. 17 dieser Auf-
brüche wurden geschaut, 11 davon sind aus unmittelbarer Nähe photogra-
phisch festgehalten worden. Oberleutnant Weiß hat die Höhe der Rauchsäulen
vom Kraterrande an phototheodolitisch gemessen und ist zu überraschenden
Resultaten gekommen. Eine Rauchsäule hatte eine Höhe von 3145 m
bei einer Ausdehnung von etwa 4 km; eine spätere war sogar 9 km hoch
bei einer Ausdehnung von 19 km. Diese Messungen sind von der königL
- 42 —
Landesaufnahme in Berlin nachgeprüft und als richtig befanden worden.
Am Fuße des Valkans befand sich eine Kette von 18 Kratern, die wie Perlen
aneinandergereiht waren, welchen Kohlensäure und Wasserdampf entstiegen.
Der Umfang des Namlagirakraters beträgt ö^'s km, der Durchmesser 2 km.
Die Nordostecke des Kraterloches enthält eine ausgeprägte Terrasse, welche
eine Breite von 800 m hat. Dem Geologen Herrn Kirschstein gelang es in
einem gefährlichen Abstieg bis auf den Boden des Kraters hinunterzusteigen,
wobei er wesentliche Verletzungen durch Aschenauswürfe davon trag.
Mächtige Layafeldcr umlagern die Vulkane. Wo die Tätigkeit erloschen
and die Lava verwittert ist, ist der Boden sehr fruchtbar und wird durch
Pflanzung von Kartoffeln, Bananen, Bohnen, Erbsen und Hirse ausgenutzt.
Zu den neuesten Bildungen im Westen gehört ein Kegel, der nach
dem Namen des Herzogs genannt wurde ; seine Lavaströme ergießen sich in
den Kiwu-See.
In engem Zusammenhang mit diesen Virunga- Vulkanen stehen die
Seengebilde des Zentral-Afrika-Grabens. Herr Kirschstein konnte feststellen,
daß die Ebene zwischen Kiwu- und Albert-Edward-See alter Seeboden ist,
was aus vorgefundenem Geröll hervorgeht. Diese Gerolle fand er 300 m
über dem Niveau des Albert-Edward-Sees, das also soviel höher gelegen haben
muß. Beide Seen haben früher ein einheitliches Seebecken gebildet und sind
erst durch die Vulkane getrennt worden.
Mit dem Verlassen der Vulkane betrat die Expedition nunmehr das
Gebiet des Kongostaates und durchwanderte die Ebene den Rutschuru ent-
lang bis zum Albert-Edward-See. In diesem überaus wildreichen Gebiet ge-
lang es faunistische Sammlungen anzulegen, von denen jedes Stück für die
Wissenschaft eine Neuheit bedeutet. In großen Mengen kommen vor die Leier-
antilope, Moorantilope, Riedböcke, Hirschantilopen, Buschböcke, von denen
allein 5 verschiedene Arten gesammelt wurden, Büffel, Löwen und Leoparden.
Weiter ging es nach dem an einem Salzsee gelegenen und für den
Salzhandel wichtigen Katwe, um das sich England und der Kongostaat
herumstreiten. Die rote Färbung des Wassers, hervorgerufen durch die Salz-
absonderung, gewährt besonders bei blauem Himmel einen prächtigen Bindruck.
Das Weihnachtsfest feierte die Expedition, das einzige Mal, da sie
bis auf Herrn Kirschstein vollzählig zusammen war, in Kasindi am Nord-
ofer des Albert-Edward-Sees. Die Zeit, welche die Verpackung der Lasten
and ihre Beförderung nach Europa beanspruchte, verwandte man auf die
reizvolle Jagd auf Elefanten, die hier in großen Trupps, oft 20 bis 60 Stück
in der lichten Steppe leicht gesehen werden. Ein altes Tier wurde erlegt,
dessen Zähne 2,53 m lang waren und die 98 Pfund wogen. Leider mußte
der Arzt Dr. von Raven, der einer schweren Verletzung wegen — er wurde
von einem Büffel in die Luft geschleudert und brach einige Rippen und
einen Arm — aus der Expedition ausscheiden, desgl. Oberleutnant Weiß,
der krankheitshalber nach Europa zurückkehrte. Auch der Ethnologe und
Anthropologe Dr. Gzekanowsky verließ die Expedition, um seine Spezial-
Stadien bei den Batwa weiterzuführen.
Von Kasindi aus ging es zum Ruwenzori, dann nach Beni und am
Ruwenzori entlang nach dem Albert-See. Auf der Schleife, die westlich vom
— 43 —
Ruwenzori gemacht wurde, begegnete man zum ersten Male den Wambutti-
Pygmäen, welche die Aufmerksamkeit der Expedition au! das lebhafteste er-
regten. Die Färbung dieser Leute ist sehr hell, da wegen ihres fortwähren-
den Aufenthaltes im Wald die Pigmentbildung fortfällt. Ihr Körperbau ist
kräftig, die Gesichtsbildung ausdrucksvoll. Obgleich die Zwerge noch nie
mit einem Europäer in Berührung gekommen waren, zeigten sie keine Scheu,
schlugen ihre Stätten im Lager auf und leisteten gute Ftihrerdienste. Die
Messungen ergaben Größen von 1,36 m bis 1,42 m; nur ein Mann mit 1,45 m
übertraf dieses Maß. Die Frauen sind von großer Häßlichkeit. Die Be-
waffnung der Männer besteht aus Speer und Bogen mit vergifteten Pfeilen.
Die Hütten werden aus Pfählen gebaut und mit Laub überdacht, vor ihnen
spielt sich das Leben ab, wenn sich die Wambutti nicht auf Raub, Jagd
oder Diebstahl befinden. Die Zwerge sind eifrige und vorzügliche Jäger
und sehr geschickt in der Erlegung des Okapi. Das Okapi, ein Tier, welches
vor vier Jahren überhaupt erst entdeckt worden ist, sieht der Giraffe sehr
ähnlich, zeigt den langen Hals und den Giraifenkopf, hat dunkle Färbung
und gestreifte Läufe Der Gouverneur von Uganda Sir Harry Johnston hat
vor vier Jahren das erste Fell nach Europa gebracht, wo es mit 20,000 fr.
bezahlt worden ist. Die Felle, welche die Expedition mitbrachte, ebenso
das Skelett eines Okapi, waren die ersten, die direkt nach Deutschland ge-
kommen sind, und repräsentieren einen hohen zoologischen Wert. Die Jagd auf
das lichtscheue Tier findet in der Regenzeit statt. Die Zwerge folgen der Fährte
oft tagelang im Walde, beschleichen es und erlegen es mit vergiftetem Pfeil.
Am 1. Februar brach die Expedition nach dem Ruwenzori auf, der
mit Schnee und Eis bedeckt war und dessen Höhe von dem Herzog der
Abruzzen, der ihn vor drei Jahren bestieg, auf ö200 m festgestellt war. Der
Marsch in dem dunstigen Gelände durch das mehrere Meter hohe Matetengras,
das viele Elefanten beherbergt, und durch ausgedehnte Bananenpflanzungen
war überaus beschwerlich und anstrengend, dazu herrschte eine unerträgliche
Hitze, mittags 45 Grad Celsius, abends nie unter 18 Grad. Die Askaris
mußten für die Lasten erst mit dem Messer Wege schlagen, kaum daß man
in einer Stunde 1 km vorwärts kam. Während die Expedition ihren Weg
nach Norden zum Albert-See fortsetzte, um Fühlung mit der kongonesisch-
englischcn Grenzkommission zu bekommen, trennten sich hier der Zoologe
Dr. Schubotz und der Botaniker Dr. Mildbread von der Hauptabteilung, um
Spezial-Untersuchungen am Ruwenzori vorzunehmen, die in der Gewinnung
von großen, zum Teil völlig neuen faunistischen und floristischen Samm-
lungen ebenfalls von reichem Erfolg begleitet waren.
Der Albert-See ist sehr fischreich. Der Fischfang wird von der Be-
völkerung, den Walegga's, eifrig betrieben. Flußpferde sieht man häufig,
dagegen scheinen Krokodile die Flüsse und deren Mündungen mehr zu be-
vorzugen, wenigstens wurden auf den Sandbänken des Semliki große Mengen
von Krokodilen gesehen.
Weiter nach Westen leben hauptsächlich Bawira- und Bawischa-Leute,
bei denen die kreisrunde Anlage der Dörfer bemerkenswert ist. Die BevÖl-
kerungsdichtigkeit nimmt nach Norden beständig zu, hier zählten die Dörfer
40, 50 und mehr Hütten.
— 44 —
Nach mehrtägigem Aufenthalt im englischen Lager wnrde Kilo an der
Westküste des Sees erreicht, wo seit einigen Jahren Goldwäschereien im Be-
trieh sind, die reiche Erträgnisse liefern. Das Gold, meist Alluvialgold,
wird in der geringen Tiefe von 1 his 1,50 m unter der Erdoherfläche auf
dem Grunde der Flußtäler gefunden, also sehr leicht gewonnen. Die ganze
Gegend ist sehr goldreich, doch läßt der Betrieh noch viel zu wünschen
ührig. Das gewonnene Gold wird in einem Laboratorium in Barren yon
ungefähr 37,000 fr. Wert umgeschmolzen.
Es hält schwer, sich von den im Kongostaat ruhenden Schätzen einen
richtigen Begriff zu machen. Kupfer nimmt man für 4 Milliarden an, das
Gold ebenfalls für einige Milliarden. Aus diesem Grunde würde sich die
Weiterführung der jetzt projektierten deutschen Bahn von der Ostküste bis
an den Tanganjika-See wohl rentieren und Deutschland den Transport dieses
Goldes an sich reißen.
Auch der Kautschukreichtum ist bekannt. Es ist jedoch nicht zu
verkennen, daß der Staat in rücksichtslosester Weise die Eintreibung dieses
Produktes vornimmt und 1 bis 3 kg pro Monat und Kopf fordert. Deshalb
fangen bereits Eingeborene an, die großen Bestände des Kautschuk-
baumes zu fällen, um sich der Arbeit zu entziehen, was die Entsendung von
Truppen in die nördlichen Gebiete notwendig machte. Die Gewinnung ist
infolge dieser „ Kautschukmüdigkeit '^ in einzelnen Plätzen von 14,000 kg
auf 2 — 3000 kg pro Monat zurückgegangen. Der Kongostaat sucht dieser
Gefahr durch Anlage von Kautschukplantagen zu begegnen, über deren
Nutzungswert sich jedoch erst in sieben bis acht Jahren reden lassen wird ;
zudem herrscht im Kongostaat, gerade wie in Ostafrika großer Arbeiter-
mangel.
Ebenso ist der Elfenbeinreichtum ein ungeheurer und übersteigt weit
die allgemeine Schätzung. Die Expedition sah während ihres 20tägigen
Marsches durch Urland große Mengen von Elefanten, hörte sie im Wasser
and im Gebüsch brechen. Wenn man bedenkt, daß dieses Gebiet viermal so
groß ist wie ganz Deutschland, 'So wird man einen Schluß auf die großen
Mengen von Elefanten ziehen können. Der Herr Vortragende schätzt die
Anzahl der Elefanten auf einige Hunderttausende.
Um dem Arbeitermangel entgegenzutreten, hat der Kongostaat ange-
fangen, sich den Elefanten dienstbar zu machen, leistet er doch so viel wie
30 bis 40 Menschen. 25 jüngere Tiere sind im Depot in Api am Uälle be-
reits völlig gezähmt, sodaß man mit dem Erfolg wohl zufrieden sein kann.
Auch legt der Kongostaat großen Wert auf die Verbesserung der
Karawanenstraßen, wobei in letzter Zeit am Uälle Automobile mit sicht-
lichem Erfolg verwendet werden.
Von Kilo ging es den oberen Ituri entlang nach dem für den Handels-
verkehr äußerst wichtigen Irumu, dem Knotenpunkt sämtlicher Handels-
straßen im östlichen Kongostaate, wo Dr. Mildbread und Dr. Schubotz wieder
zu der Expedition stießen, und dann weiter in den großen Kongo-Urwald
hinein. Eine gut gehaltene Etappenstraße, die in Abständen von 3 bis
ö Stunden in einzelne Etappen eingeteilt ist, führt von Irumu nach Stan-
leyville. Bei allen Etappen sind reichlich Bananenpflanzungen angelegt zum
— 45 —
Unterhalt der durchziehenden Träger. Der Wald steckt voll der kleinen
diebischen Mombutti-Pygmäen, die den Straßen viel zu schaffen machen und
sich der Vorräte bemächtigen. Man hat den Marsch durch den großen afrikanischen
Urwald geisttötend genannt und namentlich die für die Posten der Ostgrenze
bestimmten belgischen Beamten, die den Urwald durchqueren müssen, sprechen
mit gelindem Qrausen von diesem Marsch. Sie haben darin nicht ganz
Unrecht. Wenn man ein paar Tage hindurchgewandert ist und das erste
Entzücken über das Neue, die Üppigkeit der Vegetation und die Größe des
Waldes verflogen ist, beginnt man das Eintönige der Szenerie zu spüren,
und wie au! einer langen Seefahrt stellt sich Langeweile ein. Das Meer und
dieser Wald haben überhaupt manches gemeinsam. Man braucht nicht tief
in den Wald einzudringen, ein paar hundert Meter schon, und man fühlt
gewissermaßen das Endlose dieses bis in die weiteste Feme unverändert sich
hinstreckenden Gewirres. Urwaldriesen, dicke Lianen mit bizarren Formen,
Sträucher und Kräuter, das ist es, was man erblickt und was sich über eine
Fläche erstreckt von der Größe von ganz Mitteleuropa. Es gehört schon
ein gut Teil Formensinn dazu, um diesen Wald anders zu empfinden, als
eine durch Eintönigkeit bedrückend wirkende Masse.
Ende April erfolgte die Ankunft in Avakubi am Aruwimi, wo die
Träger entlassen und die treuen Askaris abgemustert wurden, um von hier
aus den Heimweg nach Bukoba und der Ostküste anzutreten.
Die Weiterreise ging den Aruwimi auf 17 Booten abwärts bis Basoko
an der Einmündung des Flusses in den Kongo. Es war eine genußreiche
Fahrt, die aber infolge der zahlreichen Katarakte und Stromschnellen, über
welche die Boote nur mit Mühe transportiert wurden, nicht ohne Unfälle
und Verluste ablief. Bei ganz gefährlichen Stellen mußten die Boote um-
geladen werden. Der Aruwimi hat eine stattliche Breite, die zwischen
400 und 1000 m schwankt, wodurch er ein seenartiges Aussehen gewinnt,
und führt gewaltige Wassermassen mit sich. Kamen die Weißen in Sicht,
so ließen die Eingeborenen an den Ufern dumpfe und weithin hörbare
Trommeln ertönen, welche das Nahen der Expedition dem nächsten Dorfe
ankündigten. Auf diese Weise wurde sie auf Hunderte von Kilometern im
voraus angemeldet. Auch die Fahrt über die Stromschnellen veranschaulichte
der Vortragende durch vorzügliche kinematographische Vorführungen.
In Basoko, wo die Expedition von dem Sultan und den belgischen
Beamten die liebenswürdigste Aufnahme fand, bestiegen die Reisenden am
14. Mai 1908 den Dampfer „Flandre", der sie in lOtägiger Fahrt nach
Leopoldville beförderte. Boma wurde am 24. Mai erreicht, worauf die Heim-
fahrt auf dem Dampfer „Mandingo'^ erfolgte.
Am Schlüsse des Vortrags faßte Seine Hoheit noch einmal kurz die
wissenschaftlichen Ergebnisse der Expedition zusammen, unter denen er
besonders die Feststellung der Westgrenze des Kiwu-Sees und seiner geologi-
schen Zusammengehörigkeit mit dem Albert-Edward-See hervorhob. Topo-
graphisch wurden 5900 qkm Land aufgenommen, 5000 photographische
Aufnahmen gemacht, 14 magnetische und 10 astronomische Stationen wurden
festgelegt, die Vulkane geologisch erforscht, 11 Vulkanausbrüche konnten
photographisch aufgenommen werden. Die Sammlungen weisen u. a. auf:
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884 S&nger, 240 Felle, 150 ganze Tiere, 800 Fische, 8000 Insekten, im
ganzen ungefähr 15,000 Zoologica, etwa öOOO ethnographische Stücke and
über 1000 Menschenschädel. 40 Sprachen konnten phonographisch aofge-
nommen werden.
Nachdem der Redner schließlich für die allseitige Unterstützung, die er
bei Bekanntwerden der Expedition erfahren habe, seinen Dank ausgesprochen
hatte, gab er dem Wunsche Ausdruck, daß es immer so hochherzige Leute
geben möge, die die Arbeit der Pioniere da draußen unterstützen, und wies
darauf hin, daß eine so große Expedition nur durch das uneigennützige, von
patriotischem Geist getragene Zusammenwirken vieler deutscher Männer
möglich gewesen sei.
(Inzwischen erschien das Werk Seiner Hoheit : Ins innerste Afrika. Be-
richt über den Verlauf der deutschen wissenschaftlichen Zentral- Afrika-Expe-
dition. 1907—1908. Leipzig, Verlag von Rlinkhardt & Biermann 1909.)
Montag, den 29. März 1909.
Herr Professor Dr. Sven von Hedin-Stockholm: Meine
neueste große Forschungsreise in Tibet 1906—1908. (Licht-
bilder.)
Der Herr Vortragende begann seine Ausführungen mit dem Hinweise,
wie schwierig es sei, eine Reise im Laufe einer Stunde zu schildern, die
drei Jahre und drei Monate in Anspruch genommen habe. Er trat seine Ex-
pedition, die fünfte in Zentralasien, von Stockholm aus im Oktober 190d an.
Sie führte ihn durch Europa, Persien, Balutschistan und Kaschmir zur west-
lichen Grenze von Indien, dann nach Ladak und im Oktober 1906 nach Leb,
der Hauptstadt von Ladak und dem eigentlichen Ausgangspunkt der Reise.
In Leh wurde die erste Karawane zusammengestellt : 26 Mann und 30 Maul-
tiere und Pferde; sie nahm Proviant für etwa ein halbes Jahr mit, femer
eine vollständige Ausrüstung an wissenschaftlichen Instrumenten.
Tibet ist das größte Bergland der Erde, mit den größten und höchsten
Erhebungen. Es ist viermal so groß wie Frankreich und grenzt im Westen
an das Pamirgebirge, im Nordwesten an Ost-Turkestan, im Osten an China
und im Süden an den Himalaja und an Britisch-Indien. Während aber auf
den neuesten Karten, auch noch auf der letzten Ausgabe der Royal Geo-
graphical Society in London, Tibet als ein Hochplateau erscheint zwischen
dem Kwenlun im Norden und Himalaja im Süden mit Gebirgen, die nur
eine kurze Ausdehnung in Ketten oder Gruppen zeigen, ist es tatsächlich
nach den neuesten Foschungen Hedins eine Hochfläche mit mächtigen Gebirgs-
ketten, die von dem Gebirgsknoten im Westen, auslaufend wie die Finger
einer Hand, sich in fortlaufenden Zügen bis nach China hinein erstrecken.
Unter ihnen bildet der Transhimalaja, der zwar im Osten und Westen
stückweise bekannt war, von dem aber niemand den Zusammenhang beider
Teile ahnte, die gewaltigste und höchste Gebirgskette der Erde, ungefähr
1800 km lang, im Osten 100 bis 120, im Westen 30 Meilen breit. Vom
Himalaja wird sie nur durch die Höhe seiner Gipfel übertroffen. Der Trans-
himalaja bildet die Wasserscheide zwischen dem Ozean und dem abflußlosen
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Inner- Asien. Zwischen den Gebirgsketten von Tibet breiten sich ziemlich
breite und offene Längstäler aus. Jedes Tal zerfällt in eine Reihe in sich
abgeschlossener, abflußloser Becken, und in der Mitte eines jeden Beckens
befindet sich an der tiefsten Stelle in der Regel ein Salzsee, in den die
Ströme und Bäche von Regenwasser und geschmolzenem Schnee aus dem
umliegenden Gebirge fließen. Das Wasser dieser Seen verdunstet mehr Und
mehr, sodaß sie im Laufe der Jahrtausende immer salziger geworden sind.
Tibet ist auch das größte Faltenland der Erde und deshalb ist es
leichter hier von Osten nach Westen zu marschieren und umgekehrt als von
Norden nach Süden, in welcher Richtung man eine Menge hoher Pässe zu
überschreiten hat. Die ganze westliche Hälfte des Landes liegt überall höher
als der Gipfel des Montblanc. Das gilt sogar von den Tälern und Salzseen,
während die Gebirge sich zeitweilig noch 1000 m höher erheben. Bei dieser
Riesenhöhe ist das Klima sehr streng, die Luft sehr dünn, das Herz hat die
doppelte Arbeit wie an der Meeresküste zu verrichten. Gras wächst nur an
wenigen Stellen, und Weideplätze sind schwer zu finden. Doch gibt es in
Tibet eine große Menge wilder Tiere, Yaks, Ochsen, Wölfe, Wildesel neben
Antilopen, Gazellen, Schafen, welche die Stellen des Graswuchses in den ge-
schützten Tälern seit Generationen kennnen. Eine Karawane, die nur durch
Zufall Gras findet, ist schon von Anfang an dem Untergang geweiht, deshalb
haben von den 130 Tieren der Expedition nur 6 die ganze Reise bis Schigatse
überstanden.
Der Herr Vortragende gab hierauf eine eingehende Übersicht über die
wichtigsten Forschungsreisen in Tibet, wobei er besonders an Schlagin weit
erinnerte, der in Kaschgar ermordet wurde, im Süden an die Reisen von
Younghusband und Rawling, im Osten an Filchner und Tafel. Über Lhassa
mit seinen Tempeln hat Pater Georgi ein schönes und ausführliches Buch
geschrieben. Sodann begann er mit der Schilderung seiner letzten Expedition,
die am 14. August 1906 von Labore aus angetreten wurde und aus 130 Tieren
und 25 Ladaken bestand. Karawanenführer war Mohamed Jsa, ein zu-
verlässiger Mohammedaner mit 30jährigen Erfahrungen in Tibet, der die
Expeditionen von Younghusband, Ryder und Rawling mitgemacht hatte und
von Y'ounghusband empfohlen worden war. Proviant wurde für einen Monat
mitgenommen. Die neue Reise hatte den Zweck, die noch übrigen weißen
Flecken auf der Karte auszufüllen ; einer derselben, am Nordende des Bramah-
putra gelegen, mit der größte der Erde, übertrofFen vielleicht nur von der
Antarktis, dem Gebiete des Amazonas und vom südlichen Arabien. Hedin
brach von Leh zunächst in nördlicher Richtung auf, überschritt den Karakorum,
schwenkte dann ostwärts nach Tibet ab, welches er in südöstlicher Rich-
tung bis Schigatse durchquerte. Unter großen Entbehrungen und Verlusten
wurde die Buka-Mangna- Kette überschritten ; an einem Tage gingen 9 Tiere
verloren.
Nach 83 Tagen wurden bei dem von Dutreuil de Rhins entdeckten
Ammoniaksce die ersten Nomaden angetroffen, neuer Proviant und Tiere
konnten angekauft werden. Am Flusse Bogtsangtsangpo kreuzte die Ex-
pedition die vorige Reise-Route, verbrachte Weihnachten am Dumbok-tso und
blieb zur Erholung in Ngantse-tso längere Zeit, die dem Studium der Tiefen
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and der Entstehung der Seen gewidmet wurde. Der Goavemeur Ton Nan-
tsang-jong, derselbe der schon 1901 die Expedition zur Rückkehr gezwangen
hatte, verbot zwar anfangs die Weiterreise, gab aber bald seinen Widerstand
aaf zar.r'großen Überraschung Hedins, weil er glaubte, dieser hätte geheime
Erlaubnis, nach Schigatse zu gehen. Der Ärmste hat durch diesen Glauben
freilich seine Stellung verloren, was den Vortragenden zwar sehr geschmerzt
bat, doch meinte er, sein geographisches Gewissen habe mit seinem ge-
wöhnlichen nichts zu tun. Im letzten Teil des Weges zwischen dem Ngantse-
tso und dem Tale des Tsangpo, des Oberlaufes des Brahmaputra, bis nach
Schigatse, wurden die Gebirgsketten Nientschen-Tang-la mit hohen Pässen
überstiegen, von denen der Sela-la-Pass der höchste ist. Die Gipfel der Kette
erheben sich bis zu 7700 m. Dieses Gebirgssystem ist von verschiedenen
Reisenden bereits gekreuzt worden, doch war der Chalamba-la-Pass der
westlichste bekannte und überschrittene Pass ; der Sela-la-Pass liegt 170 km
westlich davon.
Von diesem westlichen Gebirgssystem, dem Transhimalaja, war bisher
noch gar nichts bekannt. Nachdem der Sela-la-Pass überschritten war, wurde
im Süden nach einem schroffen Abstieg der My-tschu, ein Nebenfluß des
Raga-Tsangpo entdeckt, der größte Nebenfluß des Brahmaputra. In seinen
Tälern lebt eine ziemlich dichte Bevölkerung, keine Nomaden, sondern seß-
hafte Leute, die in Dörfern beisammen wohnen und Tempel und Klöster
haben. Die Lamas in diesen Klöstern haben eine eigentümliche Sitte. In
einer Art von religiösem Fanatismus opfern sie manchmal den Rest ihres
Lebens ganz der Mystifikation in einer Höhle im Gebirge, weit von ihrer
Heimat. Ein Lama begibt sich in eine solche dunkle Höhle, in welcher er
sich, ohne seinen Namen zu nennen, einmauern läßt und so von der Erde
verschwindet. Kein Mensch erfährt wieder etwas von ihm. Die Höhle wird
hinter ihm zugemauert und seine Nahrung wird ihm durch einen unterirdischen
Gang hineingeschoben. Bleiben die Nahrungsmittel einige Male unberührt,
so ist das ein Zeichen, daß der Lama entweder krank oder tot ist. Wieder-
holt es sich, so wird die Leiche herausgeholt, feierlich verbrannt und die
Asche in einem Turm beigesetzt. Der Lama gilt dann als Heiliger. In
dieser Weise hatte ein Lama 3 Jahre in einer Höhle gelebt, ein anderer
15 Jahre und ein dritter, der vor 10 Jahren gestorben war, sogar 69 Jahre
im Dunkeln zugebracht. Einige Lamas leben nur 1 Jahr, andere 3 Jahre,
wieder andere nur Monate in solchen Höhlen und kommen dann wieder ans
Tageslicht.
Nach mehrtägigem Marsche auf dem Nordufer des Tsangpo und
zweitägiger Bootsfahrt langte der Vortragende am 9. Februar 1907 in
Schigatse an, wo er 47 Tage verweilte. Schigatse ist nach Lhassa die zweit-
größte Stadt in Tibet. Hier in Schigatse oder vielmehr ganz außerhalb der
Stadt befindet sich der große Tempel des Taschi-Lama, in welcher dieser
residiert. Er ist der Papst von Süd-Tibet und hat denselben religiösen Rang
wie der Dalai-Lama. Stirbt der Taschi-Lama, so wandert seine Seele in den
Körper eines Knaben, der gerade zur Todesstunde geboren wurde. Dieser
wird aufgesucht und heilig gesprochen. Es traf sich glücklich, daß der
Redner in Schigatse gerade zu den Neujahrsfeierlichkeiten eintraf, die 20 Tage
— 49 —
dauern, and an denen sich Pilger aus ganz Tibet und Repräsentanten der
Yielen Mongolen- Völkerschaften im Norden hier in der heiligen Tempelstadt
Tashi-lanpo einfinden.
Die Pilger sammeln sich in einem Platz, der von Galerien umgeben
ist, auf denen die Tibeter sich niederlassen. In der Mitte, in einer Loge, sitzt
der Taschi-Lama, umgeben von seinen Kardinälen und empfängt die Grüsse
der verschiedenen Lama-Korporationen. Die Kardinale sind ehrwürdige Herren,
ebenso ehrwürdig wie die Kardinäle in Rom. Teufelstänze werden aufgeführt,
um die bösen Geister wegzujagen, begleitet von einer donnernden, bizarren
und disharmonischen Musik; die Gesänge dagegen sind hübsch. Am Ende
des ersten Tages wird in der Mitte des großen Platzes ein Feuer angezündet,
zwei Lamas treten hervor und werfen Papiere, auf denen alle möglichen
unangenehmen Sachen verzeichnet stehen, welche man für das nächste Jahr
los zu werden wünscht, in die Flammen. Das Papier wird vom Feuer ver-
zehrt und damit auch die unangenehmen Sachen.
Der Vortragende fand beim Taschi-Lama die liebenswürdigste Aufnahme
und konnte sich in den Klöstern und Tempeln vollständig frei bewegen und
durfte auch photographische Aufnahmen machen. Auch hörte er Vorlesungen
der Professoren der Theologie an und wohnte Disputationen um den Doktor-
grad bei, bei welchen der Taschi-Lama selbst als Opponent anwesend war.
Endlich kamen Gesandte aus Lhassa, welche den Reisenden zur Rück-
kehr nach Indien bewegen sollten. Nach längeren Verhandlungen aber gaben
sie die Erlaubnis zur Weiterreise nach Ladak, wohin am 28. März 1907 auf-
gebrochen wurde. In westlicher Richtung, 80 km am Tsangpo, darauf an
seinem Nebenfluß Raga-Tsangpo entlang, überschritt Hedin den Transhimalaja
bei dem Passe Tschang-la Pod-la und erreichte den See Dangra-jum-tso, an
dessen Südufer sich der Berg Targo-gangri erhebt, einer der schönsten und
höchsten Berge des Himalaja. An seinem östlichen Fuße liegt das Kloster
Särschitz-gumpa, dessen Lamas der Pembo-Sekte angehören. Zwischen dieser
Sekte und den Orthodoxen gibt es einen großen Unterschied. Diese drehen
ihre Gebetsmühlen nach der einen, jene nach der anderen Seite, und zwischen
ihnen besteht ein tötlicher Haß. Der See gilt den Tibetanern als heilig, und
wer in ihm gebadet hat, ist vor Räubern und Krankheit geschützt. Außer
ihm gibt es noch 2 andere heilige Seen in Tibet, die alle 3 von Pilgern
besucht werden. Nachdem auf dem Weitermarsche der große See Schuru-tso
am Nordfuß des Transhimalaja entdeckt und dieser etwa 100 km westlich
wiederum überschritten war, ging es zum Brahmaputra hinab. Unterwegs
in Saka starb der Führer Mohamed Isa, dessen Tod für die Expedition
einen schweren Verlust bedeutete. Nach erfolglosen Versuchen in die bisher
unbekannte Provinz Bongba einzudringen, sowie einem Abstecher nach Nepal,
wurde der Weg nach Westen weiter fortgesetzt, um die bisher vergeblich
gesuchte, wirkliche Quelle des Tsangpo zu entdecken. Wiederum wurde die
Hauptkette auf 2 Pässen überschritten. Im Norden fließt das Wasser zum
Tsangpo, von dem aus sich der Boden ganz langsam und für das Auge kaum
merklich erhebt, in Süden zum Ganges, zu dem der Abfall fast vertikal
herunter eriolgt. Es wäre leicht und nur eine Geldfrage, durch einen Kanal
den oberen Brahmaputra zu zwingen, ein nördlicher Nebenfluß des Ganges
- 50 —
zu werden. Bei der Entdeckung der Quelle des Brahmaputra, der aus den
Gletschern des Kuhi-gangri entspringt, wurde rein wissenschaftlich vorge-
gangen und das Problem durch genaue Messung der Wassermengen sämtlicher
Nebenflüsse systematisch gelöst.
Von dort ging es weiter westlich zu den heiligen Seen Manasarovar
und Rakas-tal, von denen der erstere durch einen unterirdischen Abfluß sich
in den letzteren entleert. Auch ihr Wasser, das nicht wie Quellwasscr ist,
wurde genau gemessen. Die Aufnamen auf dem Manasarovar mußten einmal
nachts geschehen, da am Tag der See unruhig, nachts aber so glatt wie ein
Spiegel war. Da gewährte es denn einen wundervollen Anblick, wenn die
Landschaft ringsum noch in die Schatten der Nacht gehüllt war und die
Gebirge am östlichen Ufer sich wie Silhouetten ganz schwarz vom Hinter-
grunde abhoben, die ersten Strahlen der Sonne die Gipfel der fernsten Schnee-
berge beleuchteten, die Wolken allmählich rosenrot sich färbten, bis schließlich
alles in ein Feuermeer verwandelt zu sein schien.
Hier liegt ein heiliger Berg Kailas, nach dem Glauben der Hindus der
Sitz des Paradieses Schiwas. Einmal im Jahre komme der Gott zum See«
um darin als weißer Schwan zu schwimmen, weshalb der See von zahlreichen
Pilgern besucht wird, welche um den Berg Wanderungen ausführen, be-
sonders alle 12 Jahre. Sie gehen in derselben Richtung, wie die Zeiger einer
ühr, die Taschi-Lamas gehen jedoch umgekehrt. Ein Pilger, der den Berg
13 mal umwandert hat, erhält für alle seine Sünden Vergebung, derjenige
aber, der den ganzen Weg mit der Länge seines Körpers mißt, indem er sich
hinlegt und so die Strecke hinter sich bringt, braucht das nur einmal zu
tun. um der eben genannten Belohnung teihaftig zu werden. Der Vortragende
hat die Wanderung ebenfalls ausgeführt, aber zu Pferde, was aber nicht
gezählt wurde. Dort ist auch ein Tunnel, durch den jeder ehrliche Mann
hindurchkriechen kann, ein Schurke bleibt stecken. Ein Diener Hedins ver-
suchte hindurchzukommen, er mußte aber mit Stricken an den Füßen wieder
herausgezogen werden.
Nicht weit westlich hiervon befindet sich auch die Quelle des Satledsch,
des bedeutendsten Nebenflusses des Indus, die unschwer erreicht und auf
dieselbe Weise wie die des Indus selbst und des Tsangpo festgestellt wurde.
Von Gartok aus, wo 2 tibetische Vizekönige wohnen, die sich gegen-
seitig kontrollieren, folgte Hedin dem Oberlaufe des Indus entlang, nachdem
sein Versuch, direkt nach Norden durchzubrechen, an dem Widerstände der
tibetischen Behörden gescheitert war. Doch auch jetzt gab er seinen Plan,
das ganze westliche Tibet zu erforschen, nicht auf. Mit einer neuen, durch
vorausgesandte Boten in Leh zusammengesetzten Karawane von 12 Mann
und 40 Tieren, brach er Ende November 1906 von Durga, östlich von Leh,
auf, angeblich um über Chotan nach Peking, wie er durch Reuter telegraphieren
ließ, zu reisen. Der neue Führer Abdul Kerim war zwar ein ehrlicher Mann,
dafür aber ein um so größerer Dummkopf, der für die Männer für etwa
3 Monate Proviant, für die Tiere aber nur für kaum 20 Tage Futter mit-
genommen hatte. Nachdem die Dapsang-Ebene überschritten war, wandte
sich Hedin nach Norden zum Karakorumgebirge und den Nebenflüssen des
oberen Indus, um dann plötzlich nach Osten umzuschwenken und die tibetische
— 51 —
Grenze wieder zu überschreiten. Es war die schlimmste Reise, die er Je
gemacht hatte. Unter den größten Beschwerden, bei furchtbarster Kälte, — das
Thermometer sank bis 40 ^ — und bei anhaltenden Schneestürmen wurden die
Seen Shemen-tso und Lemtschung-tso erreicht und der Weg nach Südosten
fortgesetzt. Fast sämtliche Tiere gingen ein. Endlich nach 64t&giger
Wanderung wurden wieder die ersten Nomaden angetroffen, von denen man
Schafe kaufen und Träger erhalten konnte. Jetzt yerbrannte der Reisende
seine europäische Kleidung und verwandelte sich in einen Ladaker mit Pelz
und täglich schwarz gemachten Gesicht und Händen, ohne jedoch so schmutzig
zu werden, wie ein Eingeborener. Während er als der niedrigste Diener
Abdul Kerims galt und Schafe treiben mußte, wozu er allerdings wenig
Geschick zeigte, wenn man Nomaden begegnete, galt jener als Führer der
Expedition, die sich freilich in solchen Momenten allerlei Freiheiten erlaubte.
Die Instrumente und Aufzeichnungen wurden in Reissäcken versteckt.
Während eines Sturmes gingen sämtliche Hunde verloren, weshalb neue ge-
kauft wurden, von denen der bissigste an Hedins Zelt gebunden wurde und
ihm alle Tibeter vom Leibe hielt. Unter solchen Vorsichtsmaßregeln wurden
wieder das Karakorumgebirge und eine große Anzahl von Pässen über-
schritten, welche zu der bis dahin unbekannten Provinz Bongba führten,
welche mehrfach durchquert wurde. Sie zerfällt in 11 Bezirke, vor deren
Namen immer Bongba steht. Sie ist die wohlhabendste und wichtigste
Provinz Tibets, und von ihrer Existenz hat selbst China keine Ahnung
gehabt. Dann gelangte die Expedition wieder an die Hauptkette des
Transhimalaja. Auf die Dauer ließ sich die Verkleidung Hedins jedoch nicht
aufrecht erhalten, und nachdem es gelungen war, mehrfach tibetische
Häuptlinge, die behaupteten, es müsse sich im Lager ein Europäer befinden,
zu täuschen, wurde er gezwungen, sein Incognito aufzugeben. Als am
24. April 1908 verschiedene tibetische Beamte, darunter 3 alte Bekannte
Hedins im Lager erschienen mit dem Auftrage der Regierung, jeden einzelnen
Mann sowie jedes Gepäckstück zu untersuchen, hielt er es für klüger,
sich zu erkennen zu geben, worauf sich eine charakteristische Szene ent-
wickelte. Auf die Frage, warum er das Land wieder betreten habe, obgleich
er doch Befehl erhalten habe, es zu verlassen, antwortete Hedin, weil er ihr
Land und sie alle so furchtbar liebe und ohne sie nicht leben könne, deshalb
komme er auch immer wieder. Darauf erwiderten sie, das sei ja sehr freundlich,
aber er könne ja auch sein eigenes Land ein wenig lieben und Tibet ver-
lassen. Als dann der Gouverneur des Landes selbst im Lager erschien und
Hedin zur Rückkehr und zwar auf demselben Wege, den er gekommen war,
zwingen wollte, da erhielt er von diesem zur Antwort, das sei unmöglich,
lieber wolle er sterben, denn ein Gesetz seines Landes verbiete ihm, in seine
eigenen Fußtapfen zu treten, was dem Tibeter allerdings sehr sonderbar
vorkam.
Hedin hatte aber seinen Zweck völlig erreicht, er befand sich wieder
in gänzlich unerforschtem Gebiete und setzte es nach mehrtägigen Ver-
handlungen mit dem Gouverneur durch, daß er sich seine Abzugsroute selbst
wählen durfte. Am 5. Mai brach er unter militärischer Bedeckung nach
Nordeu auf, überschritt den Transhimalaja, verfolgte den Tschaktak-tsangpo
— 52 -
bis zur Quelle, worauf er den See Teri-nam-tso näher erforschte. Nachdem
er dann nach Westen zu den großen Fluß Soma-tsangpo erreicht hatte und
nach abermaliger Übersteigung des (lebirges an den See Nganglaring-tso
gekommen war, um schließlich den Transhimalaja auf zwei Pässen zum
10. Male zu durchqueren, erreichte der kühne Forscher auf bekannten Wegen
Simla, wo er am lö. September anlangte und am vizeköniglichen Hofe mit
den größten Ehren empfangen wurde.
(Vgl. auch des Redners inzwischen erschienenes Werk: Transhima-
laja. Entdeckungen und Abenteuer in Tibet. 1 — 2. Leipzig, F. A. Brock-
haus 1909.)
Mittwoch, den 27. Oktober 1909.
Herr Pf arrer Lic. Dr. Karl Schwarzlose-Frankfurt a. M.:
Rumänien, Land und Leute. (Lichtbilder.)
Der Redner hatte im August und September 1909 eine Studienreise
nach Rumänien unternommen. Da er für diese Reise mit den maßgebendsten
Empfehlungen des Auswärtigen Amtes in Berlin ausgestattet war und von
der rumänischen Staatsregierung sowie vom deutschen Gesandten Exzellenz
von Eiderlen -Wächter in der liebenswürdigsten Weise gefördert wurde, so
gelang es ihm, in yerhältnismäßig kurzer Zeit einen guten Überblick über
das Land zu gewinnen, welches er nach allen Richtungen hin durchquerte.
Er führte etwa folgendes aus:
Das Königreich Rumänien teilt mit den benachbarten Balkan-
staaten das Mißgeschick, daß noch recht viele unrichtige und ungünstige
Urteile darüber im Kurs sind. In diese Rubrik gehört z. B. das Gerede von
der ünsauberkeit und von den Judenverfolgungen. K. E. Franzos gab Mitte der
siebziger Jahre seinen Reiseschilderungen über das südöstliche Europa den Titel
„Halbasien^. Diese Bezeichnung war schon damals übertrieben. Und daß sie
heute ein schreiendes Unrecht für Rumänien wäre, sieht wohl jeder ein, wenn
er bedenkt, daß in diesem Lande seit 43 Jahren einer der tüchtigsten Hohen-
zollemfürsten mit Einsetzung aller seiner Kräfte Kulturarbeit geleistet hat,
daß hier die geistreiche und kunstsinnige Carmen Sylva als Königin Hof
hält und außerdem viele deutsche Landsleute in allen möglichen BemfsarbeiteB
tätig sind. Es gibt allein 25 deutsch-evangelische Gemeinden, allerdings mit
sehr verschiedener Seelenzahl. In einer Finanzstadt wie Frankfurt wird die
Mitteilung das Interesse steigern, daß Deutschland mit seiner Geldkraft stark
an Rumänien beteiligt ist; denn nicht nur die junge rumänische Industrie
wird zum großen Teil durch deutsches Kapital ermöglicht, sondern auch
53% der rumänischen Anleihen, nämlich 170Mill.fr., sind in Deutschland
untergebracht.
Das heutige Königreich Rumänien wird oft irrig zu den Balkan-
staaten gerechnet; es ist aber ein noch zu Mitteleuropa gehörender D onau-
staat. Sein Flächenraum wird gegenwärtig vom Großen Generalstab der
rumänischen Armee neu vermessen. Das Resultat dieser Arbeiten steht noch
nicht fest; deshalb müssen wir die Oberfläche noch nach der alten Zahl Yon
131353 qkm angeben, eine Größe, die ziemlich genau derjenigen von Sttd-
— 68 —
deutschland einschließlich der Reichslande entspricht. Während aher diese
deutschen Gehiete von rund 14 Bfill. Menschen hewohnt werden, hat Rumänien
nur 6 */4 Mill. Einwohner. Es setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen,
aus der Walachei mit rund 77000, der Moldau mit rund 38000 und
der Dohrudscha mit rund 15000 qkm. Die Moldau war ursprünglich
das umfangreichere der beiden Donaufürstentümer, denn sie umfaßte ehedem
auch die Bukowina mit rund 10500 qkm, welche Osterreich 1774 besetzte,
und Bessarabien mit rund 45 600 qkm, dessen letzte Distrikte Kußland
vertragswidrig 1878 für sich in Anspruch nahm, wofür dann Rumänien die
südlich der Donaumündungeki gelegene Dohrudscha erhielt. Man zählt
in Europa gegenwärtig etwa 12 Millionen Rumänen ; von diesen wohnen im
Königreich nur 6 Millionen, die übrigen 6 Millionen verteilen sich auf Österreich-
Ungarn, Rußland, Serbien, Bulgarien, Türkei und Griechenland. In Ungarn
bewegt sich das rumänische Volkstum spürbar in aufsteigender Linie. Die
Rumänen auf türkisch-griechischem Boden sind die am Pindosgebirge seßhaften
Zinzaren oder Kutzowalachen, auch Aromunen genannt. Mit Rücksicht auf
diese Stammesgenossen hat auch Rumänien ein Interesse an der mazedonischen
Frage.
Interessant ist die Entstehung des rumänischen Volkstums. Ursprünglich
wohnten zu beiden Seiten der Karpathen Dacier, ein thrazischer Volks-
stamm. Mit diesem verinischten sich die Kolonisten, welche Kaiser Trajan
am Anfange des 2. christl. Jahrhunderts nach Eroberung Daciens in die ent-
völkerte Donauebene berief. Aus dieser Mischung, bei der die römische
Kultur und die lateinische Verkehrssprache das Bindemittel abgab, entstand
das dakoromanischeVolkstum. Die Dakoromanen waren vornehmlich
Hirten; das Herz ihrer Wohnsitze war die Ölten ia, die zwischen Donau
und Alt gelegene sogenannte kleine Walachei, wo sich dem wald- und
schluchtenreichen Karpathengebirge verschiedene andere Bergketten verlagern.
Ohne den starken Schutz der Karpathen wäre das junge dakoromanische
Volkstum in den Stürmen der Völkerwanderung, die hier 7 Jahrhunderte hin-
durch währte, sicher zu Grunde gegangen. Nacheinander zogen Goten,
Hunnen, Gepiden, Avaren, Slawen, Bulgaren, Magyaren, Petschenegen, Ku-
manen und Tartaren durch das Land ; etliche von diesen blieben länger darin
seßhaft und traten mit den angestammten Bewohnern in Verbindung. Daraus
ergibt sich, daß diese sich nicht rein erhalten konnten, sondern physisch,
kulturell und sprachlich sich mit den Eindringlingen mischten. Das Resultat
dieser neuen Mischung, bei der allerdings das dakoromanische Element schon
infolge seiner Seßhaftigkeit das Dominierende blieb, ist das rumänische
Volkstum.
Dieser Werdegang spiegelt sich in der rumänischen Sprache
wieder, die nach ihrem Grundcharakter eine romanische Sprache ist. Sie
hat für das Ohr eine sofort erkennbare Ähnlichkeit mit dem Italienischen.
Den Grundstock des Rumänischen bildet das Dakoromanische, das aus einer
Mischung des Vulgärlateinischen mit der Sprache der dacischen Ureinwohner
entstanden ist. Namentlich sind es Worte des kirchlichen Vokabulariums,
denen man noch unverkennbar die lateinische Herkunft anmerkt. Diese
lateinischen Worte beweisen außerdem, daß das Christentum schon mit der
,_ ;64 ---
römischen Kolonisation seinen ersten Eingang in Rum&nien gefanden hat.
Der dakoromanischen Sprache haben sich dann, wie dies bei dem bunten
Wechsel der Völker au! dem Boden des heutigen Rumäniens nicht ausbleiben
konnte, eine Menge fremder Bestandteile zugesellt. Am stärksten ist der
slawische Einschlag. Dies erklärt sich daher, daß das Slawische Tom
9. — 18. Jahrhundert in beiden Donaufürstentümern die Kirchensprache war.
Liegen die Anfänge des rumänischen Christentums auch schon in der Zeit
der römischen Kolonisation, so faßte dasselbe doch im Lande erst festen Fuß,
als die benachbarten Bulgaren in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts
Christen geworden waren. Von ihnen übernahmen die Rumänen Dogma und
Verfassung, d. h. sie wurden ebenfalls Anhänger des byzantinischen Patri-
archats, Mitglieder der orthodoxen oder griechisch morgen-
ländischen Konfession. Die Unterordnung unter das byzantinische
Partriachat ist seit 1859 aufgehoben; seitdem besitzt Rumänien eine völlig
unabhängige Landeskirche. Da das Schulwesen hier ebenso wie im Abend-
land ursprünglich und lange im engsten Zusammenhang mit den Kirchen und
Klöstern stand, so war das Kirchenslawische auch die Unterrichtssprache;
infolgedessen ist auch die altrumänische Volksliteratur mit cyrillischen Buch-
staben geschrieben. Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts ist das Rumänische
Kirchen- und Unterrichtssprache und wird seitdem auch mit lateinischen
Lettern geschrieben. Es herrscht übrigens gegenwärtig die bewußte Absicht,
die Sprache von den eingedrungenen fremden Bestandteilen möglichst zu
säubern und dafür romanische Ausdrücke einzubürgern. Diese Aufgabe der
Sprachreinigung im Sinne der Nationalität ist eine der vornehmsten Pflichten
der rumänischen Kgl. Akademie der Wissenschaften.
Außer den Angehörigen der orthodoxen Konfession gibt es in Rumänien
etwa 150000 Katholiken, 25 000 Evangelische, 45000 Mohammedaner, 300000
Juden, 5000 Armenier usw.
Solange die Moldau und Walachei die Durchgangsstraße für wandernde
Völkerschwärme abgaben, war hier an eine feste Staatenbildung nicht zu
denken. Erst im 10. und 11. Jahrhundert kam es zur Bildung von kleinen
selbständigen Woiwodschaften. Bedeutung erhielten diese erst, als sie sich
SU größeren Komplexen vereinigten. Solchen Zusammenschluß führte im Süden
der Karpathen um 1290 der Woiwode Bassarab herbei, der als Be-
gründer des Fürstentums Walachei, und östlich der Karpathen um 1350 der
Woiwode Bogdan, der als Stifter des Fürstentums Moldau anzusehen
ist. Grenze beider Staaten wurde der kleine Milcovflnß. Kaum hatten sie
sich konsolidiert, da erwuchs ihnen ein gefährlicher Feind in den Türken. Sie
haben sich lange tapfer gegen die Osmanen gewehrt, und als schließlich die Unter-
werfung unter die Türkei unvermeidlich war, dank ihrer tüchtigen Fürsten, die
heute noch mit Recht als Nationalhelden gefeiert werden, bedeutend günstigere
Bedingungen erhalten als Bulgarien und Serbien. Sie mußten zwar einen Tribut
zahlen und in Kriegsfällen Heeresfolge leisten, aber sie behielten ihre ein-
beimischen Fürsten und administrative Selbständigkeit ; außerdem durften die
Türken nördlich der Donau keinen Grundbesitz und keine Moscheen haben. So
blieb es bis zum Beginne des 18. Jahrhunderts. Da setzten die Türken in
beiden Yuallenitaaten phanariotisohe Fürsten ein, d« h. sie beldmlMi
^ 66 ~
griechische in Konstantlnopel heimatberechtigte Finanzgrößen mit der Fürsten-
würde und zwar gegen eine hohe Belehnungsgebühr, welche die Ernannten
ihrerseits wieder mit noch vielen anderen Summen aus den unglücklichen
Ländern herauspressten. Im großen und ganzen war diese Periode (1712—1821)
die traurigste in der rumänischen Geschichte. Der griechische Aulstand im
19. Jahrhundert yeranlaßte die Pforte, wieder Einheimische mit der Fürsten-
würde zu belehnen. Fürst C u z a vereinigte die Donaustaaten im Jahre 1859
durch Personalunion, im Jahre 1861 durch faktische Union. Bei dieser Ge-
legenheit erhielt der neue Einheitsstaat den Namen Rumänien. Fürst
Alexander Cuza machte sich durch moderne Reformen, z. B. durch Aufhebung
der Leibeigenschaft und Bodengesetzgebung, um das Land verdient, wurde
aber am 23. Februar 1866 abgesetzt. Nun wurde durch einmütige Volksab-
stimmung der am 20 April 1839 zu Sigmaringen geborene Prinz Karl
von Hohenzollern zum erblichen Fürsten von Rumänien erwählt. Am
20. Mai 1866 landete er in Tum Severin, am 22. Mai hielt er seinen Einzug
in Bukarest. Bukarest, die Hauptstadt, zählt heute etwa 320000 Ein-
wohner, nimmt aber eine bebaute Fläche ein, die sieben mal größer ist als
die Frankfurts. Es ist mit allen Erfordernissen einer Großstadt ausgestattet
und wird von den Rumänen als „Paris des Orients'^ gepriesen. Dem Fremden
fallen die zahlreichen und geschmackvollen Monumentalbauten der Residenz
auf. Über solche verfügen auch andere rumänische Städte. Nennenswert sind
unter diesen J a s s y , die Hauptstadt der Moldau, mit 80 000, C r a i o v a , die
Hauptstadt der kleinen Walachei, mit 50000 und die Handelsplätze Galatz
und Braila mit über 60000 Einwohnern. In allen diesen Städten sowie im
Hafenort Constantza befinden sich deutsche Kolonien und evangelische
Gemeinden, die vom Redner besucht wurden.
Der Regierungsantritt des Hohenzollern war ein segensvoller Wende-
punkt in der Entwicklung Rumäniens. Seitdem ging es zusehends aufwärts.
Vor allem ließ Fürst Karl sich die Hebung der Kommunikationsmittel
und die Reorganisation der Armee angelegen sein. Die an die Armee
gewandte Sorgfalt belohnte sich im russisch-türkischen Kriege von 1877/78,
wo die Rumänen als Bundesgenossen der Russen unter Fürst Karl als Ober-
befehlshaber der vereinigten russischen und rumänischen Streitkräfte die
siegreiche Entscheidung vor Plewna herbeiführten. Mit Recht erlangte
Rumänien nach seiner ausschlaggebenden Beteiligung an diesem Kriege
volle Unabhängigkeit von der Türkei und uneingeschränkte Souveränität.
Eine Nachwirkung dieses kriegerischen Erfolges war die Proklamierung des
Königtums im März 1881.
König Karl ist seit dem 15 Nov. 1869 mit der Prinzessin Elisabeth
zu Wied vermählt, die sich als Schriftstellerin unter dem Namen Carmen
Sylva einen Weltruf erworben und durch Förderung humaner Veranstal-
tungen Bleibendes für das Land geleistet hat.
Für die Bevölkerung Rumäniens in ihrer Lebenshaltung und für das
wirtschaftliche Leben des Landes ist seine geographische Gliederung
das Bestimmende. Die fischreiche und verkehrfördemde Donau, die dem
Ackerbau und der Viehweide dienenden ungeheuren Landflächen der walachi-
schen Tiefebene und des Moldauplateaus, das den Karpathen in einer
— 66 ~
Brbebang Ton 200 — 700 m Torgelagerte Hfigelland mit seiner Wein- nnd
Obstlniltar and endlich das mächtige Faltengebirge der Karpathen, die
in einer Länge Yon 1171 Inn zu Rumänien gehören: in dieser Reihenfolge
bant sich das Land auf, beinahe wie ein Amphitheater. Die höchste Er-
hebung in den Moldankarpathen ist der Ciahlan mit 2131 m, in den
walachischen Karpathen das Bncsecs- Massiv mit seinen bis ara 2d00 m
aalragenden Qipfeln and der Negoi, der mit seinen 2536 m die anderen
Spitzen noch übertrifft.
Das Klima Rumäniens ist gesund. Die Sommer sind sehr heiß, die
Winter kalt. Frühling und Herbst sind kurze Übergänge nnd währen häufig
nur einige Tage.
Die Donau nimmt alle Wasser in sich auf, die von den Karpathen
durch Rumänien fließen. Die auffallende Tatsache, daß sie verhältnismäßig
knapp vor ihrer Einmündung in das Schwarze Meer nach Norden abschwenkt,
erklärt sich aus den Bergen der Dobrudscha. Diese haben weder mit
den Karpathen noch mit dem Balkan einen Zusammenhang, sondern sind
Reste eines alten Gebirges, das vom Kaukasus und von der Krim bis hierher
reichte und durch den Einbruch des Schwarzen Meeres verschwand. Die
Donau lagert an ihren Mündungen sehr viel Land ab. Zu Herodots Zeiten
im 5. vorchr Jahrhundert reichte das Schwarze Meer bis zur Stadt Tulcea;
der vor 40 Jahren an der Sulinamündung erbaute Leuchtturm steht jetzt
schon 1 km von der Küste entfernt. Im Bereich der Donaumündungen trifft
man auf manche Vogelarten, die sonst in Europa ausgestorben sind, z. B.
auf wilde Schwäne, Flamingos und Pelikane. Die Donau erreicht bei Galatz
und Braila eine Breite von 1000 m und eine Tiefe von 25 m; sie befördert
^/t aller Waren des rumänischen Handels. Sehr störend war infolgedessen
das oft 1—3 Monate währende Gefrieren des Flusses. Diese Verkehrsstörung ist
überwanden durch die am 26. Sept. 1895 eröffnete Brücke von Gerna-
voda, von dem Bnkarester Ingenieur Saligny erbaut, welche die bedeutendste
Brückenanlage des europäischen Continents ist. Ihre Kosten betrugen 34
Mill. Fr. Ober diese Brücke führt ein Schienenweg nach Gonstantza,
dem aufblühenden Handels- und Hafenplatz Rumäniens am Schwarzen Meer,
an dem es durch die Dobrudscha mit einer Uferstrecke von 225 km beteiligt
ist Zwischen Gonstantza und Konstantinopel besteht eine gute, regelmäßige
Personenbeförderung. Die ganze Dobrudscha ist archäologisch hochinteressant;
namentlich ergebnisreich sind die Ausgrabungen bei Adamclissi, welches
man das rumänische Pompeji nennen könnte. In Gonstantza finden wir das
antike T o m i wieder, wo 0 v i d von 8—17 n. Ghr. in der Verbannung lebte.
Von dem aufblühenden Handel Rumäniens legen die dortigen gewaltigen Silos
ein beredtes Zeugnis ab. Sein Einfuhrhandel beläuft sich auf etwa 340
Mill. Fr., der Ausfuhrhandel auf etwa 460 Mill. Fr. Die Hauptexportfracht
ist der Weizen, von dem jährlich durchschnittlich l*/4 Mill. Tonnen
exportiert werden, was dem Lande einen Gewinn von 250 Mill. Fr. einbringt.
Dies führt uns auf den Stand der Landwirtschaft in Rumänien.
Das Land ist noch so gut wie ganz ein agrarischer Staat. Die Industrie
ist noch jung und beschäftigt nicht viel mehr als 200000 Personen. Dies
wird anden werdeiii wenn die ungeheuren Bodensohätse erst mehr Betditaiig
— 67 —
finden und der Rumäne sich zu dem für industrielle Betätigung erforderlichen
Wagemut aufrafft. Es fällt auch ins Gewicht, daß die Hausindustrie in
Rumänien noch das Vorherrschende ist. Ein aufblühender Industrieort ist
Azuga in den Karpathen. Hier gibt es verschiedene Werke der Holz-
industrie, eine Glasfabrik, Bierbrauerei, ja sogar eine Sektfabrik. Gegen-
wärtig wohnen noch 81^/o der Bevölkerung auf dem Lande. Der Ackerboden
ist von einer fabelhaften Fruchtbarkeit, der ohne besondere Pflege und ohne
Düngung jahraus, jahrein gute Ernten liefert. Der König sowie die Staats-
regierung geben sich alle Mühe, um unter den Bauern die Errungenschaften
der modernen Agrikultur zu verbreiten. Diesem Zwecke dienen neun land-
wirtschaftliche Schulen und die Krondomänen, die sich unter der Verwaltung
des General -Administrators Joan Kalindero zu Mustergütern entwickelt haben.
Von dem Flächenraum Rumäniens sind produktiver Boden 76°/o ; unter
dem Pflug sind 46°/©. Von dem bestellbaren Land gehören 3*/i Millionen ha
kleinen und 3 Millionen ha Großgrundbesitzern. Die letzteren bauen über-
wiegend Weizen, die ersteren Mais. Dieser ist in Gestalt eines Maisbreis,
Mamaliga genannt, das Hauptnahrungsmittel. Der rumänische Bauer wohnt
durchgchends noch sehr bescheiden ; in der Ebene herrscht das Lehmhaus vor,
in waldreichen Gegenden das Holzhaus. Eine Eigentümlichkeit der rumänischen
Hausanlage ist der Pridvor, ein offener Umgang um das Haus mit einer
auf schmalen Holzsäulen ruhenden Überdachung. Die Bauern wohnen vielfach
auf Einzelgehöften, besonders in gebirgigen Gegenden. Hierdurch wird der
Schulbesuch der Kinder benachteiligt oder ganz gehindert und das Vorhanden-
sein von Analphabeten trotz des geltenden Schulzwangs und eines geordneten
Schulwesens erklärt. Es herrscht allgemeine Wehrpflicht. Die Nationaltracht
ist einfach. Die Männer gehen gewöhnlich in Weiß ; sie tragen ein tunika-
artiges Hemd über dem Beinkleid. Die Tracht der Frauen ist farbenfreudiger.
Nationale Tugenden der Rumänen sind ihre Gastlichkeit, Freigebigkeit, Höf-
lichkeit und Barmherzigkeit.
Die Viehzucht spielt heute nicht mehr die Rolle wie früher, da
der Export wegen der Sperre an der österreichisch-ungarischen Grenze uner-
heblich geworden und der Fleischkonsum im Lande verhältnismäßig gering
ist. Auch der Gemüse- und Obstbau könnte stärker und ergiebiger betrieben
werden. Der erstere ruht ziemlich ausschließlich in den Händen von bul-
garischen Wandergärtnern. Der Wein ist gut, doch vielfach zu wenig ge-
pflegt Zur Hebung des Weinbaus sind Weinbauschulen und Musterkeller
eingerichtet.
Im Bereiche der Hügelregion liegen Bodenschätze Rumäniens, die
gegenwärtig gleichsam von neuem entdeckt werden. Ungeheuer sind die
Kohlenlager und S a 1 z 1 a g e r , letztere von solcher Stärke, daß der Donan-
staat jahrhundertelang ganz Europa mit Salz versorgen könnte. In der
Römerzeit und wieder im 14. Jahrhundert blühte schon einmal ein intensiver
Bergbau. Am meisten macht von sich reden die seit 1897 in großem Maß-
stabe betriebene Petroleumförderung. Am ganzen Südabhange der
Karpathen ziehen sich Petroleumlager hin. Die reichste Ausbeutung vollzieht
sich in Buschtenari im Prahovabezirk, wo die „Steana Romana' die Förde-
rung mit Kapitalien der Deutschen Bank und die ,Concordia* dieselbe mit
— 56 —
QveCe fe? WiA^-iTifcfc^T. Sdilst 4it im des RaÜBcnea mos-
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ex Ö Feaerkeiye ia dos dkt N^rdvesigEvatat v«a
— 69 -
bildenden Vnlkangebiete, und es gelang ihm nicht weniger als 11 große
Ausbrüche zu beobachten und zu photographieren. Die fesselnden, Yon treff-
lichen Lichtbildern näher erläuterten Ausführungen des Redners, die Schilde-
rung seiner gefahrvollen Aufstiege, seiner Forschungen und persönlichen Er-
lebnisse sind im Kapitel VI des inzwischen erschienenen Werkes des Herzogs
Adolf Friedrich zu Mecklenburg, Ins innerste Afrika (vgl. S. 46 des Jahres-
berichts) zum Abdruck gelangt.
Mittwoch, den 10. November 1909.
Herr Dr. Hugo Grothe-München: Natar- nnd Wlrt-
scliaftsbiider aus Mesopotamien. (Lichtbilder.)
Ackerbau und Nomadentum, diese beiden sich feindlichen Phasen mensch-
licher Wirtschaft haben in keinem Ländergebiet einen so scharfen, in ihrem
Ausgang so wechselvollen Streit ausgefochten wie in Vorderasien, insbesondere
auf der Scholle Mesopotamiens.
Geographische Lage und natürliche Beschaffenheit Vorderasiens be-
gründen und begünstigen ein derartiges Aufeinanderprallen der Mächte mflk-
sam befruchtenden Aufbaus und roher Zerstörung. Yon Hochasien über Persien,
Syrien und Arabien ziehen sich umfangreiche Steppen und Wüsten, die unge-
stümen Stämmen ein geeignetes Wanderfeld bieten — und diesen Ödnissen
betten sich Striche ein, wo Täler sich mit den von alpengleichen Bergen
rinnenden Bächen füllen und grünende Fluren und blühende Städte n&hren,
wo wasserreiche Ströme die durstigen Ufer beleben und Kulturzonen schaffen,
die emsigen Menschen zum Schauplatz geistigen und wirtschaftlichen Ringens
werden. ^
Fassen wir Mesopotamien im weiteren Sinne als alles Land, das von
Süd nach Nord von den Randgebirgen des armenischen Taurus bis zum Per-
sischen Golf, von Südwest nach Nordost vom Steilrand der syrisch-arabischen
Wüstentafel bis zu den persischen Randketten sich erstreckt, so eröffnet sich
dem diese Landstriche Durchwandernden eine markante Verschiedenheit
zwischen den nördlich und den südlich gelegenen Teilen, zwischen Ober- nnd
Niedermesopotamien. Ersteres zeigt sich ihm als eine hügelige Hochsteppe
in einer durchschnittlichen Höhe von 600 Metern über dem Meere, aus tertiären
von Euphrat und Tigris oft tief durchschnittenen Gesteinen gebildet, letzteres
als ein völlig ebenes Alluvialland, von Wüste, Sümpfen und reiche Yege-
tationsoasen tragenden Kulturflächen erfüllt, die in ihren höchsten Teilen nur
50—60 Meter über dem Spiegel des Persischen Golfes liegen.
Die physischen Faktoren des oberen Mesopotamiens, das ich vom
Februar bis April 1907 durchzogen habe, lassen sich mit wenigen Strichen
zeichnen.
Zwei bemerkenswerte Erhebungslinien treten ans seiner weiten welligen
Fläche hervor: eine nördliche und eine südliche. Erstere bewegt sich in
vorzugsweise ostwestlichen Streichen von Djesireh am Tigris bis Biredjik am
Euphrat. Das zweite Bergzugsystem, das die mesopotamische Steppe durch-
quert und ebenfalls in westöstlichen Streichen, liegt in der Breite Ton Mossnl.
Sein östlicher Teil wird durch den Sin4jardagh, sein weetlioher dnzch den
~ 80 —
'AM-ul-'Aslsdagh dargestellt. Eine Ebene von 20—30 km Breite liegt zwischen
den beiden Gebirgen, die vom Ch&bür auf seinem nordsüdlichen Laufe durch-
zogen wird. Der Ch&bür, der seine Wasser von den Südhängen des Karad-
jadagh und des Tür ^Abdtn in zahlreichen Adern sammelt, ist kein harmlos
dahinkriechender Steppenfluß. Er tritt in seinem reißenden Oberlaufe weit
über seine Ufer, führt auch im Sommer ansehnliche Wassermengen und ist
in seinem Unterlaufe nur an wenigen Furten zu überwinden.
Fetter als die Ufer des Ch&bür sind die des westlichen Steppenflnsses
Yon Mesopotamien, des Beiich, der seine Quellen in der Harr&nebene hat und
wie der Chäbür in nordöstlichem Laufe dem Euphrat zueilt, den er bei Rakka
erreicht. Gerste, Mais, Dura, Reis, Hanf, Mohn gedeihen trefflich in den
vom Beiich bewässerten Landschaften, vor allem in der von Serudji, die sich
von Harr&n nordwestlich bis an den Fuß der obermesopotamischen Kalk-
gebirge erstreckt.
Skizzieren wir nun die zwischen den genannten Berglinien und Flüssen
weithin sich dehnenden Flächen der mesopotamischen Steppe.
Verschiedenartig ist ihr Charakter. Bald haben wir gesteinübersäte,
völlig flache, rotbraune oder graue Kalksteppe vor uns, bald zeigt sich uns
welliger Boden, mit fahlgrüner Grasnarbe bedeckt. Auch dünenartige Flächen,
in denen Wind und Wasser die Sandpartikelchen zu Hügeln geformt hat,
treten uns entgegen ; hier und da tauchen eigentümliche runde Hügel auf,
die sogenannten teils ; es sind Wohnschutthügel, unter denen die Reste ehe-
maliger Stadtanlagen und Kastelle, heidnischer Tempel und christlicher
Kirchen schlafen
Von außerordentlich finsterem Charakter sind die mit Basalttrümmem
bedeckten Steppen, die sich rings um den Karadjadagh ziehen. Kaum ein
Halm sprießt zwischen den schwarzen vulkanischen Blöcken, wo nährende
Wasserfurchen fehlen.
Ein Seltsames wirkt in den mesopotamischen Steppen auf Sinn nnd
Auge : die Durchsichtigkeit der Luft, die den Blick ins Unendliche zu weiten
scheint. Und Sonnenauf- und -Untergänge überschütten die Erde mit Farben-
spielen, die man sonst vergeblich sucht. Bald liegen die Bodenwellen mit
grauvioletten Schleiern bedeckt, bald zucken blutrote Tinten von Wellensanm
zu Wellensaum.
Glühend und sengend liegt im Sommer die Sonne auf den Fluren.
Im Winter und Frühjahr fällt der Regen in der Regel stark genug, um in
den nördlichen Teilen den Ackerbau ohne künstliche Bewässerung zu ermög-
lichen. In den zentralen und südlichen Gebieten des oberen Mesopotamiens
führen die Flüsse, vor allem der Ch&bür und Beiich und ihre Nebenadem,
hinreichende Wassermengen mit sich, um in der regenlosen Zeit (dieselbe
fällt in die Monate Juni, Juli, August und September) durch einfache und
wenig kostspielige Stauungen und Berieselungen ansehnliche Strecken von
neu zu schaffendem Kulturland zu tränken. Wie die Feuchtigkeit nährend
sich aufspeichert, lehren manche mulden artige Triften, in denen im Frühjahr
ein dichter fetter Graswuchs wuchert, ein bunter Blumenteppich sich spannt,
die Lerchen in der klaren Luft jubilieren, in denen sommergrüne Lanbb&nme
I^ahrung finden und stattliche Fl erden von Schafen und Ziegen weiden.
— 61 —
Das Klima ist ein rein kontinentales. Der Schwüle des Sommers
stehen weit niedrigere Wintertemperaturen gegenüber, als man gemeiniglich
annimmt. Ein weißes Schneetach spannt sich häufig über die Qefilde Meso-
potamiens, ohne allerdings vor den schnell wieder durchbrechenden Sonnen-
strahlen länger als wenige Tage haften zu können.
Die Landstriche, durch die in ihrem unterlaufe die beiden Brüder-
ströme Euphrat und Tigris in zahlreichen Schlingen sich bewegen, bilden
das eigentliche Babylonien, das Land der Kanäle, ein flacher Alluvialboden,
den die Ablagerungen der beiden Flüsse im Laufe der Jahrtausende geschaffen
haben. Die befruchtenden Rinnennetze, die heute durch dieses Marschland
laufen, in denen zur Überschwemmungszeit mittels badewannenartiger mit
Pech verkleideter Binsenkörbe auch die Personenbeförderung sich abspielt,
sind ein Kinderspiel gegen die großartigen Bewässerungsnetze, in deren
Maschen einst der Erntereichtum sich häufte. Ja, gewaltig ist der Gegen-
satz zwischen Gegenwart und Vergangenheit.
Freilich, die Kulturhöhe früherer Zeiten ist relativ zu fassen. Sie
stand wohl in ihrem Reichtum und ihrem wirtschaftlichen Ertrage im
gewaltigen Gegensatz zu dem Tiefstand der umliegenden Gebiete, muß aber
bescheiden erscheinen, wenn man den Maßstab unserer modernen Wirtschafts-
welt anlegt. Solche Überschätzung galt bisher nicht nur der Produktions-
kraft der mit Sagen umwobenen Wiege der Kultur im Zweistromlande,
sondern auch der Größe des anbaufähigen und der Kultivierung zuzuführenden
Areals, Irrtümer, die hauptsächlich darum ihre Entstehung fanden, weil meist
das Auge der Historiker, Archäologen und Orientalisten, selten aber geschultes
geographisches und naturwissenschaftliches Sehen der mesopotami sehen Scholle
sich zuwandte. Diese gutgemeinten Überschwenglichkeiten haben zum großen
Teil dazu beigetragen, daß der Erfüllung der Bagdadbahnpläne eine märchen-
hafte Wirkung zugeschrieben wurde, die eine nüchterne, erdkundlich und
weltwirtschaftlich geführte Betrachtung des Phantastischen entkleiden muß.
Konstruieren wir ein Rechteck, dessen beide lange Seiten im S. £.
von der syrisch-arabischen Wüsten tafel, im N. E. von den iranischen Rand-
ketten begrenzt wird, und dessen beide Schmalseiten im N. die Taurusberge,
im S. der Persische Golf bilden, so erhalten wir 360 000 bis 380000 qkm je
nach der Abgrenzung, die wir Mesopotamien geben, das ist etwas mehr als
das Königreich Preußen und nicht ganz die dreifache Oberfläche Rumäniens.
Von diesem Gesamtareal fallen '/s auf das obere Mesopotamien, Vt ^^^ ^^^
Alluvialland des unteren Mesopotamiens. Anbaufähig dürften jedoch höchstens
Ve dieses Areals, also ungefähr 60000 qkm sein. Das ist die Fläche, die
in Ungarn allein dem Anbau von Brotkom gewidmet ist, während die Ver-
einigten Staaten von Nordamerika dem Zerealienanbau ein Achtfaches,
Australien ein Zehnfaches mehr bieten. Das Land der schwarzfarbenen
Schwemmerde Babylons, das durch künstliche Bewässerung der Erzeugung
ländlicher Produktion nach Abzug aller unverwertbaren Flächen wirklich
eröffnet werden kann, mißt zwischen 25 000 und 30 000 qkm, von denen ein
Drittel bereits unter in primitiven Formen geübter Kultur steht. Ein gleiches
Areal befindet sich in den vier Hauptweizenprovinzen Argentiniens nur für
Körnerfrüchte unter dem Pfluge. Von den obengenannten 60000 qkm der
— 62 -
Gesamtfläche des oberen und unteren Mesopotamiens wäre jedoch wohl nicht
mehr als die Hälfte ausschließlich für Getreidebau verwertbar. Diese aus
der heutigen Weltwirtschaft gegebenen Parallelen stellen den Zukunftswert
Mesopotamiens ungefähr in die richtige Einschätzung.
Landschaft und Bevölkerung des babylonischen Flachlandes läßt sich
mit wenigen Strichen zeichnen. Verläßt man Bagdad von der südwestlichen
Vorstadt aus, so nimmt den Wandernden bald eine kahle Sandsteppc auf.
Was an Vegetation in ihr vorhanden ist, sind über den Boden kriechende
Kräuter, ein paar kümmerliche Weidenbäume, die am Rand eines Bewässerungs-
grabens stehen. Wenig Nutzland, zumeist Kamel- und Schafweide, zeigen
heute diese Striche versalzten und versumpften Bodens. Abseits der Flnfi-
l&ofe sind Palmenhaine und immergrüne Laubbäume, die vom Grundwasser
gespeist werden, eine seltene Erscheinung. Aus diesen wenigen, aber herr-
lichen Gartenoasen blicken hie und da die weißen Gehöfte von reichen
Bagdader Latifundienbesitzem oder von Gütern der Zivilliste des Sultans.
Feste Dorfschaften befinden sich nur in der Nähe der Wasseradern.
Wenn wir von der, die Euphratufer verbindenden Schiffsbrücke von
Mosseijib stromabwärts uns bewegen, so kreuzen wir Ufergebiete, in denen
die Spuren der Bebauung häufiger werden und eine dichtere Bevölkerung
ansässig ist. Besser erhalten sind hier die Kanäle und reichlicher wird ihre
Zahl. Üppige Gärten entfalten sich unter den Palmen ; Reis- und Uirsefelder,
in deren Bearbeitung das starke Buckelrind verwendet wird, ziehen sich um
die Ortschaften. Herden von Büffeln lagern im schlammigen Ufersaum. Zar
Zeit der Frühjahrsüberschwemmung schwillt mächtig der Euphrat und füllt
die im Herbst ausgetrockneten Lachen, die dann wieder für Monate zu schwer
zu durchwatenden Sümpfen werden. Bei Kufa schon ist der Euphrat ein
imposant wirkender, von Dattelbaumhainen umsäumter Strom von IVi km
Breite. Eine Streitaxt oder Streitkeule in der Hand pilgert eine Schar von
Marschbauern zur nächsten Basarstadt. Eine Ansammlung eigenartig ge-
stalteter Zelte zeigen die Dorf Schäften, deren Material hier die Natur mit
offenen Händen beut. Einige Rohrmatten sind halbkreisailig über mehrere
in die Erde gerammte Pflöcke gebogen, und die beiden Offnungen des so
entstehenden Halbzylinders sind mit Palmenzweigen und Binsen verkleidet.
Ober den Zeltreihen ragen breite quadratische Türme aus Lehmziegeln auf,
von deren Höhe der Dorfwächter Ausschau hält, ob nicht der Raubzug eines
feindlichen Stammes droht.
Was eine rationelle landwirtschaftliche Arbeit aus ödem nackten
Steppenland in wenigen Jahrzehnten machen kann, das habe ich mit
staunenden Augen bei meiner Wanderung von Bagdad nach der persischen
Grenze gesehen. Vor 30 Jahren hatte ein Konstant! nopler Grieche in der
Nachbarschaft eines alten, versandeten, vom Diala, einem Nebenfluß des Tigris,
gespeisten Kanals ein Stück Wüstenland im Umfange von 50 000 ha für
18000 türkisches Pfund gekauft. Heute nach Wiederinstandsetzung des
Hauptkanals und seiner Nebenäste ziehen sich die Palmen-, Gerste-, Weizen-,
Hirse- und Reispflanzungen 15 Reitstunden von N. W. nach S. E., und der
jährliche Ertrag der Oase beträgt 6000-8000 türkische Pfund, d. i. ein
Drittel des damaligen Kaufpreises.
— 63 —
Mittwoch, den 24. November 1909.
Herr Professor Dr. Gerhard Schott-Hamburg: Skizzen
aus westindischen Revolatlonsgebieten mit besonderer Berfick-
sichtigung von Yenezuela. (Lichtbilder.)
Die westindischen Tropenländer sind Gebiete mit häufigen, umwälzen-
den, großen Naturereignissen, z. B. Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Wirbel-
stürmen oder Orkanen — dies ergibt sich aus einer Betrachtung der wich-
tigsten geophysikalischen Verhältnisse jener Gegenden. Westindien ist aber
auch der Schauplatz zahlreicher staatlicher Umwälzungen, von Revolutionen,
deren der Redner drei, je eine in Domingo, in Haiti und in Venezuela,
gelegentlich einer Studienreise selbst miterlebte.
Für uns Deutsche ist die Eingangspforte nach Westindien meist
St. Thomas, die kleine dänische Insel, deren ehemalige große Bedeutung
als Stapel- und Umschlags- und Ordre-Platz infolge der Entwicklung der
transatlantischen Kabel und DampfschifTahrt fast ganz verschwunden ist. —
Auf dem altspanischen Hispaniola existieren heute zwei staatliche Gebilde,
im Osten der Kreolenstaat Domingo, im Westen der Negerstaat Haiti.
In der Haupstadt der erstgenannten Republik, in Santo Domingo am Ozama-
fluß, stößt man sehr vielfach auf die Erinnernngsdenkmale der großen spani-
schen Entdeckerzeit ; noch steht der Columbusturm, in dem Columbus mehrere
Monate gefangen saß,, ferner sind schöne Ruinen des Palastes des Diego
Columbus vorhanden u. a. m. Die Kreolen sind im ganzen leidlich gebildete,
z. T. hochgebildete Leute; der Staat ist de facto bereits der Oberaulsicht
der nordamerikanischen Union unterworfen, wenn formell auch bisher nur
eine Art Finanzkontrolle besteht. Ein gleiches Schicksal steht früher oder
später der Negerrepublik Haiti bevor, diesem Zerrbilde eines staatlichen
Gemeinwesens. An sich reicher als Domingo steht Haiti doch in jeder Hin-
sicht heute tief unter Domingo, da die „freien*^ Neger alles und jedes ver-
lottern lassen, und auch hier wieder der Beweis erbracht ist, daß die Neger-
rasse nicht fähig ist, im ganzen — einzelne Individuen mögen ausgenommen
sein — zu höherer Kultur aufzusteigen, am wenigsten aus eigener Kraft.
Früher, im 18. Jahrhundert, war Haiti die blühendste Kolonie Frankreichs
und versorgte durch die Erträgnisse ihrer von den Negersklaven bearbeiteten
Plantagen fast die ganze Welt mit Zucker. Heute ist ein großer Teil des
Landes zur Wüstenei herabgesunken; die „Befreiung'^ der Negersklaven ist dem
Lande, das in immer erneuten Revolutionen sich verzehrt, kein Segen geworden.
Venezuela, an Areal doppelt so groß wie Deutschland, hat dabei
nur 2Vt Millionen Einwohner. Riesige Flächen sind deshalb kaum bewohnt
und kommen heute wirtschaftlich wenig oder noch gar nicht in Betracht.
Das Zentralgebiet venezolanischer Kultur und Bevölkerung sind die Gegenden
zwischen Caracas und Valencia, die die deutsche Eisenbahn verbindet; von
beiden Hauptplätzen aus geht je eine englische Bahn zum Meer, nämlich von
Caracas aus steil hinab nach La Guaira, von Valencia aus nach Puerto Gabello.
Die Küstenkordillcre, in der Silla de Caracas kulminierend, läuft parallel und
unmittelbar der Küste entlang bis hinüber nach Trinidad ; die Innenkordillere
südlich von Caracas und Valencia. Beide Gebirgsketten sind in dem großen
— 64 -
Bergknoten von Los Teques vereint; darch dies Berggewirr ist die deutsche
Eisenbahn unter Überwindung großer Schwierigkeiten gebaut. Die zum Ex-
port kommenden Bodenprodukte Venezuelas sind hauptsächlich Kakao und
Kaffee, auch Vieh. Die Bevölkerung ist eine Mischrasse aus Spaniern, Indi-
anern, Negern usw. and die Anzahl der Weißen gering. Auch hier treten
die Nordamerikaner mit großen, z. T. unverhüllten politischen Ansprächen
auf, obwohl sie der Zahl nach die kleinste Gruppe der Weißen darstellen.
Das wichtigste Kulturelement darch Ärzte, Ingenieure, Kaufleute u. s. f. liefern
zweifellos die Deutschen. Seit der Befreiung der Lande von der spanischen
Herrschaft durch Simon Bolivar sind längere Perioden ruhiger Entwicklung
nur selten gewesen ; Castros Willkürherrschaft war insofern kein außergewöhn-
liches Ereignis, obschon er es besonders arg getrieben hat Die Gefahr, daß in
Verfolg der Monroe-Doktrin die Union auch in Südamerika einmal ausschlag-
gebenden Einfloß gewinnen kann und dann Zollschranken und sonstige
Hindemisse dem freien Verkehr erstehen, nötigt alle europäischen Staaten,
solang wie möglich und, soweit es in ihren Kräften steht, die weitere selb-
ständige Existenz der westindischen und auch der kleineren südamerikanischen
Republiken zu begünstigen, wenn auch noch so sehr die innere Hohlheit
und Halbkultur dieser politischen Gebilde offen zu Tage tritt.
Mittwoch, den 1. Dezember 1909.
HerrOberleutnanta.D.O.Kauffmann-Marburga.d.Lahn:
Durch unerforschte Gebiete Yon Gochin in Britisch-Indien.
(Lichtbilder.)
Während der Redner in einem früheren Vortrage ein allgemeines Bild
von Britisch-Indien zu entwerfen bemüht war, gab er diesmal einen Ein-
blick in einen südindischen Eingeborenenstaat anter britischer Schutzherr-
schaft, wohin ihn eine seiner letzten Expeditionen geführt hatte. Gerade
das eine Million Einwohner zählende Cochin mit seinem alten Dynasten-
geschlecht und seiner abwechslungsreichen Geschichte, seinem natürlichen
Reichtum und im Gegensatz hierzu dem durch die Einwirkung des tropischen
Klimas verursachten großen Elend, bietet uns einen charakteristischen Einblick in
die Vorzüge und Schwächen eines indischen Eingeborenenstaates, der trotz alter
Kultur durch politische Zerrissenheit in seiner Entwicklung stets gehemmt war.
Phöniker, Juden, Griechen, Römer, Portugiesen und Holländer sind an
den Küsten Cochins gelandet und haben Handel getrieben. VonVasco da
Gama für Portugal erobert, kam das Land 1662 an Holland und durch die
Schlacht von Srirangapatan (1799), in welcher Oberst Wellesley, der spätere
Herzog von Wellington, den mächtigen Sultan von Maisur Tipu Sahib be-
siegte, endgültig unter die Schutzherrschaft des anglo-indischen Reiches.
Der Redner erklärte zunächst die Stellung der indischen Schutzstaaten
zur indischen Krone und verbreitete sich eingehend über ihre innere Ver-
waltung, die dem Radscha untersteht, der wie die anderen Fürsten indischer
Schntzstaaten selbständigen regen Anteil an ihr nimmt. Er zahlt der Re-
gierung einen Tribut von 20 000 Pfund und erhält dafür die Einnahmen an
Zöllen usw., welche die genannte Summe wieder einbringen.
— 66 —
Obwohl die politische Zerrissenheit durch Rassen, Religionen und infolge
des Kastenwesens kaum größer sein kann als wie in Cochin. so scheinen
seine Bewohner doch mit ihrem Lose zufrieden zu sein, da die Natur ihnen
den Lebensunterhalt so leicht gewährt und Hungersnot in Gochin so gut
wie unbekannt ist. Die Aufruhrbewegung, welche in jüngster Zeit einige
Nordprovinzen Indiens ergriffen, hat bisher in Cochin wenige Anhänger ge-
funden.
Das Land zeigt in Klima und Vegetation viel Ähnlichkeit mit Ceylon
und ist außerordentlich fruchtbar. Der Ackerbau steht in hoher Blüte; die
hauptsächlichsten Produkte sind Reis, von dem jährlich drei Ernten eingebracht
werden, Hanf, Flachs, Zuckerrohr, Baumwolle, Kaffee, Gummi, Ingwer und
Pfeffer. Gesundheitlich wird die Bevölkerung schwer heimgesucht von ver-
heerenden Krankheiten, wie Pocken, Lepra, Pest, ganz besonders aber von
Malaria, deren Entstehung und Übertragung in Cochin immer noch ein zu
lösendes Problem bildet. Um die Bekämpfung der Lebra hat sich die Baseler
Mission große Verdienste erworben, indem sie sich der zahlreichen Lepra-
kranken annimmt und sie in Asylen verpflegt.
Die Bewohner sind in ihrer Mehrzahl Hindus. Die einsässigen Juden
zerfallen in zwei Typen, die als schwarze und weiße Juden bezeichnet werden.
Letztere, die später als die ersteren, aber doch schon in den ersten nachchristlichen
Jahrhunderten eingewandert sind, haben sich rein erhalten und erlangten
schon früh gewisse Vorrechte.
Besondere Aufmerksamkeit hat der Vortragende auf seinen Expeditionen
den Ureinwohnern, speziell dem dravidischen Problem geschenkt. So be-
suchte er auf seinen verschiedenen Reisen von 1901 bis 1908 die Gebiete der
Baigers und Gonds in den Zentralprovinzen, der Currumbas in Maisur, der
Todas in den Nilghiri-Bergen und besonders der Kadirs in den Urwäldern
Cochins. Die Kadirs leben als Nomaden in ihren Wäldern, über die sie aber
nie hinausgehen ; sie sind ehrlichen, gutmütigen Charakters und huldigen
einem rohen Polytheismus. Alle diese auf primitivster Kulturstufe stehenden
Waldvölker sind dravidischen Ursprungs mit Ausnahme der Todas, welche
arischen Typus aufweisen.
Fauna und Flora zeigen beide die vielseitigsten Formen. Besonders
zahlreich vertreten ist der Gaur, das große Wildrind, das in zwei Typen als
Berg- und Sumpfgaur vorkommt, sodann Elefanten, Wildschweine, Panther
und verschiedene Arten Hirsche; Bären und Tiger finden sich selten. Aus
der Vogelwelt verdient der große Nashornvogel, der sein Weibchen während
der Brutzeit einmauert, besondere Hervorhebung. Auffallend zahlreich ist
die Insektenfauna, unter welcher die Einwohner sehr zu leiden haben. Einen
prächtigen Anblick bieten die Feuerfliegen, welche in Millionenschwärmen
den Urwald in magischem Lichte erscheinen lassen. Der Hauptreichtum
Cochins besteht in seinen Waldungen, aus denen die Regierung durch Aus-
fuhr von Tickholz, Rosenholz, Sandel- und Ebenholz ihre bedeutendsten Ein-
nahmen erzielt. Mit dem Hinweis auf die vielen Geheimnisse, welche der Urwald-
Dschungel für den Forscher und Jäger noch immer birgt und diesen trotz
der vielen Gefahren gern zu weiteren Studien in sie zurückführt, schloß der
Redner seine von zahlreichen Lichtbildern erläuterten Ausführungen.
— 66 —
Mittwoch, den 9. Dezember 1909.
Herr Professor Dr. Gottfried Merzbacher-Mönchen:
Ton meiner neuen Forsch an§^r eise in den TIan-8ehan
1907 — 1908. (Lichtbilder und Ausstellung von Gebirgs-
panoramen.)
Der Vortragende warf zunächst einen Rückblick auf seine große in
den Jahren 1902 und 1903 ausgeführte Tian-Schan- Expedition, über welche
er am 15. November 1905 in unserem Verein einen Bericht erstattet hat.
(Siehe Jahresbericht 1905/06, S. 103 ff.)
Der damalige Vortrag samt den ausgestellten großen Panoramen war
ein ausgezeichnetes Mittel, den Hörern von dem Bau und der ungeheuren
Vereisung des bisher so wenig bekannten großartigen innerasiatischen Ge-
birges, insbesondere von seinen zentralsten und innersten Ketten eine zutreffende
Vorstellung zu erwecken. Damals bildete der Schauplatz der Forschungen
des Reisenden der eigentliche zentrale Teil des Tian-Schan, seine bis dahin
noch von keinem Forscher betretenen innersten Teile, besonders das Gebiet
der höchsten Kammerhebung, das des Khan-Tengri, dessen wirkliche, in den
bisherigen Karten falsch dargestellte Lage, zum erstenmal festgestellt wurde.
Über Nord- und Südabhang des zentralen Teiles verbreiteten sich die Wege
des Forschers und besonders die noch unbekannten, bedeutendsten Quertaler
des Südabhanges wurden durchforscht, wobei damals der eigentliche Durch-
bruch des nach Süden zum Tarim- Becken ausmündenden größten der im
Norden entspringenden Tian-Schan-Ströme, des Sary-Dschass, festgestellt
werden konnte, sowie seine in allen bisherigen Karten unrichtige Lage
berichtigt wurde. Die Expedition beschäftigte sich des weiteren mit der
Erforschung der großen Gletscher des Gebietes und ihrer Vermessung, wobei
mehrere bisher unbekannte große, darunter ein über 70 km Länge erreichender
Gletscher entdeckt und begangen wurde. Vollständige Quernngen des (Ge-
samtkomplexes der Ketten wurden hiermit verbunden, um geologische Quer-
profile zu erlangen, deren Inhalt zum Teil schon veröffentlicht ist. Wie
reich das von dieser Expedition heimgebrachte wissenschaftliche Material
indessen auch war, so schien es dem Forscher doch nicht auszureichen, um
als sichere Basis für die Herstellung der tektonischen Leitlinien und für die
Abfassung der jüngeren Entwicklungsgeschichte des Tian-Schan zu dienen.
Es drängte sich vielmehr eine Reihe von Fragen auf, deren Beantwortung
zum Teil unsicher, zum Teil unmöglich schien. Daß diese Fragen nur gelöst
werden könnten, wenn es gelänge, die Beobachtungen auch auf den östlichen
Teil des Gebirges auszudehnen, wurde dem Forscher bald klar und zwar
nicht allein deshalb, weil die Erkenntnis des genetischen Zusammenhanges
gewisser Erscheinungen nur durch vielfache Vergleiche ermöglicht werden
könne, sondern auch weil infolge dort vorherrschender ganz anderer klima-
tischer Bedingungen im östlichen Tian-Schan die Spuren gewisser Vorgänge
in klarerer Weise erhalten geblieben sein mußten. Die Notwendigkeit der
neuen Forschungsreise stand ihm also klar vor Augen.
Indessen würde sich die Ausführung vielleicht noch einige Jahre ver-
zögert haben, wenn nicht zu Beginn des Jahres 1907 von dem inzwischen
— 67 —
verstorbenen Prinzen Arnulf von Bayern an Professor Merzbacher eine Ein-
ladung ergangen wäre, ihn auf eine Expedition in den Tian-Schan zu be-
gleiten, welche der Prinz unternehmen wollte, um auf Wildschafe und Stein-
böcke zu jagen. Da der Prinz der Bedingung zustimmte, daß Professor
Merzbacher nicht gehindert sein solle, seinen wissenschaftlichen Zielen nach-
zustreben, nahm dieser die Einladung an. Der Forscher weiß von dem edlen
Charakter des so früh verstorbenen Prinzen, von seiner umfassenden Bildung,
von seiner großen Begeisterung und seinem lebhaftem Verständnis für die
Erscheinungen der großartigen und fremdartigen Bergwelt nur Rühmendes
zu sagen. Die Expedition war auch diesmal von einem jungen Qeologen
Dr. Kurt Leuchs aus München und einem Tiroler Bergführer Franz Kostner
aus Gorvara begleitet, sowie von einem zoologischen Präparator und einem
Jäger des Prinzen.
Am 17. April 1907 wurde München verlassen und am 15. Mai Taschkent,
von wo auf dem Posttrackte durch die Steppen von Tnrkestan und Semiret-
schensk der chinesischen Grenze zugestrebt wurde. In der chinesischen
Grenzstadt Kuldscha wurde die Expedition organisiert und in zwei getrennten
Gruppen zusammengestellt: eine für die der Jagd gewidmeten Ziele des
Prinzen Arnulf bedurfte einer besonderen Organisation, verschieden von der,
welche den Forschungszielen Professor Merzbachers zu dienen hatte. Beide
Gruppen hielten sich durch Boten und gelegentliche Zusammenkünfte ihrer
Führer in Fühlung. Das erste Ziel der Forschung waren die Täler der
beiden größten, der den Nordabhang des östlichen zentralen Tian-Schan
entwässernden Ströme, des Agias und des Kok-su. Beide weisen die Eigen-
artigkeit auf, daß sie, bei einer Länge des Laufes von je ca. 150 km, in
der oberen Hälfte ihres Laufes in Längstälem fließen, dann knieartig
umbiegen und das Gebirge im Querlaufe durchbrechen, ohne daß tektonische
Gründe für diese Aenderung wahrnehmbar wären. Dem Forscher gelang es
in beiden Fällen, die Ursache dieses auffallenden Verhältnisses aufzuhellen,
was er in summarischer Weise und an Hand von Lichtbildern darlegte. Er
erwähnte hierbei, daß diese beiden ungemein wildreichen Täler schon zu
wiederholten Malen das Ziel von Sportsleuten, insbesondere anglo-indischer
Jäger waren, welche mit hohen Kosten und einem begleitenden großen Troß
unter mühevollen, langen Wanderungen den Karakorum und Tian-Schan
überschreitend, in das Tekes-Tal hinabstiegen, um in dessen Seitentälern zu
jagen. Die Wissenschaft hatte jedoch von diesen Besuchen keinen Vorteil,
und so blieb Prof Merzbacher die erste wissenschaftliche Untersuchung dieser
in vieler Hinsicht interessanten Täler vorbehalten. Besonders im Oberlaufe
des Kok-su zeigen sich für die spätere Entwicklungsgeschichte des Tian-Schan
merkwürdige Verhältnisse. Dort weitet sich das bisher zum größten Teile
unzugängliche Engen bildende Tal zu einem ungeheuren Becken, begrenzt
im Norden von einer granitischen Vorkette und im Süden von der aus
palaeozoischen Sedimenten und alten kristallinischen Gesteinen aufgebaute
Hauptwasserscheide. Diese gewaltige Hohlform ist jedoch von einem jüngeren
Gebirge ausgefüllt, das, wiewohl nur aus Trümmergesteinen bestehend
(Konglomeraten, Sandsteinen etc.) doch bis in die Region ewigen Schnees
ansteigt. Von den abenteuerlichen Formen, in welche die Erosion diese
5*
— 68 —
Gebilde zerlegt hat. erwecktes die Lichtbilder des Redners eine klare Yor-
■tellnng. Da die K&mme teilweise in einen wahren Wald schlanker Nadeln
aufgelöst sind, nannten die Kirgisen das Gebirge Karagai-tasch ^ steinerner
Wald. Über die Ursachen dieser stannenswerten Ansammlung Ton Trümmer-
gesteinen gab der Redner aal Grond seiner rntersnchongen eine Erkl&rong
und verbreitete sich dann über den Ban des östlichen Tian- Schan überhaupt,
dessen heutige Form zum großen Teile leicht zu Terfolgenden Lingsbrüchen.
and den sie schneidenden, schwerer festzustellenden Querbrüchen zu verdanken
ist. So entstanden die großen Längstäler Kash und Knnges durch einen
großen Grabenbruch, in dessen Hohlform jeder der beiden Ströme sich ein
Bett gegraben hat. während die Wasserscheide zwischen beiden infolge von
Querbrüchen stellenweise bis nahezu zur Unkenntlichkeit abgesunken ist.
Zwei andere der großen Längstäler des östlichen Tian-Schan sind die
Täler Groß- und Klein- Ynldus, die eine auffällige eiförmige Gestalt haben,
für deren Entstehung der Redner die Erklärung gab und in Lichtbildern
die eigenartigen morphologischen Verhältnisse dieser Gebiete erläuterte, wo
im Rahmen ungeheurer eisbedeckter Ketten sich trockene, weite, baumlose
Hochsteppen dehnen, die stellenweise in Sumpf, an anderen Orten in Wüsten
übergehen. In einer jüngeren geologischen Periode waren alle diese Hohl-
formen nach dem Verlaufe einer früheren Eisperiode durch gewaltige Binnen-
seen ausgefüllt, die mit einander in Verbindung standen. Nach deren Rück-
tritt bahnten sich auf den alten Seeböden Flüsse ihren Lauf, deren Richtung
Ton dem der heutigen Flüsse abweicht, da späte tektonische Bewegungen
und namentlich Anhänfungen glazialer Schuttmassen ein» späteren Eisseit
ihnen den alten Weg verlegten. Diese glacialen Schuttmengen verbreiteten
sich in ungeahnt großer Ausdehnung auch über den Südabhang des östlichen
Tian-Schan. der heute den nahezu ausgetrockneten Rand des heißen Tarim-
Beckens bildet.
Auch in die obersten Quellgebiete der beiden Ströme Agias und Kok-sa
führte der Redner seine Zuhörer und zeigte ihnen in vortrefflichen panora-
matischen Lichtbildern die großartigen Bergformen und ausgedehnten
Gletscher dieser Gebiete sowie die ihrer großen Nebenflüsse Kopr-sai und
Kongr-bulak. endlich auch die des wundervollen Gebirgsrahmens. welcher
das Quellgebiet des nördlichen großen Masart-Flusses umschließt. Beispiellos
ungünstige Witterang hatte die geodätischen, geologischen, topographischen und
photographischen Arbeiten der Expedition sehr erschwert. In 6 Monaten
waren nur 9 Tage ohne Niederschläge in Form von Schnee oder Regen.
Im Oktober 1907 vereinigte sich der Forscher in der hart an der
chinesischen Grenze gelegenen Staniza Narjm-kol mit dem inzwischen nach
Beendigung seiner Jagden dort eingetroffenen Prinzen Arnulf, den er nun
aus dem Gebirge zurück nach Taschkent geleitete. Dr. Leuchs setzte die
Forschungen im Gebirge inzwischen noch weiter fort. Ende November war
Prof. Merzbacher wieder bei seinen Leuten eingetroffen und überschritt mit
ihnen im strengsten Winter die tief verschneiten Ketten des Temurlyk-Tau,
um wieder nach Kuldscha am Nordfuße zu gelangen. Von dort reisten Dr.
Leuchs and der Tiroler Führer zurück in die Heimat. Bis Ersatz hierfür
in den Personen des Dr. Paul Gröber und des Tirolers Franz Wenter einge-
— 69 —
troffen war, verbrachte Prof. Merzbacher die schlimmste Zeit des ungemein
strengen und schneereichen Winters in Kuldscha.
Ende März 1908 erfolgte die Ausreise zur Erforschung der östlichsten
Teile des Tian-Schan, insbesondere der schon erwähnten großen Längstäler
Kasch, Kunges, Groß- und Klein- Yuldus. Aus dem Schlüsse des letzt-
genannten Tales gelangte die Expedition über den Kotyl-Paß zum Südabhang.
Auf diesem Wege begegnete sie der Aufwanderung des zahlreichen Torgouten-
stammes, der in der Ebene von Karaschai überwintert und nun zu den
Sommerweidegründen in den Yuldustälem hinaufzog. Der Vortragende
schilderte, unterstützt von wohlgelungenen Lichtbildern, die ungemein
malerischen und mannigfaltigen Szenen, welche sich in den unendlichen
Zügen dieses mongolischen Yolksstammes mit seinen großen Herden und der
zahlreichen zugehörigen Geistlichkeit entwickelte. Diese buddhistischen
Geistlichen, die Lamas, bilden fast die Hälfte des Volkes, das unter dem
aussaugenden Einfluß der Lamas und bei deren von dem gedankenlosesten
Formalismus beherrschten Religionsübungen an jeder geistigen und materiellen
Entwicklung verhindert wird.
Der Reisende hatte später Gelegenheit, die Sommerresidenz der diesen
torgoutischen Stamm beherrschenden Fürstin zu besuchen. Auf weitem
grünen Plan inmitten eines schneegekrönten Bergkranzes erhebt sich eine
aus Filzzelten bestehende kreisrund angelegte Stadt. Die Mitte des Kreises
nehmen außer den prächtigen Zelten der Fürstin und ihrer Familie eine
große Anzahl von Tempelzelten ein, aus denen den ganzen Tag über der
unharmonische Lärm von zahlreichen Musikinstrumenten der Lamas ertönt
und den heiligen Frieden der schönen Bergeswelt stört, die rings den eigen-
artigen Herrschersitz umrahmt.
Auch von seinen Besuchen bei Fürsten anderer mongolischer Stämme
des Tian-Schan erzählte der Reisende. Einer von diesen, der Wan Bayar-
dschung, der seinen Wohnsitz am Nordrande des Gebirges in Sügoschur hat,
ist ein gebildeter und aufgeklärter Mann. Ein schönes Bild vergegenwärtigte
ihn und seine Familie in höchst eigenartigen Kostümen. Ein von diesem
Wan unterhaltenes, im Gebirge herrlich gelegenes Buddhistenkloster (Zagan-
ussun) wurde in schönen Bildern in seiner malerischen Lage und Bauart,
sowie in seinen reich geschmückten inneren Räumen den Zuhörern vorgeführt.
Von der Reise am Südabhang schilderte Professor Merzbacher zunächst
die Stadt Karaschar und den großen Randäee Bagratsch-kul, dann die durch
die ungeheure Gewalt der Sonnenbestrahlung und durch Sandstürme schwierig
gemachte Wüstenreise am Nordrande der südlichen Gobi bis zur Stadt
Kutscha, wobei er einiges aus den geologischen Ergebnissen dieses Teiles
der Reise erwähnte. Eingehender wurde in Wort und Bild das malerische
und farbenprächtige bewegte Volksleben dieser Stadt vorgeführt, die der
Vortragende als die schönste aller Städte des Tarimbeckens erklärt. Einen
besonderen Zug in diesem Leben bilden die Frauen, deren physische Vorzüge
der Redner schilderte.
In Kutscha stand er vor dem schwierigsten Teil seiner Reise. Es
handelte sich darum, die gesamten Ketten des östlichen Tian-Schan, der hier
seine größte Breitenentfaltung annimmt, quer zu ihrem Streichen zu über^
it
— 70 —
schreiten, um ein geologisches Gesamtprofil zu erlangen. Ungemein große
Schwierigkeiten stellten sich diesem Unterfangen entgegen, da das Gebirge
gänzlich unbewohnt ist und auf irgendwelche Hilfsmittel nicht zu rechnen
war. Auch konnten keine verläßlichen Auskünfte über die Natur dieser
unbekannten Gegend erlangt werden. Die größten Hindemisse bildeten die
{ um die Zeit des Besuches der Expedition durch die Schmelzwasser der
I zahlreichen Gletscher ungemein angeschwollenen, in Engen dahinstüraenden
Gcbirgsströme Manas, Chorgos und Ulan-ussu.
Die notgedrungenen häufigen Überschreitungen dieser tosenden Ströme
brachten die Expedition öfters in große Gefahren, und schließlich schien ihr
• Rückzug sowohl als Yorwärtsdringen abgeschnitten. Durch Überschreitung
\ mehrerer hoher, vergletscherter Pässe auf Terrain, dessen Überwindung durch
eine zahlreiche Karawane nach den vorgeführten Bildern fast unglaublich
I dünken mußte, wenn nicht gerade auch in diesen Bildern gezeigt worden
:' wäre, wie durch mutiges und verständnisvolles Zusammenwirken der Leute
unter erfahrener Leitung selbst das scheinbar Unmögliche dennoch durch-
geführt werden kann. Freilich ging es nicht ganz ohne Opfer ab. Mehrere
Tragtiere stürzten in Abgründe und wertvolle Teile der Sammlungen gingen
hierbei verloren. Einzelbilder und Panoramen zeigten die großartigen
Formen und die reiche Vergletscherung dieser vorher noch von keinem Europäer
erblickten geheimnisvollen Hochgebirgswelt. Indessen waren infolge der
langen Dauer dieser Querung die Lebensmittel der Expedition zu Ende ge-
gangen, so daß der Hunger als ein neuer Feind drohte. Es mußte also ein
endgültiger Ausgang aus den unwirtlichen Engen des Gebirges gefunden
werden. Um den Preis unerhörter Anstrengung und mit Hilfe torgoutischer
Jäger, die ein glücklicher Zufall hier dem Reisenden in seinen Weg führte,
wurde endlich der Ausgang zum Nordabhang des Gebirges gefunden.
Über die Städte Schichodse und Manass gelangte die Expedition dann,
dem Nurdrand des Tian-Schan entlang nach Osten wandernd, zur großen
Stadt Urumtschi, dem Sitze der Zentralregierung der Provinz Sing-kiang.
In kurzen Worten und mit Hilfe schöner Bilder entwarf der Redner eine
Skizze von der Lage, Bauart und dem Volksleben dieser großen Handelsstadt
des westlichen Chinas. Sodann führte er die Zuhörer weiter nach Osten an
den Fuß der östlichsten der großen Tian-Schan-Ketten der Bogdo Ola-Kette.
Diese war bisher nur von einer russischen Expedition unter den Brüdern
Grum-Grschimailo flüchtig berührt worden, und die Kenntnis von ihr war daher
bislang nur eine unzureichende. Diese in großartigen Formen aufgebaute und
reich vergletscherte Kette erhebt sich ca. 5500 Meter hoch, zwischen den sonnen-
durchglühten Ebenen der Dsungarei im Norden und der tiefsten Einsenkung
des zentralasiatischen Kontinentes der Senke von Turfan im Süden (bei
Lutzchun bis 1H4 Meter unterm Meeresniveau sinkend), sodaß ihre Höhe noch
gewaltiger erscheint, als sie ist. Seit alten Zeiten hat sie daher die Fantasie
der wandernden Bevölkerung wie der Städtebewohner am Rande des Gebirges
erfüllt. Chinesen, Mongolen und die türkisch-mohammedanische Bevölkerung
halten das Gebirge für heilig. Bogdo-ola heißt heiliges Gebirge. Die
mannigfachsten Sagen knüpfen sich an diese Bergwelt, die als eine Art
Pamassus Zentralasiens gelten muß. Der Reisende schilderte seine Reise
- 71 -
bis zum Innern des Gebirges, wo ein wundervoller Alpensee in stark be-
waldeter Bergumrahmnng liegt, überragt von den großartigen Eisdomen des
zentralen Gebietes. Dieser See gilt als heilig. Au! seinen schön geformten
Uferwällen erheben sich mehrere chinesische Klöster, die von dem Reisenden
besucht wurden. Von seinen Erlebnissen mit den in sonderbarem Aberglauben
befangenen Mönchen erzählte er einige ergötzliche Zwischenfälle, und schöne
Lichtbilder führten die Zuschauer in diese geheimnisvolle, sagenumwobene
Bergeinsamkeit. In flüchtigen Strichen entwarf Prof. Merzbacher dann eine
Darstellung von seinen verwickelten Wegen zur gründlichen Erforschung
der orographischen Züge und des geologischen Baues der Bogdo-ola. Sowohl
am Nordrande wie nach Querung der großen Kette auch am Südrande,
wurden hohe vereiste Berge erstiegen, um Einblick in den Bau des Gebirges
zu gewinnen und panoramatische Aufnahmen hiervon zu machen. In Projektion
vorgeführte Panoramen des Nord- und des Südabhanges vermittelten zum
erstenmale zutreffende Vorstellungen hiervon einem europäischen Publikum.
Durch das Tal Gurban-bogdo wurde dann der im südlichen Randgebiet
sich erstreckende See Aidin-kul erreicht und von dort das Gebirge nochmals
nach Norden gequert und zur Stadt Urumtschi zurückgekehrt. Wegen vor-
geschrittener Zeit konnte der Reisende von seinen weiteren Unternehmungen
an diesem Abende keine weiteren Aufklärungen geben. Mit einem Rückblick
auf die fünf opfer- und mühevollen Forschungsjahre, die er der Erschließung
des fernen Himmelsgebirges bislang gewidmet hat und mit dem Ausdruck
der Hoffnung, daß das heimgebrachte reiche Material nun ausreichend für
das geplante große Werk sei, schloß der Redner seine Ausführungen.
Wie bei seinem früheren Vortrage hatte Prof. Merzbacher auch dies-
mal wieder eine Reihe prächtiger Panoramen ausgestellt, welche von den
eigenartigen Formen und dem Bau der großen vereisten Ketten des östlichen
Tian-Schan dem Beschauer getreue Vorstellungen erweckten.
(Vgl. den Aufsatz des Herrn Vortragenden: Von meiner Tian-Schan-
Expedition 1907 und 1908 in der Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde
zu Berlin 1910, Nr. 4 u. 6.)
Mittwoch, den 15. Dezember 1909.
Herr Professor Dr. Siegfried Passarge-Hamburg:
Algier. (Lichtbilder.)
Der Redner, welcher im Sommer und Herbst 1906 ausgedehnte Studien-
reisen in Algerien hauptsächlich zur Beobachtung der Verwitterungsverhält-
nisse in den Hochsteppen und in der Sahara unternommen hatte, gab zunächst
einen Überblick über die Oberflächengcstaltung und den geologischen Aufbau
des Landes, sowie Klima, Pflanzenwelt und Bevölkerung. Sodann schilderte
er die Stadt Algier, ihre herrliche Lage an dem felsigen Bücken des Buzar^a,
die moderne französische und die alte enge, aber äußerst malerische Stadt
der Araber- und Türkenzeit. Es folgte ein Blick in den Teil-Atlas an der
Küste und die französische Besiedlung, die teils in Städten, teils in einzelnen
Landgütern erfolgt ist. Wein-, Weizen- und Olivenkultur nebst Viehzucht
bilden die Haupterwerbszweige neben Handwerken und etwas Industrie. Eine
— 72 —
besondere Betrachtung galt dem dicht besiedelten Djnrdjora-Gebirge mit der
so ungemein interessanten Berberbevölkerung, die in genau demselben Zu-
stand lebt, wie vor 2000 Jahren zur Römerzeit und ihre uralte soziale und
politische Verfassung bis in unsere Tage sich bewahrt hat. Der Islam ist
in vielen Grundzügen völlig verändert worden, und im Gegensatz zu den
Arabern zeigen sich die Berber europäischer Kultur und Schulbildung zu-
gänglich. Volksschulen sind allenthalben verbreitet; Knaben und Mädchen
besuchen sie gemeinsam.
Nun folgte eine Schilderung der öden und monotonen, und doch so
interessanten Hochsteppen und des algerischen Atlas, wo im hei^n Sommer
die Nomaden ihre Zeltlager aufschlagen und ihre Herden von Kamelen und
Schafen weiden, im Winter aber oft viele Fuß hoch der Schnee liegt und
eisige Stürme bis in den April hinein rasen. Daher ziehen die arabischen
Stämme im Herbst in die Vorwüste hinab an den Fuß des Atlas-Gebirges,
wo sie den Winter bei mäßiger Kälte und mäßiger Weide verbringen. Im
Mai gehen dann die Züge wieder hinauf auf das Hochplateau. Eine Dar-
stellung der Oasen der Sahara und Palmengärten von Tnggurt und Wargha,
der hochinteressanten mit alten Mauern und Türmen befestigten Städte des
Mzab, sowie eine Schilderung der verschiedenen Formen der Wüste, der
felsigen mit Steingeröll bedeckten Hammada des Mzabplateaus und der Sand-
und Lehniwüsten des Ighargharbeckens schloß den Vortrag.
Mittwoch, den 5. Januar 1910.
Herr Dr. Alfons Paquet - Frankfurt a. M. : Durch
Sibirien und die Mongolei, (Lichtbilder.)
Der Vortragende unternahm im Frühjahr 1908 im Auftrage der Qeo-
graphischen Gesellschaft (für Thüringen) zu Jena eine Reise durch Sibirien
und die Mongolei. Gegen das in massiger Breitenausdehnung angrenzende
Sibirien ist die Mongolei im Westen und Norden durch die Gebirgszüge des
Altai und des Sajan abgeschlossen und nur an wenigen, miteinander außer
Zusammenhang stehenden Stellen durch beschwerlich zu bereisende Saumpfade
zugänglich, die in der Hauptsache den langgestreckten Erosionstälem in das
Gebirge aufwärts folgen und dieses auf hohen Pässen überschreiten. Die von
sibirischen Woll- und Pelzhändlern benutzten Pfade über den Altai folgen
den Tälern des oberen Irtysch und des Buchtarma. Der von den in Bijsk
und in der Fußzone des Altai ansässigen Kaufleuten benutzte Handelsweg
der sogenannte Tschuiski Trakt, führt an den Quellflüssen des Ob, Katun
und Tschuja aufwärts bis zur chinesischen Grenze auf der Hochsteppe von
Koschagatsch, wo wegen der wechselnden Verkehrsbedingungen zumeist eine
Umladung der Karawanen stattfindet. Der wichtigste Ausgangspunkt des
russisch-mongolischen Handels, dessen Objekte und Formen der Vortragende
näher schilderte, ist Bijsk. Von hier aus reichen die russischen Handels-
beziehungen bis weit in das Innere von Chalcha ; sie haben ihre Stützpunkte
in den Städten Kobdo und Uljassutai. Außer Bijsk unterhält in geringem
Maße nur noch die am Oberlauf des Jenissei gelegene Stadt Minussinsk
direkte Handelsbeziehungen zur Mongolei, die einstweilen aUerdings nicht
— 73 -
weiter als bis in das Gebiet der Urianghai-Stämme reichen und in ülankom
endigen. Erst vom Südzipfel des Baikalsees aus stellt wieder der zum
Kossogol führende sogen. Tunkinskische Viehtrakt eine fast nur für Vieh-
transporte aus der Mongolei benutzte, für sonstige Handelsbeziehungen bisher
noch wenig in Aufnahme gekommene Verbindung zwischen dem Gouverne-
ment Irkutsk und den angrenzenden mongolischen Gebieten her. Die öst-
lichste und bekannteste Handelsstraße, der frühere Hauptweg der Teekara-
wantn aus China, führt von Irkutsk durch das Transbaikalgebiet, seit Fertig-
stelluiig der Transbaikaleisenbahn von der Gamisonstadt Werchne-Udinsk
aus m^ch Kjachta-Maimatschen und von dort über Urga durch die Gobi nach
Kaigan und Peking.
Die Reise des Vortragenden nahm ihren Ausgang von Nowo-Nikola-
jewsk, einer an der Kreuzung der Sibirischen Bahn mit dem Ob vor etwa
10 Jahren entstandenen, aufblühenden Handelsstadt, dem „Mannheim Sibiriens".
An der Hand zahlreicher Lichtbilder schilderte Redner den Verlauf seiner
Reise den Ob aufwärts über Barnaul und Bijsk, durch die großartigen
Gebirgslandschaften im Altai und die Wüsteneinöden des mongolischen Hoch-
lands. Auf monatelanger beschwerlicher Wanderung wurden die Städte
Kobdo und Uljassutai besucht und in beiden Aufenthalt genommen. Abseits
der Karawanenwege, die das abflußlose, an Salzseen und ausgedehnten Dünen-
wällen reiche nordmongolische Becken in westöstlicher Richtung durchziehen,
ist das Land hier noch wenig erforscht. Seinem sterilen Charakter gemäß
ist es von den mongolischen Nomaden äußerst spärlich bevölkert. Von den
beiden, durch besonders schwierige Sandstrecken getrennten Städter Kobdo
und Uljassutai macht die erstere einen relativ freundlicheren Eindruck.
Beide liegen in geschützte Täler eingebettet. Beide Städte, reine Verkehrs-
siedelnngen ihrem Ursprünge nach, setzen sich, wie fast alle kolonialen
Niederlassungen der Chinesen, aus streng getrennten Teilen zusammen.
Isoliert von der eigentlichen Handelsstadt, dem Sitz der Fremden — aus
China, Sibirien und Turkestan vorübergehend eingewanderte Kaufleute — ,
erhebt sich die chinesische Festung, der Sitz des Ambans und seiner Beamten,
sowie einer kleinen chinesischen Garnison, die zur Beherrschung der um-
wohnenden Nomadenstämme genügt. Abseits davon erheben sich dann die
oft wechselnden Zeltlager der Mongolen. Besonders bemerkenswert sind in
Uljassutai die von chinesichen Bauern mit unermüdlichem Fleiß gemachten
landwirtschaftlichen Versuche, die aber wegen des wenig fruchtbaren Bodens
und des auch im Sommer äußerst harten Klimas niemals einen größeren
Umfang annehmen dürften. Zum Schutz gegen Menschen und wilde Tiere
sind die Felder und Gärten dieser Ansiedler von hohen Palisaden umgeben.
Russische und chinesische Kaufleute, russischer und chinesischer Einfluß stehen
in der Nord-Mongolei miteinander in regem Wetteifer. Jedenfalls werden,
solange nicht in Zukunft die Ausbeute mineralischer Reichtümer das Ent-
stehen industrieller Niederlassungen begünstigt, das extreme kontinentale
Klima, die Höhenlage des mongolischen Hochlandes, die Abflußlosigkeit seiner
meisten Gebiete und seine Holzarmut noch auf lange hinaus das bisherige
Nomadenleben seiner Bewohner weiter bedingen. In seiner Beurteilung der
mongolischen Geistlichkeit und der Klöster, deren er einige nebst Szenen
— 74 —
charakteristischer Volksfeste im Bilde vorführte, kommt der Vortragende
zu teilweise günstigeren Resultaten als andere Reisende
Der Redner schloß seine Ausführangen mit einer Schilderang seiner
Überschreitung des Khangai in nördlicher Richtung zum Kossogol und mit
zusammenfassenden Betrachtungen über die sowohl von russischer wie chine-
sischer Seite gemachten Aufwendungen, um in der Mongolei Fuß zu fassen.
(Vgl. die Abhandlung des Redners : Sibirien und die Nordwestmongolei
in den Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft (für Thüringen) zu Jena
27. Bd. Jena 1909.)
Mittwoch, den 12. Januar 1910.
Herr Dr. Wilhelm Valien tin -Berlin: Streifzfige doreh
Argentinien. (Lichtbilder.)
In der Einleitung wies der Redner von vornherein auf die Gunst der
natürlichen Klima- und Bodenverhältnisse Argentiniens hin, die es mit einer
verhältnismäßig nur geringen Bevölkerung — 6Vi Millionen Seelen bei einem
( Areal 5Vtmal so groß wie Deutschland — ermöglichen, daß das Land mit
I seinen Massenprodukten heute schon auf dem Weltmarkt konkurrieren kann.
^ Im Außenhandel mit Argentinien nimmt Deutschland eine wenig günstige
Stellung ein; es kauft von dort etwa dreimal so viel, als es dorthin ver-
kaufen kann. (1909 etwa für 446 Mill. gegen nur 147 Mill. M.). Es arbeitet also
mit einer Unterbilanz, weil es dort keinen Absatzmarkt hat wie andere Nationen.
; In großen Zügen geht der Vortragende sodann auf die geographische
Lage des Landes ein, mit den verschiedensten Klimaten, und auf die Boden-
gestaltung. Er schildert das Hochgebirge, die Kordilleren, die sich in ge-
i waltigen Hochflächen und Gebirgszügen nach Süden hinabziehen ; im Norden
j starr, vegetationslos, von dem 37. Breitengrade ab mit einer herrlichen Vege-
J tation, mit Hochwäldern und Bergseen und fruchtbaren Tälern, der wunder-
I baren Alpenwelt Patagoniens. Er erklärt die Eigenheiten der gewaltigen
Pampa, deren kalkhaltiger Alluvialboden den Nahrungswert der Futter-
pflanzen bedingt, und erzählt von den äußerst günstigen Wasserverhältnissen
des Landes, vom prächtigen Stromgebiet des Rio de la Plata und dem Wasser-
reichtum der südlichen Kordilleren. Künstliche Bewässerung ist überall
- möglich, selbst in früheren Sand wüsten, wie z. B. in der Pampa, die heute
I zum besten Weizenboden geworden ist.
i Nach kurzer Erwähnung des Mineralreichtums — Gold, Silber, Kupfer
! und Blei — spricht Redner über die Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, wie
sie bedingt ist durch geographische Lage, Klima, Höhenverhältnisse, Boden-
beschaffenheit und dergl., wie im heißen Norden Baumwolle, Zuckerrohr,
Kaffee, im Westen eine vorzügliche Weinrebe, im Osten des Landes Obst-
bäume aller Art gut gedeihen, wie aber überall sowohl in Gebirgsländem
wie auch in Steppen Viehzucht getrieben wird. Und doch ist Argentinien
bereits ein Ackerbauland geworden; sein kultureller und sozialer Schwer-
punkt ist verschoben ; stabilere Verhältnisse sind dadurch geschaffen. Als
Beispiel von dem Aufschwung führt der Vortragende an, daß 1891 alles be-
baute Land nur 3 Mill. Hektar betrug; 1909 war diese Fläche auf 15 Mill.
— 76 -
Hektar angewachsen. Sicherlich wird Argentinien in nicht zu femer Zeit
das beste und größte Weizenland der Erde sein.
Im Zusammenhang mit der riesigen Entwicklung des Ackerbaues
steht die Entwicklung des Eisenbahnwesens. Alle Bahnen aber (25 000 km)
sind in englischen Händen. Von deutschem Kapital und Unternehmergeist
keine Spur au! diesem so rentablen Gebiet Von deutschem Kapital sind
in Argentinien bis jetzt nur 600—700 Millionen Mark angelegt, während
England mit 5 Milliarden Mark beteiligt ist.
Um eine deutsche Kolonisation zu fördern, müßten vor allem die
vielen Vorurteile, die bezüglich der argentinischen Verhältnisse bei uns herrschen,
beseitigt werden und zwar bald, bevor die südamerikanische Welt wirtschaft-
lich vergeben ist.
Falsche Vorstellungen bestehen bei uns auch noch bezüglich der Ein-
geborenen. Indianer sind z. B. in der Pampa und Patagonien kaum mehr
vorhanden. Sie sind dem Aussterben nahe und werden durch die Schnaps-
pest, das Feuerwasser, systematisch ihrem Untergange entgegengeführt. Der
Vortragende schildert dann einzelne Indianerstämme, bei denen er gelebt
hat, ihre Wohnung, Kleidung, Waffen und Qerätschaften.
Argentinien ist ein von Natur bevorzugtes Land, in seiner gemäßigten
Zone aber von ganz besonderer Bedeutung für die germanische Hasse. Hier
liegt das Zukunftsland der deutschen Auswanderer, nicht in heißen Tropen-
ländern; hier die Schaffung eines zahlungsfähigen Absatzmarktes für unsere
Waren und Industrieprodukte.
(Vgl. die verschiedenen Werke des Redners über Argentinien und
Südamerika.)
Donnerstag, den 20. Januar 1910.
Sir Ernest H. Shackleton-London: Die englische
Südpolar-Expedition 1907/1909. (Lichtbilder und kinemato-
graphische Vorführungen.)
Am 6. August 1907 verließ die Expedition England, nachdem tags
zuvor der König und die Königin das Expeditionsschiff „Nimrod" besichtigt
und die Königin dem Vortragenden den Union-Jack übergeben hatte mit dem
Wunsche, es möge ihm gelingen, die Flagge Großbritanniens au! dem Südpol
zu hissen. Wenn dieser Wunsch auch nicht ganz in Erfüllung gegangen
ist, indem Shackleton mit seinen Begleitern wegen Proviantmangel und
dadurch hervorgerufene Erschöpfung der Kräfte nur 24 englische Meilen
vom Pol entfernt, zur Umkehr gezwungen wurde, so vermochte er doch bis
88* 23' s. Br. vorzudringen.
Die eigentliche Polarreise begann am Neujahrstage 1908 von Littelton
auf Neuseeland aus auf dem kaum 227 Tonnen fassenden Schifife, dem kleinsten
Fahrzeuge, das je dem Südpol zugestrebt ist, das sich aber ausgezeichnet
bewährte. An Bord waren 37 entschlossene Männer, 10 mandschurische
Ponies, von denen die 4 überlebenden Shackleton vortreffliche Dienste leisteten,
9 Hunde, welche sich bei der Rückkehr auf 22 vermehrt hatten ; Proviant
hatte man für 2 Jahre mitgenommen; die sorgfältig getroffene Ausrüstung
— 76 —
an Kleidung und Schlitten ließ nichts zu wünschen übrig, die an wissen-
schaftlichen Instrumenten, welche z. T. die Admiralität zur Verfügung ge-
stellt hatte, war vollkommen. Außerdem hatte man noch ein Automobil an
Bord, das aber die auf es gesetzten Hoffnungen nur auf glatten Flächen
erfüllte.
Die Fahrt yerlief außerordentlich stürmisch. Bereits am zweiten Tag
brach ein heftiges Unwetter los, das tagelang dauerte und dem kleinen
Schiffe hart zusetzte. Infolge der schweren Belastung ging das Fahrseug
so tief, daß es kaum 3 Fuß aus dem Wasser hervorragte. Um Kohlen zu
sparen, wurde es 1500 Meilen von dem Dampfer „Koonya" ins Schlepptau
genommen, der dann wieder zurückkehrte. Am 16. Januar wurde die Roß-
See erreicht und am 23. Januar in südwestlicher Richtung die große Eis-
barriere gesichtet, wo in dem Barrier-Inlet die Winterquartiere geplant
waren. Da aber diese Zunge verschwunden war und sich eine Landung auf
dem bisher gänzlich unbekannten König Edward VU.-Land durch feste, weit
nach Norden vorgeschobene Packeismassen mit eingefrorenen Eisbergen als
unmöglich erwies, fuhr man nach Mc Murdo-Sund weiter, um dort auf Cap
Royds auf der Westseite der Roßinsel die Winterquartiere aufzuschlagen,
32 km nördlich von den ehemaligen Quartieren der Discovery-Expedition
1902/1903. Am 22. Februar trat der Nimrod die Heimfahrt an, um im
folgenden Sommer nach der Antarktis zurückzukehren und die Expedition
wieder an Bord zu nehmen.
Die erste wichtige Tat bildete die Besteigung des Mount Erebus durch
eine Abteilung von 6 Mann, von denen 5 nach 5 Tagen angestrengtesten
Marsches am Rand des noch tätigen 800 m tiefen und einen Durchmesser
von ^/i Meile bildenden Kraters standen. Die Höhe des Mount Erebus wurde
auf 13 350 Fuß festgelegt. Viele ebenso wichtige wie interessante Be-
obachtungen über die Dicke des Eises, über Temperaturverhältnisse und die
Einwirkung sehr niedriger Temperaturen und der Verdampfung auf die Ge-
staltung der Eisformationen (Eishöhlen) konnten gemacht werden, ebenso
wichtige geologische Funde. Die Wintermonate brachten sodann u. a. ganz
neue biologische Entdeckungen über kleinste Zellenlebewesen unter dem Eise,
die sich als sehr lebenskräftig und gegen jede Temperatur widerstandsfähig
erwiesen. Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Expedition werden
die Resultate dieser Beobachtungen ihres Entdeckers Murray bringen und
für Biologen vom größten Interesse sein. Außerdem wurden von Shackleton
und einigen Begleitern die Wintermoaate noch zu Schlittenfahrten zur Er-
forschung der Oberfläche der großen Eisbarriere sowie zu mehreren Vor-
stößen nach Süden benutzt, um genauere Kenntnis von dem künftigen
Operationsfeld zu erlangen. Depots für die geplante Polarexpedition wurden
bis Hut Point und Minna Bluff angelegt.
Das Frühjahr brachte eine Arbeitsteilung, indem zunächst eine Abteilung
zur Entdeckung des magnetischen Poles aufbrach, Shackleton selbst sollte
zum geographischen Pole vorstoßen, und einer dritten Abteilung fiel als Auf-
gabe die geologische Untersuchung der Berge westlich von Mc Murdo-Sund
zu mit dem besonderen Auftrag der Entdeckung von Fossilien; auch hatte
sie photographische Aufnahmen zu machen.
~ 77 —
Am 29. Oktober 1908 brach Shackleton mit drei Begleitern Leutnant
Adams, Karthograph Marshall und Wild, vier Ponies, Schlitten und Proviant
fttr 91 Tage (773 Pfund) von Gap Royds auf, aufänglich begleitet von einer
kleinen Unterstützungsmannschaft, die Depots anzulegen hatte. Nach drei
Tagen war Hut Point erreicht, das am 3. November verlassen wurde. Der
Marsch ging anfangs nur langsam und beschwerlich vor sich, da heftige
Schneestürme und schlechte Eisverhältnisse das Vordringen hemmten. Brst
am 15. November wurde das im Frühjahr am weitesten vorgeschobene Depot
erreicht. Bessere Marschtage folgten, und am 26. November hatten die Forscher
Scott's südlichsten Punkt auf 82» 18S't' überschritten. Neuland und eine
hohe südöstlich streichende Bergkette wurden gesichtet. Das erste Pony war
schon am 21. November getötet und ein Depot von Ponyfleisch und anderen
Lebensmittel für die Rückkunft errichtet worden ; bald folgten zwei andere
nach. Um diese Zeit stellte sich die Notwendigkeit heraus, die Bergkette
zu überschreiten, um weiter südwärts zu kommen. Am 2. Dezember lagerte
die Expedition bei 83« 28' an einem roten Granitfelsen von 3000 Fuß Höhe,
der am folgenden Morgen erstiegen wurde und von dessen Gipfel ein ge-
waltiger Gletscher in südlicher Richtung zu Gesicht kam, dessen Über-
schreitung sofort beschlossen wurde. Unter den größten Schwierigkeiten,
über Schneeabhänge und zahlreiche Gletscherspalten ging es langsam auf-
wärts. In einer von diesen trügerischen, mit Schnee bedeckten Spalten,
welche gerade überschritten war, ging das letzte Pony verloren, kaum daß
Wild, der es führte, sich selbst und den Schlitten in Sicherheit bringen
konnte. Die beiden Schlitten mußten jetzt von den vier Männern selbst
gezogen werden, von denen jeder 250 Pfund zu schleppen hatte. Abermals
wurde ein Depot errichtet und die täglichen Rationen herabgesetzt, was bald
eine Untertemperatur von 2* zur Folge hatte. Am 18. Dezember erreichte
man eine Höhe von 6800 Fuß. Allmählich ging der Gletscher in 9000 Fuß
Höhe in ein Plateau mit Eisabstürzen nieder, das in langen Kämmen bis
10,000 Fuß anstieg. Zwei wichtige Entdeckungen wurden hier gemacht:
An einem Bergabhang fanden sich Kohlen, sowie in Sandsteinen fossile
Koniferenreste. Der Weihnachtstag fand :[ die Expedition auf 85* 55' s. Br.,
von wo ein weites Plateau gesichtet wurde mit Eisabstürzen, nach Südosten
zu Gletscherland, augenscheinlich in einen hohen Berg endigend. Die fort-
währende schwere Arbeit, der weiche Schnee, die karge Nahrung und die
große Kälte in der Höhenluft vereinigten sich, um die Kräfte der kühnen
Männer immer mehr zu verringern. Am 7. und 8. Januar raste ein solcher
Schneesturm von Süden, daß die Forscher in ihren Schlafsäcken liegen bleiben
mußten und furchtbar unter der Kälte litten. Jetzt gab Shackleton den
Plan auf, den Pol zu erreichen. Am 9. Januar brachen die Männer ohne
Zelt auf zum letzten Vorstoß nur mit Nahrung, Instrumenten und der Flagge
versehen. Nach fünfstündigem Marsche erreichten sie in 88^ 23' den süd-
lichsten Punkt. Von hier aus breitete sich eine weite Ebene in der Richtung
nach dem Pole zu, von dem sie jetzt nur noch 24 Meilen entfernt waren.
Nachdem sie die englische Flagge gehißt, traten sie den Rückmarsch an,
der durch Nahrungsmangel und Dysenterieanfälle, hervorgerufen durch den
Genuß des Fleisches eines Ponys, das in dem Zustand äußerster Erschöpfung
— 78 —
hatte getötet werden müssen. Die heftigen Südwinde, welche das Vor-
dringen nach Süden so sehr erschwert hatten, beschleunigten jetzt die Rück-
reise der Männer. Aus ihrem Zelttnche verfertigten sie sich ein Schlitten-
segel und kamen so zeitweilig mit großer Schnelligkeit vorwärts. Ohne
jegliche Nahmng waren sie am 16. Januar nach einem 31-stündigen Marsche
vom nächsten Depot entfernt, das im Zustand größter Erschöpfung erreicht
wurde. Am 23. Februar gelangten sie zum letzten Depot bei Minna Bluff.
Hier mußte Marshall, der an heftiger Dysenterie schwer litt, mit Adams
zurückgelassen werden, während Shackleton und Wild in Eilmärschen zum
Schiffe eilten, um Hilfe zu holen, welche den Kranken auch glücklich an
Bord brachte. Insgesamt hatten die kühnen Männer über 2700 km in
126 Tagen zurückgelegt.
Von den Resultaten seines Marsches hob der Vortragende kurz folgende
hervor: Eine Kette hoher Berge erstreckt sich in nordöstlicher Richtung
vom Mount Markham bis 86^, andere Ketten zwischen 84 und 86® laufen
nach Südwest, Süden und Südosten. Einer der größten Gletscher der Erde
führt zu einem Hochplateau, welches höchstwahrscheinlich die Fortsetzung
des Viktoria-Plateaus bildet und sich vermutlich über den geographischen
Südpol hinaus erstreckt. Man kann annehmen, daß der geographische Pol
auf diesem Plateau zwischen 10—11000 Fuß über dem Meere liegt. Die
Entdeckung von Kohlen und Fossilien verbreitet Licht über die geologische
Entwicklung und die Geschichte des antarktischen Kontinents.^)
Mit einem kurzen Wort wies der Redner sodann noch auf die Schicksale
und Ergebnisse der beiden anderen obengenannten Expeditionen hin. Zur
Erreichung des magnetischen Südpols brach die eine Abteilung unter Führung
von Professor David unter Teilnahme von Dr. Mackay und Douglas Mawson
am 6. Oktober 1908 von Cap Royds auf, marschierte nördlich an der Küste
entlang auf dem Eise bis zur Drygalski-Barriere, überschritt den Drygahski-
Gletscher und erklomm unter großen Schwierigkeiten ein Festlandplateau bis
zu 7000 Fuß. Nach einem langen beschwerlichen Marsche in nordwestlicher
Richtung wurde der magnetische Pol bei 129 2b' s. Br. und 155<> 16' ösü.
Länge erreicht. Als einen Triumph für die deutsche Wissenschaft hob der
Vortragende besonders hervor, daß Gauß, unser großer Mathematiker, vor
vielen Jahren an der Hand unvollkommener Instrumente auf Grund seiner
scharfsinnigen Berechnungen die Lage des Poles nur wenige Minuten von
der tatsächlichen verschieden angegeben hatte. Den Rückweg nahm Professor
David in Gewaltmärschen nach der Drygalski-Barriere und wurde hier von
dem Nimrod aufgefunden, der schon längere Zeit an der Küste nach der
Expedition gesucht hatte, da ihr durch das inzwischen erfolgte Aufbrechen
des Küsteneises zwischen der Drygalski-Barriere und dem Mc Murdo-Sund
der Rückweg nach dem Lager abgeschnitten war.
Die West-Expedition unter Armytage, Priestley und Brockehurst über-
schritt den großen Ferrargletscher, allerdings ohne dort Fossilien zu finden,
*) Über die geographischen Resultate von Shackletons Südpolar-Ex-
pedition vergl. den Aufsatz 0. Baschin's in der Zeitschrift der Gesellschaft
für Erdkunde zu Berlin 1910, No. 4, Seite 245 ff.
— 79 —
legte geologische Sammlangen an und machte viele photographische Auf-
nahmen. Auch sie wurde auf dem Rückmärsche vom Nimrod aufgenommen.
Nachdem am 4. März 1909 alle Teilnehmer der Expedition wieder
glücklich an Bord waren, trat der Nimrod sofort die Rückreise an. Kap
Adare wurde erreicht und zur Festlegung der Küstenlinie ein Vorstoß nach
dem Nordkap versucht. Da jedoch Packeismassen das Schiff in die Gefahr
brachten, eingeschlossen zu werden, gab Shackleton auf 166® 14' östl.
Länge und 69<^ 47' s. Br. seine Absicht auf und schlug den Kurs nach Neu-
seeland ein, wo er am 22. März, begrüßt von dem begeisterten Jubel des
Volkes, an dem Ausgangspunkte der Expedition in Port Littelton anlangte.
(Inzwischen erschien das Werk des Vortragenden: 21 Meilen vom
Südpol. Die Geschichte der britischen Südpol-Expedition 1907/09. Über-
setzt und bearbeitet von Frederick Becker. 1. 2. 3: Die wissenschaftlichen
Resultate der Expedition, Berlin. W. Süsserott, 190910.)
Mittwoch, den 26. Januar 1910.
Herr Professor Dr. Karl Sapper- Straßburg: Neu-
Mecklenburg. (Lichtbilder.)
Im Anfang des Jahres 1908 gingen Professor Dr. Sapper als Geograph
und Hauptmann a. D. Dr. G. Friederici im Auftrag des Reichskolonialamts
nach Neu-Mecklenburg und dessen Nebeninseln im Bismarckarchipel, wo sie
von Ende April bis Anfang September des Jahres arbeiteten und auf zahl-
reichen Durchquerungen und sonstigen Reisen zu Fuß oder im Boot das Ziel
der Expedition erreichten, nämlich einen Überblick über die Natur- und
Völkerverhältnisse des Gebietes zu gewinnen. Der Redner berichtete über
diese Reise und ihre Ergebnisse. Er hatte früher 12 Jahre lang im alten
spanischen Kolonialland (Zentral-Amerika) teils als Forschungsreisender,
teils als Kaffeepflanzer gelebt und gearbeitet, zudem zahlreiche europäische
Kolonien in verschiedenen Gegenden besucht und konnte durch den Vergleich
mit den im Bismarckarchipel gewonnenen Eindrücken und seinen anderwärts
gemachten früheren Erfahrungen feststellen, daß im Bismarckarchipel ein
guter Anfang der wirtschaftlichen Entwicklung gemacht ist und die besten
Aussichten für ein weiteres Gedeihen des Schutzgebiets bestehen.
Neu-Mecklenburg ist eine gegen 400 km lange Insel von wechselnder
Breite, die stellenweise bis zu etwa 50 km anschwillt ; die Nachbarinsel Neu-
Hannover ist öö km lang, 35 km breit, die Nebeninseln nehmen nur kleinen
Flächeninhalt in Anspruch. Der Flächeninhalt des Gebiets mag dem des
Großherzogtnms Mecklenburg-Schwerin gleichkommen; die Einwohnerzahl
dürfte aber kaum ^lu derjenigen des genannten deutschen Staates sein, die
Volksdichte ist also sehr gering und weite Flächen des Innern, stellenweise
selbst der Küsten sind wenig oder gar nicht bewohnt.
Die größeren Inseln sind alle gebirgig ; Neu-Hannover gipfelt in 875 m,
während Neu-Mecklenburg über 2000 m Höhe erreicht. Am Aufbau der Inseln
beteiligen sich ältere und jüngere Eruptivgesteine, sowie verschiedenalterige
Tertiärsedimente nebst jugendlichen Tiefseeablagerungen und gehobenen
Korallenkalken. Letztere bilden zahlreicheTerrassen in verschiedener Höhenlage,
— 80 —
stellenweise mehrere 100 m überm Meeresspiegel nnd bringen ein eigenartiges
Element in die Landschaft hinein, die vielfach durch schroffen Abfall des
Gebirges nach dem Meere zu, aber plateauartige Entwicklung der Binnen-
flächen ausgezeichnet ist.
Das Klima ist warm und feucht. Regen fällt häufig und reichlich.
Wo wasserundurchlässige Gesteine anstehen, ist die Bewässerung daher sehr
reichlich; im Kalksteingebiet aber versinken die Tagesgewässer zumeist im
kluftigen Gestein und kommen erst in der Nähe der Küste in Riesenquellen
wieder zum Vorschein. Die meisten Wasserläufe sind zu reißend und seicht,
um als Verkehrswege dienen zu können. Einige größere Flüsse Neu-Hannovers
und Mittel-Neu-Mecklenburgs können im Unterlauf für flachgehende Ein-
geborenenboote (Auslegerboote) befahren werden.
Üppige Urwälder mit zahllosen Palmen, Epiphyten, Lianen und Kletter-
gewächsen bedecken den größten Teil des Gebiets ; sie enthalten gar manche
wertvolle Hölzer. Auf den höchsten Höhen der Gebirge Süd-Neu-Mecklenburgs
werden die Bäume krüppelhaft infolge der heftigen Winde; die Wälder sind
hier licht, das Unterholz üppig, die Bäume tragen in diesen häufig von
Nebeln heimgesuchten Gebieten oft Moospolster oder lange Bartflechten. An
den Küsten dehnen sich vielfach Mangrowegehölze aus, und im Innern finden
sich an Stelle ehemaliger Pflanzungen oft ziemlich ausgedehnte Grasfluren.
Die Pflanzenarten sind meist indischer Herkunft, seltener (z. B. Casuarinen)
australischer.
Die Tierwelt ist ärmlich, vielfach australischer Herkunft (so die relativ
häufigen Beuteltiere). Häufig sieht man Vögel und Fledermäuse (darunter
große fliegende Hunde) ; in manchen Flußmündungen sind zahlreiche Leisten-
krokodile zu finden. Schlangen sind ziemlich selten und gehören großenteils
nicht giftigen Arten an. Die Gewässer sind reich an Fischen, die für die
Ernährung der Eingeborenen eine beträchtliche Rolle spielen ; doch ist Vorsicht
vonnöten, da es auch sehr giftige Fischarten gibt. Haifische sind zahlreich
zu finden. Schildkröten, Trepang und Perlmuscheln liefern einiges für
die Ausfuhr.
Die Eingeborenen (Melanesier) stehen den Papuas nahe, haben aber
offenbar somatisch und kulturell starken malayischen Einschlag. Sie leben
in der Hauptsache von vegetabilischen Nahrungsmitteln : Taros, Yams, Brot-
frttchten, Kokosnüssen etc. Der Feldbau ist Sache der Frau. Die Kultur der
Eingeborenen ist in mehrfacher Hinsicht sehr niedrig; so fehlt die Töpferei,
weshalb das Kochen vielfach mit Hilfe von heißen Steinen besorgt wird; in
anderer Hinsicht war dagegen schon eine gewisse Höhe der Kultur erreicht,
so muß das altgebräuchliche Muschelgeld als eine sehr gute Gteldsorte an-
gesehen werden nnd auch der Bootbau, Holzschnitzerei und andere Gebiete
haben bereits eine gewisse Höhe erreicht. Die Zahl der Eingeborenen ist
leider im Rückgang begriffen.
Die Europäer sind erst in geringer Zahl vorhanden, haben aber,
namentlich im Westdistrikt von Neu-Mecklenburg (Käwi^ng), wo das große
Organisationstalent des Stationschefs Boluminski auch den Wegebau sehr su
fördern gewußt hat, bereits ansehnliche wirtschaftliche Eriolge errungen.
Bergbau gibt es nicht, auch Viehzucht wird nur in bescheidenen Anfängen
— 81 —
getrieben. Dagegen wird dem Plantagenban (Kokospalm- and Eautschnk-
bauanpflanzungen) rege Aufmerksamkeit zugewendet; manche Pflanzungen
liefern bereits gute Erträge, andere werden bald Ernten geben, und da Pflanz-
land von vorzüglicher Beschaffenheit in Menge vorhanden und das Klima
sehr günstig ist, wird Neu-Mecklenburg mit seinen Nebeninseln im Laufe der
Zeit ein sehr wertvolles Plan tagengebiet werden.
(Der Vortrag ist in erweiterter Fassung zum Abdruck gelangt in
der Geographischen Zeitschrift, hrsg. v. A. Hettner. 15. Jahrg. 8. Heft.
Leipzig 1909, sowie in den Verhandlungen des siebzehnten Deutschen Geo-
graphentages zu Lübeck vom 1. bis 6. Juni 1909; Berlin 1910, Seite 141 ff.)
Mittwoch, den 2. Februar 1910.
Herr Leo Frobenius-Berlin: unter deutscher und
französischer Fahne yon Senegambien fiber Liberia und
Timbuktn nach Togo. (Lichtbilder.)
Der Redner berichtet in seinem in vier Abschnitte gegliederten Vortrage
über die Resultate der zweiten Reiseperiode der Deutschen Inner- Afrikanischen
Forschungs-Expedition.
In dem ersten Abschnitte besprach er die Kulturformen in den großen
Städten. Es herrschen dort ritterliche Sippen nordischer Herkunft über Hack-
bau em teilweise höherer, älterer Kulturverwandtschaft. Im Osten wurde das
große Kaiserreich der M o s s i durchwandert, in dem ein feudal organisiertes
Volk die verschiedensten älteren Kulturschichten verbindet. Dort leben die
einzelnen Reste älterer Kulturperioden noch nebeneinander. Im Gegensatz
hierzu herrschen im Westen auf dem Mande-Plateau die von Norden herein-
gewellten und heute schon in den älteren Familien stark gemischten Ab-
kömmlinge der Berber, in einem Gebiete, in welchem die Assimilierung der
einzelnen Typen durchgeführt ist. Es entspricht dieser Tatbestand der
historischen Kenntnis, wie sie die arabischen Schriftsteller uns überliefert
haben, daß nämlich die östlichen Stämme verhältnismäßig geschichtsarm
und ohne große Vergangenheit, die westlichen dagegen reich an Traditionen
und gewaltigen geschichtlichen Vorgängen sind. Besonders der Westen
interessiert dadurch, daß das Kastenwesen außerordentlich ausgesprochen ist.
Wir haben eine Gliederung vorliegend, wie sie auch das ältere Indien schon
gezeigt hat. Diese Kastenorganisation, die man in Edele oder Ritter, in
Barden oder Sänger, in Gewerbetreibende und in Hörige gliedert — die Sklaven
repräsentieren eigentlich gar keine Kaste — , ist die gleiche, die wir schon bei
den alten Schriftstellern als diejenige der Lande im südlichen Arabien an-
treffen. Wir betinden uns also auf einem bestimmten Kultumiveau. Die
drei Kastonländer Indien, Südarabien und der West-Sudan liegen in einer
gleichen Schicht. Damit soll absolut nicht gesagt werden, daß etwa alte
Inder oder Araber die Gründer einer solchen Kasteneinteilung in Westafrika
sind. Vielmehr müssen wir uns damit begnügen, die geographische Ver-
breitun^r solcher Übereinstimmung zunächst festzulegen, und werden dann
später unter Zuhilfenahme anderer Symptome die Beziehung, Wanderung und
Geschichte solcher Kulturformen feststellen müssen.
— 82 —
In dem zweiten Abschnitt berichtete der Redner sodann über die Aus-
nahmeerscheinnngen sowohl geographischen wie ethnischen Tatbestandes.
Die große wellenförmige Völkerbewegang, die mit Leichtigkeit über die
Ebene hingleitet, vrirkte überall nivellierend, nnd dies besonders in den Ge-
bieten, in denen sie sich mehrfach wiederholt hat. Ältere Reste, sei es nun
solcher, die von den Wellen verdrängt sind, oder aber auch die seitwärts
geschleuderten Reste der jüngeren gebrochenen Wellen pflegen sich dann in
bestimmten schwer zugänglichen Gebieten ein vor dem weiteren Wellengange
schützendes Heim zu gründen. Es wird also hier besonders betont, daß es
nicht nur immer alte Schichten zu sein brauchen, die in den Zufluchts-
winkeln der Erdoberfläche Schutz suchen. Vielmehr kann es auch vorkommen,
daß jüngere Einbrüche, die das Ganze und auch die Schlupfwinkel über-
schwemmen, auf den großen Flächen, in den Steppen von der schon homo-
genisierten Kultur absorbiert werden, in eben diesen Schlupfwinkeln aber
nach der Verdrängung alter Reste in der Lage sind, dem nivellierenden Einfluß
der großen Flächen und der unterworfenen Masse sich zu entziehen. Diese
Beobachtung erscheint außerordentlich wichtig und darf bei der Beurteilung
der Altersunterschiede, der Altersschichtung derartiger insularer Vorkommnisse
nicht unberücksichtigt bleiben. Es wird das hier deswegen betont, weil eine
Neigung besteht, derartige Reste ein für allemal als j,das Älteste' anzu-
sehen. — Für den Westsudan kommen als solche Schlupfwinkel zunächst in
Betracht die Gegenden am Ende der wellenförmigen Flächenbewegung, also
am Rande der Ökumene, — heißt also im vorliegenden Falle der Westküste, —
da die Wellenbewegung hier im allgemeinen von Norden nach Süden erfolgt.
Solche Reste haben wir demnach vor allen Dingen im Urwalde. Wir haben
sie im Hinterlande von Liberia angetroffen. Eine zweite Gruppe von Er-
scheinungen solcher Art, inselartiger Erhaltung, treffen wir in den durch
Erosion hervorgerufenen Tafelbergen, die von dem Gebiet südlich von
Timbuktu bis tief nach Senegambien hinein das Land durchziehen. Auf den
Spitzen dieser Bergstöcke liegen die Ortschaften außerordentlich gesichert
und jedenfalls gut bewahrt vor den Angriffen der über die Flächen hin-
streichenden Eroberungsheere.
In dem dritten Teile führte der Redner die Zuhörer auf den Booten der
Expedition von Westafrika herab nach dem Hinterland von Liberia bis nach
Timbuktu und machte besonders die verschiedenen Städte, die seit undenklichen
Zeiten perlartig an den Wegen dieser Wanderstraßen sich angereiht haben,
durch bildliche Vorführung vertraut. Die nördlichste Stadt dieser Art, die
aufgesucht wurde, war das altberühmte Timbuktu. Von Timbuktu verlautet
bis jetzt, daß es in verhältnismäßig junger Zeit in der Wüste nördlich des
Nigerbogens gegründet sei, — eingehende Untersuchungen der Expedition haben
aber ergeben, daß wir es hier mit einer sehr alten Stadt, mit sehr alten
Kulturanlagen zu tun haben, die anscheinend übereinander geschichtet sind,
gleich dem alten Troja, oder dem berühmten Karthago. Die gewaltigen
Bauten, welche als Moscheen heute mehr und mehr, weil vernachlässigt, dem
Untergänge entgegengehen, sind früher sicher besser unterhalten worden.
Jedenfalls steht soviel fest, daß die Nachkommen der alten Kaiserdynastie
des Songai-Reiches hier einen Palast hatten, ihren Madugu, aus welchem bei
— 88 —
der Islamisiernng die Moschee hervorging. Ein anderer Madng^ in Timbnkta
ging zu Grunde. Schon der Pater Dnbois hat uns mit interessanten Legenden
bekannt gemacht, welche in den Köpfen der schwarzen Bevölkerung des
Landes heimisch sind. In mchrwöchentlicher Arbeit konnten diese Stücke in
außerordentlich wichtigen Teilen ergänzt und verdoppelt werden. Der Geist,
der aus den Traditionen dieser Art spricht, ist gänzlich abweichend von dem
der sonstigen Dichtungen der afrikanischen Kulturwelt und erinnert in vieler
Hinsicht an die magischen Dichtungen etwa eines Bogda-Gesser-Khan. Magische
Kräfte, gigantische Erscheinungen, gewaltige Recken und Riesinnen der
Vergangenheit spielen und wirken hier durcheinander, und nicht allzuselten
haben wir hier dann auch dem Typus nach eine Art von Dichtung, wie sie
uns Longfellow in seinem Hiawatha so vertraut gemacht hat. Also uraltes
Kulturleben in den Städten, und besonders in den älteren, seitwärts der
großen Wanderstraßen gelegenen Gebieten finden wir Gründungen, welche
weit zurückreichen über die islamitische Periode.
Der letzte Teil des Vortrags beschäftigte sich mit einigen Resultaten
dieser Studien. Die allgemeine Aufgabe der Expedition lief dahin aus,
wesentliche Beiträge zu liefern zur Typenkunde der Ethnographie Afrikas.
Nebenher wurden aber auch andere Institutionen für solche Tätigkeit interessiert
und in einer großen Menge von Fragebogen, die von Regierungswegen in
französischen und englischen Kolonien verteilt worden sind, wurde schon
eine Mitarbeiterschaft von etwa 500 Kennern Westafrikas gewonnen. Aul
dieser breiten Basis nun, die mehr bietet als die einfache ethnische Profil-
konstruktion einer einzelnen Reise, erhebt sich das Studium der Expedition.
Die Verschiedenartigkeit der Geräte, Industrien und Gebräuche wird in die
Karten eingetragen. Es ergeben sich bestimmte Räume als bedeckt von
Eigentümlichkeiten der verschiedenen Kulturen : Wir erkennen die Wanderungs-
Tendenz verschiedener wesentlicher Merkmale, ihre Mischung und Umbildung,
und auf dieser Basis nun bemühen wir uns, die geschichtlichen Vorgänge und
Beziehungen zu Ländern innerhalb und außerhalb des Erdteiles zu erkennen.
Eines der wesentlichsten Momente ergab schon früher die nähere Er-
forschung bestimmter westafrikanischer Provinzen, deren Kulturgehalt mit
demjenigen Indiens und Ozeaniens absolut übereinstimmt. Nunmehr haben
wir aber im Laufe der Zeit, und zwar seit 1906, also nach dem Abschloß
der ersten Reiseperiode, die Beobachtung gemacht, daß sehr wesentliche
Kulturgüter auch von Norden nach Westafrika bis hinauf zu den Kongo-
und Kassai-Quellen hingewandert sind. Die Verbreitung wird demnächst in
einem Ergänzungshefte zu „Petermanns-Mitteilungen" graphisch dargestellt
erscheinen und bietet ein geradezu verblüffendes Bild. Im Norden haben wir
Reste erhalten in dem Atlas, dann isulare Vorkommnisse in der Sahara, wesent-
liche Bestandteile im Nigerbogen und dann den Ausläufer über Benin bis zu
den Kongo- Völkern, deren vorgeschrittene Kultur, besonders ihre Schnitzerei-
kultur durch den Vortragenden näher seiner Zeit erforscht wurden. Der Name
Benin ist durch die Engländer berühmt geworden, als vor einigen Jahren der
gewaltige Bronzeschmuck, die Bruchstücke verschwundener Königsgröße, ent-
deckt und mitgebracht wurde. Die Übereinstimmung dieser Benin-Kultur mit
den Bakuba konnte der Redner schon früher nachweisen und ihre Besiehungen
6»
— 84 —
nach dem Norden andeuten. (Zeitschrift für Ethnologie 1907, S. 330 ff.),
Jetzt sind noch weitere Funde gelungen, und der Beleg ist erbracht, daß
diese Kultur als eine atlantische aus dem Mittelmeergebiet stammt, daß sie
zum Teil wohl noch bei den zurückgezogenen Stämmen des Atlas in reichen
Spuren erhalten ist, daß sie einen Zusammenhang repräsentiert mit west-
europäischem alten Besitz, daß in der Ornamentik von den Kelten bis herab
zu den Bakuba eine einzige Linie sich hinzieht.
Dieser Erfolg darf als einer der wichtigsten Ergebnisse der Afrika-
Kunde bezeichnet werden. Die Identifizierung westafrikanischer Kultur mit
den Darstellungen eines alten Solon über Kulturpracht in .Atlantis", in
Westafrika, wird im Laufe der Zeit zu erbringen sein. Es gilt noch einige
Bindeglieder zu finden.
Zu diesem Zwecke begab sich der Redner unmittelbar nach seinem
Vortrage in unserem Verein auf einige Zeit zu vorbereitenden Studien an
den Nordrand der Sahara, von wo er im Frühjahr wieder nach Berlin zurück-
kehrte und gegenwärtig die nächste große Reise vorbereitet.
Es gibt in Westafrika noch ein Land, welches die wunderbarsten
Qöttergcstalten in großartiger Weise und Mythologie vorführt, ein Land,
in dem alte Steintechnik heimisch ist, in dem die Bronze noch eine große
Rolle spielt, und in dem die Ruinen alter Städte unter dem Schutt der
Jetztzeit lagern. Dies Gebiet aufzufinden, ist der Zweck der nächsten Reise.
Mittwoch, den 9. Februar 1910.
Herr Dr. Marc Aurel Stein-Oxford: Geographische
und archäologische Forschungsreisen in Zentralasien 1906
bis 1908. (Lichtbilder.)
Aufbrechend von der Nordwest-Qrenzprovinz Indiens, wo der Herr
Vortragende vor Beginn seiner im Auftrage der britisch-indischen Regierung
unternommenen Reise im Dienste des Indian Archaeological Department tätig
gewesen war, zog er durch die Alpentäler von Dir, Chitral und Mastuj über
die Hindukushkette in das Oxustal und zu den afghanischen Pamirs.
Von dort folgte Dr. Stein über Sarikol der Route Marco Polos und der alten
chinesischen Pilger nach Kashgar und erreichte Anfang August 1906 die
Oase von Khotan im Süden der großen Taklamakanwüste, die ihm bereits in
den Jahren 1900—1901 als Basis für ergebnisreiche archäologische Expeditionen
gedient hatte. Dr. Stein widmete die restlichen Sommermonate der topo-
graphischen Aufnahme der von großen Gletschern gekrönten Hauptkette des
Kun-lun südlich von Khotan und begann darauf seine archäologische Campagne
mit Ausgrabungen an alten Stätten dem Wüstenrand entlang östlich gegen
Keriya und Charchan, die infolge von Desikkation vom Flugsand verschüttet
worden waren. Sie lieferten reiche Ausbeute an Relief Skulpturen , Holz-
schnitzereien, Fresken, alle Beweis ablegend vom Einfluß der nach Zentral-
Asien verpflanzten griechisch -buddhistischen Kunst. Auch Dokumente und
Korrespondenzstücke auf Holz, meist in alt-indischer und chinesischer Schrift,
zurückreichend bis aufs 3. nachchristliche Jahrhundert, kamen in großer Zahl
ans Licht
— 86 —
Im Dezember 1906 zog Dr. Stein durch die wasserlose Wüste nördlich
vom Lop-nor zu den Rainen einer seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. verlassenen
Kolonie an der alten Karawanenstraße, die während der Han-periode dem
Verkehr aus dem Innern China ins Tarimbecken und nach Westen gedient
hatte und seither durch Desikkation unzugänglich geworden war. Reichliche
Funde an Dokumenten und Resten der Kunstindustrie belohnten die Grabungen
au! dieser, durch den völligen Mangel an Wasser und durch das halbarktische
Winterklima überaus erschwerten Wüstenexpedition. Dann folgten Aus-
grabungen an der Stätte von Mi ran in der Wüste südlich vom Lop-nor,
wo Schriftdenkmäler aus der Zeit tibetanischer Okkupation und schöne
Überreste graeco-buddhistischer Kunst aus einer weit früheren Periode in
großer Zahl ans Licht kamen. Ein Zug auf dem erst vor kurzem wieder
entdeckten ca. 650 Kilometer langen Wüstenweg ostwärts nach China, dem
einst Marco Polo gefolgt war, brachte Stein zu Anfang des Frühjahrs 1907
zu den Überresten eines durch verfallenen Wall und Wachttürme markirten
antiken Limes, der einst zur Deckung des südlich vom Su-lo-ho - Fluß
gelegenen für die Chinesen strategisch wichtigen Gebiets gedient hatte. Er
erwies sich durch Funde an Dokumenten auf Holz und Bambu als vom Ende
des 2. Jahrhunderts vor Chr. stammend und bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts
nach Chr. besetzt. Das überaus trockene Wüstenklima war der Erhaltung
von Antiquitäten an dieser alten befestigten Grenzlinie besonders günstig
gewesen, erschwerte aber gar sehr die archäologische Durchforschung der-
selben. Sie lieferte reichliche Ausbeute an chinesischen und anderen Schrift-
stücken, an von den Besatzungsposten einst zurückgelassenen Objekten aller
Art etc. Die bis in den Mai 1907 fortgesetzte Untersuchung des an 240
Kilometer langen westlichen Endteils dieses durch die Wüste geführten
Grenzwalles ergab auch geographisch wichtige Resultate.
Der Vortragende wandte sich dann zu den als „Hallen der Tausend
Buddhas" bekannten Gruppen buddhistischer Tempelgrotten, die sich an den
Wänden eines öden Felstals südöstlich von der Oase von Tun-huang oder
Sha-chou hinziehen. Außer der Aufnahme der sehr zahlreichen aus der Tang-
Periode (7—9. Jahrb. n. Chr.) stammenden großen Fresken und Stuckskulpturen
gelang Stein hier die Durchsuchung eines wenig Jahre früher zufällig in einer
Grotte entdeckten Schatzes an alten Handschriften, Malereien auf Seide und
anderen Kunstresten, der dort bald nach dem Jahr 1000 n. Chr. vermauert
worden war. Nach Überwindung von bedeutenden Schwierigkeiten hatte Stein
die Befriedigung, aus diesem großen Depot an zwanzig Kisten voll meist sehr
gut erhaltener HSS. in Chinesisch, Tibetanisch, Sanskrit, Alt-türkisch und in
einer Zahl anderer Sprachen, bis ins 3. Jahrb. n. Chr. hinaufreichend, und
dazu Hunderte an schönen buddhistischen Malereien, Stickereien etc. für
seine Sammlung zu sichern.
Nach weiteren archäologischen Forschungen widmete er die Sommer-
monate von 1907 topographischen Arbeiten in den hohen und zum Teil
noch unerforscht gebliebenen Gebirgsketten des westlichen und zentralen
Nan-shan, wo es ihm bis September gelang mit Hülfe seines indischen Topo-
graphen ein Gebiet von ca. 62000 Quadratkilometer kartographisch und
zum Teil in photographischen Panoramen aufzunehmen. Dann zog er auf
— 86 —
der Jetzt begangenen Hauptkarawanenstraße von Kan-chon ans wieder an
2000 Kilometer nordwestlich, um im Dezember eine zweite archäologische
Winterkampagne im Tarim-Becken zu beginnen. Die Aosgrabangen alter
Rainenstätten um Kara-shahr lieferte eine Menge schöner buddhistischer
Skulpturen in Stuck und Holz, sowie Fresken. Nach Untersuchung eines
bisher unbekannt gebliebenen Wüstengebiets im Norden des Tarim durchquerte
Stein die große Taklamakan- Wüste nach Süden. Erst nach vierzehntägigem
infolge des Mangels an Wasser gefährlichem Marsche durch hohe Dünen
erreichte die Karawane im Februar 1908 das erstorbene Delta, wo der seit
Dr. Hedins Reise in 1896 verschobene Endlauf des Keriyaflusses im Sande
Tersiegt.
Die folgenden Monate waren Ausgrabungen an verschiedenen früher
unerforscht gebliebenen alten Stätten in der Wüste nördlich von der Keriya-
Khotan-Linie gewidmet. Dann folgte ein auch an archäologischen Fanden
ergiebiger Zug dem trockenen Bette des Khotanflusses entlang nordwärts
nach Aksu und durch die niedrigen Wüstengebirge von Kelpin, bis die
Sommersglut den Forscher zur Rückkehr nach Khotan zwang. Nach sorg-
fältiger Verpackung der fünfzig Kamellasten von Antiquitäten für den langen
und schwierigen Transport nach Indien brach er ins hohe Kun-lun Gebirge
nach Südosten auf, um das vorher völlig unbekannt gebliebene Gletscher-
quellgebiet des Yurung-kash oder Khotan-Stromes zu erforschen. Es gelang
ihm trotz großer Hindemisse in jene fast unzugängliche Bergwelt von engen
tief eingeschnittenen Schluchten und vereisten Gebirgskämmen bis über 7000 m
Seehöhe einzudringen und später sich einen Weg über die nordwestlichsten
hohen Plateaus Tibets zum Quellgebiet des Karakash - Flusses zu bahnen.
Beim letzten Aufstieg zur gletscherbcdeckten Wasserscheide, der zum Ab-
schluß der topographischen Aufnahmen nötig war, erfroren Stein auf zirka
6100 m Seehöhe die Zehen des rechten Fußes am 22. September 1908. Drei
Wochen brauchte er dann, bis er, über die hohen Karakoram-Pässe getragen,
ärztliche Hülfe in Ladak erreichte. Die erste Ordnung der in 100 Kisten
zurückgebrachten archäologischen Funde und die Ausarbeitung eines Be-
richtes über die wissenschaftlichen Resultate wird Stein bis Ende 1911 in
England beschäftigen.
(Der Vortrag ist in erweiterter Fassung abgedruckt in den Mittei-
lungen der kais. königl. geographischen Gesellschaft in Wien, Band 52, Heft
7 und 8. Wien 1909.)
Mittwoch, den 16. Februar 1910.
Herr Prosper M ü 1 1 e n d o r f f - K ö 1 n a. Rh. : Tom Indischen
Ozean zum Yictoria-Nyausa. (Lichtbilder.)
Nach einer kurzen Schilderung des Hafenplatzes Mombassa mit seiner
arabisch-indischen Mischkultur hob der Vortragende bei der Fahrt auf der
Ugandabahn den Unterschied zwischen dem Tiefland und der Steppe hervor.
Die Eisenbahnwerkstätten von Nairobi gaben ihm Anlaß zu einem Vergleich
zwischen deutscher und englischer Verwaltungsmethode in Ostafrika: Was
die Staatsverwaltung in Britisch-Ostaf rika hier geleistet hat» dazu ist in Deutaoh-
— 87 —
Ostafrika die Priyattätigkeit — yerireten durch die Banfinna Holsmaim Sl Co.
und die Eisenbahngesellschaft — ebenfalls im Stande; dagegen fehlt es der
deutschen Kolonie an einer fest gegliederten, über das ganze Land yerteilten
Verwaltung für die allgemeinen öffentlichen Arbeiten, wie diejenige, die in
Nairobi ihren Sitz hat.
Beim Überschreiten des „afrikanischen Qrabenrandes'^, an dem die
Siedlungstätigkeit begonnen hat, erwähnte der Redner die namhaften
Erfolge des Ackerbaus und der Viehzucht; bei letzterer kann für die
Gebirgsinseln und Hochsteppen Deutsch - Ostafrikas namentlich die Woll-
schafszucht vorbildlich werden. Das Auftreten der Kikuyu und der Kawi-
rondo gab ihm Gelegenheit, auf die unterschiede in den Eingeborenen-
rassen hinzuweisen und die in diesen Strichen noch übliche urtümliche,
fliegende Kulturart der Eingeborenen zu kennzeichnen, um im weiteren
Verlauf des Vortrags die gehobene Wirtschaft wie auch den besseren Haus-
bau der Baganda, der Eingeborenen und eingewanderten Herrenrasse im
Hinterlande von Bukoba, und der Wassukuma in der Gegend yon Muansa
zu kennzeichnen.
Nacheinander schildert er die Plätze Djinja am Ausfluß des Nils aus
dem Victoriasee, Entebbe, den Sitz der Kolonialverwaltung Ugandas und die
deutsche Station Bukoba, um längere Zeit bei der Beschreibung eines Festes
beim Sultan Mutahangarua von Kisiba zu verweilen, wo er gleichzeitig
Anfänge von Pflanzungen nach europäischem Muster (Kautschuk, Kaffee) und
beim Kriegstanz der Massen die volle ursprüngliche afrikanische Wildheit
beobachten konnte, mit der man in Bukoba und erst recht weiter westlich
in Ruanda rechnen muß. Muansa gab Gelegenheit, die Fragen der Handels-
wirtschaft zu berühren, die sich auf die Sammeltätigkeit (Häute, Wachs) und
den Ackerbau der Wassukuma (Erdnüsse, Reis) begründen, und die Notwen-
digkeit einer Bahnverbindung von Tabora nach Muansa zu betonen, die
einerseits den Norden der deutschen Kolonie unabhängiger von Uganda machen,
anderseits den Wassukuma und Wanyamwesi die Möglichkeit eines erhöhten
Ackerbaues geben würde, dessen Erzeugnisse über Tabora ohne Umladung
nach Daressalam an die Küste gelangen würden.
Zum Schluß berührte der Redner den Kampf gegen die Schlafkrankheit,
der auf deutscher wie auf britischer Seite nachdrücklich geführt, durch
sanitätspolizeiliche Maßregeln vielen Tausenden das Leben gerettet hat, aber
noch lange nicht zu Ende ist.
Seine häufigen Vergleiche zwischen Britisch- und Deutsch-Ostafrika
liefen dabin aus, daß auf beiden Seiten gut gearbeitet wird, wenn auch im
Einzelnen verschieden gut. Die Pflanzertätigkeit im deutschen Küsten-
strich und Tiefland fand er viel weiter gefördert als im britischen, die
Anlage der Städte und Marktplätze auf deutschem Boden zweckmäßiger,
dagegen das Wegenetz im britischen Uganda besser entwickelt; auch er-
wähnte er die sachgerechtere Einrichtung der Justiz in den beiden bri-
tischen Kolonien.
(Vergl. des Redners inzwischen erschienenes Werk: Ost- Afrika im
Aufstieg. Essen, G. D. Baedeker, 1910.)
— 88 —
Mittwoch, den 23. Februar 1910.
Herr Professor Dr. Georg Greim-Darmstadt: Neuere
Ansichten Aber den Anfban der Alpen. (Lichtbilder.)
Der tektonische Bau der Alpen hat sich viel komplizierter herausgestellt,
als man ursprünglich glaubte. Den Aufbau im großen hatte man bald er-
kannt und festgestellt, daß im allgemeinen eine Zone krystalliner Gesteine
in der Mitte des Alpenbogens vorhanden ist, die auf der Nord- und Südseite
von Kalkzonen eingeschlossen wird. Genauere Untersuchungen führten jedoch
bald zur Einsicht, daß die Kalkzone im Süden zu einem großen Teil fehlt
und da, wo sie überhaupt vorhanden, mit der nördlichen nicht geologisch
gleichwertig ist. Die in großer Zahl vorhandenen Faltungen und Biegungen
der Gesteinsschichten führten dann zur Auffassung der Alpen als Faltengebirg.
Das Studium des Zusammenhangs zwischen innerem Bau und äußerer Form
wird jedoch bei den Alpen durch die sehr verwickelten Lagerungsverhältnisse
und nachträgliche Veränderungen bedeutend erschwert, deshalb ist es
praktischer, zur Erläuterung der Grundbegriffe, die bei der Faltung von
Gesteinsschichten in Betracht kommen, die Verhältnisse an einem einfacher
gebauten Faltengebirg, dem Schweizer Jura, zu Hilfe zu nehmen. Hier lassen
sich Faltensättel und Mulden, stehende und liegende Falten und alle ihre
Übergänge und Abarten bis zur vollständigen Zerreißung der Falte und
Überschiebung des einen Teils klar erkennen. Auch in den Alpen, besonders
den Weätalpen, finden sich viele Stellen, wo die Gesteine deutlich gefaltet
und die Falten z. T. auch überschoben sind, die also die Beweise für die
Natur der Alpen als Faltengebirge liefern. Eine Anzahl Erscheinungen aus
den Alpen lassen sich jedoch aus den einfachen Faltungsvorgängen nicht
erklären und bereiteten deshalb den Geologen große Schwierigkeiten. Dahin
gehören vor allem die sogenannten „Klippen", eigentümliche Kalkberge aus
älteren Gesteinen, die auf jüngerem Gestein der vorderen Alpenketten
„wurzellos" aufsitzen, „schwimmen", wie an tiefen Aufschlüssen nachgewiesen
werden konnte. Sie erschienen auch in Hinsicht auf die Beschaffenheit ihres
Gesteins und die in ihnen enthaltenen Versteinerungen als fremde Gebilde
für die Gegend, wo sie sich befinden. Ahnliche sogenannte , Faziesunter-
schiede" zeigen auch die Nagelfluh der Schweizer Vorketten und die Gesteine
der Voralpen zwischen Thuner See und Arve, was sich an diesem Platz durch
einen vollständig andern Charakter der Bergformen äußert, als ihn die um-
liegenden Gruppen besitzen. Hier entstand denn auch die neue Auffassung,
alle diese fremden Gebilde für Bestandteile von großen Gesteinsdecken anzu-
sehen, die nach Norden überschoben wurden und dadurch auf jüngere Gesteine
in vollständig fremder Gegend zu liegen kamen, auf denen sie fem von ihrem
ürsprungsort „wurzellos" schwimmen. Durch diese Theorie der Überschiebungs-
decken werden aber auch an andern Stellen die seither vorhandenen Schwierig-
keiten beseitigt und eine leichtere Erklärung ermöglicht. Das ist vor allem
im Gebiet der sogenannten Glamer Doppelfalte der Fall, wo man seither
die tatsächlichen Befunde durch gegeneinandergerichtetc von Norden und von
Süden ausgehende Faltungen zu erklären suchte. Die theoretischen Schwierig-
keiten lösen sich leichter nach der Deckentheorie, die das Ganze durch Ton
— 89 —
Süden überschobene Decken entstanden ansieht. Man unterscheidet heute vier
solcher Gesteinsdecken in den Alpen, die helvetische, lepontische, ostalpine
und südalpine, die sich in dieser Reihenfolge ursprünglich in nordsüdlicher
Richtung nebeneinander befanden und bildeten und dann nach Norden über^
einandergeschoben wurden. Unter den überlagernden Decken sehen manch-
mal in tiefen Aufschlüssen die tieferlagernden Decken heraus, es sind dies
die sogenannten „Fenster", die der Anfang der Zerschneidung der über-
lagernden Decke sind, in deren Fortschreiten die Decken allmählich einzelne
größere Partien und zuletzt in Klippen sich auflösen. Die Bildung und
Überschiebung der Decken bildet natürlich nur eine Phase in der geologischen
Geschichte der Alpen, die gerade deshalb so schwer zu enträtseln ist, weil
sich die verschiedenen Faltungsprozesse, denen sie im Laufe der geologischen
Zeiten unterworfen waren, gegenseitig durchsetzten und ihre Resultate
komplizierten, vermischten und zerstörten.
Mittwoch, den 2. März 1910.
Herr Hofrat Dr. Bernhard Hagen-Frankfurt a. M.:
Über die Beyölkerunf^ der Philippinen. (Lichtbilder.)
Die Inselgruppe der Philippinen besteht in der Hauptsache aus zwei
großen Inseln, einer nördlichen, Luzon, und einer südlichen, Mindanao,
zwischen denen eine Anzahl kleinerer liegen : Mindere, Panay, Samar, Negros,
Cebu u. a., im Ganzen etwa 3000. Zwei Inselbrücken führen hinüber nach der Insel
Bomeo ; eine nördliche, welche hauptsächlich durch die langgestreckte Insel Pala-
wan, und eine südliche, welche durch die Sulu- oder Jolo-Inseln gebildet wird.
Der geologische Bau der ganzen Gruppe schließt sich eng an den-
jenigen von Borneo und Celebes an. Zahlreiche Gebirgszüge, meist ans
krystallinen Schiefem bestehend und nach Süden fächerförmig auseinander-
laufend, durchziehen die Hauptinseln, begleitet von zwei Reihen z. T. heute
noch tätiger Vulkane, die bis zu 8200 m Höhe sich erheben mit Hochgebirgs-
Charakter (Koniferen etc.). Die Fauna ist arm und zeigt namentlich in der
Vogelwelt eine deutliche Mittelstellung zwischen dem malayischen und dem
papuanischen Faunengebiet.
Im Jahre 1521 durch Magelhaens entdeckt, sind die Philippinen seit
1571 stets in spanischem Besitz gewesen; die Küstenbevölkerung ist darum
vollständig christianisiert d. h. katholisiert. Auch von Rassenreinheit kann
bei ihr keine Rede mehr sein, da seit langen Jahrhunderten zu viele fremde
Elemente zersetzend auf sie eingewirkt haben.
Außer den bereits genannten Spaniern waren es vor allem die Chinesen,
dann aber auch Indier, Malayen, Japaner usw. So sind z. B. 80 Prozent der Be-
völkerung Manilas, der Hauptstadt, Mischlinge, und von der ganzen etwas über
7*/» Millionen betragenden Eingebomen-Bevölkerung sind ca. 7 Millionen mit
fremden Elementen gemischt und bereits vollständig zivilisiert. Sie zerfallen
in eine Unmenge kleiner und kleinster Völkerschaften. Nirgends im malayischen
Archipel ist die Zersplitterung so groß, wie auf den Philippinen. Man zählt
nahezu 60 einzelne Volksstämme, die sich aber gut auf vier Hauptgruppen
zurückführen lassen.
— 90 —
Die erste Gruppe umfaßt die gesamten Küsten-Mischvölker der Tagalen,
Visayas oder Bisayas, Docanos, Bicol, Cagayan und wie sie alle heißen
mögen. Die wichtigsten sind die Tagalen und die Bisayas.
Die Tagalen oder Tagalog, welche am häufigsten mit den fremden
Binwanderem in Berührung gekommen sind und deren Sprache merkwürdig
viele Hindu-Bestandteile enthalten soll, bewohnen hauptsächlich die mittleren
Teile der nördlichen Hauptinsel Luzon und bilden auch die Hauptbevölkemng
der Stadt Manila, während die Bisayas vorwiegend die Inseln Samar, Panay,
Gebu, die Südküste von Mindoro und die Nord- und Ostküste von Mindanao
bewohnen.
Tagalen und Bisayas nebst ihren zahlreichen Mischlingen aller Schattie-
rungen bilden zusammen mit den ebenfalls stark gemischten Nachkommen
der eingewanderten Spanier den Hauptbestandteil der sogenannten Filipinos.
Sie sind das wirtschaftlich wichtigste Element.
Gehen wir von der Küste ins Innere der großen Inseln, so finden wir,
daß die Zivilisation sehr schnell abnimmt. Trotz der jahrhundertelangen
Okkupation ist der europäische resp. spanische Einfluß nie sehr weit ins
Binnenland vorgedrungen und wir finden dort noch zwei scharf voneinander
geschiedene Gruppen von verhältnismäßig reinen und unberührten Naturvölkern.
Die eine Gruppe sind die Igoroten und ihre Verwandten: Ilongoten.
Silipanen, Tingianen, Bukidnon etc. Es sind ausgesprochene Bergvölker, die
den ganzen nördlichen Teil der zentralen Gebirgsstrecken von Luzon be-
wohnen. Sie stellen einen primitiven Ur-Malayenstamm dar, sehr nahe ver-
wandt mit den Dajak auf Bomeo und den Batak auf Sumatra und ungefähr
auf gleicher Kulturstufe mit diesen. Man kann mit großer Wahrscheinlichkeit
annehmen, daß sie den Grundstock abgegeben haben, aus welchem sich an
der Küste infolge Zutritts der fremden Einwanderung die verschiedenen
oben erwähnten Küsten-Mischvölker herausgebildet haben.
Die Igoroten sind noch „Heiden" mit Scelenglauben und Ahnenkultus,
leben in unauflöslicher Monogamie und besitzen einen hochentwickelten
Acker-(Reis-)bau mit ausgedehnten künstlichen Bewässerungsanlagen und eine
gut entwickelte Industrie (Weberei, Töpferei, Eisenschmiede). Wie die Batak
auf Sumatra wohnen sie in Pfahlbauhäusern in geschlossenen Dörfern. Eine
zusammenfassende größere Staatsgewalt fehlt, jedes Dorf steht auf sich selbst.
Sie sind ein kriegerisches, streitlustiges Volk. Ihre Waffen sind Lanzen und
eigentümlich geformte Äxte, die aber auch friedlichen Zwecken dienen, sowie
Hiebmesser, letztere jedoch weniger häufig. Ein hölzerner mehrspitziger
Schild vervollständigt die kriegerische Ausrüstung.
Sie sind noch Kopfjäger schlimmster Sorte. Wohl neun Zehntel aller
Männer tragen auf ihrer Brust eintätowiert das Emblem, Welches sie als
siegreiche Erbeuter eines menschlichen Kopfes kennzeichnet. Anlaß zum
Unternehmen eines Kopfjagdzuges findet sich stets ; jeder Todesfall z. B. muß
mit dem Kopf eines armen, harmlosen Wanderers gesühnt werden. So viel
Finger der Verstorbene im Todeskrampf ausgestreckt hat, so viel Köpfe
müssen erbeutet werden. Die Rückkehr einer Kopfjägerbande wird mit großen
Festlichkeiten und Tänzen gefeiert, wobei manchmal das Blut und Hirn der
erbeuteten Köpfe mit Palmwein vermischt getrunken wird.
— 91 ~
Auch die den Igoroten benachbarten üongoten sind leidenschaftliche
Kopfjäger, die Tingaianen, ihre südlichen Nachbarn, und die Bukidnon jedoch
nicht. Das sind friedfertige« wenig kriegerische Völklein, die im Gegensatz
zu den vorigen keine festen Wohnsitze haben, sondern in ihrem Gebiete
herumnomadisieren und die Kopfjagd verabscheuen.
Hierher gehören auch die Manguianen auf der Insel Mindoro, die es
sogar schon zu einer eigenen Schrift gebracht haben.
Auf der Insel Mindanao wohnen die ebenfalls der Ur-Malayen-Gruppe
zuzuzählenden Manobo und Bagobo. Bei ihnen herrscht noch eine Art ab-
gemilderter Menschenfresserei in der Weise, daß einer der gelegentlich eines
Kriegszugs gemachten Gefangenen nach glücklicher Heimkehr gewissermaßen
als Dank dem Kriegsgott Tagbusan geopfert wird, wobei der Häuptling-
Priester das Recht und die Pflicht hat, aus dem Leichnam des getöteten
Feindes ein Stück Herz oder Leber herauszureißen und zu verzehren. Dem
gemeinen Volk ist diese Art Menschenfresserei jedoch nicht mehr gestattet.
Wir sehen also hier den Kannibalismus im Aussterben und nur noch als
priesterliche Funktion teilweise erhalten.
Die andere Gruppe von Urstämmen, die dritte der ganzen Reihe und
vielleicht die älteste von allen, sind die Negritos, eine von den ürmalayen
verschiedene, an die Neger oder Papua erinnernde kleine dunkelhäutige und
kraushaarige Menschenform, die bei den Europäern und Filipinos unter ver-
schiedenen Namen bekannt ist : Aöta, Aita, Baluga, Dumagat, Mamanua etc.
Sie leben heute, in kleine Reste zerstreut und zersplittert, im ganzen
kaum 30 000 Köpfe stark, im Innern und sonstigen versteckten Winkeln der
einzelnen Inseln. Ihre Kulturstufe ist die niedrigste von allen; sie sind
nomadisierende Jäger und Nahrungssammler ohne festen Wohnsitz, fast ohne
Ackerbau, nur in allerprimitivsten Hütten oder besser gesagt : Windschirmen,
nächtigend. Irgendwelche größere soziale Verbände fehlen vollständig, sie
schwärmen immer nur in kleinen Horden unter Familienältesten als Ober-
haupt herum. Ein Hauptleckerbissen sind für sie Bienenlarven, die sie samt
den Waben und dem Honig zu einem Brei mit den Händen zerquetschen
und mit Behagen genießen.
Ihre Hauptwaife ist der bei den übrigen philippinischen Völkern sonst
unbekannte Bogen und Pfeil — letzterer manchmal vergiftet — , den beide
Geschlechter, die hier noch nicht so differenziert sind, wie auf den höheren
Kulturstufen, gleich gut zu handhaben wissen. Einzelne Horden gibt es
jedoch, die Bogen und Pfeil noch nicht kennen, sondern nur mit Speer und
Grabstock bewaffnet ihren jämmerlichen Kampf ums Dasein führen.
Auch bei ihnen herrscht die vielleicht von den Igoroten übernommene
Sitte, jeden Gestorbenen durch den Mord einer fremden Person zu rächen.
Metalle sind ihnen fast gänzlich unbekannt, ebenso fehlt ihnen beinahe
jegliche Industrie. Die ihnen nötigen diesbezüglichen Dinge tauschen sie
sich von den umgebenden höheren Stämmen ein.
Im allgemeinen sind sie sehr scheu und zurückhaltend und schließen
sich möglichst von allen Fremden ab. um unwillkommene ^Gäste von ihrem
Gebiet abzuhalten, legen sie öfters mit Blut beschmierte Pfeile und Bogen
als Warnung auf den Zugangswegen zu ihren Schlupfwinkeln nieder.
— 92 —
In welchem ZnsammenhaDg diese rätselhaften kleinen dunklen Yölkei
mit der übrigen Philippinenbevölkcrung stehen, ist ein noch ungelöstes anthro-
pologisches Kätsel. Ihre nächsten Verwandten befinden sich im Innern dei
Halbinsel Malakka und auf den Andamancn-Inseln.
Die vierte und letzte Gruppe der Philippinenbevölkerung endlich bildet
ein dieser Inselgruppe ursprünglich fremdes Element, nämlich die sogenanntem
Moros, welche auf der großen Südinsel Mindanao und der als Brücke nacli
Borneo hinüberführenden Sulu-Inselgruppe sitzen. Sie kamen wahrscheinlicl:
im Laufe der Zeiten von Borneo oder noch wahrscheinlicher von Gelebe«
herüber und sind richtige mohammedanische Malayen, die mit ihrer fremdes
Religion, dem Mohammedanismus, auch eine fremde Kultur gebracht haben,
welche sich hauptsächlich in der Herstellung prächtiger Metallarbeiten, be-
sonders Waffen, Helmen, Rüstungen u. dgl. betätigt. Die Moros sind eii
sehr kriegerisches Volk und die Seeräuber des Sulu-Archipels waren bis voi
kurzer Zeit im ganzen malayischen Archipel berüchtigt und gefürchtet.
Mittwoch, den 9. März 1910.
Dr. A. Berge r-Cassel: In Afrikas Wildkammern.
(Lichtbilder.)
Der Vortragende hat in den Jahren 1908/09 mit zwei Freunden eim
Forschungsreise durch Englisch Ost-Afrika, Uganda und die Lado-£nclav(
des Kongo-Staates unternommen.
Zweck der Reise war zoologische Sammlungen heimzubringen, einig(
zoogeographische Fragen zu lösen und Bilder von Tieren in Freiheit zu ge-
winnen. Hierbei wurde nur bei Tageslicht gearbeitet, und zwar kam es, wie dei
Redner hervorhob, ihm nicht darauf an, einzelne Tiere auf möglichst kurz(
Entfernung zu photographieren, sondern ganze Herden, wie sie in der Stepp<
und im Wald leben, in der für sie typischen Umgebung aufzunehmen, um aul
diese Weise einwandfreies biologisches Material zu schaffen, das für alh
Zeiten seinen Wert behält. Die fesselnden Ausführungen des Redners wurder
denn auch durch vortrefflich kolorierte Lichtbilder erläutert.
Die Reise ging von Mombasa mit der Uganda-Bahn nach Nairobi
Unterwegs sahen die Reisenden von der Bahn aus unzähliges Wild aller Art
Giraffen, Zebras, Hartebeeste, Gazellen etc. In Nairobi wurde die Ezpeditioi
zusammengestellt und nun begann der Marsch nach den Athi-Plains, den
Thika-Fluß und dem Tana. Hier gelang es eine große Anzahl Tiere an dei
Tränke auf die Platte zu bringen. Weiter führte der Weg nach Kikuju
Land, wo die Reisenden bei den Eingeborenen gastliche Aufnahme fanden
Eine Zeit lang wurden die Urwälder am Kenia durchstreift, dann zog mal
weiter nach dem Guaso Njiro, einem Fluß, der im Bogen den Kenia nördlicl
umkreist. Hier gibt es noch unzählige Giraffen. Der Vortragende traf ii
dieser Gegend eines Tages über 100 dieser riesigen Tiere in einem Rade
vereinigt, er zeigte auch ein Bild mit 4B Giraffen. Außer diesen sind di<
Nashörner besonders zahlreich, doch schienen sie nicht so angriffslustig zi
sein, wie sie von vielen anderen Reisenden beschrieben werden. Dr. Berge
machte eine Serie von Bildern von einem Nashorn, an das er ohne Decknnj
— 93 —
an! 30 Schritte herangegangen war, ohne daß das Tier ihn angenommen
hätte.
Weiter marschierte man über das Leikipiaplateaa nach dem Baringo-
Sec, wo sich noch die fast ausgestorbenen Kadn finden, nach dem Hannington-
Sec mit seinen nnzähligcn Flamingos, dem Solei-See mit dem vielen Wasser-
geflügel und Moskitos. In Ravine, einer englischen Station, wurde eine
Ruhepause gemacht, um weiter nach dem Guaso Ngisho zu ziehen. Unterwegs
führte ein Abstecher noch nach dem Elgeyo-Graben, den erst einmal Europäer
betreten hatten. Hier konnten merkwürdigerweise die Eingeborenen „jodeln",
genau wie die Tiroler.
Die außerordentlich wildreichen Gegenden der Guaso Ngisho boten für
den Zoologen viel Interessantes. In unzähligen Herden fanden sich Giraffen,
Wasserböcke, Hartebeeste, Zebra, Tobi, Riedböcke, Grasantilopen u. a. m.
Der Marsch führte am Ostabhange des dichtbewaldeten Mt-Elgon
entlang. Hier trafen die Reisenden sehr viel Elefanten; es gelang einige
Bilder von einzelnen dieser Tiere im Dickicht, sowie ganzer Herden auf der
Steppe aufzunehmen. Im Bogen wurde der gewaltige Bergstock des Mt-£lgon
umkreist, bei Jinja der Nil überschritten, und dann in Entebbe am Victoria-
See einige Tage Rast gemacht. Hier trafen die Reisenden ihre Vorbereitungen
für den letzten Teil der Expedition nach der Lado-Enclave.
Nach 9 Tagen wurde Butiaba am Albert-See erreicht, hier eine Dampf-
pinasse bestiegen, die in wenigen Tagen nach dem Orra Sumpf führte. Hier war
man nun im Lande des „weißen Nashorns", des seltensten jetzt lebenden
Tieres. In dieser Lado Enclave herrschte in den letzten Jahren die tollste
Anarchie. Die Wilddiebe schössen ganze Elefantenherden nieder, ohne daß
die Kongo-Regierung etwas dagegen getan hätte. So war natürlich auch
das riesige „weiße" oder „Breitmaulnashorn' sehr bedroht, und da bisher
noch kein Exemplar dieses wertvollen Tieres in Europa vorhanden war, so
war naturgemäß das Sinnen und Trachten der Reisenden auf dieses Tier
gerichtet, um wenigstens für die Wissenschaft noch ein Exemplar zu
retten, ehe es zu spät ist. Redner hatte das Glück ein derartiges Tier zu
erlegen, die Haut und den Schädel zu präparieren und nach Deutschland zu
zu bringen, wo er dieses seltene Stück dem Berliner Zoologischen Museum
zum Geschenk machte. Dort ist es jetzt kürzlich aufgestellt worden. Bisher
fehlte es auch an Bildern dieses Tieres, und so stellte sich Dr. Berger als
letzte Aufgabe seiner Reise, dieses Tier auch noch lebend zu photographieren.
Ganz unerwartet traf er plötzlich auf zwei ruhende Nashörner und konnte auch
diese im Bild festhalten.
Fast die sämtlichen reichhaltigen zoologischen Sammlungen der wohl-
gelungenen Expedition hat Dr. Berger dem Berliner Zoologischen Museum
überwiesen. Gesundheitlich hatte die Expedition nie zu leiden, obgleich sie
die wegen Malaria und Schlafkrankheit gefährlichsten Gegenden durchziehen
mußte.
(Inzwischen erschien das Werk des Herrn Vortragenden: In Afrikas
Wildkammem als Forscher und Jäger. Berlin. P. Parey. 1910.)
Geschäftliche Mitteilungen.
Bericht über die Tätigkeit des Vereins
in den Jahren 1908—09 nnd 1909—10.
(Abgeschlossen am 15. August 1910.)
Das bedeutsamste Ereignis aus den abgelaufenen Berichts-
jahren 1908—10 bildet die Ausrüstung, Entsendung und Durch-
führung einer wissenschaftlichen Vereins-Expedition. Seit ge-
raumer Zeit hatte sich der Vorstand mit dem Gedanken getragen,
das 75 jährige Vereins- Jubiläum, das im Dezember 1911 in be-
sonders feierlicher Weise begangen werden soll, durch eine
geographische Tat zu verherrlichen und den Mitgliedern des
Vereins die Ergebnisse einer im Auftrage und auf Kosten des
Vereins zu unternehmenden Expedition in Gestalt einer Fest-
schrift vorzulegen.
In diesem Sinne ernannte der Vorstand in seiner Sitzung
vom 15. Oktober 1908 zunächst eine Kommission, bestehend aus
den Herren Deckert, Ebrard, Hagen, Stern und Traut mit der
Aufgabe, die vorbereitenden Schritte in die Wege zu leiten, und
unterbreitete sodann, nachdem die Arbeiten dieser Kommission die
Billigung des Gesamtvorstandes gefunden hatten, der Mitglieder-
versammlung vom 19. Januar 1909 den Vorschlag, eine wissen-
schaftliche Expedition in den malayischenArchipel zwecks
näherer Erforschung des. einstigen Zusammenhangs der beiden
Erdteile Asien und Australien zu entsenden, der in einer früheren
Erdepoche durch eine feste Landbrücke gebildet wurde. Die
Trümmer dieser im Laufe der Jahrtausende eingesunkenen
Brücke bilden heute die Inseln des malayischen Archipels.
Deren UntersuchuDg in geographisch-geologischer Hinsicht durch
die Expedition sollte über die Art und Weise und die Zeit des
einstigen Zusammenhangs und womöglich auch des Zusammen-
bruchs Aufschluß bringen. Zugleich sollte aber auch die au£er-
7
— 98 —
ordentlich wichtige tiergeographische Frage über den Zusammen-
hang und die Vermischung der einzigartigen altertümlichen
Tierwelt Australiens mit der heutigen Tierwelt Asiens ihrer
Lösung nähergebracht und insbesondere die neuerdings viel be-
strittene sog. Wallace'sche Grenzlinie zwischen indischer und
australischer Fauna, welche zwischen den kleinen Sunda-Inseln
Bali, Lombok und nach Norden gehend die großen Sunda-Inseh
Borneo und Celebes voneinander trennt, auf ihre Richtigkeit
geprüft werden.
Zum Leiter dieser Expedition wurde Herr Dr. Johannes
Elbert aus Münster i. W. ausersehen, ein Forscher, der vor
einigen Jahreu bereits eine Reise nach den Sunda-Inseln als
Geologe und Geograph mit Erfolg durchgeführt hatte.
Mit lebhafter Befriedigung stimmte die Mitgliederversamm-
lung den Vorschlägen des Vorstandes sowohl was Zweck, Ziele
und Leiter der Expedition anlangte, als auch bezüglich des
sorgfältig aufgestellten Finanzierungsplanes einstimmig zu.
Auf Grund dieser Beschlüsse schloß der Vorstand mit
Herrn Dr. Elbert einen Vertrag ab, der die sämtlichen in Betracht
kommenden Fragen im einzelnen regelte, und am 11. März 1909
trat Herr Dr. Elbert begleitet von seiner jungen Gattin seine
Ausreise an.
Schon in der ordentlichen Mitgliederversammlung des vorigen
Jahres vom 20. Oktober 1909 war der Vorstand in der Lage,
über unsere Expedition hocherfreuliche Mitteilungen machen zu
können. Nachdem ihr dank der bereitwilligst gewährten
Empfehlungen der Deutschen Reichsregierung und der Egl.
Niederländischen Staatsregierung in ihrem Arbeitsgebiete seitens
Seiner Exzellenz des Herrn Generalgouverneurs von Nieder-
ländisch-Indien die liebenswürdigste Aufnahme und die weitest-
gehende Förderung durch Gewährung von Präparatoren,
Gouvernementsdampfern und militärischem Schutz zuteil ge-
worden war, hatte sie im Laufe des Sommers 1909 ihre erste
schwierige Aufgabe, die Besteigung und Untersuchung des nach
den Messungen Dr. Elberts 3605 m hohen, noch von keinem
wissenschaftlichen Reisenden bestiegenen Vulkans Rindjani auf
Lombok, sowie die genaue Erforschung dieser Insel durchgeführt.
Ferner waren die bisher noch so gut wie unerforschten südlich
von Celebes liegenden kleinen Inseln Muna, Boeton und Kabaäna,
— 99 -
sowie die Takangbessi-Inseln (letztere nur flüchtig) untersucht
und mehrfach durchquert worden.
Da sich für Dr. Elbert aus der Erforschung dieser Inseln
die Notwendigkeit einer Untersuchung des noch gänzlich unbe-
kannten Südostzipfels von Celebes ergab, trug er kein Bedenken,
diese Erweiterung des ursprünglichen Arbeitsprogramms trotz
der erheblichen Mehrkosten im Hinblick auf die zu erhoffenden
wissenschaftlichen Ergebnisse zu unternehmen, umsomehr als er
dadurch zugleich einem Wunsche der niederländischen Regierung
entsprach. Unter dem Schutze militärischer Bedeckung wurden
auf sehr beschwerlichen Märschen die Landschaften Rumbia,
Membulu und Mengkoka mit großem Erfolge durchquert und
diese Gebiete, welche von Wissenschaftlern überhaupt noch nicht
(Mengkoka nur von den Vettern Sarasin) besucht worden waren,
bei dieser Gelegenheit endgiltig der holländischen Regierung
unterworfen.
Nach Beendigung der Celebes-Expedition wurde die Unter-
suchung Sumbawas in Angriff genommen, wo die Expedition in
2Vs Monaten einen Weg von 650 km zurücklegte und das Land
nach allen Richtungen hin durchquerte.
Da das allgemeine Ergebnis der bisherigen geologischen
Untersuchungen mit großer Wahrscheinlichkeit auf einen ehe-
maligen Zusammenhang von Südost-Celebes sowohl mit der Insel
Wetar bezw. dem Timor- Archipel und Australien, wie auch auf
eine zweite Landbrücke über Bima auf Sumbawa mit den kleinen
Sunda-Inseln hinwies, so wurde dem Antrage Dr. Elberts statt-
gegeben, zur Gewinnung eines vollständigen und abgeschlossenen
geographisch-geologischen Bildes das Arbeitsfeld auch noch auf
die Inseln Flores und Wetar auszudehnen, trotz der z. Zt. auf
Flores herrschenden kriegerischen Verwicklungen und der feind-
seligen Haltung der wilden, noch dem Kannibalismus huldigenden
Bewohner von Wetar. Freilich erhöhte auch dieser Beschluß
die Expeditionskosten wieder sehr erheblich. Auch diese beiden
ohne jeden militärischen Schutz ausgeführten Expeditionen, sowie
ein kurzer Besuch auf Portugiesisch-Tiraor bestätigten vollauf
die auf Grund der bisherigen Ergebnisse gehegten Vermutungen.
Die Insel Flores wurde zweimal von Endeh aus durchkreuzt,
eine vollständige Durchquerung der Insel Wetar aber, auf der
die Expedition bis an den unbekannten Tihu-See vordrang, er-
7*
— 100 —
wies sich infolge der offenen Feindseligkeit der Eingeborenen,
welche die Expedition Hals über Kopf znr Umkehr zwang, als
unmöglich. Von Iliwacki, dem Hauptort an der Südküste Wetars,
traten Dr. Elbert und seine tapfere Gattin, die mit bewunderungs-
würdiger Kühnheit und Ausdauer die Expedition auf allen ihren
Zügen begleitet und ihr die wesentlichsten Dienste geleistet
hatte, die Heimreise an und trafen nach 14 monatlicher Ab-
wesenheit am 18. Mai wohlbehalten wieder in Frankfurt ein.
Die ganze Expedition machte als Assistent Dr. Elberts Herr Gurt
Gründler mit, den ersterer auf Bali als solchen engagiert hatte.
Es erübrigt sich, an dieser Stelle ausführlicher auf den
Verlauf und die bisher veröffentlichten wissenschaftlichen Er-
gebnisse der Expedition einzugehen ; wir verweisen auf die von
dem derzeitigen Vereinsvorsitzenden veröffentlichten schriftlichen
Berichte Dr. Elberts in Petermanns Mitteilungen, 56. Bd., No. VI,
sowie im ersten Morgenblatt No. 173 vom 25. Juni 1910 der
Frankfurter Zeitung.
Unsere Expedition ist also glücklich und erfolgreich und,
was bei der Feindseligkeit der Eingeborenen besonders wichtig
ist, ohne Verlust von Menschenleben und ohne jeden Unfall zu
Ende geführt, das wissenschaftliche Ergebnis — das läßt sich
jetzt schon beurteilen — ist hervorragend und die umfangreichen
Sammlungen, deren Sichtung und Bearbeitung bereits begonnen
hat, bedeuten eine wesentliche Bereicherung der in Betracht
kommenden wissenschaftlichen Institute unserer Stadt, für deren
Sammlungen sie bestimmt sind.
Freilich haben die gewonnenen Forschungsergebnisse,
welche im Verlaufe der Expedition eine zweimalige erhebliche
Erweiterung des ursprünglichen Programms bedingten, sehr be-
deutende Mehrkosten verursacht. Der Vorstand glaubte aber
bei der Wichtigkeit der sich eröffnenden wissenschaftlichen
Probleme auf halbem Wege nicht stehen bleiben zu dürfen, in
der sicheren Hoffnung, daß das Interesse unserer Mitglieder an
unserer Expedition auch ferner nicht erlahmen wird, daß die
freiwilligen Beiträge, welche im Verlaufe des letzten Jahres
bereits eine stattliche Höhe erreicht haben, uns auch weiterhin
zufließen und wir dadurch in den Stand gesetzt werden, das
reiche und vielseitige Material zu einer würdigen Festschrift
verarbeiten zu lassen. —
— 101 —
Im Vereinsvorstande nnd in der Ämterverteilnng
innerhalb desselben trat in den beiden abgelaufenen Geschäfts-
jahren insofern eine Veränderung ein, als der bisherige stellver-
tretende Vorsitzende Herr Hof rat Dr. Hagen das Amt des Vor-
sitzenden übernahm und Herr Geh. Justizrat Dr. von Harnier auf
seinen eigenen Wunsch dasjenige des Vorsitzenden mit dem des
stellvertretenden Vorsitzenden vertauschte ; Herr Amtsgerichtsrat
Dr. Fritsch wurde zum ersten Schriftführer gewählt; die
übrigen Vereinsämter blieben bei ihren seitherigen Trägern.
In den beiden Wintern 1908/09 und 1909/10 wurden
35 Vorträge gehalten, deren erster am 28. Oktober 1908 und
deren letzter am 9. März 1910 stattfand. Sind wir auch sämt-
lichen Rednern für ihre Ausführungen zu lebhaftem Danke ver-
pflichtet und hatten sich alle Vorträge zahlreichen Besuches zu
erfreuen, so gilt das doch vor allem von drei Abenden, die an
dieser Stelle besondere Hervorhebung verdienen und auf deren
Verlauf der Verein stolz sein darf.
Am 15. März 1909 hatten wir die Ehre, Seine Hoheit
Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg, welcher über die
von ihm geleitete Deutsche wissenschaftliche Zentral-Af rika -
Expedition 1907/1908 berichtete, bei uns begrüßen zu dürfen.
Entsprechend der Bedeutung des Vortrags hatten wir zu diesem
Festvortrage, der von uns gemeinsam mit der Deutschen Kolonial-
gesellschaft, Abteilung Frankfurt a. M., veranstaltet wurde, wobei
unserem Verein die Rolle des einladenden, gastgebenden Vereins
zufiel, an die Spitzen der staatlichen und städtischen Behörden,
sowie an die Vorstände der uns nahestehenden und befreundeten
Korporationen Einladungen ergehen lassen, welchen allseitig Folge
geleistet wurde. Auch Seine Hoheit Prinz Friedrich
KarlvonHessen und der Herr Oberpräsident unserer Provinz,
Exzellenz Hengstenberg, wohnten dem Vortrage bei.
Zu Beginn der Festsitzung, die im großen Saale des Kauf-
männischen Vereins stattfand und von etwa 2000 Personen be-
sucht war, begrüßte der Vorsitzende, Herr Hofrat Dr. H a g e n ,
den erlauchten Gast^ indem er der Freude Ausdruck gab, daß
es auch unserem Verein vergönnt sei, aus dem Munde Seiner
Hoheit selbt den Bericht über die Deutsche wissenschaftliche
Zentral-Afrika-Expedition zu hören, deren großartige Resultate
sie über ein deutsch-koloniales Unternehmen hinaus zu einer
— 102 —
wissenschaftlichen Tat von allgemeiner internationalen Bedeutung
erhoben hätten, auf die das Vaterland stolz sein dürfe. In An-
erkennung dieser wissenschaftlichen Bedeutung überreichte der
Vorsitzende sodann Seiner Hoheit die höchste Auszeichnung des
Vereins, die Rüppell-Medaille in Gold, womit die Ehrenmit-
gliedschaft unseres Vereins verbunden ist. Mit Worten warmen
Dankes nahm der Gefeierte die Auszeichnung an, indem er be-
sonders darauf hinwies, daß er diese Ehrung, wie die ihm von
anderen Gesellschaften bereits zuteil gewordenen Auszeich-
nungen, als das Haupt der Expedition im Namen der Mitglieder
annehme, in der Voraussetzung, daß diese Ehrung eine Anerkennung
der wissenschaftlichen Arbeiten bedeuten solle, welche seine
Begleiter unter seiner Führung hatten leisten können.
Nach dem Vortrage, der in großen Zügen einen Überblick
über die Ergebnisse der Expedition gab und durch zahlreiche
wundervolle Lichtbilder und kinematographische Vorführungen
erläutert wurde, versammelten sich etwa 120 Teilnehmer zu einem
gemeinsamen Festmahle im Frankfurter Hof, bei dem Herr
Dr. Hagen Seiner Hoheit nochmals den Dank des Vereins zum
Ausdruck brachte. Der Redner führte aus, daß die Deutsche
Zentral- Afrika-Expedition zu den bedeutendsten Forschungsreisen
auf afrikanischem Boden gehöre und so reiche wissenschaftliche
Ausbeute mit heimgebracht habe, daß diese zurzeit in Berlin eine
ganze Ausstellung fülle. Mit ihrer Bearbeitung würden zahlreiche
Spezialgelehrte Jahre lang zu tun haben und die Ergebnisse ihrer
Forschung ein viele Bände umfassendes Prachtwerk bilden. Herbei-
geführt sei dieser große Erfolg durch die kluge, zielbewußte und
umsichtige Leitung Seiner Hoheit, der es verstanden habe, jedem
seiner wissenschaftlichen Begleiter den richtigen Platz anzu-
weisen, ihn im geeigneten Augenblick in voller Aktionsfreiheit
seine eigenen Wege wandeln zu lassen und zur richtigen Zeit
zu gemeinsamer Arbeit wieder an sich zu ziehen. Besonderer
Dank aber gebühre Seiner Hoheit, daß er es als eine Ehren-
pflicht betrachte, dem deutschen Volke in Bild und Wort die
Ergebnisse dieser großen, wissenschaftlichen Expedition, zu der
auch einige Frankfurter Förderer ihr Scherflein beigetragen
hätten, selbst vorzuführen, und daß er auf unsere Bitte trotz
der Ungunst der Zeit und der Verhältnisse auch nach Frankfurt
gekommen sei.
- 108 —
Der zweite Abend des vorigen Vereinsjahres, der weit über
den gewöhnlichen Rahmen unserer Vortragsabende hinausragte,
galt Sven v. Hedin. Am 29. März 1909 hatten wir die Freude,
unseren hochgeehrten Freund zu einem Berichte ttber seine
neueste große Forschungsreise in Tibet 1906 — 1908 bei uns
begrüßen zu dürfen. Auch dieser Vortrag, der ebenfalls im
großen Saale des Kaufmännischen Vereins stattfand, trug das
Gepräge einer Festveranstaltung, die sich in ihrem Verlauf zu
einer Huldigung für den kühnen Forscher gestaltete. Auch ihm
widmete Herr Dr. Hagen herzliche Begrüßungsworte. An den
Festvortrag, der das zahlreiche, den großen Saal bis auf den
letzten Platz füllende Publikum zu begeisterten Beifallsäußerungen
hinriß, schloß sich ein gemeinsames Festmahl im Frankfurter
Hof an, das einen überaus stimmungsvollen Verlauf nahm, und
bei dem unser Ehrenmitglied Herr Geheimrat Dr. Ebrard in
begeisterten Worten die hervorragenden Forschereigenschaften
Hedins als eines echten Schülers Richthofens feierte und warme
Worte für seine persönlichen Vorzüge fand, die dem Forscher
allseitige Sympathien eingetragen hätten. In bewegten Worten
dankte der Begrüßte für den großartigen Empfang in Frankfurt
und die gastliche Aufnahme, die er bei uns gefunden. So oft
er hierher komme, habe er das Gefühl, unter alten guten
Freunden zu weilen. Auch andere Reden legten an diesem
Abend Zeugnis ab für das herzliche Verhältnis, das zwischen
Hedin und der Frankfurter Geographischen Gesellschaft besteht.
Einen ebenso würdigen Verlauf nahm endlich auch die
Festveranstaltung zu Ehren des Leiters der Englischen Sttdpolar-
Expedition Sir Ernest H. Shackleton, der am 20. Januar 1910
einer Einladung des Vorstandes zu einem Vortrage in unserer
Gesellschaft gefolgt war. Wiederum versammelte sich ein äußerst
zahlreiches Vereinspublikum in demselben Saale zu diesem Vortrage,
dem auch Ihre Kgl. Hoheiten Kronprinz und Kronprin-
zessin von Griechenland und Landgraf von Hessen bei-
wohnten. Der Festsitzung, welche mit Rücksicht auf einen öffent-
lichen Vortrag SirErnests an demselben Abend bereits nachmittags
4 Uhr stattfand, war ein gemeinsames Frühstück im Frankfurter
Hof voraufgegangen, bei welchem Herr Generalsekretär Dr. Traut
den kühnen Forscher herzlich willkommen hieß. In seiner Be-
grüßungsansprache faßte er die wesentlichen Züge und Resultate
— 104 —
der Expedition zusammen und hob besonders die uneingeschränkte
Anerkennung hervor, welche Shackleton und seine kühnen Be-
gleiter auch seitens aller Fachgenossen gefunden hätten. Sir
Ernest dankte hierauf in humorvollen Worten. Vor Beginn der
Festsitzung widmete sodann auch der Vorsitzende Herr Hofrat
Dr. Hagen dem berühmten Gast warme Begrüßungsworte. Auch
er wies hin auf die großen Resultate dieser denkwürdigen Ex-
pedition und zollte, nachdem er die Möglichkeiten angedeutet,
welche sich für die Wissenschaft aus Shackletons Entdeckungen
ergeben, den persönlichen Eigenschaften des Forschers und
seiner selbstlosen opferwilligen Gattin reiches Lob. Darauf
überreichte er, in englischer Sprache fortfahrend, dem Gefeierten
die Rüppell-Medaille in Gold und das damit verbundene
Diplom der Ehrenmitgliedschaft des Vereins. Unter allgemeinem
Beifall nahm Sir Ernest Medaille und Urkunde entgegen und begann
nach einigen Dankesworten, daß es ihm gestattet sei, sich der
englischen Sprache bedienen zu dürfen, seinen Vortrag, der, von
Lichtbildern und kinematographischen Vorführungen wirkungsvoll
unterstützt, das Publikum am Schlüsse zu begeisterten Huldi-
gungen hinriß.
Die Zahl der ordentlichen Mitglieder, die bei Abschluß
des letzten Jahresberichts 651 betragen hatte, verminderte sich
durch Tod und Austritt um 169, dafür traten 158 neue Mit-
glieder ein, sodaß sie sich gegenwärtig auf 640 beläuft. Korre-
spondierende Mitglieder zählt der Verein wie im Vorjahre 11,
Ehrenmitglieder 43 (gegen 45), sodaß die Gesamtzahl aller seiner
Mitglieder 694 (gegen 707) beträgt.
Durch den Tod verlor der Verein die Ehrenmitglieder Geh.
Regierungsrat Dr. Wilhelm Reiß, den früheren Vorsitzenden der
Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, gestorben am 29. September
1908 unweit Schloß Könitz (Thüringen), den Kaiserlichen Vize-
admiral a. D. Exzellenz Reinhold von Werner, gestorben am
26. Februar 1909 zu Charlottenburg, und den Kaiserlichen
Wirklichen Geheimen Rat, Professor und Direktor der Deutschen
See warte a. D. Exzellenz Dr. Georg von Neumayer, gestorben
am 24. Mai 1909 in Neustadt a. d. Haardt. Den Hinterbliebenen
sprachen wir unsere herzliche Teilnahme aus.
Im Kreise seiner ordentlichen Mitglieder hatte der Verein
insbesondere den Verlust des Direktors des Dr. Senckenbergischen
— 105 —
Naturhistorischen Museums Professor Dr. Fritz Römer zu be-
klagen, der am 20. März 1909 einem typhösen Fieber erlag. Obgleich
erst seit 1906 Mitglied unseres Vereins, verfolgte er unsere Be-
strebungen mit regstem Interesse und durch seine Bereitwilligkeit,
am 24. Februar 1909 für einen verhinderten Redner mit einem
vortrefflichen Vortrage über die Tiefsee einzuspringen, obgleich er
bereits unter schwerer körperlicher Indisposition litt, hat er
uns zu herzlichem Danke verpflichtet. An seiner Bahre legte
der Vorstand mit warmen Dankesworten eine Kranzspende nieder.
Unsere Teilnahme bewiesen wir ferner dem Wttrttem-
bergischen Verein für Handelsgeographie anläßlich des am
20. Januar 1910 in Stuttgart erfolgten Hinscheidens seines ver-
dienstvollen Leiters, Seiner Exzellenz Dr. Graf Karl von Linden,
mit dem wir seit vielen Jahren freundschaftliche Beziehungen
unterhalten hatten.
Allen Dahingeschiedenen bewahren wir ein dankbares und
ehrendes Andenken!
Den Ehrenmitgliedern des Vereins, Herrn Geh. Regierungs-
rat Dr. Julius Euting in Straßburg, der am 11. Juli 1909. dem
Herrn Professor Dr. Wilhelm Kobelt in Schwanheim, der am
20. Februar 1910, Herrn Geh. Regierungsrat Professor Dr. Her-
mann Wagner in Göttingen, der am 23. Juni 1910 und Herrn
Professor Dr. Pechuel-Loes che in Erlangen, der am 26. Juli
1910 den 70. Geburtstag feierte, sandte der Verein die herzlich-
sten Glückwünsche, ebenso Herrn Geh. Konsistorialrat Professor
Dr. Ebrard zu seinem 60. Geburtstag am 26. Juni 1910.
Der Verein nahm, wie in diesem Bericht noch nachträglich
bemerkt werden soll, auf Einladung der Frankfurter Gesellschaft
für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte teil an der Er-
öffnungssitzung der XXXIX. Allgemeinen Versammlung der
Deutschen Anthropologischen Gesellschaft am 3. August 1908,
wobei Herr Professor Dr. Edinger, der Präsident des Ärztlichen
Vereins, die Versammlung als Vertreter der hiesigen wissen-
schaftlichen Vereine auch in unserem Namen begrüßte. Seitens
des Magistrats erging an den Verein eine Einladung zur Neu-
eröffnung des Städtischen Völkermuseums auf den 22. Oktober
1908, bei welcher Herr Sanitätsrat Dr. R ö d i g e r , der Delegierte
der Dr. Senckenbergischen Stiftung, als der ältesten der ein-
geladenen Korporationen, die Glückwünsche auch unseres Vereins
— 106 —
überbrachte. Mit Freuden beteiligten wir uns auch an der Er-
innernngsfeier aus Anlaß des 100 jährigen Geburtstags von
Geheimrat Dr. Georg Varrentrapp am 20. März 1909, zu der
die Anregung aus dem Kreise derjenigen Vereine, denen Varren-
trapp als Mitstifter oder langjähriges Vorstandsmitglied angehört
hatte, hervorgegangen war. Sie galt einem Manne, der sich
um unseren Verein unvergängliche Verdienste erworben hat und
Jahrzehnte lang sein erfolgreicher Leiter gewesen ist. Bei
dieser Feier sprach Herr Stadtarzt Sanitätsrat Dr. K o e n i g über
Varrentrapp als Arzt und Hygieniker, während Herr Stadtrat
Professor Dr. Stein ihn als Sozialpolitiker würdigte. Schließlich
folgten wir noch einer Einladung des Ärztlichen Vereins zur
akademischen Feier zum Gedächtnis des hundertsten Geburts-
tags von Geh. Sanitätsrat Dr. Heinrich Hoffmann (geboren
13. Juni 1809), sowie am 7. November 1909 zur Feier des
50jährigen Bestehens des Freien Deutschen Hochstifts. Ebenso
war unser Verein vertreten am 16. Juui 1910 bei dem Festakt
aus Anlaß des 50jährigen Jubiläums, das Herr Major a. D.
Professor Dr. hon. c. Lucas von Heyden als arbeitendes Mit-
glied der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft
feierte.
Auf dem XVII. Deutschen Geographentag, der in
der Pfingstwoche 1909 in Lübeck stattfand, war der Verein
durch seinen Generalsekretär Herrn Dr. Traut vertreten.
Zum Versand an die mit uns in regelmäßigem Tauschver-
kehr stehenden Behörden und Gesellschaften gelangten im ver-
flossenen Geschäftsjahre : Statistische Jahresübersichten der Stadt
Frankfurt a. M., Ausgabe für 1907/08 und 1908/09 (2. und 3. Er-
gänzungsheft zum Statistischen Handbuch der Stadt Frankfurt a. M.,
erste Ausgabe), sowie Beiträge zur Statistik der Stadt Frank-
furt a. M., Neue Folge, 6. Heft. Die Versendung dieser Ver-
öffentlichungen erfolgte durch die in Leipzig 1909 ins Leben
gerufene „Gesellschaft für Schriftenaustausch **, der wir bei-
getreten sind, um durch den Anschluß an diese Gesellschaft
eine Vereinfachung der Versendungsarbeiten und dadurch eine
erhebliche Verminderung der stetig steigenden Portoausgaben
herbeizuführen.
Auch in den abgelaufenen Vereinsjahren hatten wir uns wieder
des Besuches des Marburger Geographischen Seminars
— 107 —
unter Leitung von Geheimrat Professor Dr. Theobald Fischer
zu erfreuen. Nach dem Besuch der Herren im Städtischen
Völkermuseum und im Senckenbergischen Museum wurde der
Abend dem Vortrage von Herrn Dr. Albert T a f e 1-Stuttgart Ober
seine Reise in Osttibet in unserem Verein gewidmet.
Neuer Tauschverkehr wurde angebahnt mit der Soci6t6 de
g^ographie commerciale de Paris (Section tunisienne) in Tunis.
Die Gesamtzahl der Tausch Verbindungen beträgt zurzeit 245
(gegen 244).*)
^) Das Verzeichnis der Behörden, Gesellschaften und Redaktionen, mit
welchen der Verein in regelmäßigem Schriftenanstansch steht, gelangt im
nächsten Jahresbericht wieder zur Veröffentlichung.
Yorstand nnd Ämtenrerteilnng.
(Nach dem Stand vom 1. September 1910.)
Yorstand.
Vorsitzender :
Dr. Bernhard Hagen, Hofrat und Leiter des Städtischen
Völkermuseums.
Stellvertretender Vorsüeender :
Dr. Adolf von Harnier, Geh. Justizrat und Rechtsanwalt.
Genercdsekretär :
Dr. Hermann Traut, Bibliothekar an der Stadtbibliothek.
Erster Schriftführer:
Dr. Alfred Fritsch, Amtsgerichtsrat.
Zweiter Schriftführer:
Rudolf Stern, Privatier.
K<issenführer :
August Rasor, Kaufmann.
Beisitzer :
Dr. Heinrich Bleicher, Professor und Stadtrat.
Dr. Emil D e c k e r t , Professor an der Akademie für Sozial- und
Handels Wissenschaften.
Dr. Theodor Demmer, Sanitätsrat und praktischer Arzt.
Eugen Grumbach-Mallebrein, Privatier.
Friedrich Wilhelm Lejeune, Kaufmann.
Wilhelm R ohmer, Privatier.
Tertreter des Vereins In der gemeinsamen KommlulOM Ar
die Dr. Seaekenberglgehe Bibliothek :
Dr. Friedrieb ClemeDs Ebrard, Geh. Eonsistorialrat, Professor
and Direktor der Stadtbibliothek.
RerlBoren.
Albert Flersheim, EaufDiann.
Philipp Heinz, Eanfmann. (f)
Georg TS Icke r, Bachb&ndler. (f)
Mitglieder-Yerzeichnis.
(Nach dem Stand vom l. September 1910.)
I. Ordentliche Mitglieder.
Emilie Abresch, Rentnerin. 1906.
Frau Aona Achenbach geb. Wirth, Priyatiere. 1908.
Dr. FraDz A dick es, Oberbürgenneister und Mitglied des Herrenhaiues. 1891.
Anton Ahrens, Bankbeamter. 1906.
August Albert, Architekt. 1897.
Alezander Friedrieb Landgraf von Hessen, Egl. Hoheit. 1910.
Heinrich Alten, Privatier. 1903.
Ferdinand Andreae, Kaufmann. 1903.
Philipp Andreae, Kaufmann. 1907.
Alhard Andreae -von Grnnelius, Kaufmann. 1893.
Frau Elise Andreae-Lemm6, Privatiere. 1894. (f)
Victor Andreae-Majer, Bankier. 1904.
Jean Andreae-Passavant, Qeh. Kommerzienrat, Präsident der Handels-
kammer, Direktor der Filiale der Bank für Handel und Industrie
und Rumänischer Generalkonsul. 1893.
Richard Andreae-Petsch, Bankier. 1874.
Gottfried Andreas, Kaufmann. 1906.
Alexander Askenasy, Ingenieur. 1902.
Erich Aue, Ober-Stadtassistent. 1909.
Franz Auffarth, Verlagsbuchhändler. 1909.
Julius Aurnhammer, Kaufmann. 1904.
Anton Bald US, Ingenieur. 1906.
Paul Ballhorn, Intendantur-Bausekretär. 1909.
Frau Marie Bansa geb. Winckler, Privatiere. 1880.
Joseph Baer, Stadtrat. 1897.
Max Baer, Bankier und Generalkonsul von Schweden. 1903.
Simon Leopold Baer, Buchhändler. 1882.
Dr. Karl Bardorff, praktischer Arzt. 1864.
Kari Th. B a r t h e 1 , Kaufmann. 1900.
Karl de Bary, Privatier. 1889.
Heinrich de Bary- Jeanrenaud, Bankier. 1888.
Heinrich de Bary-Osterrieth, Kaufmann. 1907.
— 112 —
Rudolf Baaer, Kaufmann. 1907.
Friedrich Bauer-Weber, Ingenieur. 1910.
Bobert Bau nach, Fabrikant. 1907.
Dr. Beckmann, Geh. Regierangsrat und Landrat in Usingen. 1900.
Fritz Beckmann, Kaufmann. 1909.
Alfred Behr, Landwirt. 1910.
Frau Konsul Carl Behrends. 1906.
Robert Behrends, Ingenieur. 1898.
Eduard Beit von Speyer, Kommerzienrat und Bankier. 1903.
Frau Paula Berend geb. Löwengard, Doktorswitwe. 1908.
Dr. Alexander Berg, Rechtsanwalt. 1904.
Paul Oskar Bethge, Oberlehrer an der Humboldtschule. 1906.
Freifrau Helene von Bethmannn, geb. Freün von Wendland. 1909.
Qustav Beyerbach, Fabrikant in Hattersheim. 1887.
Emil Bieber, Stadtbaumeister. 1908.
Konrad Bin ding, Stadtrat. 1903.
Ludwig Adolf Blascheck, Kaufmann. 1900.
Dr. Heinrich Bleicher, Professor und Stadtrat. 1890.
Adolf Blumenthal, Kaufmann. 1910.
Heinrich Blttthe, Kaufmann. 1908.
Ferdinand Bodesheim, Kaufmann. 1906.
Wilhelm B o e h m , Geh. Justizrat und Oberlandesgerichtsrat a. D. 1907. (f)
Wilhelm B. B o n n , Bankier. 1886.
Karl Borgnis, Bankier. 1901.
Frl. Friederike Bourgignon, Privatiere. 1900.
Friedrich Braun, Opernsänger. 1908.
Otto Braunfels, Geh. Kommerzienrat, Bankier und Spanischer Konsul. 1904.
Frl. Clara Bremme. 1908.
Theodor Bresgott, Braumeister. 1909.
Otto Brockmann, Landmesser. 1906.
Dr. Siegfried Brodnitz. praktischer Arzt. 1909.
Richard Brück, Justizrat und Rechtsanwalt. 1906.
Dr. Julius B u r g h 0 1 d , Justizrat und Rechtsanwalt. 1899.
Franz Burkhard, Architekt. 1909.
Adolf Freiherr von Büsing-d'Orville, Rentner. 1892.
Alfred Cahn, Bankprokurist. 1903.
Heinrich Cahn-Blumenthal, Bankier. 1903.
Hermann von Chappuis, Generalleutnant z. D., Exzellenz. 1901. (f)
Carl Clemm, Privatier. 1906.
Albert CorniU, Kaufmann. 1910.
Charles Correvon, Pfarrer d. franz(3sisch-reformierten Gemeinde. 1910.
Fräulein Lina Creß. 1909.
Hermann C r e iit z e r , Inspektor der Providentia. 1903.
August Creuzberg, Kaufmann. 1908.
Theodor Curti, Direktor der Frankfurter Zeitung. 1904.
Dr. FrancisJ. Curtis, Professor an der Akademie für Sozial- und Handels-
wissenschaften. 1910.
— 113 —
Gottfried Daube, Kaufmann. 1893.
Dr. £nrt Daube, Geb. Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1889.
Dr. Emil Deckert, Professor an der Akademie für Sozial- und Handels-
wissenschaften. 1906.
Clemens Delkeskamp, Kaufmann. 1906.
Dr. Robert D e 1 o s e a , praktischer Arzt. 1877.
Dr. Theodor D e m m e r , Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1896.
Oskar von Deuster, Rentier. 1886.
Hugo Dicke, Direktor. 1907.
Carl Dick haut, Kandidat des höheren Lehramts. 1906.
Richard Diener, Kaufmann. 1904.
Friedrich Dieterichs, Apotheker. 1900.
Heinrich D i e t z , Stadtrat a. D. 1907.
Hermann Dietze, Privatier. 1899.
Frau Elise Dilger, Privatiere. 1908.
Karl Philipp Donner, Kaufmann. 1871.
William W. Drory, Direktor der Frankfurter Gasgesellschaft. 1874.
August Du Bois, Bankier. 1888.
Dr. Friedrich Eben au, praktischer Arzt und Chefarzt der chirurgischen
Abteilung des Bürgerhospitals. 1893.
Friedrich Eckhard, Privatier. 1902.
Georg Egly-Manskopf, Kaufmann. 1903.
Frau Julie Ehr mann geb. Wertheim, Privatiere. 1908.
Hermann von Eichhorn, General der Infanterie und Kommandierender
General des XVIII. Armeekorps, Exzellenz. 1904.
Fritz Eisele, Architekt und Maler. 1903.
Leo E Hinge r, Kaufmann. 1893.
Frau Luise Engelhard-Fay, Privatiere. 1899.
Frau Bernhard Engelhard-Hauck, Privatiere. 1909.
Jakob Hermann Epstein, Kaufmann. 1879.
Viktor Erlanger, Fabrikant. 1910.
Georg Ern6, Bäckermeister. 1907.
Frau Josefine Etienne geb. Willemer, Privatiere. 1897.
Carl Euler, Lehrer. 1908.
Frau Emma Eyssen, Privatiere. 1906.
Remy Eyssen, Privatier. 1875. (f)
Frau Alexandrine Eyssen-Du Bois, Privatiere. 1885.
Waldemar v. Fahl and, Hauptmann und Batteriechef im 2. Nassauischen
Feldartillerie-Regiment No. 63 Frankfurt. 1908.
Moritz Felbel, Kaufmann. 1908.
Dr. Hans Fester, Rechtsanwalt. 1909.
Fräulein Johanna Ficus, Privatiere. 1910.
Frau Fides Fiedler-Kalb, Privatiere. 1903.
Robert Fl au aus, Privatier und Stadtverordneter. 1895.
Albert Flersheim, Kaufmann. 1878.
Robert Flersheim, Kaufmann. 1871.
Wilhelm Flinsch, Kommerzienrat. 1890.
8
— 114 —
GobUt Flörsheim, Kaufmann. 1906.
Freiherr Theodor ▼. F 1 o t o w , Kammerherr, Hofchef Sr. Hoheit des Prinzen
Friedrich Karl von Hessen. 1909.
S.Valentin Franqne, Kaufmann. 1907.
Dr. Alexander Franz, Oberlehrer an der Liebig- Realschule und Priyatdozent
an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften. 1910.
WUhelm Franz, Privatier. 1908.
Albert Frech, Kaufmann. 1906.
Dr. Philipp Fresenius, Apotheker. 1875.
Dr. Martin Freund, Professor an der Akademie für Sozial- und Handels-
wissenschaften und Direktor des chemischen Instituts des Physi-
kalischen Vereins. 1909.
Dr. Peter Frey, Zahnarzt. 1900.
Richard Friederici, Landgerichtsrat. 1906.
Heinrich Friedmann, Kaufmann. 1896.
Dr. Alfred Fritsch, Amtsgerichtsrat. 1893.
Frau Mathilde Fritsch geb. Eyssen, Sanitätsratswitwe. 1877.
Dr. Theodor von Fritzsche, Fabrikbesitzer. 1874.
Konrad Fuchs, Kaufmann. 1901.
Franz Fuchs-Siesmayer, Kaufmann. 1906.
Paul Fulda, Kaufmann. 1909.
Karl Ludwig F u n c k , Kaufmann, Mitglied des Hauses der Abgeordneten. 1896.
Bruno Gabler, Landgerichtsdirektor. 1908.
Adolf Gans, Kaufmann. 1897.
Friedrich Gans, Fabrikbesitzer. 1888.
Dr. Leo Ludwig Gans, Geh. Kommerzienrat und Fabrikbesitzer. 1886.
Charles F. Gardner, Großbritannischer Vizekonsul. 1910.
Charles Gemmer, Privatier. 1904.
Dr. Eduard G en t seh , Professor u. Oberlehrer am Wöhler-Realgymnasium. 1903.
Dr. Carl Ger lach, praktischer Arzt. 1906.
Moritz Getz, Privatier. 1899.
Fritz V. Goldammer, Hauptmann a. D. und Rittergutsbesitzer. 1908.
Harry Goldschmidt, beeidigter Wechselsensal. 1888.
Maximilian Freiherr von Goldschmidt-Rothschild, Österreichisch-
Ungarischer Generalkonsul. 1901.
Constantin Gravenkamp, Ober-Stadtsekretär. 1909.
Louis Greb, Architekt. 1903.
Ernst Grieser, Buchdruckereibesitzer. 1904.
Dr. Otto Groß, praktischer Arzt. 1904.
Dr. Friedrich Großmann, Oberlehrer an der Klinger-Oberrealschule. 1900.
Dr. Emil Großmann-de Chapeaurouge, praktischer Arzt. 1908.
Eugen Grumbach-Mallebrein, Privatier. 1902.
Konrad Grumbach-Petsch, Privatier. 1903.
Adolf von Grunelius, Bankier. 1871.
Eduard von Grunelius, Bankier. 1871.
Max von Grunelius, Bankier. 1904.
Alfred Günther, Architekt. 1901.
— 115 -
Karl Haack, EaafmaDn. 1904.
Dr. Hermann Haag, Justizrat, Rechtsanwalt und Direktor der Frankfurter
Hypothekenbank. 1883.
Phiüpp Haag, Privatier. 1909.
Fran Emilie Haas-Bandell, Privatiere 1909.
Dr. Jnstns H a e b e r I i n , Jnstizrat und Bechtsanwalt. 1870.
Dr. Bernhard Hagen, Hofrat und Leiter des Städtischen Völkermuseums.
1900.
Ferdinand Hahn, Kaufmann. 1906.
Dr. Fritz Hallgarten, Chemiker. 1908.
Karl Hamburg, Privatier. 1900.
Dr. Karl Hamburger, Qeh. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1871.
Philipp H an hart, Kaufmann. 1897.
Fritz Happel, Privatier. 1902.
Dr. Adolf von Harnier, Geh. Justizrat und Rechtsanwalt. 1882.
Dr. Eduard von Harnier, Geh. Justizrat und Rechtsanwalt. 1871.
Wilhelm Uartmann, Stadtgeometer. 1909.
Eugen Hartmann-Kempf, Professor und Ingenieur. 1898.
Franz Hasslacher. Patentanwalt. 1880.
Alexander Hauck, Bankier. 1881.
Max Hauck, Bankier. 1901.
Otto Hauck- von Met zier, Bankier. 1893.
Robert Haurand, Kaufmann. 1907.
Dr. Ludwig Hecht, Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1908.
Frau Johanna Hechtel geb. Schmidt, Privatiere. 1899.
Rudolf Heer dt, Direktor der Frankfurter Sparkasse. 1893.
Dr. Paul H ei d rieh, Oberlehrer an der Sachsenhäuser Oberrealschule. 1909.
August Heimpel-Manskopf, Kaufmann. 1892.
Salomon Heinemann, Reallehrer. 1909.
Philipp Heinz, Kaufmann. 1879. (f)
Heinrich Heister, Kaufmann. 1903.
Frau Mina Held geb. Hausser, Privatiere. 1875.
Wilhelm Hemmerich, Hauptmann und Kompagnie-Chef im 1. Kurhessischen
Infanterie-Regiment Nr. 81. 1902.
Carl Henrich, Technischer Betriebsleiter. 1909.
Karl Herrmann, Steuersekretär. 1903.
Georg Her t zog, Privatier. 1902.
Karl Herzberg, Bankdirektor und Konsul der Mexikanischen Republik. 1904.
Frau L. Herzfeld. 1906.
August Heß, Apotheker. 1904.
Dr. Lucas vonHeyden, Major a. D. und Professor. 1867.
Georg von Heyder, Privatier. 1891.
Arthur Heyne, Cand. math. 1907.
Alfred Hirsch, Kaufmann. 1909.
Otto Hirsch, Kaufmann. 1906.
Felix Hirschhorn, Privatier. 1910.
Heinrich Hobrecht, Kaufmann. 1882.
8*
— 116 —
Otto Höchberg, Kaufmann. 1877.
Zachary Hochschild, Direktor der Metallgesellschaft. 1893.
Willy Heinrich Hof er, Kaufmann. 1906.
Adolf Hoff, Kaufmann und Handelsrichter. 1903.
Alfred Hoff, Kaufmann und Serbischer Vizekonsul. 1906.
Paul Hoffmann-Ebner, Fabrikant. 1884.
Dr. Moritz H o f m a n n , Rechtsanwalt. 1902.
Otto H 0 f m a n n , Rentier. 1906.
Richard Hof mann, Kaufmann. 1891.
Moritz Wilhelm Hohenemser, Bankier. 1901.
Frau von Holbach, Majorsgattin. 1906.
Karl Ho Ich, Kaufmann. 1909.
Georg Holtzwart, Kaufmann. 1903.
Hermann Holz, Kaufmann. 1903.
Richard Holz, Kaufmann. 1909.
Wilhelm Holz, Kaufmann. 1903.
Leo Holzmann, Kursmakler. 1906.
Eugen Hoerle, Gutsbesitzer. 1908.
Philipp Alezander Julius Hoerle, Kaufmann. 1903.
Frau Elise Horstmann geb. Hoffmann, Privatiere. 1908.
Georg Horstmann, Zeitungsverleger. 1897.
Franz von Hoven, Baurat. 1906.
Dr. Gustav Adolf Humser, Geh. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1871.
Adolf Hüttenbach, Kaufmann. 1903.
Frau Marie Ihm geb. Rittner, Privatiere. 1898.
Frau Sophie Jacobi geb. Borle, Privatiere. 1907.
Hermann Jacquet, Rentner. 1897.
Gustav Jaff6, Rechtsanwalt. 1903.
Dr. Theophil Jaff6, Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1898.
Fritz Jäger-Manskopf, Kaufmann. 1892.
Dr. August J a s s 0 y , Apotheker. 1901.
Louis Jay, Rentner. 1901.
Frau Luise Amalie Jordan de Rouville, Bankiers witwe. 1904.
Dr. Fritz Jucho, Kaufmann. 1903.
Dr. Heinrich Jucho, Notar. 1906.
Dr. Rudolf Jung, Professor und Direktor des Stadtarchivs. 1904.
Otto Junghanss, Fabrikbesitzer in Johannisberg im Rheingau. 18!)9.
Gustav Junker, Direktor der Martins-Missionsanstalt. 1906.
Richard Kahn-Freund, Fabrikant. 1900.
Julius Kahnweiler, Privatier. 1908.
Frau Klara Kalb geb. Faust, Privatiere. 1875.
Leonhard Kalb, Privatier. 1897.
Moritz Kalb, Privatier. 1902.
Bernhard Kamel, Kaufmann. 1894.
Dr. Rudolf K a s p r z i k , Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1908.
Dr. Albert Katzenellenbogen, Direktor der Mitteldeutschen Kredit-
bank. 1909.
— 117 —
0. Kanffmann, Oberleutnant a.D. in Marburg a. d. Lahn. 1907.
Max Kay 8 er, Landgerichtsrat. 1909.
Frau M. Eaysser, Privatiere. 1902.
August Keller, Buchhändler. 1901.
Frau Emma Kirchberg geb. Neubürger, Privatiere. 1903.
Raphael M. Kirchheim, Privatier. 1903.
Dr. Simon Kirchheim, praktischer Arzt, Chefarzt des israelitischen Ge-
meindehospitals und Stadtrat. 1875.
Hermann Klee, Kaufmann. 1907.
Erich Kleemann, Leutnant im 1. Kurhessischen Inf. -Reg. No. 81. 1908.
Willi A. Klein, Kaufmann. 1904.
Jakob Klein-Hoff, Privatier. 1908.
Karl K lim seh, Kunstmaler. 1904.
Jakob Kloos, Kaufmann. 1907.
Frl. Paula Klotz. 1903.
Jean Kn au er, Buchdruckereibesitzer. 1886.
Hermann Knecht. 1906.
Dr. Paul Knoblauch, praktischer Arzt. 1909.
Louis Koch, Hof Juwelier. 1904.
Hermann Köhler, Kommerzienrat und Bankier. 1897.
Karl Kohn, Direktor der Frankfurter Gasgesellschaft. 1903.
Karl Kolb, Kaufmann. 1879.
Adolf Kolligs, Kaufmann. 1906.
Heinrich Freiherr von Königswarter, Bentier. 1897.
Heinrich Königswerther, Kaufmann. 1907.
Oskar Könitzer, Privatier. 1902.
Alois Kopp, Kaufmann. 1909.
Frl. Hildegard K o r w a n. 1909.
Heinrich Koßmann, Privatier. 1908.
Jakob Kothe, Schreinereibesitzer. 1891.
Karl Kotzenberg, Kaufmann. 1903.
Joseph Kowarzik, Bildhauer. 1897.
Georg Kranz, Privatier. 1906.
Wilhelm Kranz, Kaufmann. 1909.
Dr. Alois Kraus, Professor, Oberlehrer an der Stadt. Handelslehranstalt
und Privatdozent an der Akademie ftlr Sozial- und Handelswissen-
schaften. 1903.
Hermann Kreutzer, Privatier. 1906.
Eduard K lieh 1er jun., Fabrikbesitzer in Rödelheim. 1903.
Eduard Küchler sen., Privatier. 1888.
Karl Küchler, Kaufmann. 1893.
Konrad Adolf Kugler, Kaufmann. 1906.
Karl Künkele, Kaufmann. 1901.
Dr. Friedrich Kurtz, praktischer Arzt. 1901.
Frau Emma Kyritz geb. Hagen, Privatiere. 1899.
Alfred Kyritz-Drexel, Kaufmann. 1897.
August Ladenburg, Bankier. 1902,
— 118 —
Ernst Ladenbarg, Kommerzienrat, Bankier und Stadtverordneter. 1897.
Frl. Lammie, Lehrerin. 1909.
Willy Lampe, Schneidermeister. 1901.
Karl Langenbach, Kaufmann. 1904.
Frau Elise Lauth-Becker, Privatiere. 1903.
Dr. Johannes Lehmann, Assistent am Städtischen Völkermuseum. 1909.
Leo Lehmann, Rentner. 1908.
Alfred Lejeune, Kaufmann. 1885.
Friedrich Wilhelm Lejeune, Kaufmann. 1906.
Franz Lemm6, Kaufmann. 1903.
Georg Leschhorn, Privatier. 1890.
Dr. E. Leser, Geh. Sanitätsrat, Professor und praktischer Arzt. 1908.
Dr. Maximilian Leuchs-Mack, Gerichtsassessor. 1907.
Adolf Levi, Kaufmann. 1906.
Leopold Levi, Kaufmann. 1907.
K. Leydhecker, Pfarrer, Auerbach. 1909.
Dr. Franz L i e s a u , Oberlehrer an der Sachsenhäuser Ob^rrealschule. 1906.
Dr. Otto Lindenmeyer, Augenarzt. 1904.
Wilhelm Lindheimer, Domänenpächter. 1902.
Nachum H. Loeb, Ktirsmakler. 1910.
Dr. Hugo Lotz, Gerichtsassessor. 1908.
Adam Ludwig, Privatier. 1903.
Frau Richard Ludwig. 1904.
Ferdinand Maas, Privatier. 1875.
Robert Mack, Kaufmann. 1894.
John M. Mackenzie, Kaufmann. 1902.
Dr. Ernst Mai er, praktischer Arzt. 1906.
Alexander Majer, Bankier. 1906.
Frau Helene Manskopf geb. Keßler, Rentnerin. 1874.
Heinrich Mappes, Sächsischer Generalkonsul und Konsul von
Brasilien. 1888.
Gustav Marburg, Kaufmann. 1903.
Dr. Karl Marx, praktischer Arzt. 1906.
Paul Mausolff, Kaufmann. 1910.
Adam May, Fabrikant. 1890.
Dr. Franz May, Fabrikant. 1895.
Martin May, Fabrikant. 1884.
Robert May, Kaufmann. 1893.
Jacob Mayer, Kaufmann. 1910.
Ludo M a y e r , Fabrikbesitzer. 1904.
Frau Meister geb. Hauswald, Privatiere. 1904.
J. F. M e i X n e r , Architekt. 1906.
Dr. Wilhelm M er ton, Privatier. 1888.
Julius Wilhelm Merz, Professor. 1899.
Theodor Mettenheimer-Breul, Kaufmann. 1901.
Hugo Metzler, Bankier. 1900.
Karl Metzler. 1903.
— 119 —
Albert von Metsler, Bankier, Stadtrat und Bayrischer Generalkonral,
Mitglied des Herrenhanses. 1893.
Dr. Paal Meyer, Oberregiemngsrat a. D. 1903.
Dr. Edward yon Meyer, praktischer Arit. 1907.
Franz Carl Michel-Qellert, Kaufmann. 1909.
Emil Michel-Spelti, Privatier. 1906.
Dr. Ernst Michels, Kandidat des höheren Lehramts. 1909.
Heinrich J. F. Minoprio, Bankier. 1903.
Frau Christine Mohr geb. Weingärtner, Prifatiere. 1908.
Franz Moldenhaner, Ingenieur. 1902.
Rudolf M 0 1 1 i k , Ingenieur, Cronberg i. T. 1909.
Fritz Mönch, Kaufmann in Offenbach. 1892.
Eduard Morel, Kaufmann. 1884.
Wilhelm Mössinger, Kaufmann. 1906.
Wilhelm Müller, Kaufmann. 1899.
F. George Mttller-Beeck, Kaiserlich Deutscher Generalkonsul a. D. 1907.
Frau Emma Mumm von Schwarzenstein geb. Passavant. 1876.
Hugo Nathan, Kaufmann. 1909.
Dr. Edmund Naumann, Geologe. 1899.
Andreas Neander, Kaufmann. 1903.
Ludwig Neb er, Baurat. 1893.
Dr. Max Neißer, Professor und Direktor des Städtischen Hygienischen
Institute. 1903.
Richard Nestle jun., Kaufmann. 1893.
Cnrt Netto-Nothwang, Professor und Ingenieur. 1903.
Dr. Friedrich Neubauer, Direktor des Lessing-Gymnasiums 1910.
Dr. Otto Neubttrger, praktischer Arzt. 1906.
Robert de Neufville, Kommerzienrat. 1897.
Adolf von Neufville, Bankier. 1896.
Gustav Adolf von Neufville, Bankier. 1909.
Karl von Neufville, Bankier und Generalkonsul a. D. 1904.
Dr. Hugo N 0 1 1 e n , Verbandsdirektor. 1910.
Hermann Ochs, Privatier. 1884.
Dr. Hermann Oelsner, Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1903.
Frau Juliette Oplin geb. Godchaux, Privatiere. 1875.
Moritz Oppenheim, Kaufmann. 1887.
Sir Francis Oppenheimer, Großbritannischer Generalkonsul. 1900.
Frau Leontine Oppenheimer geb. Livingston, Privatiere. 1909.
Frl. Adele Osterrieth, Privatiere. 1904.
Robert Osterrieth, Kaufmann. 1907.
Frau Maria Oestreich geb. Creizenach, Lehrerswitwe. 1869.
Dr. Henry Oswalt, Justizrat und Rechtsanwalt. 1871.
Frau L. Overhamm geb. Hilf. 1899.
Dr. Ferdinand Pachten, Justizrat und Rechtsanwalt. 1909.
Dr. Alexander Pagenstecher, Chemiker in Mainkur. 1906.
Johann Friedrich Pahl, Kaufmann. 1904.
Dr. Alfred Parrisius, Bankdirektor. 1903.
— 120 —
Eduard Parrot, Privatier. 1909.
Philipp Passayant, Kaufmann. 1901.
Hermann von Passavant, Kaulmann und Japanischer Eonsol. 1901.
Richard von Passavant, Geh. Kommerzienrat. 1889.
Dr. Eduard Pelissier, Professor und Oberlehrer am Leasing- Gymnasinm.
1882.
Franz Petry, Kaufmann. 1906.
Eduard Petsch-Manskopf, Privatier. 1900.
Dr. G. P f a n n m tt 1 1 e r , praktischer Arzt. 1909.
Frau Bertha Pfefferkorn geb. Kessler, Doktorswitwe n. Privatieie. 1854.
Christian Wilhelm Pf eif f er-Belli, Rentner. 18&S.
Dr. Arthur Pfungst, Chemiker. 1889.
Lucien Picard, Bankier. 1906.
Dr. Hermann Pieper, Rechtsanwalt. 1909.
Theodor P 1 i e n i n g e r , Direktor der chemischen Fabrik Grieeheim-Elektron.
1906.
Siegfried Pohl, Kaufmann. 1909.
Walter Pohl, Oberstleutnant z. D. 1909.
Frau Emmy P o h 1 m a n n geb. Pohlmann, Privatiere. 1897.
Frau Mathilde Ponfick-Salom6, Kommerzienratswitwe. 1897.
Friedrich Gustav Porcher, Architekt. 1909.
Dr. Eduard Posen, Fabrikant. 1894.
Sidney Posen, Fabrikant. 1883.
Harry Quittmann, Apotheker. 1908.
August Rasor, Kaufmann. 1890.
Walther vom Rath, Rentner, Mitglied des Herrenhauses. 1897.
Emil Rau, Kaufmann. 1901.
Dr. Friedlieb Rausch, Direktor. 1909.
Simon Ravenstein, Architekt. 1871.
Dr. Ludwig Rehn, Geh. Sanitätsrat, Professor und Direktor der chirurgi-
schen Abteilung des Städtischen Krankenhauses. 1900.
Frl. Anna Reichard, Verwalterin. 1901.
Fritz Reichard, Kaufmann. 1906.
Frl. Mina Reichard. 1903.
Gottlob Reichard -Frey , Kaufmann. 1900.
August Reichard-Marburg, Kaufmann. 1877.
Frau Jenny Reichenbach. 1908.
Alfred Reis, Kaufmann. 1909.
Leopold Reiss, Prokurist. 1896.
Dr. Paul Reiss, Justizrat und Rechtsanwalt. 1886.
Otto Renner, Kaufmann. 1906.
Dr. Heinz R i c h a r t z , praktischer Arzt. 1909.
August de Ridder, Rentier. 1908.
Dr. Alexander Riese, Professor. 1897.
Johannes Robe, Rentner. 1909.
Frl. Kathinka Rode, Lehrerin. 1898.
Dr. Ernst Roediger, Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1910.
— 121 —
Dr. Paul Ro e di g er , Rechtsanwalt und Direktor der Metallgesellschaft. 1893.
Karl Roger, Direktor der Filiale der Bank für Handel nnd Industrie. 1890.
Wilhelm Rehmer, Privatier. 1900.
Heinrich Römheld, Kaufmann. 1900.
Dr. Emil Rosenbaum, praktischer Arzt. 1906.
Alfred Rosenthal, Kaufmann. 1903.
Dr. Rudolf Rosenthal, Hechtsanwalt. 1904.
Dr. Wilhelm R o s e r , Professor und Chemiker. 1910.
Frl. Alwine Roth. 1906.
August Hother, Kaufmann. 1910.
Qeorg Roth geh, Kunst- nnd Dekorationsmaler. 1906.
Ernst Rttbsamen, Apotheker. 1904.
Frau Julie Rübsamen geb. Meyer, Privatiere. 1908.
Dr. Georg R u o f f , Chemiker. 1908.
Willy Hytz, Kabel-Ingenieur. 1907.
Alfred Salin, Kaufmann. 1902.
Fritz Schaeffer-Stuckert, D. D. S., praktischer Zahnarzt a. Direktor des
zahnärztlichen Instituts „Carolinum" am Stadt. Krankenhanse. 1906.
Frau Carrie Schar ff geb. Ott. 1890.
Heinrich Theodor Schenck, Kaufmann. 1876.
Hermann Schepeler, Kaufmann. 1906.
Remi Schepeler, Kaufmann. 1909.
Ludwig Schiff, Kaufmann. 1878.
Philipp Schiff, Privatier. 1903.
Gustav Sohle sicky, Kaufmann. 1895.
Frau Heinrich Schlesicky, Privatiere. 1902.
Friedrich Schlenssner, Fabrikdirektor. 1903.
Dr. Karl Schlenssner, Fabrikdirektor. 1897.
Georg Schlund, Juwelier. 1888.
Frau Maria Schlund geb. Lenchs-Mack, Juwelierswitwe. 1901.
Carl Schmidt, Prokurist der Brauerei Binding. 1909.
Frau Emma Schmidt geb. Wolf, Professorswitwe. 1907.
Wilhelm Schmidt-Diehler, Architekt. 1899.
Dr. Wolfgang Schmidt-Scharf f, Hechtsanwalt. 1893.
Peter SchmOlder, Kaufmann. 1872.
Julius Ferdinand Schnatter, Architekt. 1906.
Alexander Schneider, Direktor der Deutschen Gold- and Silber-Scheide-
anstalt. 1875.
Frl. Marie Schneider. 1907.
Heinrich Schnell, Privatier. 1876.
Friedrich S Chol tz, Generalleutnant nnd Kommandeur der XXI. Division,
Exzellenz. 1909.
Frau Lina Schöner geb. Holler, Privatiere. 1903.
Frau Elisabeth Schott, geb. Bmchhftaser, Sanit&tsratswitwe. 1908.
Wilhelm Schott, Apotheker in Offenbach. 1906.
Heinrich Schreiber sen., Privatier. 1904.
Frau Margaretha Schreyer, Professorswitwe. 1904.
— 122 —
Adolf Schroeder, Privatier. 1906.
Frl. Charlotte Schulte, Privatiere in Cronberg. 1906.
Frl. Katharina Schumacher, Privatiere. 1898.
Adolph Schürmann, Privatier. 1906.
Bernhard Schuster, Bentier. 1874.
Dr. Erich Schwartze, Oberlehrer. 1907.
Albert Schwarz» Bechnungsrat am Landgericht. 1906.
Lic. Dr. Karl Schwarzlose, Pfarrer der St. Eatharinengemeinde. 1903.
Jakob Alfred Schwarzschild, Bankier. 1908.
Moses Martin Schwarzschild, Privatier. 1888.
Dr. Eugen Scriba-Schmidt-Polex, praktischer Arzt. 1901.
Frau Mathilde S e e f r i d geb. Bühler, Privatiere. 1888.
Frau Anna S e e g e r. 1901.
Frau Jennie S e e g e r geb. Gravelius, Privatiere. 1909.
Georg S e i t z , Finanzrat a. D. 1899.
Hermann Seitz. 1904.
Oskar Selb ach, Kaufmann. 1907.
Siegfried Seligmann, Privatier. 1909.
Frau Tina Seum-Keller, Privatiere. 1908.
Fritz Sichel. 190d.
Arthur Siebert-Müller, Direktor der Mitteldeutschen Kreditbank und
Württembergischer Konsul. 1901.
Dr. Friedrich Sieger, Justizrat, Bechtsanwalt und Notar. 1903.
Oskar Simon-Buss, Kaufmann. 1897.
Eduard Simonis, Kaufmann. 1903.
Hans Simonis, Kaufmann. 1903.
Dr. Emil Sioli, Professor und Direktor der Irrenanstalt. 1889.
Dr. Bichard Solm, Augenarzt. 1904.
Friedrich Sommerlad, Kaufmann. 1904.
Frau Karl Sömmerring geb. Kretzer, Privatiere. 1865.
Leopold Sonnemann, Privatier. 1881. (f)
Frau Emilie Sonntag geb. Holzmann, Privatiere. 1909.
Frau Georg Speyer geb. Gumbert, Bentnerin. 1903. (f)
Karl Stauffer, Direktor der Bockenheimer Volksbank. 1898.
Frau Baronin Karoline von Stein, Pröbstin des adeligen von Oronstett-
und von Hynspergischen evangelischen Damenstifts. 1884.
Dr. Victor Steinohrt, Bankbeamter. 1903.
Dr. Johannes Moritz S t e i n t h a 1 , Bechtsanwalt. 1893.
Frau Anna Stern geb. Kalb, Privatiere. 1897.
Budolf Stern, Privatier. 1890.
Frau Theodor Stern, Privatiere. 1871.
August Stern- Wiedebusch, Kaufmann. 1903.
Paul Sternberg, Fabrikant. 1908.
Karl Stiebe 1, Privatier. 1897.
Emilie Stiefel geb. Mayer, Privatiere. 1906.
WUhehn Stock-de Neufville, Bankier. 1882.
Frl. Lydia S t o 1 1 s e , Privatiere. 1903.
— 123 —
Dr. Otto Zur Strassen, Professor und Direktor des Senckenbergisclieii
Naturhistorischen Museums. 1910.
Otto S t r a ß ! e 1 d , Kauf maDn. 1903.
Erust Strauß, Kaufmann. 1906.
Isaak Strauß, Privatier. 1906.
Hans Streckeisen, Architekt. 1903.
Heinrich Stresau, Agent. 1909.
Dr. phil. hon. c. und Dr. ing. hon. c. Ignaz Stroof, Direktor. 1904.
Bruno Strubel!, Kaufmann. 1903.
Alfred von Stryemieczny, Oberstleutnant a. D., Villenkolonie Buchschlag.
1907.
Georg Sturmfels, Lehrer. 1909.
Emil Sulzbach, Privatier. 1900.
Dr. Karl S u 1 z b a c h , Bankier. 1890.
Dr. L. T h e b e s i u s , Rechtsanwalt und Serbischer Generalkonsul. 1906.
Moritz Thomae, Rentier. 1909.
Dr. Hermann Traut, Bibliothekar an der Stadtbibliothek. 1893.
Dr. Gustav Treupel, Professor und Chefarzt der medizinischen Abteilung
des Hospitals zum heiligen Geist. 1903.
Jakob Ivon Ueberfeld, Kaufmann. 1906.
Hermann Uhlfelder, Magistrats- Baurat. 1904.
Albert U lim an n, Kaufmann. 1901.
Otto Ulrich, Bankdirektor a. D. 1903.
Dr. Franz Vaconius, Pfarrer der Dreikönigs-Gemeinde. 1906.
Willy Veit, Pfarrer der St. Katharinengemeinde. 1909.
Frau Emmy Vogtherr geb. Weiler, Privatiere. 1899.
Georg Völcker, Buchhändler. 1879. (f)
Louis Volk, Ober-SUdtsekretär. 1909.
Martin Vowinckel, Privatier. 1882.
Eduard Waetjen, Oberleutnant im Thflringischen Ulanen-Regiment No. 6
in Hanau. 1909.
Dr. Paul Wagner, Augenarzt. 1906.
Karl Wagner-Nurick, Ingenieur. 1903.
Frau Anna Wagner-Schaller, Privatiere. 1904.
Dr. Gustav Wahl, Bibliothekar der Senckenbergischen Bibliothek. 1908.
Dr. Heinrich Weber, praktischer Arzt. 1902.
Karl Weber, Verwalter der Irrenanstalt. 1885.
Frl. Emilie Weigel, Privatiere. 1902.
Martin Weigel, Verlagsbuchh&ndler. 1902.
Jakob Hermann Weil 1er, Bankier. 1871.
Karl von Weinberg, Fabrikbesitzer und Griechischer Generalkonsul. 1903.
Alfred Weinschenk, Bankier. 1903.
Philipp Weinsperger, Maler und Weißbindermeister. 1907.
Albrecht Weis, Kassierer der Englischen Ghtsfabrik a. D. 1874.
Martin Weis, Kaufmann. 1910.
Richard Weise, Major a. D. 1902.
Daniel Weismann, Bankier. 1902.
— 124 —
Dr. Albert Weiler, Direktor der Vereinigten Chininfabriken, Zimmer & Co.
1907.
Joseph Werner, Kaufmann. 1892.
Fran Rosalie Wertheim geb. Ballin, Privatiere. 1884.
Dr. Engen Wertheimber, Bankier. 1909.
Emil Wetzlar, Bankier. 1900.
Adolf Wiechmann. Fabrikant. 1909.
Frl. Johanna Wiedenmann, Privatlehrerin. 1908.
Wilhelm Wiederhold, Privatier. 1908.
Fritz Christoph Wiemer, Mühlenbesitzer in Bonames. 1893.
Georg Wilhelm, Gärtner. 1910.
Dr. Karl Willemer, Augenarzt. 1903.
Ludwig Willemer-Rücker, Kaufmann. 1893.
Fritz Winter, Lithograph. 1903.
Sascha v. Winterberger, Oberst und Kommandeur des Landwehrbezirks
Frankfurt a. M. 1909.
Otto Wirth, Kaufmann. 1908.
Carl Wittekind, Direktor. 1908.
Karl Wolf, Pfarrer der St. Petersgemeinde. 1903.
Dr. August von Wolf, Freiherr. 1908.
Dr. Ludwig Wolff, praktischer Arzt. 1907.
Frau Emma W o l f s k e h l geb. Feist, Kommerzienratswitwe. 1874.
August Wolschendorf f, Kaufmann. 1904.
Hermann W renk er, Kaufmann. 1909.
Emil Wurmbach, Bentier. 1880.
Julius Wurmbach, Ingenieur. 1883.
Ernst Wttsthoff, Kaufmann. 1906.
Louis Zeiß-Bender, Kaufmann und Konsul der Freistaaten Guatemala
und Costa-Rica. 1906.
Theodor Zeltmann, Privatier. 1896.
Frau Johanna Ziegler geb. Kleyer, Professorswitwe. 1902.
J. Ziervogel, Oberingenieur des Dampf kessel-Überwachungsvereins. 1904.
Frl. Bertha Zimmermann, Privatiere. 1907.
II. Korrespondierende Hitglieder.
Dr. Hermann Vamb6ry, Professor in Budapest, ernannt am 11. Mai 1876.
Anton Goering, Professor in Leipzig, ernannt am 10. Oktober 1887.
Dr. Felix von Luschan, Professor und Direktor am Museum für Völker-
kunde in Berlin, ernannt am 10. Oktober 1887.
Dr. Karl Diener, Professor und Präsident des Österreichischen Alpen-
klubs in Wien, ernannt am 20. Januar 1888.
Dr. Alexander Freiherr von Danckelman, Geh. Regierungsrat u. Professor
in Berlin, ernannt am 28. Juli 1890.
Dr. Alexander von Peez. Ehrenpräsident des Industriellen Club in Wien,
ernannt am 28. Juli 1890.
— 126 —
Dr. Paul Mttll er - Simonis, Ehrendomherr in Straßburg, ernannt am
29. Joni 1892.
Dr. Wilhelm H a a c k e in Otterndorf , ernannt am 8. März 1893.
Dr. Max Friederich sen, Professor in Greifswald, ernannt am 12. Dezember
1906.
Dr. Karl 0 estreich, Professor in Utrecht, ernannt am 12. Dezember 1906.
Dr. Georg We gener, Forschangsreisender in Berlin, ernannt am 12. De-
zember 1906.
III. Ehrenmitglieder.
Dr. Julias Ritter von Payer, E. und K. Österreichisch-Ungarischer Haupt-
mann a. D. in Wien, ernannt am 14. Oktober 1874.
Dr. Max Bn ebner, Professor und Direktor des Kgl. Bayrischen Ethnologi-
schen Museums in München, ernannt am 17. Februar 1886.
Dr. Emil Blenck, Wirklicher Geheimtr Oberregiemngsrat und Präsident
des Kgl. Preußischen Statistischen Landesamts in Berlin, ernannt
am 8. Dezember 1886.
Lnigi Bodio, Italienischer Staatsrat, Senator und Generaldirektor der
Statistik im Kgl. Italienischen Ministerium für Ackerbau und Handel
und Vizepräsident der Societä geografica Italiana in Rom, ernannt
am 8. Dezember 1886.
Dr. Julius E u t i n g , Geh. Regiemngsrat, Professor, Direktor der Kaiserlichen
Universitäts- und Landesbibliothek a. D. und Präsident des Vogesen-
klnbs in Straßburg, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Theobald Fischer, Geh. Regiernngsrat und Professor in Marburg, er-
nannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Georg Gerland, Professor a. D. in Straßbarg, ernannt am 8. Dezember
1886.
Dr. Wilhelm Kobelt, Professor und praktischer Arzt in Schwanheiro, er-
nannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Karl von Obernberg, Vorsteher des Statistischen Amts der Stadt a. D.,
in Frankfurt am Main, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Eduard Pechuel-Loesche, Professor in Erlangen, ernannt am 8. De-
zember 1886.
Baron Max du P r e 1 , Kgl. Bayrischer Kammerherr, Kaiserlicher Ministerialrat
und Vorstand des Statistischen Bureaus im Ministerium für Elsaß-
Lothringen in Straßburg a. D., ernannt am 8. Dezember 1886.
Ernst Georg Ravenstein, Kartograph in London, ernannt am 8. Dezember 1886.
Ludwig Ravenstein, Kartograph in Frankfurt am Main, ernannt am
8. Dezember 1886.
Paul Reichard, Forschungsreisender, z. Zt. im Ausland, ernannt am 8. De-
zember 1886.
Dr. Johannes Rein, Geh. Regiernngsrat und Professor in Bonn, ernannt
am 8. Dezember 1886.
- 126 —
QtOTg Freiherr von Schleinits, Viseadmiral and LandeshaoptmaDD a. D.,
Exzellenz, in Hohenborn bei Lügde (Westfalen), ernannt am
8. Dezember 1886.
Dr. Georg Schweinfnrth, Professor in Berlin, ernannt am 8. Dezember 1886.
Blis Sidenbladb, Chefdirektor des Kgl. Schwedischen Statistischen Central-
bureans a. D. in Stockholm, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Hermann Wagner, Geh. Regiemngsrat and Professor in Göttingen,
ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Karl von den Steinen, Professor nnd Abteilangsdirektor am Kgl.
Mnseam für Völkerkande in Berlin (Charlottenbarg), ernannt am
20. Februar 1889.
Dr. Hans Meyer, Geh. Hof rat, Professor and erster stellvertretender
Vorsitzender des Vereins für Erdkande in Leipzig, ernannt am
25. Febraar 1891.
Dr. Siegmand Günther, Professor in München, ernannt am 2. März 1892.
Guido Cora, Professor und Direktor des Geographischen Instituts in Rom,
ernannt am 20. Dezember 1894.
Adolf Graf vonGötzen, Major k la suite der Armee, Kaiserl. Gouverneur
von Deatsch-Ostafrika und Kommandeur der Schntztmppe für
Deutsch-Ostafrika a. D., Kgl. Gesandter für Hamburg, Bremen,
Lübeck und beide Mecklenburg in Hamburg, ernannt am 9. De-
zember 1896.
Dr. ing. Wilhelm Launhardt, Geh. Regiemngsrat und Professor in Hannover,
Mitglied des Herrenhauses, ernannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Fridtjof Nansen, Professor und Kgl. Norwegischer Gesandter a. D., er-
nannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Albrecht Penck, Geh. Regierangsrat und Professor, K. K. Hof rat,
Direktor des Instituts für Meereskunde und Vorsitzender der Ge-
sellschaft für Erdkunde in Berlin, ernannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Joachim Graf von Pfeil undKlein-EUguth in Schloß Friedersdorf,
ernannt am 9. Dezember 1896.
Peter Petrowitsch vonSsemenow, Russischer Wirklicher Geh. Rat, Senator,
Mitglied des Reichsrats und Vizepräsident der Kaiserlich Russischen
Geographischen Gesellschaft, Hohe Exzellenz, in St. Petersburg,
ernannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Sven von Hedin in Stockholm, ernannt am 16. November 1897.
Dr. Friedrich Clemens Eb rar d, Geh. Konsistorialrat, Professor und Direktor
der Stadtbibliothek in Frankfurt a. M., ernannt am 17. Oktober 1900.
Otto Schleifer, Hauptmann der Landwehr- Artillerie und Forschungs-
reisender, z. Z. Charlottenburg, ernannt am 18. Dezember 1901.
Otto Neumann Sverdrup, Kapitän in Cbristiania, ernannt am 22. Oktober 1902.
Dr. Fritz Sarasin in Basel, ernannt am 28. Oktober 1903.
Dr. Paul Sarasin in Basel, ernannt am 28. Oktober 1903.
Dr. Erich von Drygalski, Professur und Vorsitzender der Geographischen
Gesellschaft in München, ernannt am 2. März 1904.
Dr. Karl Bücher, Geh. Hofrat und Professor in Leipzig, ernannt am 12. De-
zember 1906.
— 127 —
Dr. Friedrich Delitzsch, Geh. Regierangsrat and Professor in Berlin, er-
nannt am 12. Dezember 1906.
Dr. Gottfried Merzbacher, Professor und Forschongsreisender in München,
ernannt am 12. Dezember 1906.
Dr. Theodor Petersen, Professor und erster Vorsitzender der Sektion
Frankfurt am Main des Deutschen und Österreichischen Alpen-
vereins, ernannt am 12. Dezember 1906.
Seine Hoheit Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg, Major
k ia suite des 2. Garde-Dragoner-Regiments Kaiserin Alexandra
von Rußland, Rabensteinfeld in Mecklenburg, ernannt am
lö. März 1909.
Sir Ernest H. Shackleton, Leutnant der Reserve der Kgl. Marine in
London, ernannt am 20. Januar 1910.
Verstorbene Ehrenmitglieder.
Dr. Karl Ritter, Professor in Berlin, ernannt am 29. August 1838, ge-
storben daselbst am 28. September 1859.
Dr. Friedrich Tiedemann, Großberzogl. Badischer Geheimer Rat und
Professor a. D. in Frankfurt am Main, ernannt am 22. Mai 1861,
gestorben in München am 22. Januar 1861.
Karl Weyprecht, K. u. K. Österreichisch- Ungarischer Linienschiffsleutnant
in Triest, ernannt am 14. Oktober 1874, gestorben in Michelstadt
am 29. März 1881.
Dr. Eduard RUppell in Frankfurt am Main, ernannt am 20. November
1874, gestorben daselbst am 10. Dezember 1884.
Dr. Gustav Nachtigal, Kaiserl. Generalkonsul in Tunis, ernannt am
2. Juni 1875, gestorben an Bord Sr. Maj. Kreuzers «Möve* am
20. April 1885
Dr. Ferdinand Freiherr von Richthofen, Geh. Regierungsrat, Professor,
Vorsitzender der Gesellschaft ftlr Erdkunde und zweiter Präsident
des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins in Berlin, ernannt
am 11. Juni 1875, gestorben daselbst am 6. Oktober 1905.
Dr. Gerhard Rohlf s, Kgl. Hof rat, Kaiserlicher Generalkonsul a. D. in Weimar
ernannt am 9. Jannar 1877, gestorben in Rttngsdorf bei Bonn am
2. Juni 1896.
Dr. Georg Varrentrapp, Geh. Sanitätsrat und Ehrenpräsident des Vereins
für Geographie und Statistik in Franldurt am Main, ernannt am
24. September 1881, gestorben daselbst am 15. März 1886.
Dr. Emil Holub in Wien, ernannt am 1. März 1882, gestorben daselbst am
21. Februar 1902.
Dr. Ferdinand von Hochstetter,K. u. K. Österreichischer Hofrat und Pro-
fessor in Wien, ernannt am 27. Dezember 1882, gestorben daselbst
am 18. Juli 1884.
— 128 —
Dr. Hermann yon Wissmano, Major k la raite der Armee and Kaiserlicher
Gouvernenr z. D., ernannt am 31. März 1883, gestorben in Sting bei
Weißenbach (Obersteiermark) am 15. Jnni 1905.
Henry M. Stanley, Parlamentsmitglied in London, ernannt am 8. Jannar
1885, gestorben daselbst am 10. Mai 1904.
Dr. Adolf Bastian, Geh. Regierangsrat, Direktor der ethnologischen Samm-
lang des Museoms für Völkerkande and Ehrenpräsident der Gesell-
schaft für Erdkande in Berlin, ernannt am 8. Dezember 1886, ge-
storben in Port-of-Spain (Trinidad) am 3. Febraar 1905.
Dr. Karl Becker, Wirklicher Geheimer Oberregierangsrat and Direktor des
Statistischen Amts des Dentschen Reichs in Berlin, ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben in Charlottenborg am 20. Jani 1896.
Dr. Hermann Berghaas, Professor in Gotha, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 3. Dezember 1890.
Dr. Heinrich B r u g s c h , Legationsrat and Professor in Berlin, ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 9. September 18%.
Francisco Coello de Portagal y Quesada, Spanischer Ingeniear-
Oberst a. D., Ehrenpräsident der Sociedad geogräfica and Präsident
der Sociedad espafiola de geografia comercial, Exzellenz, in Madrid,
ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 30. Sep-
tember 1898.
Dr. Ernst Engel, Geh. Oberregierangsrat and Direktor des Kgl. Statistischen
Bnreaas a. D. in Oberlössnitz bei Dresden, ernannt am 8. Dezember
1886, gestorben daselbst am 8. Dezember 1896.
Dr. Friedrich Aagast Finger, Oberlehrer a. D. in Franklart am Main, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 31. Dezember 1888.
Friedrich Anton Heller von Hellwald in Stattgart, ernannt am 8. De-
zember 1886, gestorben in Tölz, am 1. November 1892.
Dr. Heinrich Kiepert, Professor in Berlin, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 21. April 1899.
Dr. Alfred Kirchhoff, Geh. Regierangsrat and Professor a. D., Ehrenvor-
sitzender des Vereins für Erdkande in Halle, in Mockaa bei Leipzig,
ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 8. Febraar 1907.
Karl Koldewey, Admiralitätsrat and Abteilangsvorstand der Dentschen
Seewarte in Hamburg, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben
daselbst am 18. Mai 1908.
Charles Maanoir, Generalsekretär der Soci6t6 de g^ographie in Paris, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 22. Dezember 1901.
Baron Cristoforo Negri, Italienischer Anßerordentlicher Gesandter and Be-
vollmächtigter Minister a. D., Senator des Königreichs and Primo
presidente fondatore der Societä geografica Italiana in Tarin, ernannt
am 8. Dezember 1886, gestorben in Florenz am 18. Febraar 1896.
Dr. Georg Ritter von Neumayer, Wirklicher Geheimer Rat, Professor
and Direktor der Seewarte a. D., Exzellenz, in Neustadt a. d. Haardt,
ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 24. Mai 1909.
Dr. Adolf Erik Freiherr von Nordenskiöld, Professor in Stockholm, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 28. Aagast 1901.
— 129 —
John Wesley Powell, Major and Direktor des Bureau of Ethnologj und
des United States geologlcal Survej in Washington, ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben in Hayen (Maine) am 23. September 1902.
Nikolai Michailowitsch von Prjevalsky, Russischer Generalmajor in
St. Petersburg, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben in Karakol
im Gebiet Ssemiretschensk am 1. November 1888.
Dr. Wilhelm Reiss, Geh. Regierungsrat in Könits (Thüringen), ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 29. September 1908.
Dr. Friedrich Ratzel. Sächsischer Geheimer flofrat, Professor und Vorsitzender
des Vereins für Erdkunde in Leipzig, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben in Ammerland am Stamberger See am 9. Aagust 1904.
Dr. Gustav vonRümelin, Württembergischer Geheimer Rat und Kanzler der
Eberhard-Karls-Uniyersität , Exzellenz, in Tübingen, ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 28. Oktober 1889.
Dr. Wilhelm Stricker, praktischer Arzt in Frankfurt am Main, ernannt
am 8. Dezember 1886, gestorben am 4. März 1891.
Dr. Bernhard 8 tu der, Professor a. D. in Bern, ernannt am 8. Dtzember 1866,
gestorben daselbst am 2. Mai 1887.
Dr. Pieter Jan V eth , Professor a. D. in Arnhem, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 14. April 1896.
Louis Viyien de Saint-Martin, Ehrenpräsident der Sed^t^ de g6ographie
de Paris in Versailles, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben
daselbst am 3. Januar 1897.
Henry Y a 1 e , Großbritannischer Ingenieur- Oberst a. D. in London, ernannt
am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 30. Dezember 1889.
Reinhold von Werner, Vizeadmiral a. D., Exzellenz, in Charlottenburg,
ernannt am 10. Oktober 1887, gestorben daselbst am 26. Februar 1909.
Dr. Emil von Oven, Senator und Ehrenvorsitzender des Vereins für Geo-
graphie und Statistik in Frankfurt a. M., ernannt am 26. Oktober
1887, gestorben daselbst am 27. November 1903.
Friedrich Jakob Kessler, Senator in Frankfurt am Main, ernannt am
26. November 1888, gestorben daselbst am 3. Mai 1889.
Dr. Wilhelm Junker, in Wien, ernannt am 25. Februar 1891, gestorben in
St. Petersburg am 13. Februar 1892.
Dr. Riebard B o e c k b , Geh. Regierungsrat, Professor und Direktor a. D. des
Statistischen Amts der Stadt Berlin in Grunewald bei Berlin, er-
nannt am 20. Oktober 1895, gestorben daselbst am 5. Dezember 1907.
Dr. Hans von Scheel, Geh. Oberregierungsrat und Direktor des Statistischen
Amts des Deutschen Reichs in Berlin, ernannt am 9. Dezember 1896,
gestorben daselbst am 27. September 1901.
Dr. Bugen Z i n t g r a f f , ernannt am 9. Dezember 1896, gestorben in Tene-
rife am 4. Dezember 1897.
Dr. Carlo Freiherr von Erlanger, in Niederingelheim, ernannt am 18. De-
zember 1901, gestorben in Salzburg am 4. September 1904.
9
— 130 —
Vom
Verein fikr Geographie und Statistik verliehene
Auszeichnungen.
I. Die Nordenskiöld-Medaille :
(in Gemeinschaft mit den geograpliiBchen Oeselisohaften von Berlin, Bremen, Dresden,
Halle, Hambarg, Hannover, Leipzig und M&nchen):
1885. Adolf Erik Freiherr von Nordenskiöld in Stockholm, (f)
II. Die Rüppell-Medaille in Gold:
1894. Hermann von Wissmann in Gut Weißenbach bei
Lietzen (Obersteiermark), (f)
1896. Julius Euting in Straßburg.
1903. Sven von Hedin in Stockholm.
1906. Theobald Fischer in Marburg.
1909. Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg in
Rabensteinfeld in Mecklenburg.
1910. Emest H. Shackleton in London.
III. Die Bappell-Medaille in Silber:
1904. Karl G. Schillings in Düren.
1905. Bernhard Hagen in Frankfurt am Main.
1906. Wilhelm Fil ebner in Berlin.
— 131 —
Übersicht der Einnahmen und Ausgaben
im Jahre 1908/1909.
Einnahmen:
Saldo des Jahres 1908/1909 M 138.70
Zinsen , 778.77
Beiträge von 626 Mitgliedern „ 9348.—
Verkauf von Beikarten „ 296. —
Ararialbeitrag „ 600. —
Ein Geschenk „ 100.—
Verkauf von Jahresberichten „ 21. —
Verkaufte Effekten „ 9122.85
Entnahme aus der Vereinsbank ^ 2471. —
Für die Elbert-Sunda-Expedition _, 11633.10
Ausgaben:
Honorare - jH 2590.—
Saalmiete „ 1635.—
Lichtbilder und Ausstellungen „ 241.65
Inserate , 288.12
Bibliothekariatbeitrag , 697.43
Gehalt des Vereinsdieners , 400. —
Auslagen für Porti, Depeschen usw „ 415.40
Auslagen bei Anwesenheit der Redner . . . . „ 439.15
Auslagen anläßlich der Festveranstaltungen vom
15. und 29. März 1909 „ 671.55
Vereinsregister „ 11.05
Drucksachen, Bücher, Buchbinder „ 462.75
Geographentag „ 165.20
Ankauf von Effekten , 240580
Kleinere Auslagen , 239.20
Für die Elbert-Sunda-Expedition , 23733.77
Saldo auf neue Rechnung ^ 112.35
M 34 508.42
M 34 508.42
— 133 ^
Seite
A. Wissenschaftliche Mitteilnn^eB.
Ans den Vorträgen:
Adolf Friedrich Herzog zaHecklenbnrg: Die Deutsche
wissenschaftliche Zentral-Afrika-Ezpedition 1907/06 ... 38
Benignus, S.: Wissenschaftliche und wirtschaftliche Studien
im argentinischen und chilenischen Patagonien und auf
Feuerland 26
Berger, A. : In Afrikas Wildkammem 92
Dyroff, K. : Die Märchen der Tausendundeinen Nacht auf
ihrer Weltwanderung 15
Frobenius, L. : Unter deutscher und französischer Fahne
Yon Senegambien über Liberia und Timbuktu nach Togo . 81
Grcim, G.: Neuere Ansichten über den Aufbau der Alpen 88
Grothe, H. : Natur- und Wirtschaftsbilder aus Mesopotamien 69
Hagen, B. : Über die Bevölkerung der Philippinen .... 89
Hedin, S. von: Meine neueste große Forschungsreise in
Tibet 1906—1908 46
Jaeger, F.: Zum Hochland der Riesenkrater in Deutscfa-
Ostafrika 16
Ealbfus, H.: Die Albulabahn 18
Kauffmann, 0.: Durch unerforschte Gebiete yon Gochin in
Britisch-Indien 64
Kirschstein, F.: Im Bannkreis der Virunga- Vulkane . . . 68
Klaatsch, H. : Die Eingeborenen Australiens und die Ur-
geschichte der Menschheit 6
Mann, 0.: Über meine Reise im türkischen Kurdistan ... 23
M ertön, H. : Eine zoologische Forschungsreise nach den süd-
östlichen Molukken 28
Merzbacher, G. : Yon meiner neuen Forschungsreise in den
Tian-Schan 1907—1908 66
Müllendorff,P. : Vom indischen Ozean zum Victoria-Nyansa 86
Ohnefalsch-Richter, M.: Dreißig Jahre englischer Ok-
kupation und die heutige Bedeutung Gjrpems für die orien-
talische Frage 24
Paquet, A.: Durch Sibirien und die Mongolei 72
Passarge, S.: Algier 71
Römer, F.: Die Tiefsee 80
Sapper, K.: Neu-MeoUenburg 79
Barre, F.: BOm in MetopotMoien itt Winter 1907/08 . » » 81
— 134 —
Seit«
Schott, G. : Sldzzen aus westindischen Reyolationsgebieten
mit besonderer Berücksichtigung von Venezuela .... 63
Schwarzlose, K.: Bulgarien 9
— — Montenegro 33
— — Rumänien 62
Sei er, C. : Von Mexiko nach Guatemala 22
Shackleton, E. H. : Die englische Sftdpolar - Expedition
1907—1909 75
Stein, M.A.: (Geographische und archäologische Forschungs-
reisen in Zentralasien 1906—1908 84
Tafel, A. : Meine Reisen in Osttibet 14
Vall entin, W. : Streifzüge durch Argentinien 74
Wettstein: Vergleiche deutscher Überseearbeit in Süd-
brasilien, Deutsch-Südwestafrika und der Kapkolonie ... 20
Zahn, W. von: Der Isthmus von Tehuantepec 22
B. Geschäftliche Mitteilongeii.
Bericht über die Tätigkeit des Vereins in den Jahren 1906/09
und 1909/10 97
Vorstand und Ämterrerteilung 109
Mitgliederverseichnis 111
Vom Verein für Geographie und Statistik verliehene Aus-
zeichnungen 130
Obersicht der Einnahmen und Ausgaben im Jahre 1908/09 . . 131
-wa/l/7/2/ '^/Z/l/U'v-
Jahresbericht
des
Frankfurter Toreins
fllr
Greographie und Statistik
Fflnfnndsiebzigster
und
Seehsandsiebzigster Jahrgang.
1910—1911 und 1911—1912.
Im Namen des Vorstandes herausgegeben
Ton
Professor Dr. Hermann Traut^
Bibliothekar an der StadtbibUothek,
Generaliekretar des VereiiiB.
'♦'•-•-
Frankfurt am Main.
Druck and Yerlag Ton Oebrttder Knaner.
1912.
Wissenschaftliche Mitteilungen.
Die wissenschaftlichen Ergebnisse der
Sunda-Expedition.
Von
Dr. Johannes Elbert, Expeditions-Leiter.
(Vortrag gehalten am 17. Dezember 1911
im „Verein für Geographie und Statistik" zu Frankfurt a. M.)
Die Jubiläums-Expedition des „Vereins für Geographie und
Statistik" im Jahre 1909/10 verfolgte den Zweck, die Frage
nach dem ehemaligen, heute durch die Inselwelt des indoaustra-
lischen Archipels unterbrochenen Zusammenhang der beiden Fest-
länder Asien und Australien einer Lösung näher zu bringen.
Heute, am Tage des 75 jährigen Bestehens der geographischen Ge-
sellschaft, möchte ich Ihnen in Kürze die hauptsächlichsten Resultate
vortragen, die eingehend in meinem Werke*) behandelt werden.
Eine auffallende Tatsache besteht in dem Vorkommen einer
altertümlichen Tierwelt in Australien, der Beutel- und Kloaken-
tiere, jener Vorfahren unserer Säugetiere. Zoologen und Geologen
erklären ihre Erhaltung durqh eine frühzeitige Isolierung Austra-
liens, nehmen aber für eine spätere Epoche eine Verbindung
Asiens mit Australien an. In der jüngeren Tertiärzeit bestand
im Gebiete des indoaustralischen Archipels ein Meer, aus welchem
allmählich ein Land emporstieg, zur selben Zeit nämlich, als
die Kräfte der Erde auf den Festländern die großen Gebirge
auftürmten. Asien wuchs, eine Kulisse nach der anderen in
den indischen Ozean hinausschiebend, Australien entgegen, wie
wahrscheinlich auch umgekehrt. Dieser Umstand berechtigt uns
aber zu folgenden Fragen: 1. Näherten sich die Festländer
einander oder 2. durchdrangen sich die vorgeschobenen Faltenzüge
und bildeten einen zusammenhängenden Kontinent, oder aber er-
zeugten sie 3. nur insulare Regionen mit temporären Notbrücken?
*) Dr. Johannes Elbert: Die Sonda-Ezpedition des Verems für Geo-
graphie und Statistik zu Frankfurt a. M., Festschrift zur Feier des 76 jährigen
Bestehens des Vereins, Band I, Frankfurt a. M., Hennann Minjon, 1911.
Band II ist im Druck.
— 6 —
Der erste Versuch einer Lösung dieser Fragen ging von
den Tiergeographen aus. Die ärmliche Tierwelt Australiens
wanderte der reichen Fauna Indiens entgegen. Schon den Natur-
forschern in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ist
ein Unterschied zwischen der Lebewelt der westlichen Großen
Sunda-Inseln und der östlichen Kleinen, wie außerdem derjenigen
der östlichen Molukken und Neu-Guinea aufgefallen. Im Jahre
1840 sprach Salomon Müller in seiner Abhandlung: „Über
den Charakter der Tierwelt auf den Inseln des Indischen Archipels,
ein Beitrag zur zoologischen Geographie" im „Archiv für Natur-
geschichte" den tiergeographischen Gedanken zuerst in klarer
Weise aus. Nach ihm beginnt der australische Charakter der
Fauna und Flora mit Celebes und Flores. Bereits ein Jahr
vorher, 1845, versuchte W. Earle auf geologischer Grundlage
die heutige Tierverbreitung zu erklären. Die große asiatische
Bank, so sagt er, habe Südost-Asien über Borneo mit Sumatra
und Java verbunden und die australische Neu-Guinea mit den
Aru-Inseln vereinigt. Im Zwischengebiete habe die vulkanische
Tätigkeit die Inseln in fantastische Formen geworfen.
Dann kam Alfred Russell Wallace, dessen An-
schauungen verschiedene Wandlungen durchgemacht hatten, bis
zum Erscheinen seines denkwürdigen Werkes: „The Malay
Archipelago" im Jahre 1859. Er teilte die ganze Inselwelt in
zwei Hälften, eine indomalayische und eine austromalayische
Region und zog die bekannte Grenzlinie zwischen Bali und
Lombok, sowie weiter zwischen Celebes und Borneo, wie Min-
danao. Hier soll das asiatische und australische Festland mit
großen insularen Regionen geendet haben.
Die ersten Gegner fand diese Theorie in E. v. Märten s,
der dieselben Molluskenarten auf Celebes und Java nachwies,
und welcher 1876 einen allmählichen Übergang für die asiatische
und australische Fauna annahm. Demgegenüber glaubte G ünther ,
1880 auf Grund der Fischverbreitung dennoch Bali von Lombok
trennen zu müssen und Jentink 1889, daß auf Grund der Säuge-
tiere ein Unterschied mit Lombok nicht bestände. Auch die
Botaniker begannen, 1890, eine scharfe Trennung der asiatischen
und australischen Flora in Abrede zu stellen.
Einen weiteren Stoß erhielt die Wallacesche Theorie durch
die ichthyologisclien Untersuchungen von Max Weber. Dieser
— 7 —
konstatierte eine auffallende Abnahme der Süßwasserfische von
West nach Ost, welche bereits auf Java einsetzte und auf Bali
sich vergrößerte, dann besonders zwischen Celebes und Borneo
auffiel. Infolgedessen nahm er für Celebes eine im hohen Grade
verarmte indische, nicht australische Pischfauna an. Weber
versuchte weiter auch seine Auffassung auf die Kleinen Sunda-
Inseln auszudehnen, doch lag ihm leider von der Insel Lombok
nur ein Exemplar, eine Cyprinide, also ein echter westmalayischer
Fisch vor. Dieser stammte aber außerdem noch von der West-
küste, wo Balier und Sasaker Fischzucht in Teichen treiben,
sodaß dieser Fund an Beweiskraft verliert. Wallace betonte
dann auch noch einmal im Jahre 1895 in der zweiten Auflage
seines „Island Life" in aller Schärfe die Gegensätze, welche
etwa so groß wären, wie zwischen England und Japan. Nur
Celebes galt seit langem schon als ein Mischungsgebiet indo-
raalayischer und austromalayischer Formen.
Eine ganz neue Phase beginnt mit den Untersuchungen
der Vettern Sara sin s. Diese Forscher weisen der Straße
zwischen Celebes und Borneo, der Makassar-Straße, eine tief-
greifende Bedeutung als tiergeographische Grenze zu, ziehen
aber diese Linie weiter durch die Java-See südlich Borneo nach
West und lassen sie blind endigen; die Lombok-Straße abej'
bezeichnen sie als eine Grenzlinie zweiten Ranges und wenden
sich gegen die Ansicht von Kükenthal, der selbst der Makassar-
Straße eine besondere Bedeutung abspricht.
Nach den grundlegenden Untersuchungen der Sarasins
setzt sich die Fauna von Celebes aus 4 Komponenten zusammen,
Tieren, welche auf ehemaligen Landverbindungen von Java,
Flores, den Philippinen und den Molukken eingewandert sind.
An der Hand der zoologischen Ergebnisse wird der Versuch
gemacht, diese Landbrücken zu rekonstruieren und eine geologische
Entwicklungsgeschichte der indoaustralischen Inselwelt zu geben.
Aus diesem Stande der Frage nach der Bedeutung der
Wallaceschen Linie ersieht man zugleich die von der Sunda-
Expedition auszuführenden Aufgaben. Zuerst mußte
die tier- und pflanzengeographische Seite neu geprüft, dann aber
die geologische Unterlage festgestellt werden.
Besonders geeignet für die tiergeographischen Zwecke sind
die Flußfische, da diese durch das Gebundensein an süßes
Wasser nicht imstande sind, Ueeresanne zu überschreiten, dann
Amphibien und Reptilien, sowie Mollusken. Die Untersuchung der
von mir gesammelten 2500 Fische durch Fräulein Dr. C. Popta>-
Leiden führte zu folgendem Resultat : Die echten Süßwasserfische
der Inseln Lombok und Sumbawa tragen einen ausgesprochenen
indomalayisclien Charakter, und die vom Meere eingewanderten
Arten sind Östlichen Ursprungs. In ichthyologischer Be-
ziehung bilden also Lombok undSnmbawa dieFort-
setzung des asiatischen Festlandes über Malakka,
Sumatra, Java und Bali. Lombok und mehr noch
Sumbawa zeigen weiterhin eine starke Verarmung
indomalayischer Formen und bilden das Übergaugs-
gebiet zur austromalayischen Region.
Wb. 1. Tabellariaehe ZuummeuBtellang
der Flaehfamilien and -gattangea.
— 9 —
Was die Nachbarinseln betrifft, so unterscheidet sich Lom-
bok von Sumbawa durch seine westmalayischen Cyprinodonten,
von Celebes durch seine Cypriniden und von Java und Borneo
durch das Vorkommen einer ostmalayischen Form: Eleotris
gyrinoides.
Die Untersuchungen lehren jedoch nicht allein das Vorhanden-
sein einer aus west- und ostmalayischen Elementen bestehenden
Mischfauna, sondern die Tatsache der Bildung neuer Arten und
Varietäten zeigt auch eine frühzeitig erfolgte Isolierung Lora-
boks und Sumbawas. Daß die letzten beiden Inseln länger mit-
einander in Verbindung gestanden haben, zeigt das gemeinsame
Vorkommen einer neuen Rashora-Ait,
Über die Zeitdauer der Umwandlung der ostmalayischen
Meeres- in Süßwasserfische machte ich in Sumbawa folgende
interessante Beobachtung. Im westlichen Teil der Insel liegt
ein 12 km langer und 3 km breiter morastiger See, der zur
Zeit der Trennung Sumbawas von Lombok bei der Bildung der
Alas-Straße entstand, und welchen später eine Hebung vom
Meere abgeschnitten hat. Sein 'Wasser wurde im Laufe der
Alluvialzeit ausgesüßt, und heute enthält es eine Reihe von
umgewandelten Meeresfischen. Dieser Vorgang der Artenbildung
vollzog sich also in verhältnismäßig kurzer Zeit.
Verfolgen wir nun an der Hand einiger Tabellen (Tab. 1)
die Verbreitung der Süßwasserfische im Archipel:
Die Cyprinodonten reichen vom asiatischen Festlande bis Lom-
bok, die Cypriniden und Sjrmbranchiden bis Sumbawa, die
Ophiocephaliden bis Flores, die Anabantiden und Gobiiden bis
Timor. Die östlichen Formen gehen von Australien, bezw. Neu-
Guinea durch den ganzen Archipel bis Asien. Noch deutlicher
wird die Verbreitungsart nach den Gattungen: Barbus und
Haplochilus findet sich von Malakka nur bis Lombok, Rasbor a^
ClariaSy Monopterus bis Sumbawa, Anabas bis Timor und Sycidium
bis Wetar. Eine Wanderung vom asiatischen Festlande über
Borneo nach Celebes machten die Cyprinodonten und vielleicht
auch die Symbranchiden, welche Familien bis in die Molukken
vordrangen.
Jetzt möchte ich die Verbreitung der Reptilien und
Amphibien an der Hand von Tabellen (Tab. 2) vergleichen:
Tab. 2. Tabellariselie Zasammenstellnng der wiebtigsteii
Reptilien uud Ampblbieu des iiidoaastraUsefaeH Aretaipels.
. Qymnodactjlus jellesmae Bigr.
I. Hemidactylna frenatuB D. B
I. Qecke verticiUatos Laur. ,
.. „ monarchuB Schleg.
1. Draco voUns L
i. „ beecari Pbs. Der. . ,
I. Calotes criBtatellQi, Kohl . .
I. Lophnra £ri
>. Varanns
.. Hkbnia mnltifosciata Kahl .
i. „ mdis Slgr. .
I. Lygosoma Tariegatnm Petra.
„ LesB.
I. „ cyonnmm Less.
I, „ Temraincki D. B. .
I. „ florense, M. Welwr
L „ chalcidis L. .
. DlbamuB D B,
I. Tbjphlops braminns Dand.
I. „ Blbcrti, J. Rom .
;. „ ater Scbleg. . .
I. Fbyton reticnlatas Sehn. .
i, „ moloruB L. . . .
'. Coluber OKycepbalaa Boie.
I. „ subradiatna Schleg. .
>. ,, erythraraa D. B
I. „ radiatas . . .
Boie ,
!. Boie.
I. Lycodon aallciis L. . . .
^. „ anbcJDctus Boie,
i. Chrysopelea ornata Shaw.
i. DoBdropbis pictna Omcl. .
f. Paammndynastes pulverulentusBtiie,
I. PaeodorhabdiiiDi longiceps Can,
Auf der Expedition wurden 40 verschiedene Arten (s. Tab. 2 *)
gesammelt und in der Zusammenstellung durch 22 andere vervoll-
.stäudigt, jedoch mußten alle, im Gebiete weit verbreiteten Arten,
die für unsere Schlußfolgerungen bedeutungslos sind, fortgelassen
werden. Die Bestimmung dieser Tiergruppen wurde von Herrn
Dr. J. Roux -Basel ausgeführt.
Von den westmalayischen Arten finden sich Draco monarehtts
von Malakka bis Java und Draco volans, Bufo biporcatus bis
Lombok, Gymnodadylits, Htmidadylus und Lachesis gratnmineus
bis Sumbawa, dann Dry<^his, Dendrophis, Rkacopkorus, Callula,
Oxygiossus bis Plores, resp. Timor, ferner Mabuia, Lycodon,
Cylindrophis und Rana tigrina bis Wetar, andere sctiließlich wie
Cerberus rhynchops, Hi^irhina plumbea, Cyclem^s bis Australien,
— 12 —
bezw. Neu-Guinea. Die papuasischen Reptilien kamen zum Teil
von Osten über Wetar, Flores, Sumbawa bis Lombok, mehrere
Lygosoma-Arten finden sich nur bis Flores, bezw. Timor, aber
ein papuasischer Frosch, Rana modesta, wurde noch auf Lombok
nachgewiesen. Ein anderes Reptil Draco retictdaris stammt von
den Philippinen und gelangte über Celebes nach Lombok; den-
selben Weg nahm das celebensische Amphibium Spetwjyhryney
nämlich über Sumbawa nach Lombok.
Betrachten wir nun die folgende Tabelle (Tab. 3) : Von
den westmalayischen Arten kommen noch 23 auf der Insel
Lombok vor, 9 sind bis Wetar vorgedrungen. Weiterhin finden
sich 5 ostmalayische Arten auf Lombok, 7 auf Flores, femer
nur 2 papuasische auf der ersten, 3 auf der letzten Insel und
schließlich auf Wetar 4 Formen, jedoch dürften wohl später die
bis jetzt noch nicht gesammelten echt papuasischen Arten von
Lombok und Flores auch auf Wetar gefunden werden.
Tab. 3. Die Yerbreitangsart der Reptilien und Amphibien
im indoanstralischen Archipel.
Anzahl der Arten
Westmalayische
Ostmalayische . .
Papuasische . .
Lombok Sumbawa
Flores
Wetar
23
15
5
2
18
4
2(7?)
22
14
7
3
9
6
4 (7?)
1 (4?)
Gemeinsame Arten Westmalayische! Ostmalayische ' Papuasische
Lombok mit Java
,, Sumbawa
»»
Celebes .
„ „ Philippinen
Sumbawa mit Flores .
„ „ Celebes .
„ „ Philippinen
Flores mit Wetar . .
,, „ Celebes
f, „ Philippinen
W etar mit Celebes
15
8
13
13
9
10
10
4
13
13
3
3 1
4 2
2 1
3 1
3 1
2 ; 1
2 I 1
6 3
3 3
1 I 1
Die untere Zusammenstellung der Tabelle lehrt die Ver-
wandtschaft der einzelnen Inseln miteinander. Von den 23 west-
malayischen Arten Lomboks sind 15 javanisch, die übrig-
— 13 —
bleibenden 8 auch celebensisch und philippinisch, aber auch
sumbawanisch. Demnach müssen ein Teil der westmalayischen
Formen vom asiatischen Festlande über Java, ein anderer über
Borneo, via Celebes und Sumbawa nach Lombok gekommen
sein. Celebes besitzt etwa die doppelte Anzahl westlicher Arten
gegenüber Lombok, weist also eine größere Verwandtschaft mit
Java auf als die letzte Insel. Flores und Lombok haben
nun noch mit Celebes und den Philippinen 13 westliche Arten
gemeinsam, wodurch wiederum eine enge Beziehung mit Celebes
hervorgeht.
Auf die geographischen Fragen, welche sich durch die
Betrachtung der anderen Tierklassen ergeben, will ich nicht
näher eingehen, da ich sonst die Untersuchungen der Sarasins
wiederholen müßte. Nur über die Säugetiere soll noch fol-
gendes ergänzend hinzugefügt werden: Die Affen, vor allem
Nemestrinus verfolgte ich von Lombok über Sumbawa bis Timor
und Pithecus bis Sumbawa. Sie nehmen auffallender Weise von
West nach Ost bedeutend in ihrer Größe ab. Für die auf Wetar
gesehenen Tiere möchte ich jedoch eine Einfulir von Timor her
annehmen. Das westliche Schwein, Sus verrucosus, traf ich
noch bis Wetar an ; das Stachelschwein, Acanthion^ lebt noch auf
Flores und in einer der javanischen ähnlichen neuen Art auf
Sumbawa. In der Südost-Halbinsel von Celebes finden sich
femer neben den australischen Phalanger mehrere asiatische
Eichhörnchen, Sciurus, unter denen eine Art von Herrn Dr.
Schwarz- Frankfurt als neu nachgewiesen wurde.
Die tiergeographischen Untersuchungen lassen also folgende
Schlüsse zu: Die indomalayische Tierwelt nimmt von
West nach Ost an Artenzahl ab, und die austro-
malayische bezw. ostmalayische von West nach
Ost zu, ohne daß eine scharfe Grenze zwischen
beiden Mischungskomponenten irgendwo zu beob-
achten wäre. Der Verarmung der asiatischen Fauna von
West nach Ost folgt eine Anreicherung mit australisch-papu-
asischen Elementen. Ferner ergibt die Tiergeographie
eine doppelte Verwandtschaft von Celebes mit
der südlichen Inselkette von Lombok, Sumbawa,
Flores, Timor. Auf einer vermutlichen Landbrücke
im westlichen Teile wanderten wesentlich indo-
— 14 —
malayische Tiere von Nord nach Süd und auf einer
zweiten im östlichen Teile austromalayische von
Süd nach Nord. Zwar spricht die Verwandtschaft
zwischen der Tierwelt Lomboks mit Java für einen
früheren Zusammenhang, doch muß dieser eher zer-
stört sein als die Verbindung mit Celebes, zu
welcher Zeit Lombok undSumbawa noch ein Ganzes
bildeten.
Verlangt die Tiergeographie die Annahme von alten Land-
verbindungen, so werden diese auch von der Pflanzen-
geographie bestätigt, mit dem Unterschiede nur, daß die
Argumente weniger zwingend sind, da die Verbreitung der
Pflanzen auch unter Umständen auf dem Wasserwege erfolgen
kann. Der Botaniker War bürg war der erste, welcher auf
den Bergspitzen von Celebes australische Relikten nachwies.
Wie die Sarasins auf zoologischer Grundlage, so kommt
dieser Forscher auf botanischer zu der Annahme, daß 1. die
Makassar-Straße ein hohes Alter haben müsse, da sie ganz ver-
schiedene Pflanzenregionen von einander trennt, und 2., daß
eine Verwandtschaft der Flora mit Java, wie überhaupt im
allgemeinen mit Indien, bestehe.
Meine botanischen Untersuchungen auf dem Rindjani-
Vulkan Lomboks führten zu dem Resultat, daß die Pflanzenwelt
der indischen Florenregion angehört, die Lombok-Straße also keine
Grenze zwischen dem indischen und australischen Reiche bilden
kann. Ich fand sogar eine auffallende Übereinstimmung zwischen
der Gipfelflora des Rindjani und der Vulkane Javas. Die defi-
nitiven Bestimmungen Dr. H all iers- Leiden bestätigten meine
Resultate und zeigten ferner das Vorkommen von timoresischen
und australischen Typen in tieferen Höhenlagen bis etwa 1650 m
auf Lombok, u. a. einer timoresischen prächtigen Winde Siicto-
cardia pulchra, einer australischen Ipomoea plebeja und weiter
einer australisch-papuasischen Lilie: Emtrephus^ sowie einer
aus der entwicklungsgeschichtlich hochstehenden Familie der
Bignoniaceen : Pandorea.
Weiterhin ergab die Bearbeitung der auf den östlich sich
anschließenden Inseln Sumbawa und Flores gesammelten
Pflanzen eine durchweg indische Flora mit einzelnen
australischen Arten. Nur auf Sumba, Timor und
— 15 —
Wetar wird der Charakter durch die Eucalyptus-Bäuirie,
welche wie immer auf große Strecken alle anderen verdrängen,
ein australischer. Doch auch auf Wetar beobachtete ich
noch zahlreiche indische Pflanzen.
Zwischen der südmalayischen Kette und Celebes bestehen
floristisch zwei große Unterschiede. 1. In dem zweiten Gebiete
treten die australischen Pflanzen nur in höheren, und dem ersten
in tiefer liegenden Teilen auf, und 2. verschieben sich noch
auf Celebes die Vegetationsregionen nach unten hin voll-
ständig. Während auf Lombok die Gewächszonen sich nämlich
im großen und ganzen an die von Java und dem asiatischen
Festlande bekannten Verhältnisse anschließen, gehen die gemäßigte
und kühle Region auf Celebes, in derselben Weise wie auf Borneo,
etwa 800 — 1000 m tiefer zur Ebene hinab. Die Gipfelflora mit
ihren Ericaceen, wie Vaccinium^ Rhododendron, dann Myrtaceen,
wie Leptospermum, reicht hier bis etwa 500 — 550 m ü. M., während
die Pflanzen der gemäßigten Vegetationszone, wie Sonnentau,
Lobelien, Enzian und Erica-artige noch in der Rumbia-Ebene
von Südost-Celebes leben.
Die Verarmung der asiatischen Flora von West nach Ost,
und umgekehrt das Vordringen der australischen von Ost nach
West dürfte aber außer in den ehemaligen Landverbindungen
wesentlich in klimatischen Verhältnissen zu suchen sein. Bei
der früheren größeren Ausdehnung des Festlandes, vor allem
von Australien nach Nord wird der Einfluß der australischen
Depression noch weiter gereicht haben, als heute. Meine mete-
orologischen Beobachtungen auf dem Rindjani Lomboks zeigen
auch, daß hier zu Zeiten in größeren Höhen bereits der austra-
lische Monsun weht und nicht etwa der asiatische Südost-Passat
wie auf Java.
Mögen uns diese, auf tier- und pflänzengeographischer
Basis beruhenden Untersuchungen unserem Ziele, der Rekon-
struktion von ehemaligen Landbrticken, näher bringen, so gewinnt
die Tlieorie erst festen Fuß, wenn die Geologie die angenommenen
Verbindungen bestätigt. Auf die geologische Entwicklung
des indoaustralischen Archipels übte die Verteilung der archä-
ischen, sowie paläozoischen Formationen einen wesentlichen Einfluß
aus. Man gewinnt sogar den Eindruck, daß alle Gebirgsbildungen
nur auf einer Wiederbelebung der Gebirge des unterlagemden,
— 16 —
paläozoischen Rumpfes beruhen. Dieser ist im Laufe der
späteren Erdepochen immer mehr zum indischen und pazifischen
Ozean abgesunken und hat in seinen Randgebieten Stauungen
hervorgerufen, die zur Bildung des tertiären und diluvialen
Festlandes geführt haben. Die kristalline Schieferformation
geht nun von Hinterindien bis Sumatra nnd über Bomeo nach
Celebes, von da über die Bangai- und Sula-Inseln, über Batjan,
Buru, Ceram bis nach Neu-Guinea. Die Permformation Australiens
findet nach Nord ihre Fortsetzung auf Timor, wo sie mit den
ürschiefem vorkommt. Das Rumpfgebirge zieht nun von Timor
über Letti, Kisar, Sermata, Babar und die Kei-Inseln ; Neu-Guinea
vermittelt die Verbindung beider Züge. Innerhalb von diesen,
dem australischen und pazifischen, entwickelte sich später vor
allem das tertiäre und diluviale Gebirge. Daß seine Faltung
in dem alten Rumpf einen Widerstand fand und nicht frei zur
Ausbildung gelangen konnte, macht sich, wie anderswo, auch
hier bemerkbar.
Im Miocän etwa begann der erste, der burmanische
Faltenzug von Hinterindien aus sich in diese Lücke hinein-
zuschieben und einzweiter, paralleler, dürfte ihm, entsprechend
der Verteilung und Ausbildung des Neogens, erst in der
Pliozänzeit gefolgt sein. Der erste Faltenwurf des malay-
ischen Bogens lief am Innenrande des australischen Gebirgs-
rumpfes entlang, von Timor über die Inseln Letti, Babar,
Tenimber, Kei nach Ceram, und schloß sich an das westliche
Neu-Guinea an. Im Zusammenhang mit dieser Gebirgsbildung
hat man eine Verbindung des Timor-Archipels mit Neu-Guinea
zu suchen. Während der erste Faltenzug den alten Formationen
folgte, hob der zweite jüngere vor allem das Tertiär und ging
von Mores über Wetar, Roma, Banda nach Ambon und machte
den westlichen Teil von Hinterindien bis Flores zum Festlande.
Mit der Entstehung der malayischen Doppelfalte dürfte gleich-
zeitig eine starke Absenkung des äußeren Teiles zum indischen
Ozean in einer Flexur erfolgt sein und die Trennung von Australien
bewirkt haben.
Hatte bereits der genannte äußere, der Kei-Ceram-Bogen,
durch seine starke Biegung und durch den am alten Grundgebirge
gefundenen Widerstand eine starke innere Zerrung erfahren,
so mußte eine in noch stärkerem Maße beim inneren Banda-
— 17 —
Bogen verursacht werden. Die Torsion mußte in jedem von
ihnen deshalb eine Unzahl von radialen Spalten erzeugen, welche
den Grund zu der späteren Zerstückelung dieser
Ketten legte und die Inselbildung beförderte. Eine weitere
Folge der zweiten Faltung war ein Einbruch zwischen den
beiden Bögen. Der bereits Java der Länge nach von West
nach Ost durchziehende tektonische Graben läuft über Bali,
Lombok bis Sumbawa. Seine Fortsetzung bildet die Sawu-See
südlich von Mores und die Wetar-Straße nördlich Timor; denn
man findet z. B. an der Ende-Bucht von Flores stark auf-
gerichtete, 0-W streichende vulkanische und marine Schichten,
und 0-W Brüche an der Stidküste von Wetar werden durch
Quarzgänge markiert. — Auf den Horsträndem des Grabens
türmten sich nach und nach die neogenen Vulkane auf, deren
Tätigkeit bis heute noch andauert. Diese Vorgänge erklären
nun 1. das vorwiegende Auftreten von tertiären Sedimenten mit
Einlagerungen älterer vulkanischer Gesteine, wie Porphyrite
Dazite, Trachyte, Thephrite und älterer Andesite in den Südhälften
der Inseln Java, Bali, Lombok und Sumbawa und die Fortsetzung
der marinen Tertiärsedimente auf Sumba und Timor, und 2.
dasjenige der jungvulkanischen Produkte mit jüngeren Andesiten
in den nördlichen Teilen der Inseln und ihren weiteren Verlauf
über Alor, Roma, Nila, Banda, sowie über Ambon und Batjan,
nach Temate, Halmahera und den Philippinen.
Dieser Periode folgt unmittelbar die Bildung einer Reihe
kürzerer Faltenzüge innerhalb des Hauptbogens,
begleitet von dem allmählichen Zerfall der südlichen Kette,
welche mehrfach mit Celebes in Verbindung tritt. Zwei Ge-
birgssysteme lassen sich unterscheiden, deren tektonischen Kräfte
in einem Falle von einem Gebiete des Westens, im anderen
einem des Ostens ausgingen. Diese, die westmalayischen und
ostmalayischen Bögen, treten zu je zweien zusammen, durch-
dringen sich und stören sich an anderer Stelle, so daß zwischen
ihnen naturgemäß bedeutende Absenkungen von Schollen statt-
finden müssen. — Die westmalayischen Bögen entstanden aller
Wahrscheinlichkeit nach von Osten nach Westen nacheinander. —
Beide Faltenzüge sind als Reste in den Gebirgsketten der Süd-
west- und südöstlichen Halbinsel von Celebes vorhanden, die
westmalayischen laufen nahe den Westküsten und die ost-
2
~ 18 —
malayiscben den Ostkästen. Die ersten bilden eine Verbindnn
von Java mit der südwestlichen Halbinsel und von Smnbaw
mit der südöstlichen, die anderen verlängern den Südwest-Zipfi
aber Salayer nach Bonerate und vermitteln den Anschloß de
südöstlichen über Buton-Muna, Tukang-besi-Inseln an Weta:
Wie den inneren Bögen, so folgen anch den sich von ihne
abzweigenden Seitenarmen Vulkane und, wie es scheint, bi
zur Annäherung an das alte Giebirge. Zu dem Javab<^n gf
hört der auf Celebes liegende Bontain, zum Bimabogen : Sutgeaj
zu dem von Ost-Flores : Batu Tara und dem von Wetar : Batu Ap
In der nun folgenden Zeit, dem Rest des Dilu
viums und im Alluvium, bewegte sich Austrs
sien mehrfach periodisch auf und ab, Vorgange, wi
man sie ganz ähnlich aus dem Ostseegebiete kennt. Beid
Paltenzüge schufen, wie bereits gesagt, durch ihre starke B«
gung ein System von sich schneidenden Torsionsspalten, zwische
welchen das Land, vielleicht »chon während seiner Bildung, tei!
weise einbrach, und die sowohl die südliche Kette von neuen
sowie ihre eigenen Gebirgszüge zerstückelten. Dieser Zerfa
Austrasiens wurde aber wesentlich unterstützt durch die Osl
West-streichenden und der jungen Faltung Widerstand entgegei
setzenden Formationen des alten Gebirgarumpfea. Alle wesl
malayiscben Bögen nämlich brechen auf Celebes an Ost-Wesl
Spalten ab und enden an nord- und nordnordöstlich-laafeode
Grabenbrüchen.
Die südöstliche Halbinsel besitzt etwa folgende Bruct
gebiete auf ca. Nord-SUd-Spalten : Die Buton-, Eabaöna-^rafit
die Westküste von Rumbia und Polesng, wahrscheinlich auc
den Towuti-8ee und die Nordost-Seite des Boni-Golfes, dann ai
Ost-West-licben und teilweise zusammen mit Nord-Süd-Brüchei
Die Kumbia-Gbene und -Straße, die Ealing-tjussu-, Mingkoki
Bucht und wahrscheinlich auch die Kendari- und Lasolo-Ba
sowie die Nordecke des Boni-Busens. Die südwestliche Hall
insel erhielt ihre äußere Form dorch die Nord-Süd-laufend
Salayer-Spalte, die den Boni-Golf schuf, und eine zweite, d:
der Westküste von Gowa und Sidenreng entlang zieht, dac
durch Ost -West-Einbrüche au der südlichen Mandar-Kä»
und am Südende zwischen Festland und Salayer. Zwei Nordendi
schließlich, weitere Reste westmalayischer Bögen, scheinen dt
— 19 —
Südost-Zipfel von Celebes am Boni-Golf südlich des Towuti-Sees
und den südwestlichen in der Mandar-Halbinsel abzuschließen.
Zur weiteren
Erklärung der ge-
schilderten tekto-
nischen Vorgänge
möchte icli etwas
näher auf den
Bau der Süd-
west-Halbinsel
vonCelebesein-
gehen. (Fig. 1.)
Sie besteht aus
Teilen der archä-
ischen Formation
von ursprünglich
Ost-West-Strei-
chen. Wie bereits
betont, bestehen
hier zwei an -
nähernd parallele
Gebirgszüge, die
Ost- und West-
kette, welch letz-
tere im Süden
durch Rumbia
zieht. Im süd-
lichen Teile dieser
Landschaft liegen
außerdem noch
Ost-West-Iiche
Bergzüge. Das
früher Ost- West-
streichende Fal-
tengebirge wurde
nun durch Über-
faltung in ein
Horstgebirge um-
gewandelt. Sein Pig. l. Kwte von Bnablft In Sfldoit-CelabM.
— 20 —
antiklinaler Kern steckt beim südlichen Berglande im Tankeno, nnd
seine Südilanke fällt in schuppenförmigen Schollen zum Rumbia-
Graben ab, sodaß infolgedessen die südlichen Taler und Ebenen
Isoklinaltäler darstellen. Die große Rumbia-Ebene jedoch zwischen
dem Tankeno und der Westkette bildet ein grabenärtiges Ein-
bruchgebiet. Die von Westen ausgehenden gebirgsbildenden
Kräfte bogen die ursprünglich Ost- West-laufenden Faltenzüge in
der Richtung Nordwest-Südost und teilweise bis Nord-Süd um ;
die alten Schichtensättel wurden durch die Torsion in keil-
förmige Schollen zerlegt und diese selbst mit zunehmender
Drehung immer mehr von West nach Ost übereinander ge-
schoben. Im Tankeno-Berge verlagerten sich die Schollen unter
spitzem Winkel gegeneinander und im nördlichen Teil der West-
kette sogar bis gegen 90®, sodaß eine vollständige Querlegung
erfolgte. Die Überfaltung hat demnach eine Kom-
pensation durch die Bildung von Schollen erfahren
und statt eines Falten- ein Bruchgebirge gebildet.
Eine derartige Tektonik ist für den indoaustralischen
Archipel besonders kennzeichnend, und ich konnte sie von den
einfachsten bis kompliziertesten Formen nachweisen, z. B. auf
Java im Kendeng, jener durch die Funde des Pithecan-
thropus berühmt gewordenen Bergketten, die ihre Fortsetzung
über Madura, Kangeang nach Südwest-Gelebes nehmen und die
Java-Brücke bilden. Ihre erste Faltung vollzieht sich am Ende
des Tertiärs und eine weitere fand im Altdiluvium statt. Sie
ist wegen der starken Torsion des Java-Celebes-Bogens von
Überschiebungen und Zusammenstauchungen begleitet.
Die durch die Faltungen entstandenen Massendefekte in
der Erdrinde veranlaßten in der Periode der Oszillationen ver-
mittels Torsion gebildeter Sprünge einen Ausgleich durch Ein-
brüche des Landes, die den gänzlichen Zerfall Austrasiens im
Verlaufe der Diluvial- und Alluvialzeit zur Folge hatten. Eine
eigentliche Festlandperiode für ganz Austrasien dürfte nach dem
Gesagten wohl kaum bestanden haben, sondern vielmehr nur
große insulare Regionen mit temporären Notbrücken. Die vielen
Meeresterrassen über und unter dem Wasserspiegel weisen auf
die mannigfaltigen Wandlungen während dieser letzten Periode
hin. Manche sind Erosionsbildungen, andere stufenförmig ab-
fallende Wall- und SaumriSe oder nur von Korallenkalk um-
— 21 —
rindete Terrainabsätze. Noch heute zeugt der bedeutende unter-
seeische terrassenförmige Abfall Sumbas zur Sawu-See von der
großen Absenkung des ehemaligen Festlandes. — Die zahllosen
Strandlinien, die prächtigen Konglomeratbildungen der frü-
heren Strandwälle auf Celebes, die Sandterrassen von Bali und
Lombok, sowie die ganz jungen Korallenriffe fast aller Inseln
bis hoch über dem Meere beweisen die Hebung des Landes
zur Alluvialzeit.
Die heutigen Meeresterrassen zwischen den In-
seln der Kette von Java bisWetar trennen gar keine
verschiedenen Gebirgssysteme voneinander, sondern
sind lediglich spätere, im Diluvium und Alluvium
entstandene Grabenbrtiche. Auf Lombok und Sumbawa
stellte ich eine Schaarung von ca. Nord-Süd-lichen Torsions-
spalten auf den Ost- und Westseiten, unfern den Meeresstraßen, fest
und ebenso kleine randliche grabenartige Einsenkungen in ihnen
benachbarten Gebieten. Ein Teil der von Nord oder Süd ins
Land hineingreifenden Buchten dürften meist weiter nichts als
kleinere sekundäre Querbrüche des sich lockernden Gebirgs-
bogens sein.
Mit dem geschilderten Bau des Archipels stehen auch die
Vulkane in enger Beziehung. Meine vulkanischen Unter-
sucimngen auf Sumatra, Java und Lombok haben folgende Re-
sultate gezeitigt:
Die Vulkane nehmen den Rand des zum indischen Ozean
abgesunkenen asiatischen Festlandes ein, liegen an der Innen-
seite des malayischen Faltenbogens und folgen den Leitlinien
der Gebirgszüge. Sie erheben sich auf den stehengebliebenen
Uorsträndern von Senkungsgebieten und ordnen sich in band-
artigen Gruppen in Ost-West-, auf Sumatra in Nordwest-Südöst-
liclier Richtung an; in diesem Sinne sind auch die Krater oft
ausgezogen. Spätere Eruptionsschächte bilden sich vorwiegend
nörd- und südlich von älteren Vulkanen, folgen also Quer-
spalten, seltener in Ost-West-licher Richtung den Horsträndem.
Die Vulkane sind meist Ringgebirge, seltener Kegelberge
und diese durchweg die jüngsten Bildungen. Die ersten be-
stehen vorwiegend aus Laven, die anderen aus Zerstäubungs-
inassen, und beide sind durch Übergänge miteinander verbunden,
die neben Breccien und Agglomeraten vorwiegend aus Schlacken-
— 22 —
lava aufgebaut sind. Die Unterlage der Wall-, weniger der
Eegelberge, sind Lava-Baue, deren Magmen sich durch größere
Dünnflüssigkeit auszeichnen. Mannigfaltige Zwischenformen ver-
binden die Yulkanberge mit den Spaltenausfüllungen in Gestalt
von Decken, Quellkuppen, Rücken und anderen Grebilden. Die
dem Expeditionswerke beigegebene Karte zeigt die verschieden-
alterigen Teile des Rindjani- und Sembalun -Vulkans, welche
in grünen, dunkel- und hellroten Farben dargestellt sind. Das
äußere Ringgebirge ist das älteste, der innere, steil zum Krater-
see des Segare-Anak abfallende Wall der jüngste Teil. (Fig. 2.)
Die Entwicklungsgeschichte der indoaustralischen Insel-
welt zeigt Ihnen die außerordentlich mannigfaltigen Vorgänge
der Entstehung und des Zerfalles vom ehemaligen Austrasien.
In derselben Weise müssen sich deshalb auch die Bewegungen
der Tier- und Pflanzenwelt in diesen Grebieten vollzogen haben.
Grerade dort, wo heute tiefe Meere die Inseln trennen, wie in
der Celebes-, Flores- und Arafura-See haben sich die ehemaligen
Landbrücken des alten Kontinents befunden. Die tiefsten graben-
artigen Einbrüche liegen in dem Durchkreuzungsgebiete der
vier Hauptgebirgsbögen, nämlich im Boni-Golf, dessen 7300 m
betragende größte Tiefe zugleich diejenige des ganzen indischen
Ozeans ist. Ein besonders bedeutender Kesselbruch besteht
im Gebiete der Banda-See, nämlich bis 5700 m, wo ein west-
malayischer und ein ostmalayischer Gebirgsbogen zu einem voll-
ständigen Ringsystem sich vereinigen.
Gewinnt die Annahme von drei bezw. vier Landbrücken
mit Celebes, einer Java-, Sumbawa- und Wetar- bezw. Flores-
Brücke durch den geschilderten geologischen Aufbau des Archipels
eine feste Grundlage, so läßt sich heute jedoch keineswegs bereits
eine genaue Entwicklungsgeschichte geben, da die Altersbe-
ziehungen der geotektonischen Vorgänge erst noch weiterer
Untersuchungen bedürfen. Jedenfalls aber fällt die Entstehung
der celebischen Landbrücken der Hauptsache nach in die Zeit
des Diluviums, nicht des Tertiärs, wie die Tiergeographen
annehmen, in welcher Periode die Landwerdung allerdings schon
einsetzte.
Der fortschreitende Zerfall Austrasiens schrieb außer den
Tieren und Pflanzen nun auch den Menschen ihren Weg vor.
Ob der Pithecanthropus, welcher zu Anfang des Diluviums auf
— 25 —
Java lebte, gezwungen durch die Ginwanderung des asiatischen
MenscheD, sich nach Osten wandte und der Stammvater der
australischen Rasse wurde, bleibt lediglich eine Vermutung. In
spaterer Zeit erschienen im Archipel die Dravidas, Hindus und die
islamitischen Jungmalayen, welche den Indonesiern nicht nur neue
Rasseneigentümlichkeiten, sondern auch eine neue und fort-
schrittliche Kultur
brachten. Nur an
wenigen Punkten
Ündetman baldmehr,
bald weniger stark
gemischte Beste ei-
ner Urbevölkerung.
Den Toala von Cele-
bes schließen sich
die Mie Muna an,
und zwischen den
höherstehenden To-
radjas und den pri-
mitiven Munanesen
in der Mitte stehen
die Miano Buton und
die Tokea. Mit der
Einführung des Is-
lam Hand in Hand
vollzieht sich die
Vermischung der In-
donesier mit jung-
malayischenGlemen- Fig. 8. Bud^-Swaker
ten, aus welchem '<•" *«' UrbeTfllkemng LombokB.
Vorgange die Bugis
und Makassaren auf Celebes, dann die Bimanesen und Sumbawanen
auf Sumbawa als neuer junger Stamm hervorgingen. Einen gleichen
Entwicklungsgang machten die Bewohner Lomboks und Javas
durch. Die Beimischung von Hindublut bei den Sasakem Lomboks
(Fig. 3) wirkte nicht nachhaltig genug, hinterließ jedoch auf
Sumbawa deutlichere Spuren. Während hier bereits früh-
zeitig muhamedanische Reiche aufblähten, fand auf Lombok erst
viel später und nur langsam der Islam Eingang. Die Sasaker
— 26 —
sind deshalb Indonesier geblieben, und die Bewohner Sumbawas
wurden den Bugis von Celebes und die Bimas den Makassaren
ähnlich umgebildet. Nur einige Urstämme im Gebirge, die
Donggos und manche Teile Nord-Bimas weisen Bewohner anf,
welche den Sasakern nahe verwandt sind. Der Hinduismus hat
im west- und ostmalayischen Archipel bald mehr, bald weniger
deutliche Spuren hinterlassen. Am größten sind diese ohne
Frage auf Java und Bali, aber auch auf Celebes tritt der arische
Zug bei den pygmaeoiden Maronene in der südöstlichen Halb-
insel deutlich hervor. (Fig. 4.)
Analysiert man alle Völker des indoaustralischen Archipels,
so entdeckt man Übereinstimmungen bei den Bewohnern von
Hinterindien, Sumatra, Java, Bali, Lombok, Sumbawa, sowie
Bomeo und Celebes. Diese indomalay ischen Völker unterscheiden
sich wesentlich von den Bewohnern der weiter östlich liegenden
Inseln, welche durch ihre papuasische Beimischung an Melanesier
erinnern. Diese austromalayischen Indonesier haben am wenigsten
jungmalayisches Blut in sich aufgenommen, und der Oxydations-
ring beschränkt sich nur auf die Efistenstrecken. Das Übergangs-
gebiet zwischen den indomalayischen und austromalayischen
Stämmen liegt im westlichen Mores, der Landschaft Man^^rai,
einem Teile des bimanesischen Reiches.
Derselbe Unterschied zwischen indomalayischen und austro-
malayischen Völkern tritt auch deutlich in der verschiedenen
Kultur hervor. Ich will mich hier darauf beschränken, nur
einiges aus der Ornamentik und der Religion hervorzuheben.
Die Grundformen der urmalay ischen Kunst sind die
Strich-, Punkt-, Linienkreuz- und Kreuzblütenmuster, die ersten
ursprünglich auf Töpfereien, die letzten auf Rindengegenständen,
Flecht werken und Stickereien. Kreuze, Quadrate, Diagonalfiguren,
Schachbrett-, Zacken- und Sanduhrmuster bilden die verschiedenen
Stadien der Entwicklung. Durch unvollständige Ausführung der
Kreuzblüte entstehen Haken, die nach Weiterbiegung zu Spiral-
omamenten geworden sind. Dieser Entwicklungsgang wird bei
den Maronene deutlich, und seine weitere Ausbildung bei Toradjas
und Bugis fülirt zu komplizierten Rankentiguren.
Diese Haken- und Spiralornamente findet man überall im
Archipel, im Westen ebenso liäutig wie im Osten auf Flores,
Wetar- und den Kei-lnselii.
— 28 -
Die Entwicklung der Ornamentik hielt gleichen Schritt
mit der Vervollkomraniing der Flechtkunst. Körbe aus Sago-
htillblatt verzierte man dnrch Bekleben mit Streifen und aus-
geschnittenen buntgeförrbten Lappen, die man auch unter Aus-
schnitte nähte. Die Muster wurden anfänglich bei Flechtwerken
durch eine Art Überflechtung, nämlich nachträglich durch
Einstecken und Durchziehen von Streifen, sozusagen durch
„Sticken" angebracht. Erhalten hat sich diese Kunst vor allem
Fig, 5. Ein FeDBteraockel mit Nagd-Schlangen aas Ost-Bnton.
auf Buton, wo man gewölmliche taftbindige Matten mit den
schönsten Rankenmustem „bestickt" und damit denselben Ein-
druck erzielt, wie bei beklebten oder benähten Baumrinden- oder
ZeugstofFen. Ans dieser Methode konnte sich erst die eigentliche
Überflechtung entwickeln, durch den Versuch nämlich, gleich-
zeitig mit der Herstellung der taftbindigen Unterlage die
gemusterte Oberschicht taft-, köper- oder atlasbindig herzustellen.
Mit der Hindukultur trat dann ein neue.s Element in
die Ornamentik: Ranke und Blüte. Man kann zwei Arten von
raiikenartigen Mustern unterscheiden. 1, Die Ranke, teils einfach
blütenlos, teils reich an Blumen, die übliche Verzierung java-
nischer Hindu-Tempel aus dem 6./!). Jahrhundert und der heutigen
auf Bali und 2. Die ornamental rankenähnlicli um-
gebildete Naga-Schlange. Die Naga, Jenes hinduische
^Fabeltier, spielt in den religiösen Anschauungen der Indonesier
eine große Rolle. Auf Buton wii-d sie zum Schutz gegen das Ein-
dringen böser (loister auf Türschwellen, Peiistersockeln (Fig. 5),
Seelenhäuschen und Schiffsschnäbeln angebracht, jedocli vergleicht
oder verwechselt man sie, wie es scheint, mit der liier häufig
vui'kiininu'iideii Wasst-rfchse Lopkura iiinhohmisis. legt ilir jedoch
den Nunien Nagu bei. Im üstlichcit Teile des Archipels, z. B.
auf Wetar, Letti, Kissar und den „Südostinseln" gibt man ihr
selbst Flügel und drei Hörner, so daß sie an den chinesischen
Drachen erinnert.
Bei Bugis und Sumbawanen dient die llaga als Hausgiebel-
verzierung und gilt als Segenbringer für die Bewohner ; auch liebt
man es auf Sumbawa, sie auf Himmelbetten anzubringen (Fig. 6).
Fig. G. Bin Himmelbett mit ITaga-Motlr von Sambawa.
Eine solche Barstellung zeigt auch die Umgestaltung der Naga zu
einem rankenartigen Gebilde. Im Mittelfelde liegen der Symmetrie
wegen je zwei Schlangen mit den Bäuchen zusammen. Der
Kopf zeigt zwei Äugen, aus dem aufgesperrten Kachen ragt
eine lange Zunge, und der Schwanz ist bereits zu einem drei-
teiligen Blatt geworden, ebenso die „Rückenflossen" des Tieres.
Der heilige Garuda-Vogel sitzt an verschiedenen Stellen auf
der Naga-Schlange. Die Muster der Umrahmung des Mittel-
feldes seilen schon ganz wie Banken aus, von denen man ihre
Entstehung aus der Naga nicht ohne weiteres vermutet. Ans
— 30 —
dem Kopf der Schlange ist eine dreiteilige Blume und dem Leib
eine ganz dünne Ranke geworden; nur der Garuda -Vogel läßt
sich noch deutlich wiedererkennen. Die gleichen Rankenomamente
haben Bugis, Toradjas, Maronene und Butonesen, und die Ähn-
lichkeit bezw. Übereinstimmung fällt sofort auf. Außerdem aber
besteht überall dieselbe Bezeichnung für dieses Ornament, nämlich
Naga. Die Javanen verfertigen komplizierte Rankenmuster, und
dabei scheint ihnen die Idee der Naga ganz verloren gegangen
zu sein. Den Garuda-Yogel lösen sie in seine Teile auf und
gestalten ihn um. Seine Flügel liefern das bekannte Semfen-
Muster, welches nur von fürstlichen Personen in gebatikten
Kleidern getragen werden darf. Ein interessantes hinduisches
Ornament habe ich bei den Maronene Rumbias gefunden: Den
schuppigen Teil einer Naga, umgeben von einer Art strahlender
Sonnen und von „Wölkchen", Darstellungen, wie ich sie ähnlich auf
javanischen Bronzetellem aus der Zeit des Reiches Mftdj&pait sah.
Das eigentliche Pflanzenornament ist im Archipel
weit verbreitet. Ganze Pflanzen mit Blüten, Blättern und
Stengeln bringen die Javanen auf allen Gegenständen an.
Besonders stark ausgeprägt tritt uns ferner diese Kunstrichtung
bei den Sasakern Lomboks entgegen. Diese geben jedem Ornament
einen Pflanzennamen und haben mir bestimmte Arten als Vor-
bilder bezeichnet. Eine der schönsten Ranken ist das Tandan-
mata-kulit-Motiv, entnommen der Zaunrebe, Ctemaiis f?üdlbaj
welche auch bei uns überall an Zäunen wächst. Sie wird als
Ganzes dargestellt oder nur ihre Blüten und gedrehten Frucht-
stände. Daß die Pflanzenornamentik auf Lombok heute noch
im Zustande der Fortentwicklung steht, lehrt das Sengigi-Motiv,
die Darstellung des Schwarzkümmels, Kigella sativa. Diese Pflanze
ist erst durch die chinesischen Händler als Gewürz eingeführt
und wächst nur in kalten Regionen. Die Gebirgs-Sasaker der
Sembälun-Hochebene pflanzen den Kümmel an und haben mir auch
eine Hand voll Früchte gebracht. Aus einer Aneinanderreihung
der Blüten dieser Pflanze gestalten sie ein Bandmuster. Die
Blumen werden in Reilien nebeneinander gesetzt und vier der
Blütenblätter soweit verlängert, daß sie sich berühren. Durch
Stilisierung entsteht dann die rhombische Felderteilung mit den
im Kreuzungspunkte der Linien eingestreuten Blüten. Das auf
Java verbreitete, von Indien stammende und auf Lombok, Sum-
— 31 —
bawa and Celebes häufig gesehene Zacken-
ornament, das Putjuk trebong, deuten die
Sasaker als Bambusschößlinge. (Fig. 7.)
Außer den Pflanzenornamenten haben
auch die Tier o rn am e n t e eine weite
Verbreitung, doch treten sie im westmalay-
iscben Gebiete stark hinter den pflanz-
lichen Mustern zurück. Auf Lombok und
Celebes sind der
Skorpion.dieHaut
der Schlangen,
Varane und der
Tansendfuß be-
liebte Vorbilder.
Auf Bnton ist ein
Bandomament
aus einer Anein-
anderreibung der
Zeichnung eines
Gecko hervorge-
gangen. Das Bild
stellt eine Bam-
busbtlchse darmit
dem ganzen Tier
in der Mitte und
den Bandverzie-
rungen an den
£nden. Selbst die
Tüpfel dieser bei
denEingeborenen
Hausrecht besitz-
enden Eidechse
sind getreulich in
das Band hinein-
gebracht (Fig. 8).
Charakteristisch
für den austro-
Fig.7. Ornwnente auf Fig.8. DaB Qecko-Band- n,a|fl.vi«(.hpn Ar-
einer BambMTÖhre omament tob Bnton maiayiscneu AT
von Nord-Lombok. und a^ Vorbild. chipel hingegen
— 32 —
aber ist gerade das Tierornament. Auf Flecfatwerken nnd
Gieweben stellt man mit großer Kunstfertigkeit Tiere, vor all«n
anf den Inseln Mores, Sumba, Timor, Wetar, Kisar, Letti n. s.
her. Tücher von Sumba zeigen Hirsche, Pferde, Reihervögel,
Hähne, Meerestiere, wie
Gameelen , Octopus und
anderes.Dieostmalayischen
Stämme stellen auch den
Menschen dar. Man ündat
diesen auf Fleditwerkm
von Flores und Wetar nnd
auf den prächtigen Geweben
Sumbas. Auf der letzten
Insel wird sogar das Skelett
sichtbar angebracht oder
man bildet nur Köpfe ab, die
auf Pfählen oder Bäumen
aufgepflanzt sind; sie weisen
also auf den Schädellniltus
hin. Fast auf allen dieiseuln-
seln tätowieren sich die Be-
wohner menschliche Figu-
ren auf die Brust, vor allem
Fig. 9. Grabdenkmäler als Seelen- auf Plores, Alor und Wetar.
wohnongen Ton Oat-Baton. Auch Sonne und Mond dienen
sowohl als Verzierung der
Leiber als der Flechtwerke.
Wie in der Ornamentik der indo- und austromalayischen
Völker ein tiefgreifender unterschied besteht, so auch In den
religiösen Anschauungen. Im ganzen Archipel bildet die
Verehrung der Seelen der Eltern und Vorfahren die Grundlage
des Kultus. Man glaubt auf Celebes, die Seele wohne in dem
über dem Grabe errichteten Häuschen oder im GrabpfeUer, dem die
Bewohner Bntons deshalb die Form eines Hauses geben (Fig. 9).
Den Ahnenseelen aber errichtet man Miniatur-Wohnhäuser zoni
gemeinsamen Aufenthalte. Beiden bringt man Opfergaben, am
sich ihre Gunst, besonders zur Abwehr von Krankheiten, zu
bewahren. Besondere Verehrung genießen die Seelen von Fürsten.
Jemehr die Kenntnis von der ehemaligen Ekistenz dieser Menschen
33
unter den Nachkommen verschwindet, desto größer wird nnter
Umstanden die Verelirnng. Uas Seelenliäuschen, ehemals in der
Nälie des Dorfes errichtet, wandert auf einen benachbarten
heiligen Hügel, und die Seele wird in die Eeihe der guten Geister
!
Fig. 10. Holzbilder von Scbatigeistern and Qültern Wetars.
versetzt. Diesen Übergang der Seelenverehrung in den Geister-
glauben konnte ich auf Buton verfolgen. Aus dem Grabhause
der Scelenwohnung, auf der man Sirihpinang, Essen, Schlaf-
matte und Kopfkissen des Verstorbenen niederlegt, entstehen der
Oi)ferstock und der Altar, die heiligen Plätze, zu welchen die
Geister zu besonderen Zeiten herabsteigen.
Im ostmalayischen Archipel hat die Seelenverehrung eine
charakteristische Veränderung erfahren, welche sich mehr den
Anschauungen der Völker Neu-Guineas und Polynesiens nähert.
Aus dem Seelenhause auf den Gräbern, bezw. den Grabpfeilern
sind Pfähle von der Form einer mensclilichen Gestalt geworden.
Sie bilden aber niclit nur die Wohnstätte der Seele, sondern
werden direkt wie ein Fetisch verehrt. Der Solui macht sich
— 34 —
ein Holzbild seines Vaters oder wählt die Seele eines Ahnen zu
seinem Schutzgeist und Schirmherrn der Familie. Nicht auf
dem Grabe, sondern in besonderen Häusern, Höhlen oder inmitten
des Dorfes errichtet man das Geisterbild. (Fig. 10.) Dieses
erinnert auf den „Südwest- und Südost-Inseln'' gelegentlich an
hinduische Göttergestalten.
Zeigt sich in der Seelenverehrung bereits der Gegensatz
der west- und ostmalayischen Völker, so tritt er ebenfalls in
der Verehrung des Oberwesens, sofern ein solches vorhanden
ist, hervor. Die indomalayischen Stämme kennen vor allem
den Gott der Winde oder des Himmels, welcher den Monsunen
gebietet, während der Gott des Meeres und derjenige der Erde
überall vorkommt und sich meist an die Existenz der Vulkane
oder großer Berge anknüpft. Die austromalayischen Völker
hingegen, beginnend mit denen von Flores, verehren Sonne und
Mond und manche auch noch andere Sterne. (Fig. 11.)
Zum Schluß dieser Ausführungen möclite ich die Haupt-
resultate kurz zusammenfassen:
Zwischen Asien und Australien erhebt sich aus
den Tiefen des indischen Ozeans ein, beide Konti-
nente verbindendes Gebirge, von dem jedoch nur
die Spitzen als Inseln über dem Wasserspiegel her-
vorragen: Es entstand infolge Wiederbelebung des
paläozoischen Rumpfgebirges aus einer jungtertiären
Doppelfalte, welche die südliche Inselkette um-
faßt, und aus vorwiegend diluvialen Bögen, welche
eine Verbindung mit Celebes bewirkten. Da aber
schon frühzeitig auf den zahlreichen Torsions-
spalten grabenartige Einbrüche gebildet wurden,
so setzte sich das ehemalige Austrasien nur aus
großen insularen Regionen zusammen, die jedoch
durch Landbrücken vielfach in Verbindung traten.
In der nachfolgenden Zeit der großen Oszillationen,
deren letzte heute noch als Hebung fortdauert,
löste sich der Zusammenhang der Gebirgszüge voll-
ständig auf und schuf die nach Hunderten zählende
Inselwelt des indoaustralischen Archipels.
Der allmählichen Entstehung Austrasiens ent-
sprechend, wanderte die asiatische und australi sehe
Fig. 11. Tihu-Leute aus dem Inotni der Insel Wetar.
36 —
Tier- und Pflanzenwelt ein und vermengte sich.
Beim Abbruch der Landbrücken blieb eine Misch-
fauna und -flora zurück, die sich in ihren dama-
ligen Eigentümlichkeiten bis zu einem gewissen
Grade erhalten hat. Nur denMenschen geboten die
trennenden Meeresarme keinen Halt, aber, trotzdem
immer neue Schwärme, von Asien kommend, sich
die Küsten des Archipels entlang schoben, lassen
sich doch noch ihre beiden alten Hauptmischungs-
komponenten wiedererkennen. Zwarkannman nicht
wie Wallace und Salomon Müller das ganze Gebiet
in zwei Hälften, eine asiatische und australische,
teilen, wohl aber in zwei verschiedene Übergangs-
bezirke, nämlich eine indomalayische und eine
austromalayische Region.
Ans den Vorträgen
Tom 26. Oktober 1910 bis 6. März 1912.
Mit Benutzung der Mitteilungen der Herren Redner
znsammeDgestellt
von
Prof. Dr. H. Traut.
Mittwoch, den 26. Oktober 1910.
Herr Dr. Johannes Elbert-Frankfurta. M. : DleSnnda-
Expedition des Frankfurter Vereins f&r Geographie und
Statistik. (Lichtbilder und Ausstellung ethnographischer, von der
Expedition gesammelter Gegenstände.)
Der Redner besprach zunächst die der Expedition gestellten Aufgäben,
schilderte sodann ihren Verlauf und gab zum Schluß einen Überblick über
die hauptsächlichsten wissenschaftlichen Ergebnisse.
(Inzwischen ist von dem Werke des Redners : Die Sunda-Expedition des
Vereins für Geographie und Statistik zu Frankfurt a. M., Festschrift zur
Feier des 75 jährigen Bestehens des Vereins, Band 1, Frankfurt a. M., Hermann
Minjon 1911 zur Veröffentlichung gelangt; Band 2 befindet sich im Druck.
Vergleiche auch den ausführlichen Vortrag Dr. Elberts über die wissenschaft-
lichen Ergebnisse der Expedition, gehalten in der Festsitzung des Vereins
am 17. Dezember 1911, abgedruckt in vorliegendem Jahresbericht S. öif.)
Mittwoch, den 2. November 1910.
Herr Professor Dr. Georg Wegener-Berlin: Britisch-
indien und das indisclie Problem. (Lichtbilder.)
Der Redner wies auf das besondere Interesse hin, das auch wir
an den Fragen haben, die Indien betreffen. Einmal ist es das größte
Kolonialreich der Welt und wirkt als Grundstein des englischen Weltreiches
auf die gesamte Weltpolitik, sodann nehmen die dort immer häufiger auf-
tretenden Unruhen, welche auf einem tiefgehenden politischen Gegensatz zum
Mutterland beruhen, die Aufmerksamkeit der ganzen Welt in Anspruch.
Über die Ursachen dieser Unruhen sowie die Machtmittel, über welche Eng-
— 38 —
land zu ihrer Unterdrückung verfügt, herrscht freilich noch große Unklarheit.
In Dentschland ist das Interesse für Indien zur Zeit besonders lebhaft, als
der deutsche Kronprinz, welchem der Redner eine Reihe von Vorträgen über
Ostasien gehalten hat, in kurzer Zeit Indien besuchen und dort zwei Monate
verweilen wird.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen gab der Vortragende einen Über-
blick über die geographischen und klimatischen, religiösen und kulturellen, sowie
die ethnographischen und politischen Verhältnisse. Um diese richtig zu ver-
stehen, muß man sich vor allem die ungeheuren räumlichen Verhältnisse
vor Augen halten. Britisch-Indien ist kein Land, sondern ein Erdteil, so
groß wie das außerrussische Europa mit nahezu gleicher Bevölkerungsziffer
und einer Vielgestaltigkeit der Rassen und Sprachen, sowie Unterschieden in
den Kulturen, die nicht hinter denen Europas zurückbleiben.
Das indische Problem zerfällt in ein äußeres und ein inneres. Das
äußere beruht in der Qefahr, die England bei einem Angriff auf seinen Kolonial-
besitz droht. Infolge der ausgezeichneten strategischen Lage des Landes,
das Lord Curzon einst mit einer Festung mit V/ällen und Wassergraben
verglichen hat, zeigt dieses nur eine verwundbare Stelle und zwar im Nord-
westen am Hindukusch, die das Bindringen einer fremden Macht und damit
auch die Einmischung in die inneren Verhältnisse des Landes gestattet.
Augenblicklich bereitet das äußere Problem den Engländern durch ihre
geschickte Politik der Schwächung ihres gefährlichen Rivalen Rußlands im
Kriege mit Japan, sowie der darauffolgenden klugen Verständigung mit Ruß-
land wenig Sorge, sodaß es seine ganze Aufmerksamkeit den inneren Schwierig-
keiten widmen kann.
Den inneren Verhältnissen Indiens sich zuwendend, bot der Redner
sodann ein anschauliches Bild über die ethnographische Entwicklung des
Landes, ausgehend von den kulturell sehr tiefstehenden Ureinwohnern und
den höherstehenden Dravidas. Über dieser Bevölkerungsgrundlage haben sich
etwa 2000 Jahre v. Chr. durch die schon erwähnte Völkerpforte im Nord-
westen die Volksstämme der Arier ergossen, die sich zunächst in Pandschab
festsetzten. Ihre eigenartige, auf Ackerbau beruhende Kultur schuf dort die
ältesten Weltreligionen, ferner die Grundzüge des Kastenwesens, jene seltsam
starre soziale Gliederung, die seit Jahrtausenden die Bevölkerung Indiens
wie mit eisernen Klammern umfangen hält. Zu der Fülle von Religionen
und Sekten, die sich im Laufe der Zeit herausbildeten, und von denen nur die
durch ihr kaufmännisches Geschick und ihren großen Reichtum einflußreiche
kleine Sekte der Parsen hervorgehoben werden möge, ist seit dem Jahre
1000 n. Chr. noch die dritte der großen Weltreligionen getreten, der Islam,
der für die kulturelle Entwicklung Indiens von nachhaltigster Bedeutung
geworden ist.
Diese Welt voller Gegensätze beherrschen die Engländer mit einer
numerisch geradezu lächerlich geringen Macht. Die Anzahl der weißen
Truppen beträgt nicht mehr als 75 0(X) Mann; sie allein sind im Falle der
Not eine absolut zuverlässige Macht, während die daneben bestehende ebenso
starke Eingeborenentruppe doch immer eine gefährliche Waffe bleibt. Es
beruht das vor allem darauf, daß 80— iK)Vo der Bevölkerung Landbauern auf
— 39 —
ursprünglichster Stufe sind, die allen politischen Fragen teilnahmlos gegen-
überstehen und in diesem Zustand durch die weltverachtenden Lehren der
hinduistischen Religion noch bestärkt werden.
Das englische Übergewicht liegt femer in der glänzend durchgeführten
Politik des altrömischen Grundsatzes : Divide et impera, der ihnen ermöglicht,
Staaten, Kassen und Religionen geschickt gegeneinander auszuspielen und
so alle zu beherrschen.
Unter Englands Herrschaft hat Indien in langer Friedensperiode einen
großartigen Aufschwung genommen, namentlich auf den Gebieten des Eisen-
bahn-, Post- und Telegraphenwesens, des Kanal- und Bewässerungssystems,
sowie der Münzwährung. Die yollkommenen ärztlichen Einrichtungen, die
große Sicherheit des Lebens und Eigentums, die Volksbildung, eine ausge-
zeichnete einheitliche Rechtspflege, das Pflichtgefühl und die Hingabe des
Einzelnen an die Allgemeinheit, die geistige Hebung des Volkes, die
Tüchtigkeit und Integrität der Beamtenschaft u. dergl. mehr sind Zeugen
englischer Kulturarbeit.
Und trotzdem wachsende Unzufriedenheit, sich mehrende Unruhen.
Die Hauptursache liegt in erster Linie darin, daß die englische Herrschaft
von der eingeborenen Bevölkerung schließlich doch als Fremdherrschaft, für
deren Politik der materielle und ideelle Vorteil des Mutterlandes unbedingt
in erster Linie maßgebend ist, empfunden wird und zwar umsomehr, je höher
das Volk in kultureller Hinsicht gehoben wird. Ein weiteres schwieriges
Problem bildet die starke Übervölkerung des 300 Millionen zählenden Landes
und die damit im engsten Zusammenhange stehenden, wie unvermeidliche
Naturereignisse regelmäßig wiederkehrenden Hungersnöte. Bin dunkler Punkt
in der englischen Verwaltung ist femer die zunehmende Agrarisierang der
indischen Bevölkerung, da die Engländer durch ihre Zollpolitik, indem sie
Indien zum Freihandel zwangen, die kräftig entwickelte Industrie der Kolonie
zugunsten der heimischen Manufakturen systematisch zu Grande gerichtet
und so große Teile der Bevölkerung wieder dem Ackerbau zugetrieben haben.
Ebenso hat die höhere Bildung, welche die Engländer den Indem durch das
moderne Schulwesen vermittelten, mißliche Verhältnisse geschaffen. Durch
die Überfülle des Angebots ist ein geistiges Proletariat entstanden, das der
Träger der Unzufriedenheit geworden ist, besonders auf den seit 1885 alljährlich
in einer anderen Stadt tagenden sogenannten National kongressen.
Das schwierigste Problem aber ist das langsame Erwachen des indischen
Nationalgefühls und damit die Herausbildung eines Nationalstaates, die sich
allmählich vollzieht. Die indische Regierang erkennt diese Gefahr wohl und
hat dagegen administrative Maßregeln bereits ergriffen, so z. B. durch die
Teilung der Provinz Bengalen in eine östliche und westliche Provinz, da
gerade bei den intelligenten Bengalen das Nationalgefühl besonders lebhaft
ausgeprägt erscheint.
Augenblicklich liegt nach Ansicht des Redners für England eine akute
Gefahr nicht vor, aber in der Zukunft werden sich Schwierigkeiten ergeben,
deren Lösung sehr zweifelhaft sein wird. Ein Zusammenbrach der englischen
Herrschaft in Indien wird zur Folge haben, daß wir an keinem anderen
Punkte der Erde die Vorherrschaft der weißen Rasse aufrecht erhalten
— 40 —
können, denn Britisch-Indien ist das yollendetste Beispiel der Überlegenheit
der weißen Rasse an Intelligenz wie an Bildung.
(Vgl. den Aufsatz des Redners über die indische Frage in : Die neue
Rundschau 1909, Heft 11, Seite 1582—1599, Berlin, S. Fischer.)
Mittwoch, den 9. November 1910.
Herr Dr. Hermann Pinnow-Frankfurt a. M. : Kaiser
Menelik und sein Land. (Lichtbilder.)
Meneliks Werk muß hilligerweise mit dem Maßstab gemessen werden,
der mit der Eigenart seines Landes gegeben ist; nur Unkenntnis wird von
Menelik die schnellfertige Übernahme europäischer Einrichtungen erwarten.
Die Eigenart Abessiniens ist nicht ohne genaueres Eingehen au! Natur und
Greschichte des Landes verständlich. Wie eine gewaltige Bastion ragt das
Hochland von Abessinien in die ostafrikanische Küstenniederung hinein. Doch
was sich nach außen als geschlossene Masse darstellt, ist im Innern höchst
ungleichartig und durch natürliche Einschnitte scharf geschieden. So hat
die Natur sowohl die Abwehr äußerer Angriffe wie die getrennte Entwicklung
der vier großen Landesteile begünstigt. (Gemeinsame Merkmale des nationalen
Charakters sind kriegerischer Sinn, verbunden mit Rassebewußtsein und Stolz
auf das Bekenntnis zum Christentum. Der Staat trägt durchaus feudalen
Charakter; die übermäßige Belastung des Bauernstandes ist eine ernste Ge-
fahr für die wirtschaftliche Entwicklung. — Menelik hat das System unbe-
rührt gelassen ; auch wo er gegen Auswüchse anging, hat er mit den Mitteln
überlieferter Staatskunst gearbeitet. Die teilweise Ersetzung der eingeborenen
Aristokratie in der Leitung der Provinzen durch abhängige Gouverneure
bedeutet so wenig einen Fortschritt zum Beamtenstaat wie die Bildung eines
Ministerrates. Ganz modern berühren jedoch die Bestrebungen, europäische
Errungenschaften auf technischem und wirtschaftlichem Gebiete zur Einführung
zu bringen. Den Erfolg, wirtschaftliche Entwicklung von innen heraus an-
zuregen, haben die mit Opferwilligkeit unternommenen Versuche nur in
geringem Grade gehabt. Die Ausbeutung des aussichtsreichen Landes bleibt
der Zukunft überlassen. Daß bei der Arbeit namentlich deutscher Beteiligung
die Wege geebnet würden, machen nicht nur politische Erwägungen, sondern
auch die Sinnesart des Thronfolgers wahrscheinlich —
An den Vortrag schloß sich die Vorführung einer Anzahl von Licht-
bildern, durch die die Natur des Landes, Rassentypen, Kunst, Bauart der
Häuser, Straßenszenen und Gebäude des kaiserlichen Palastes zur Anschauung
gebracht wurden.
Mittwoch, den 23. November 1910.
Herr Dr. Paul Ehren reich -Berlin: Altamerikanische
Kulturstätten in Mexiko und Yukatan. (Lichtbilder.)
Die p-oßartigen Denkmäler der alten Kulturen Zentralamerikas, die
in weiteren Kreisen noch viel zu wenig bekannt und selbst für die Gelehrten-
welt noch vielfach mit dem Schleier des Geheimnisvollen umgeben sind, sind
— 41 —
durch die neuzeitlichen Verkehrsverbesserungen in erreichbare Nähe gerückt,
und demgemäß wächst auch das Interesse für diese kulturgeschichtlich so
hochbedeutsamen Überreste.
Der Vortragende hatte Gelegenheit, im Herbst 1906 im Anschluß an
den Internationalen Amerikanischen Kongreß zu Quebec einige der wich-
tigsten Ruinenstätten Mexikos zu besuchen, die den Gegenstand der Vor-
führung bildeten.
Die Heise führte von Chicago ans über El Paso nach der Hauptstadt
Mexiko, deren Denkmäler, Volksleben und nähere Umgebung geschildert
wurden, besonders die Kathedrale, das Denkmal Guatemozin's, des letzten
von Cortez schmachvoll hingerichteten aztekischen Königs, der Park von
Chapultepec und endlich einige hervorragende Altertümer des National-
museums. Ausflüge zum Hügel von Iztapalapan, einer alten Opferstätte mit
herrlichem Femblick auf das Hochtal, sowie nach Amecameca am Fuß der gewal-
tigen Schneevulkane Pop okatepetl und Iztaccihuatl schlössen sich an.
Ein zweiter Ausflug führte nach dem alten Tazcoco mit seiner Königs-
burg und zu den Palastresten von Huayotla, sowie dem Steinbild des Tlaloc
(Regengottes) von Coatlinchan. Ein dritter zu den in vollem Betrieb
befindlichen Ausgrabungen von Teotihuacan, dessen riesige Pyramiden der
ältesten Kultur des Landes, der Tolteken-Periode angehören. Ein vierter endlich
nach Cuernavaca, dem Lieblingssitz des Cortez und des Kaisers Maximilian.
Die Hauptsehenswürdigkeit der Umgegend ist die große Tempelpyramide von
Xochicalco, das schönste erhaltene Denkmal aztekischer Architektur.
Über Puebla mit der großen toltekischen Pyramide von Chotula
ging es weiter nach Oaxaca, in deren Umgebung die großartigen zapotekischen
Heiligtümer von Mont-Alban und Mitla liegen. Nach Mexiko zurück-
gekehrt, wurde der Hafenplatz Vera Cruz auf der Gebirgsbahn erreicht und
von dort nach Progresso und Merida, der Hauptstadt der Halbinsel Yukatan
übergesetzt Von den großartigen Ruinenstätten der alten Maya-Kultur wurden
[Ix mal mit seinen Pyramiden und ausgedehnten Palastanlagen,. sowie das
historisch bedeutsame Chichenitza, wo mexikanische und MayarKnltur
sich mischen, aufgesucht. Die Rückreise erfolgte über Mexiko, £1 Paso,
New Orleans und New York.
Mittwoch, den 80. November 1910.
Herr Dr. Jan Czekanowski-St. Petersburg: In
Emin-Pasclias Provinz nnd bei den Zwergen. (Lichtbilder.)
Der Vortragende besprach zunächst kurz die Reisen des ersten Jahres
der Deutschen Zentral- Afrika-Expedition unter Führung S. H. des Herzogs
Adolf Friedrich zu Mecklenburg in Ruanda und im Gebiete des Großen Afri-
kanischen Grabens und ging dann zu den wissenschaftlichen Ergebnissen über.
Den Mittelpunkt der Untersuchungen des Redners bildete die anthro-
pologische und ethnographische Gliederung des Nil-Kongo-Zwischengebietes.
Die Aufgabe konnte im gewünschten Umfange gelöst werden, und es stellte
sich ein Parallelismus der anthropologischen, linguistischen nnd kulturellen
Erscheinungen heraus.
— 42 —
Die anthropologischen Gresichtspunkte allein genügen schon, nm die
folgenden fünf Provinzen auszusondern : 1. Das Zwischen-Seen-Gebiet ; 2. Die
Nil- Provinz ; 3. Der Ituri-Wald ; 4. Das Mangbetn ; 5. Die Nyam-Nyam-Länder.
Man findet in ihnen Bevölkerungselemente, deren Gegensätze wohl die Unter-
schiede, die man in Europa beobachten kann, bei weitem übertreffen. Diese
Gegensätze sind so groß. da6 sie sogar die im Beobachten ungeübten Laien,
für die alle Neger bloß schwarz sind, bei einer systematischen Zusammen-
stellung der Bilder zu erfassen imstande sind. Die Bevölkerung der ein-
zelnen Provinzen ist aber bei weitem nicht einheitlich. Im Zwischen-Seen-Gebiet
findet man neben der riesenwüchsigen Hirtenaristokratie, deren Vertreter im
Durchschnitt 1,80 m messen, beinahe zwerghafte Paria- Jäger ~ die Batwa,
deren Körpergröße einen Durchschnitt unter 1 ,60 m hat. Im Urwalde kommen
neben dem mittelgroßen Neger noch Zwerge (Pygmäen) vor. Die anderen
Provinzen haben zwar eine mehr einheitliche Bevölkerung, trotzdem kann
man zwerghafte Elemente fast überall nachweisen.
Nach der Schilderung dieser Bevölkerungselemente, die durch Licht-
bilder erläutert wurden, ging der Vortragende zu den komplizierten eth-
nischen Verhältnissen über und erläuterte die Sprachenkarte des Gebiets,
wobei die Hauptaufmerksamkeit der Scheidung der Zone der Sudan-Sprachen
von der der Bantu-Sprachen gewidmet wurde. Er wies auch auf die allgemeinen
sprachlichen Verschiedenheiten der einzelnen Provinzen hin und verbreitete sich
dann über die Grundlagen der sozialen Organisation. Diese ist in ihrem Wesen
recht einheitlich. Sie beruht fast überall auf der ezogamen, totemistischen
Glanorganisation. Nur die Beherrschungsformen der Clanangehörigen weisen
in den einzelnen Provinzen Unterschiede auf.
Diesen Erörterungen folgte sodann die Schilderung der Reisen des
Vortragenden in Emin-Paschas Provinz und in den Urwäldern des Itnri-
Beckens, wobei die materielle Kultur der Bevölkerung und ihre Existenz-
bedingungen besonders hervorgehoben wurden.
Den .Ausgangspunkt der im Jahre 1908 ausgeführten Reisen bildete
die englische Station Toro. Von hier reiste der Vortragende über die Pässe
der Nordabhänge des Ruwenzori-Massivs zu den Baamba, die die Urwälder
des Westabhanges bewohnen. Nach erfolglosen Versuchen, dort mit den
Zwergen in Kontakt zu kommen, setzte er über den Semliki und erreichte
auf dem rechten Ufer des Flusses einige vom Ruwenzori durch Hunger ver-
triebene Pygmäen. Von hier reiste er über Beni zum Ituri, folgte diesem
bis nach Avakubi, ging den Nepoko herauf bis zum nördlichen Urwaldrande,
folgte ihm weiter nach Osten, durchquerte zam zweiten Mal den Urwald und
vereinigte sich nach dreimonatlicher Abwesenheit mit der Hauptkolonne der
Expedition in Irumu. Während dieser ganzen Reise blieb der Vortragende
stets in Berührung mit den Zwergen und konnte ausgedehnte anthropologische
Untersuchungen anstellen. Für die ethnographischen Untersuchungen waren
diesmal die Reise Verhältnisse ungünstig und die Kolonne hatte mit großen
Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Verpflegung war sehr knapp und die spär-
liche Bevölkerung durchaus nicht überall entgegenkommend, zum Teil sogar
feindlich, so daß die Träger an einer Stelle von den Eingeborenen beschossen
wurden.
— 43 —
Von Iramn trat die Hanptkolonne der Expedition den Marsch nach
Westen an, der sie zum Kongo nnd der Atlantischen Küste führen sollte.
Dr. Czekanowski hatte aber noch die Untersuchnngen im Uelle-Becken zur
Aufgabe. Er begab sich zunächst zu den Zwergen, die im Ituri-Quellengebiet
herumstreiften. Nach den Untersuchungen beim Häuptling Salambongo und
nach einem erfolglosen Versuche, von dort die U6lle-Quellen zu erreichen,
kehrte die Expedition auf dem schon einmal zurückgelegten Wege zum Ne-
poko zurück, überschritt die flache Wasserscheide und erreichte die belgische
Station Oumbari, die als Basis während der Reisen im USlle-Becken gedient hat.
Von Qumbari wandte sich der Vortragende durch das Momvu- und
Logo-Gebiet nach der Enclave von Lado, schlug dann den Weg nach Westen
ein und erreichte in dieser Richtung das von den Belgiern besetzte Amadi,
von wo er wieder zum Bomokandi zurückkehrte und diesen noch bis nach
Gumbari (am Urwaldrande entlang) verfolgte. Hierauf marschierte er unter
großen Schwierigkeiten zu den Ituri-Quellen, setzte die Reise bis Kilo fort
und erreichte nach achtmonatlicher Abwesenheit auf zum Teil unbegangenen
Wegen wieder Irumu.
Von Irumu wurde noch das Lendu-Plateau besucht. Die Reise nahm
einen Monat in Anspruch und lieferte sehr wichtige Beiträge zur Kenntnis
der Bevölkerung der Aquatorial-Provinz. Von dort kehrte der Vortragende
nach Uganda zurück. In dieser Weise wurde die Provinz Emin-Paschas in
verschiedenen Richtungen durchquert und aufgenommen, und nur so konnte
eine Orientierung im Wirrwarr der dort zusammengedrängten Völkerschaften
erreicht werden.
Zum Schlüsse wies der Vortragende auf die Spuren hin, die das Wirken
Emin-Paschas hinterlassen hat. Abgesehen von den Niederlassungen am Nil
und Albert-See, die jetzt fast durchweg verlassen sind, stößt man nur noch
gelegentlich auf Erinnerungen an ihn. Die älteren Häuptlinge wie z. B.
Arama aus der Umgebung von Vankerkhoverille verstehen von Emin-Bey
zu erzählen. Sie kennen ihn alle aber als „mokoto na Kuturia^' — als den
Türkenhäuptling. Diese Erzählungen schildern das damalige Regime durchaus
nichts weniger als human.
Mittwoch, den 7. Dezember 1910.
Herr Professor Dr. Carl Friedrich Lehmann-Haupt-
Berlin, jetzt Liverpool. Aas dem Qaellgebiet des Eaphrat
und des Tigris. (Lichtbilder.)
Das Quellgehiet des Euphrat und des Tigris, das armenische Hoch-
land, wie es jetzt nach dem Volke bezeichnet wird, das dort im 6. Jahr-
hundert einzuwandern begann, schilderte der Vortragende aus eigener An-
schauung und unter Vorführung zahlreicher an Ort und Stelle in den Jahren
1898/99 aufgenommener Lichtbilder. Es galt aber nicht blos die Jetztzeit
zu schildern, sondern auch die Vergangenheit dieses Oebietes wurde beleuchtet
und belebt. Die Kämpfe, die zwischen den Assyrem und den vorarmenischen
Bewohnern dieses Gebietes, den (Jrartäem oder Chaldem (nicht zu ver-
wechseln mit den in Südbabylonien wohnenden Chaldäem!) ansgefochten
— 44 —
wurden, müssen nm so lebhafteres Interesse erregen als sie zu den Zeiten der
historischen Semiramis ihren Höhepunkt hatten. Die geschichtliche Semiramis
aber steht neuerdings durch eine neue, in ihrem Namen gesetzte Inschrift
aus der Reihe der Königstelen Ton Assur, die dort die deutsche Orient-
Gesellschaft aufgedeckt hat, noch viel deutlicher und geschichtlich fa6barer
Yor uns, als es schon Torher der Fall war. Es sei dafür auf den Vortrag
verwiesen, den der Redner am 6. Februar 1910 in Gegenwart S. M. des
Kaisers in der deutschen Orient-Gesellschaft hielt und der neuerdings unter
dem Titel ,Die historische Semiramis und ihre Zeif als reichillnstrierte
Broschüre im Verlage yon J. C. B. Mohr in Tübingen erschienen ist.
Salmanassar HI. (860—26 v. Chr.), der Schwiegerrater der Semiramis,
ist bis zum Tigristunnel und darüber hinaus yorgedrungen und hat an dessen
Wänden seine schwer lesbaren, vom Vortragenden entzifferten Inschriften
hinterlassen. War doch diese Ortlichkeit den Assyrem nicht minder wie
später den älteren griechischen Geographen besonders interessant.
Die merkwürdigen, in den lebendigen Felsen gehauenen Wohn- und
Grabanlagen der Chalder sowie ihre Befestigungen und ihre grandiosen
Wasserbauten kamen in Wort und Bild ebenso zu ihrem Recht, wie die
heutigen Bewohner des Landes, die Armenier in ihren ärmlichen Dörfern
und ihre Quäler, die kriegerischen und ritterlichen aber auch grausamen und
hinterhaltigen und blutdürstigen Kurden. Die Stätte des alten Tigranokerta,
das von der Expedition genau an der Stelle nachgewiesen wurde, an der es
Moltke mit Kennerblick bei flüchtigem Besuche erkannt hatte, wurde gleich-
falls geschildert und im Bilde vorgeführt. Die heutige Stadt Maijafatikin
oder abgekürzt Farkin nimmt nur einen kleinen Teil des mächtigen Stadt-
gebietes ein.
Mit dem Gemahle und dem Sohne der Semiramis Samsi-Adad (826
bis 811 V. Chr.) und Adadnirari IV. (811—783 v. Chr.) haben die mächtigsten
und bedeutendsten Herrscher des Reiches Urartu criolgreiche Kämpfe besonders
um die den Ürmia-See umsäumenden fruchtbaren Gebiete bestehen müssen.
Auch Armenien selbst ist keineswegs nur ein wildes Bergland, sondern
die Gebirge umschließen weite fruchtbare Ebenen, in denen reichliches Getreide
gedeiht, aber mangels genügender Beförderungsmittel oft auf dem Halme
verdorrt, während in anderen Provinzen des türkischen Reichs Dürre nnd
Mangel herrschen. Diese Ebenen werden aber mehrfach noch bewässert und
kulturfähig durch die Kanalisations- und Stauanlagen, die vor mehr denn
2Vs Jahrtausenden die Beherrscher des urartäischen Reiches oft mit unsäg-
lichen Mühen und unter Anwendung staunenswerter technischer und trigono-
metrischer Kenntnisse geschaffen und durch die Gebirge geführt haben, so
besonders die Ebene von Van, der einstigen Hauptstadt des Reiches, durch
den vom Könige Menuas um 800 gebauten Aquädukt, der bei den heutigen
Anwohnern den Namen des „Semiramis-Flusses'' führt, und der auch tatsächlich
zu ihrer Zeit, wenn auch freilich nicht von ihr, sondern von ihrem ärgsten
Gegner angelegt wurde
(Vgl. C. F. Lehmann-Haupt: Armenien einst und jetzt. Reisen und
Forschungen. 1. Vom Kaukasus zum Tigris und nach Tigranokerta. Berlin,
B. Behr, 1910 )
— 45 —
Mittwoch, den 14. Dezember 1910.
Herr Oberleutnant Dr. Wilhelm Filchner, früher Berlin,
z. Zt. Antarktis: Heine Spitzbergen-Expedition als Vor-
läufer der Deutschen Antarktischen Expedition und die
Aufgaben der letzteren. (Lichtbilder.)
Spitzbergen ist trotz seiner Lage nahe dem Pol (1000 km) leichter zu
erreichen als z. B. Grönland, dessen Ostkttste sich mehr als 2000 km weiter
nach Süden erstreckt. Das hat seinen Grand im Golfstrom, der die West-
küste Spitzbergens von Eis frei hält, während die Ostküste Grönlands stets
von Eis blockiert ist. Otto Nordenskjöld hat Spitzbergen einmal das klassische
Land der Polarforschung genannt, weil es wegen seiner verhältnismäßig
leichten Zugänglichkeit und mitten in der Arktis gelegen, zuerst die wissen-
schaftliche Erkenntnis der Polarnatur ermöglichte.
Das Jahr 1910 war für eine Spitzbergen-Expedition insofern ein auf-
fallend ungünstiges, als ein breiter Eisgürtel die Westseite Spitzbergens
umschloß. Diese außergewöhnliche Erscheinung war dadurch hervorgerufen,
daß sich durch die höhere Temperatur von den Küsten Franz Josephs-Land Eis
losgerissen hatte, welches durch Nordostwinde nach Südwesten abgetrieben
und um das Südkap Spitzbergens hemm von der Strömung des Golfstroms
an der Westküste Spitzbergens entlang nach Norden geschoben wurde. So
begegnete die Expedition in diesem Sommer schon bei 75 Vt*^ Eis. Zuerst
waren es dünne, lockere Schollen, die sich bald verdichteten und den Aeolus,
das Schiff, welches die Expedition nach Spitzbergen brachte, am Weiter-
fahren hinderten. Durch geschickte Navigierung gelang es endlich, nachdem
noch eine dicke Nebelbank gewichen war, den Eisgürtel zu durchfahren und
in den Eis-Fjord und nördlich davon in die Safe-Bai einzulaufen. An den
Ufern ist überall starke Vergletscherung sichtbar. In ungeheurer Breite
schiebt der Kjemulf-Gletscher seine riesigen Eismassen an das Meer heran,
die in jähem, steilem Absturz am Meer enden, zahlreiche Tore und Höhlen
bildend.
Zu den Moränen-Bildungen übergehend, wies der Redner sodann an der
Hand von Karten und Bildern nach, daß die Spitzbergen-Gletscher im allge-
meinen im Zurückgehen begriffen sind, was der ausgezeichnete schwedische
Geologe. De Geer in jahrelanger Arbeit festgestellt hat.
Nachdem der Aeolus auf der Weiterfahrt die Advent-Bai passiert und
sodann um das Kap Diabas herum in die Tempel-Bai eingelaufen war, erreichte
man den ebenfalls mit hohem Steilabsturz ins Meer fallenden gewaltigen
Post-Gletscher, der als Ausgangspunkt der Fußwanderung bestimmt war. Hier
verabschiedete sich die Expedition von den Teilnehmern des Stockholmer Geo-
logenkongresses, die sie bis hierher auf dem Aeolus begleitet hatten, der sofort
die Rückreise antrat. Ein Boot, das die Expedition später wieder nach der
Advent-Bai bringen sollte, wurde hier zurückgelassen. Der Anstieg begann
an einem tiefen, gefrorenen Gletscherbach, der die Expedition von dem Glet-
scher trennte. Der Aufstieg war wegen des häufigen Steinschlages mit großen
Gefahren verknüpft. Die Verwitterung arbeitet im arktischen Klima infolge
der großen Temperaturgegensätze so intensiv, daß ständig Felstrümmer an
— 46 —
den höher gelegenen Teilen der Berge loBgesprengt werden. So bilden sich
am Fuße der Gletscher breite Schatthänge und an den Seiten große Mor&nen-
wälle, deren Überschreiten mit dem Schlitten und Gepäck viel Anstrengung
erforderte.
Gefahrvoll gestaltete sich auch der Marsch aal dem Gletscher selbst
wegen der zahlreichen Spalten, der tückischen Schneebrücken, der Schmels-
wasserbäche and Löcher, mit welchen das ganze Gletschergebiet übersät ist,
and bei deren Überqueren ein Schlitten durch Anprallen gegen eine Biskante
brach und repariert werden mußte. Als Schlitten waren die von Nansen
benutzten Modelle im Gebrauch. Der Vortragende hatte sie noch mit Stahl-
kufen versehen, eine Neuerung, die sich auf dem Eise vorzüglich bewährt
hat. Als Zelte dienten die von Sir Emest Shackleton gebrauchten, welche
äußerst praktisch konstruiert^waren, und als Proviantkisten die gleichen, die
auf der deutschen Südpolar-Expedition verwandt werden sollen.
Ein merkwürdiges Phänomen auf den spitzbergischen Gletschern bilden
kleine Stauseen in früher vergletscherten Seitentälern, die von zurückge-
gangenem Eise freigegeben wurden.
Der Weitermarsch auf dem Eise ließ eine starke Abschmelzung der
Qletscheroberfläche erkennen, weshalb auch schwer passierbare, über mehrere
Kilometer sich erstreckende Gletschersümpfe gefunden wurden sowie flache
Wannen, in welchen die Schmelzwasser sich ansammeln und sich mit dem
ab und zu fallenden Schnee dann zu einem breiigen Schlamm vermengen.
Ebenso bereiteten schwammartige, mit großen und kleinen Schmelzlöchem
versehene poröse Schneehalden, deren Entstehung in dem Einschmelzen des in
Massen vorkommenden Staubes zu suchen ist, beim Passieren unendliche
Schwierigkeiten.
Auf der Wasserscheide, wo in den Post-Gletscher von Nordosten her
ein ebenso starker Gletscher einmündet, in den wieder mehrere breite Seiten-
gletscher einströmen, wurde am Scelheim-Berg das Zentrallager aufgeschlagen.
Während zwei Mitglieder der Expedition zu wissenschaftlichen Spezial-
arbeiten hier zurückblieben, drangen die übrigen vier unter Führung des
Vortragenden in einem Gewaltvorstoß von 53'/« St. mit wenigen Unter-
brechungen, auf Schneeschuhen, ohne Schlitten über den neuen, nach dem
Stor-Fjord abfallenden Gletscher, welcher den Namen „Prinzregent Luitpold-
Gletscher'' erhielt, nach der Ostküste vor. Von einem eigentlichen Inlandeis,
wie wir es in Grönland kennen, wo fast das ganze Land bis auf einen
schmalen Küstenstreifen von einem gewaltigen Eisschild verhüllt ist, und
wie es Conway und Garwood 1896/97 für diesen Teil Spitzbergens berichtet
hatten, ist hier nicht die Rede, man könnte eher von einem Eisstromnetz
sprechen, das durch die ineinandergreifenden Gletscherströme gebildet wird.
Eigentliches Inlandeis in größerer Ausdehnung scheint nur auf Nordost-
Spitzbergen vorzukommen, das A. E. von Nordenskjöld 1873 durchquert hat.
Glücklich wurde von zwei Herren der Stor-Fjord erreicht, in welchen der Prins-
regent Luitpold-Gletschcr, weit in ihn vorspringend, steil abstürzt; ringsum
eine erstorbene Natur und Totenstille, die nur von kreischenden Alken unter-
brochen wird. Über zahlreiche Schmelzwasserbäche, die auch hier Zeugnis
ablegen von der starken Ablation in den Sommermonaten, ging es sodann
_ 47 —
in gefahrvollem und anstrengendem Marsche, der dadurch erschwert wurde,
daß einer der Herren sich unterwegs eine ernsthafte Verletzung am Fuße
zugezogen hatte, wieder nach dem Zentrallager zurück, von wo aus über den
Post-Gletscher die Tempel-Bai glücklich erreicht wurde.
Auf dem Wege nach der Advent-Bai erlitt das Boot, das man an
seinem Platze angetroffen hatte, am Kap Diabas zuguterletzt noch Schiff-
bruch, weshalb die Expedition gezwungen wurde, einen mühseligen Marsch
von 25 km nach der Advent-Bai anzutreten. Unterwegs traf man auf eine
verlassene englische Kohlenmine, in der sich Lebensmittel vorfanden, und
erreichte von da aus auf einem provisorisch hergestellten Fahrzeuge ein
amerikanisches Kohlenbergwerk auf dem gegenüberliegenden Ufer, wo die
Expedition die liebenswürdigste Aufnahme fand.
(Vgl. Filchner, W. und Seelheim, H. : Quer durch Spitzbergen. Eine
deutsche Übungsexpedition im Zentralgebiet östlich des Eisfjords. Berlin.
E. S. Mittler & Sohn, 1911.)
Nach seinen Ausführungen über die Spitzbergen-Expedition, die in
erster Linie den Zweck hatte, Menschen und Material für die Deutsche
Antarktische Expedition zu erproben, schilderte der Redner noch kurz die Auf-
gaben und Ziele der letzteren, sowie den augenblicklichen Stand der Vorarbeiten.
(Vgl. den Vortrag des Redners: Einige Bemerkungen über die
Deutsche Antarktische Expedition, enthalten in den Verhandlungen der Gesell-
Schaft Deutscher Naturforscher und Arzte, 82. Versammlung zu Königs-
berg, 18—24. September 1910, I.Teil, Seite 115-122; sowie Denkschrift
über die Deutsche Antarktische Expedition. Allgemeiner Plan, Einzelheiten
des wissenschaftlichen Programms, Teilnehmer, Ausrüstung, Kostenvoranschlag.
Berlin, E. S. Mittler & Sohn. 1911.)
Mittwoch, den 4. Januar 1911.
Herr Professor Dr. Wilhelm Sievers-Gießen: Reisen
im (jnellgebiet des Auiazonas-Maranon. (Lichtbilder.)
Nach Lima gelangt man jetzt am schnellsten über New York und
Panama, nämlich, wenn die Anschlüsse in beiden Städten erreicht werden,
in etwa 3 Wochen. Ein zweiter nicht viel kürzerer Weg führt über Genua—
Buenos Aires— Valparaiso. Man kann mit den neuen italienischen Schnell-
dampfern von Genua aus in 15— IB Tagen in Buenos Aires sein, überquert
dann auf der transandincn Bahn in 36 Stunden die Cordillere und findet in
Valparaiso einen Dampfer der Pacific Steam Navigation-Company, der einen
jetzt in 4Va Tagen nach dem Callao bringt. Der dritte mögliche Weg über
Parä und den Amazonas erfordert über 2 Monate, da die Fahrt von Hamburg
nach Parä allein 4 Wochen dauert, und die Ersteigung der Cordillere von
Osten aus schwierig und zeitraubend ist, da noch keine Eisenbahn die peruanische
Cordillere vollständig überschritten hat. Ich wählte den an zweiter Stelle
genannten Weg und traf auf diesem am 30. März 1909 in Lima ein. Als-
dann bereiste ich den ganzen Norden des Landes, sowie Süd-Ecuador, schiffte
mich am 29. Oktober in Guayaquil, dem Hafen von Ecuador, wieder ein und
kehrte über Panama und New York nach Deutschland zurück.
— 48 —
Perti zerfällt nach seiner Oberflächenbeschaffenheit in zwei Hauptteile,
das östliche Tiefland und das westliche Gebirgsland. firsteres wird
La Montaöa, der Wald, letzteres La Sierra, das Gebirge, genannt.
Meistens wird aber noch eine dritte Abteilang onterschieden, La Costa,
das Küstenland. Diese Abtrennung erfolgt deshalb mit Recht, weil das
Küstenland in wirtschaftlicher Hinsicht ganz besondere Eigenschaften hat,
die anf die klimatischen Verhältnisse zurückzuführen sind.
Das Küstenland ist orographisch der Abhang der Cordillere nach
dem Großen Ozean. Die auf diesem von Süden nach Norden dahinziehende
Oberflächenströmung ist ungewöhnlich kühl. Welches auch die Gründe für
diese auffallende Temperatur sein mögen, jedenfalls ist das Meer in den
Breiten von 18—4^ um eine Reihe von Graden kühler als es die Regel ist,
so daß die Seebäder bei Lima schon im Mai geschlossen werden. Da nun
aber über dieser Küstenströmung so gut wie keine Gelegenheit zur Konden-
sation des Wasserdampfes vorhanden ist, so fällt an der Küste nur selten
Regen. Die Feuchtigkeit beschränkt sich auf die Garuas-Nebel, die in geringen
Höhen während der Monate Mai bis Oktober auf den Küstenbergen lagern.
Die Vegetation ist demgemäß äußerst gering, das Land ist eine Wüste. Wo
aber Flüsse ans dem Gebirge diese Wüste durchfließen, da vermag die Vege-
tation üppig zu sein und der Anbau von Zucker, Baumwolle, Reis, Mais
sowie einer großen Menge von Fruchtbäumen wird ermöglicht; dazu kommt
im Süden bei Ica und Pisco die Rebe, aus der ein brauchbarer Wein gekeltert
wird. An den Ufern dieser Flüsse liegen die hauptsächlichen Küstenstädte,
Lima selbst und seine Hafenstadt ErCallao, femer im Süden Moquegua, Ica,
Pisco, im Norden Trujillo, Lambayeque, Chiclayo, Piura und Paita. Erst
bei Tumbez beginnt größerer Niederschlagsreichtum und damit üppige
Vegetation im ganzen Küstenland. An Bodenschätzen gewinnt man an der
trockenen Küste Guano und Salz, während die Salpeterbezirke 1880 an Chile
verloren gingen; femer liegen im Norden reiche Petroleumquellen, die sich
auch Über den feuchten, äußersten Norden bis Tumbez fortsetzen.
Von der Küste führen die T ä 1 e r hinauf nach der S i e r r a. Sie sind tief
eingeschnitten und daher sehr heiß, oft heißer als die Küste selbst und erlauben
daher den Anbau tropischer Pflanzen bis zu großen Höhen ; der Kaffee kommt
noch über 2000 m in einigen Exemplaren vor, das Zuckerrohr steigt bis 2500,
der Mais bis 3500 m, ja sogar der Cacao bis etwa 1800 m im Tale des Maraiion.
Da aber manche Täler schwer passierbar sind, so führen auch andere Wege
nach der Sierra hinauf; sie übersteigen die Cordilleren in zum Teil sehr
hohen Pässen und treten dann ins Innere des Gebirges ein.
Die Sierra, das Gebirge, erstreckt sich an der Küste bis zum
größten Quellflusse des Amazonas, dem Ucayaii. Die höchste Kette verläuft
in etwa 100 km Entfemung am Meere ; deshalb entspringen die Quellflüsse
des Amazonas ziemlich nahe dem Großen Ozean und schließen fast die ganze
pemanische Sierra dem System des Amazonas an, so daß nach Westen nur
Küstenflüsse hinabrinnen. Der größte unter diesen ist der Rio Santa in Nord-
perü, der zwei Tagereisen südlich von Huaraz entspringt und ein langes, der
Cordillerenrichtung folgendes Tal bildet; durch dieses Tal wird die Haupt-
cordillere in zwei Äste, die Cordillera Negra näher der Küste, und die Cor-
— 49 —
dillera Bianca, weiter nach dem Innern zu, geteilt. Erstere ist 4800 m hoch
und meist schneefrei, letztere erreicht in Huaskarän 6700 m, die größte Höhe,
und trägt auf mehr als 100 km Enfernung eine nahezu ununterbrochene Decke
von Firn, aus dem sich kleine Eisflüsse nach beiden Seiten hinabsenken.
Um etwa 3500 m aufwärts ist das Gebirge kahl, das Land führt den Namen
Puna. Auch liegen nicht blos in den Tälern, sondern auch noch au! der
Puna einzelne größere Ortschaften, darunter die berühmte Silberbergwerkstadt
El Cerro de Pasco (4300 m). Einzelne Bäume, wie der Kinuär (Polylepis
racemosa) und der Kisuar (Budleya Incana) erreichen, zum Teil noch in
größeren Beständen, in Schluchten und auch an offenen Gehängen diese
Höhe, der Kinuär sogar 4600 m.
Das höchste Gebirge ist der Sitz der Bergwerke; diese fördern in
Höhen von 4000 bis oft über 5000 m namentlich Silber, Kupfer, Blei und
der Kreideformation zugehörige Kohlen, aber auch gelegentlich Gold und
Quecksilber. Die Erze werden in Schmelzhütten, meist nach dem Verfahren
der Lixiviation, und in Höhen zwischen 3300 und 4000 m verhüttet. Diese
Anlagen wurden bis vor kurzem meist mit englischem und französischem,
neuerdings auch mit deutschem und namentlich, wie der „Smelter'^ vom Cerro
de Pasco, mit amerikanischem Kapital betrieben und ergeben einen Ausfuhr-
wert von ungefähr 40 Millionen Mark im Jahre.
Die Bevölkerung besteht in der Sierra fast ausschließlich aus den
Cholos, nicht mehr ganz ungemischten Indianern von den alten, bereits zur
Zeit der Inkas hier sitzenden Stämmen, im Süden namentlich den K^tschua.
Teils iirbeiteu sie in den Minen, teils hüten sie Schafe, Rinder und von
Oajatanibo an südwärts Llamas, teils endlich bauen sie die Nutzpflanzen der
alten Zeit, Quinoa (Chenopodium, Quinua), Oca (Oxalis tuberosa), Ulluco
(Ullucus tubcrosus) und die Kartoffel, sowie den von den Spaniern einge-
führten Weizen, die Gerste, ein wenig Hafer und die überall als Viehfutter
angebaute Luzerne (Alfalfa). Völlig rein erhaltene Indianer finden sich nur
noch im Süden des Landes, in der Montaüa, an einzelnen Stellen der Küste,
z. B. nördlich von Trujillo, und endlich in Süd Ecuador. Über dieser Grund-
bevölkerung liegt eine Schicht der Nachkommen der spanischen Einwanderer
als herrschende Klasse, aber sehr dünn gesäet, als Beamte, Kaufleute, Guts-
besitzer; an der Küste sind sie zahlreicher. Neger finden sich in der Sierra
so gut wie nicht, an der Küste häufig ; Chinesen bilden überall eine äußerst
unangenehm empfundene Landplage. Unter den Europäern nehmen die
Deutschen jetzt in der Sierra eine hervorragende Stelle ein, mehr noch die
Nordamerikaner, seit sie die Minen vom Cerro de Pasco in Besitz bekommen
haben, ferner die Engländer wegen der mächtigen Peruvian-Corporation. Unter
den Eisenbahnen befindet sich die wichtigste, die berühmte Oroya-Bahn von
Lima nach dem Cerro de Pasco und nach Huancayo, in den Händen der
Nordamerikaner. Auch Italiener sind vorhanden, aber sie spielen bei weitem
nicht die Rolle wie in Argentina, Uruguay und Brasilien.
Die Schneecordillere zeigt überall Spuren früherer stärkerer Verglet*
scherung bis zu Höhen von 3500 m abwärts. In den Fels gebettete kleine
Lagunen, alte und junge Moränen, Gletscherschliffe, von Gletschern ausge-
furchte Täler in der Form eines lateinischen U, Rundhöcker sind überall
— 50 —
sichtbar, aber seit etwa 40 Jahren ist ein Rückgang der Gletscher- und Fim-
massen nm etwa 50 m erkennbar, überhaupt ein neuerer Rückgang von
150 m vertikaler Richtung. Immerhin ist die Zone der heutigen Yergletscherung
noch bedeutend, sowohl in der westlichen Abteilung der Sierra, in den Cor-
dilleren von Huaraz und Huayhuasch sowie bei Lima, (weniger im Süden),
als auch im Osten des Gesamtgebirges, aber hier gerade mehr in den Ge-
birgen östlich von Cuzco, als in denjenigen östlich des Maradon.
Der Marafion entspringt nach meinen Untersuchungen nicht, wie bisher
allgemein angenommen wurde, in der Lagune Lauricocha, sondern etwa
25 km südlich davon auf dem Schneeberge San Lorenzo, über der Mine Raura,
die ihr Kupfer zum Schmelzwerk des Engländers Dunstan in der Hazienda
Quichas sendet. Er durchfließt zuerst die Laguna von Santa Ana, in die ein
Gletscher sein Eis wirft, dann die Lagunen Caballo Cocha mit dem Hinter-
see Anca Cocha, der wieder von einem Gletscher gespeist wird, weiter die
Doppellagune Tinki Cocha, endlich den Huaskar Cocha, lauter glaziale
Seen, bevor er in den Lauricocha eintritt. Dann zieht er in einem tief ein-
geschnittenen Tale mit rascher Strömung nordwärts. Im Osten des Maradon
steigt das Gebirge noch einmal zu etwa 5000 m auf, und hier liegt in dem
Nevado de Acrotambo bei Huacrachuco (8^ s. Br.) zum letzten Male dauernd
Schnee, aber auch doch wieder zeigen sich deutliche Spuren früherer Ver-
gletscherung. Dann senkt es sich zu der fruchtbaren MontaÜa, in der je
nach der Höhenlage alle Nutzpflanzen gedeihen können, da der große Nieder-
Bchlagsreichtum eine reichliche Bewässerung gewährt. Hier sind als eigen-
tümliche Landeserzeugnisse die Coca am Gebirgsabhange, auf deren Kultur
sich Kokainfabriken gegründet haben, und der Kautschuk im Tieflande zu
erwähnen, dessen Ausfuhrwert 1907 19 Millionen Mark, die Hälfte des Wertes
der Erzausfuhr, erreicht hat.
Mittwoch, den 11. Januar 1911.
Herr Professor Dr. Wilhelm Volz-Breslau: Quer durch
Nord-Sumatra. (Lichtbilder.)
Der Vortragende schilderte zunächst in kurzen Zügen die politische
Lage von Nord-Sumatra, wie alles hier unter dem Zeichen des Atjeh-Krieges
steht; mehr denn 35 Jahre währt er bereits; nach anfänglichen Erfolgen und
darauf folgender tiefster Depression hat sich jetzt unter der Leitung des
Generals v. Heutsz ein befriedigender Zustand entwickelt. Der Kleinkrieg
dauert zwar noch an, aber die Holländer sind doch nunmehr Herren im
Lande. Nichtsdestoweniger war es für den Vortragenden unmöglich, ohne
militärische Eskorte das Innere Nord-Sumatras, die Cajo-Länder zu betreten ;
aber bereitwilligst wurde sie ihm zur Verfügung gestellt.
Seine zweite Gajo- Expedition unternahm der Vortragende im Jahre
1905. Mitte Oktober verließ er mit seiner Kolonne, begleitet von etwa 40
Mann Kolonialmilitär, die Nordküste und erreichte nach mehrtägigem Marsch
durch den breiten Urwaldgürtel, welcher das Gajo-Land rings umgibt, den
Sockel des Cörödong-Massives und den noch tätigen Telong-Vulkan, den er
als erster ersteigen konnte. Das nördliche Gajo-Land, das Gebiel des Radja
— 51 —
Bukit, bildet ein O.-W.-streichendes Hochgebirgssystem ; in ein gewaltiges
Hochtal ist der große Tawar-See eingebettet, nnd an seinen Uferfl&chen liegen
die zahlreichen Dörfer des nördlichen Gajo-Landes.
Die Gajoer sind ein sympathischer, kräftiger und wohl auch ent-
wickelungsfähiger Menschenschlag, der auch körperlich den Batakem recht
nahe verwandt ist ; daneben macht sich besonders in den südlichen Provinzen
eine beträchtliche Beimengung primitiver Elemente (ähnlich z. B. den Enbus)
geltend ; hierzu gesellen sich noch andere Beimischungen, unter denen atjehisches
Blut die größte Rolle spielt.
Der weitere Marsch führte in das Döröt-Gebiet, welches dem Nord-
Gajo-Gebirge südlich angelagert ist, eine tiefe, breite Senke, aus tertiären
Schichten aufgebaut; eine besondere Yegetationsform kennzeichnet dieses
unfruchtbare Land, lichte Kiefernhochwälder, ein seltsamer Anblick inmitten
der Tropen. Tiefe Flußschluchten machen das öde Gebiet schwer passierbar.
Im Süden zieht wieder Hochgebirge dahin, die Intem-Intem-Kette, welche
Dörüt vom Groß-Gajolande, Gajo Luos, scheidet. Ein mühseliger ürwald-
marsch brachte die Kolonne dorthin. Es ist eine ähnliche breite tiefe Senke,
wie Döröt; aber lag jenes 3— 400 m hoch, so dieses ca. 800 m über dem
Meere. Gewaltige Hochgebirge trennen es in mehrfacher Kette von der West-
küste Sumatras. Gajo Luos ist das reichstbesiedelte der Gajo-Länder ; so hat
es sich am schwersten unterworfen, und noch immer gährt es. Schon der
Zustand der Dörfer lehrt, daß hier eine wehrhafte Bevölkerung lebt ; er zeigt
uns aber auch, daß die Gajoer zwar zu den alten Bevölkerungsschichten
gehören, daß sie zwar den Batakem nahe stehen, aber doch mehr sind, als
islaniisierte Bataker, daß sie völkische Eigenart besitzen und stets besessen
haben. Viel eher kann man die Alasser, welche eine breite Talsenke im Süd-
osten des Großgajo-Landes bewohnen, malaiisierte Bataker nennen.
Das Alasland bildet eine breite Senke, ähnlich dem Großgajo-Land, aber
von jugendlichem Alter ; im Norden wie im Süden begleiten es gewaltige Hoch-
gebirgszüge, die von Vulkanen gekrönt werden. Um Anschluß an seine
Batak-Expeditionen zu gewinnen, beschloß der Vortragende, nicht die natür-
liche Wasserstraße, den Alas-Fluß, hinabzugehen, sondern über das Hoch-
gebirge im Norden, die Serbölangit-Kette, sich der Ostküste zuzuwenden. Ein
mühseliger nnd gefahrvoller Marsch brachte die Kolonne glücklich über die
hohe Kette, durch die enge Schlucht des Tambong-Flusses in die Küsten-
ebene, und nach zweieinhalbmonatlicher Reise traf sie zu Weihnachten wieder
daheim ein.
(Vgl. das Werk des Redners über Nord-Sumatra. Band 1 : Die Batak-
liinder. Berlin, Dietrich Reimer, 1909.)
Mittwoch, den 18. Januar 1911.
Herr Professor Dr. Gustav W.von Zahn-München, jetzt
Jena: Schilderungen aus der Bretagne. (Lichtbilder.)
Charakteristischer Weise werden vorspringende Kaps oder Halbinseln
öfters mit dem Namen „Ende des Landes* — Finisterre, Landsend — bezeichnet.
Es sind Stellen, die dadurch besonders für den Geographen interessant sind,
4*
— 52 —
weil sie den Einfluß des umgebenden Meeres auf die Formen, das Klima,
die Vegetation und den Menschen am reinsten erkennen lassen. Als Beispiel
dafür soll die nordwestlichste Halbinsel Frankreichs, die Bretagne, dienen.
Eine aus einem Hochgebirg entstandene Rumpffläche ist durch eine
Hebung erneut nach der Widerstandsfähigkeit der Gesteine zerschnitten
worden und dann zum Teil gesenkt, so daß das Meer an ihren Rändern in
Landformen eindringen konnte. Damit begann zugleich die Arbeit des
Meeres, und zwar sowohl zerstörend als auch aufbauend. Durch den Stoß
der Kliflbrandung wird eine Hohlkehle eingearbeitet, der überhängende Teil
des Felsens stürzt nach, und so weicht nach und nach das Land zurück.
Daneben dringt die Brandung an schwachen Stellen des Klifi's rasch vor
und arbeitet Höhlen aus, die zu Klifftunnels sich vereinigen können. Durch
ihre Zerstörung werden Schluchten gebildet, die, wenn sie zusammenwachsen
oder an schmalen Vorsprüngen durchgreifen, Liseln und Klippen abtrennen
können. Dieser Art der Meeresarbeit sind vor allem die zahlreichen kleineren
Inseln und Klippen zu verdanken, welche die Küste begleiten. Mit dem
gewonnenen Zerstörungsmaterial werden Buchten abgeschnürt, Inseln durch
Isthmen landfest gemacht und bei günstigen Verhältnissen, wie in der Bai
du Mont St. Michel, weite Strecken dem Meere entzogen.
Das Klima wird ozeanisch, die Sommer abgekühlt, die Winter gemildert,
der Niederschlag und der Nebelreichtum vermehrt. Darin liegt eine Gunst
und Ungunst für die Vegetation, der milde Winter erlaubt den Anbau süd-
licher Gewächse, der kühle Sommer läßt andere aber nicht zur Reife kommen.
Während das Land arm ist, bietet die Küste und das Meer reichen
Ertrag; so ist eine Verdichtung der Bevölkerung an der Küste entstanden,
und deren Natur erzog seit den ältesten Zeiten bis heute eine tüchtige
Fischer- und Seemannsbevölkerung. Von Natur aus ist die bretonnische
Küste reich an guten Häfen, die Lage aber der Bretagne und die Armut
des direkten Hinterlandes haben es nicht zum Emporwachsen eines größeren
Handelshafens kommen lassen.
Schwer ist die Frage zu entscheiden, ob ein Einfluß auf den Charakter
der Bewohner durch das umgebende Meer zu erkennen ist. Aus dem Ver-
gleich mit den Eigenschaften anderer Küstenbewohner und den scharfen
Unterschieden gegenüber den angrenzenden französischen Stämmen scheint
er aber doch hervorzugehen. So hat an diesem Ende des Landes das Meer
einem großen Teil der geographischen Verhältnisse einen besonderen Stempel
aufgedrückt.
Mittwoch, den 25. Januar 1911.
Herr Professor Dr. Carl Heinrich Becker-Hamburg:
Auf den Spuren der Araber in Spanien. i^Lichtbilder.)
Wenn Goethe sagt, Orient und Occident sind nicht mehr zu trennen,
so hat er das im Sinne seines persischen Vorbildes mystisch gemeint Für
den nüchternen Beurteiler der Wirklichkeit ist der Unterschied zwischen Ost
und West solange unüberbrückbar, als nicht eine räumliche und ethnische
Mischung zwischen den Völkern des Abend- und Morgenlandes eingetreten
— 53 —
ist. Solche Mischungen sind einige Male im Laufe der Weltgeschichte ein-
getreten, so zur Zeit des Hellenismus au! orientalischem Boden und später
auf europäischem Boden, als die islamische Zivilisation sich auf Sizilien und
Spanien ausdehnte. Spanien zeugt noch heute von dieser Mischkultur.
Was lebt noch heute in Spanien aus arabischer Zeit?
Nicht das wirtschaftlich aufstrebende Katalonien, sondern Kastilien
und Andalusien ziehen den Fremden nach Spanien, jene Landschaften, über
die man das Motto setzen könnte : „Es war einmal''. Im Stiergefecht lebt
die Antike; in den Museen, ja noch in der Person des Kastiliers lebt die
spanisch-amerikanische Glanzzeit, in den Domen und Klöstern die Reconquista
und die Gegenreformation. In dem Bau von Städten wie Toledo, in dem
Mudejar-Stil und in der eigentümlichen Stiibildung der spanischen Gothik
verrät sich der islamische Einfluß schon in Mittelspanien. Der reine Orient
begegnet uns dagegen erst im Süden. Die Landschaft ist idealisierter Orient
und Sevilla die weiße Stadt des orientalischen Märchens. Auch die Bewohner
Andalusiens können die arabische Blutmischung nicht verleugnen. Hier ragen
auch noch Bauten aus arabischer Zeit, die große Moschee von Gordova, die
Giralda von Sevilla und die Alhambra von Granada.
Wie war der historische Verlauf dieser Episode?
Die Ausbreitung des Islam ist der arabischen Völkerwanderung zuzu-
schreiben. Der westliche Zweig dieser Bewegung hat von Nordafrika auf
Spanien übergegriffen, nachdem sich die Araber mit den Berbern verbündet,
weshalb man diese westliche islamische Zivilisation auch die maurische nennt.
Müsa Ihn Nusair und sein ünterfeldherr Tärik haben Spanien vom Jahre 711
ab erobert. Die Schlacht von Xeres de la Frontera fand im Wadi Bckka
am Flüßchen Salado statt. Schnell war Spanien erobert, und die Bewegung
ging nach Frankreich über, wo sie im Jahre 732 bei Tours und Poitiers zum
Stehen kam. Gründe dafür waren der Gegensatz zwischen Arabern und
Berbern, die Unmöglichkeit, das große Kalifenreich zusammenzuhalten,
nachdem die Residenz von Bagdad nach Damaskus verlegt war, endlich das
Erstarken Frankreichs und das Aufkommen von Asturien Leon. Im Jahre
75G gewann das islamische Spanien unter einem omaiyadischen Prinzen Selb-
ständigkeit. Abdurrahman wurde der Begründer des westlichen Kalifats
(756—1031). Eine vorzügliche Schilderung der spanischen Kultur verdanken
wir dem Grafen Schack. Der Ruhm von Gordova drang damals bis nach
Deutschland, wo die junge herrliche Stadt als helle Zierde der Welt von
Roswitha von Gandersheim besungen wurde. Das Charakteristische der hier
geschaffenen Kultur war einmal ihr religiöser Charakter, der eine weltgehende
Toleranz, wie sie im damaligen Abendlande ganz undenkbar gewesen wäre,
nicht ausschloß. Sie hatte zweitens den Charakter der Mischkultur. Man
nennt sie mit Unrecht häufig die arabische, nur im Recht hat sich ein stark
arabischer Einschlag erhalten. Sonst knüpft sie zunächst überall an das
Vorgefundene, läßt sich dann später von Persien beeinflussen, um endlich
auch Formen der zentralasiatisch-türkischen Kultur in sich aufzunehmen.
Trotz dieser Züge, die die spanische Zivilisation des Islam mit ihrer öst-
lichen Schwester gemeinsam hat, kommt in ihr vor allem auf dem Gebiete
der Poesie ein deutlicher abendländischer Einschlag zum Dorchbruch. Aach
=- 54 —
die Wissenschaft blühte in Spanien mindestens ebenso wie im Osten ; sofern
sie nicht religiös war, war sie naturwissenschaftlich orientiert und von dem
Geiste der Antike durchdrungen. In großen Bibliotheken wurden die Schätze
des Morgen- und Abendlandes angesammelt, doch hatten die katholischen
Könige Ferdinand und Isabella nach dem Fall von Granada nichts Eiligeres
XU tun, als diese unschätzbaren wissenschaftlichen Kleinodien alsbald dem
Feuer lu überantworten.
Die Auflösung des starken Omaiyaden-Staates erfolgte durch den
gleichen Entwicklungsprozeß, der auch das große Kalifenreich des Ostens
zerfallen ließ. Der aristokratische Staat der Araber wurde allmählich durch
den orientalischen Absolutismus ersetzt, die Prätorianer-Garden bekamen bald
die Fürsten in ihre Hände, und außerdem zeigte sich auf die Dauer immer
mehr die physische und geistige Überlegenheit der Landeskinder. So zerfällt
der Kalifenstaat von Cordora immer mehr, aber noch einmal hält sich in
Sevilla für kurze Zeit ein glanzvolles Kulturzentrum, das Reich der Abba-
diden (1023 — 1091). Dann greifen erneut berberische Völkerscharen aus
Afrika nach Spanien hinüber, und die iberische Halbinsel bildet für einige
Zeit einen Teil der Reiche der Almoraviden und Almohaden. Dann erstarkt
immer mehr der christliche Norden, Kastilien und Aragonien stoßen gegen
Süden vor und schließlich bleibt nur noch als letzter Rest der islamischen
Herrlichkeit Spaniens der selbständige Kleinstaat Granada, der erst im Jahre
1492 von den katholischen Königen erobert wird. Im Lager von Granada
wurde Columbus vor seiner Ausreise empfangen. So berührt sich hier die
alte und die neue Welt.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen zeigte der Vortragende fünfzig
Lichtbilder von Toledo, Cordova, Sevilla, Granada und Ronda und schloß
mit Ansichten des Escurials und Gibraltars, welche die neue Welt illustrieren,
die nach der arabischen Herrschaft in Spanien erstand.
Mittwoch, den 1. Februar 1911.
Herr Dr. August Stolberg-Straßbiirgi.E.: Die Deutsche
und Schweizerische Grönland-Expedition 1909. (Lichtbilder.)
Die von dem stellvertretenden Direktor der meteorologischen Zentral-
Anstalt in Zürich Dr. Alfred de Quervain und dem Vortragenden ontei^
nommene Expedition, der sich der Zoologe Dr. E. Baebler aus Glams anschloß,
hielt sich vom Frühjahr bis zum Beginn des Herbstes 1909 in Grönland auf.
Nach stürmischer Überfahrt auf eisüberzogenem Schiff traf sie bereits Mitte
April, also noch im arktischen Winter, in Grönland ein, wo sie sofort mit
den acrologischen Arbeiten nach der de Qnervainschen Pilotanvisierongs-
Methode begann und ihre Stationen dann im Laufe des Mai and Juni immer
weiter nördlich bis zur BafTin-Bai vorschob. Die durch 67 Pilotballons
zur Bestimmung der Verhältnisse der höheren Athmosphärenschichten aus-
geführten Aufstiege erschüttern die theoretisch gebildete Vorstellang yon
dem Vorhandensein eines sogenannten permanenten Polarwirbels. Neben
den meteorologischen Arbeiten, die materiell von Graf Zeppelin unterstAtEfc
— 55 —
worden waren, und Baeblers Stadien auf dem Gebiet der nivalen Fauna
wurden auch hydrographische Messungen im Auftrag des Instituts für Meeres-
kunde in Berlin und der deutschen Seewarte in Hamburg ausgeführt.
An diese Arbeiten anschließend, wurden im Bereich des mächtigen
Karajak-Gletschers, eines der Hauptproduzenten der an Westgrönlands KtLste
triftenden Eisberge, photogrammetrische Randvermessungen ausgeführt. Die
Gegend eignete sich auch darum besonders für diese Arbeiten, weil hier,
zwischen dem 70. und 71. Breitegrad, Anfang der neunziger Jahre bereits
Erich von Drygalski die randlichen Eisverhältnisse zum Gegenstand einer
Spezialuntersuchung gemacht hatte, eine Basis für vergleichende Aufnahmen
also gegeben war. Von ganz besonderem Interesse erschien es auch, das
außerordentlich schwer zugängliche rückwärtige Gebiet dieser von Dry-
galski nur am Absturz untersuchten Eisströme kennen zu lernen, und so
kam eine 26tägige, strapaziöse Schlittenreise ohne Hilfe der Eingeborenen
zustande. Mit den nötigen Instrumenten und Lebensmitteln für 40 Tage
versehen drangen die Forscher, von 18 Eskimos begleitet, unter denen sich
auch ein junges Mädchen befand, von ümanak aus Ende Juni und Anfang
Juli durch die noch stark mit Eis bedeckten Fjorde zum Rand des Inland-
eises in 2 Walfängerboten vor, wobei ein heftiger Föhnsturm auf dem
Sermitlet-Fjord zu bestehen war. Beim Beginn des Inlandeises verließen die
Eskimos, wie zu erwarten war, aus Aberglauben die 3 Europäer, welche nun
einer völlig unbekannten Welt gegenüber auf ihre eigenen Kräfte angewiesen
waren und die Schlitten (die auf der Sportausstellung in Frankfurt 1910
ausgestellt waren) von vornherein selbst ziehen mußten. Das Vordringen
gestaltete sich recht schwierig. Erst am 21. Tage der Schlittenreise gelangte
man auf 1700 Meter Seehöhe. Wegen Proviantmangels und mit Rücksicht
auf die Abfahrtzeit des letzten Schiffes von der fernen Küste nach Europa
mußte die Expedition am 21. Tage der Eiswanderung, gerade als die Ver-
hältnisse günstiger wurden, auf einer nördlicheren Route den Rückweg an-
treten. Teilweise mit den Schlitten segelnd, erreichten die drei am 31. Juli
das beim Hinaufmarsch im Eise errichtete Lebensmitteldepot und einige
Tage später auch den Ausgangspunkt am Sermitlet-Fjord nnd damit nach
vielen Fährlichkeiten das zweite Depot glücklich wieder. 26 Tage waren
sie ausschließlich auf Eis gewesen (Nansen 28 Tage). Die Expedition wurde
dann von den Eskimos angetroffen und in Boten nach der Niederlassung
Ikerasak gebracht. Der größte seit Nansen im Binneneis Grönlands unter-
nommene Marsch — etwas über 250 Kilometer — war damit zu Ende.
Auf der Disko-Insel traf die Expedition später den ominösen Nordpool-
entdecker Dr. Cook, mit dem sie dann bis nach Kopenhagen zusammen
reiste, wo der Kronprinz von Dänemark sie ebenfalls persönlich am Bord
des Dampfers begrüßte.
Es war der Expedition gelungen, ihrem Programm in allen Haupt-
punkten gerecht zu werden, sehr oft freilich nur, indem der 24 stündige helle
arktische Sommertag bis auf die letzte Stunde zur Arbeit herangezogen wurde.
Außer den schon erwähnten meteorologischen Erfahrungen ergaben sich durch
die Schlittenreise besonders in morphologischer Hinsicht interessante Ergeb-
nisse. Nicht nur Flüsse und Seen, auch förmliche Talsysteme, wie letztere
<•/»
o6 —
bisher noch unbekannt waren, wurden im Inlandeis entdeckt. Besonders
interessant ist nach den Brfahmngen der Expedition die Feststellung der
einige 60 Kilometer in das Eis hineinreichenden, in einer bestimmten Be-
ziehung zur Orientierung der Fjorde bestehenden Bodenform, die trotz der
Eisbedeckung noch die Züge der Landschaft im Einzuggebiet des Karajak
verraten. Von dieser Wiederspiegelung des Untergrundes und der Beein-
flussung des Obcrflächenreliefs im Inlandeise, von diesem deutlich entwickelten
System von Hügeln und Tälern, die dem sonst alles nivellierenden Eis hier
seine Form, wenn auch nur in sanften Konturen vorschreiben und davon,
daß die Schneegrenze in diesem Teil Gröulands erst zwischen 1000 und 1 100
Meter eintritt, wußte man bisher noch nichts. Nicht das geringste tierische
oder pflanzliche Leben wurde während der 26 Tage auf dem Inlandeis
angetrofifen.
Die Bedeutung der Schlittenreise wird sich aus der mit Unterstützung
der Karl Ritter-Stiftung der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin und der
Tunitz-Kommission der Universität Straßburg begonnenen Verarbeitung der
Messungen zu einer Karte ergeben.
Es sei noch bemerkt, daß die Kosten der Expedition zum kleineren
Teil außer durch Graf Zeppelin noch vom Statthalter von Elsaß-Lothringen
und den Hochschulen zu Zürich und Straßburg, zum griißeren aber von den
Teilnehmern aus eigenen Mittc^ln bestritten wurden.
(Vgl. A. de Quervain und A. Stolberg: Durch Grönlands Eiswilste.
Reise der Deutsch-Schweizerischen Grönlandexpedition 1909 auf das Inlandeis.
Straßburg i. E. und Leipzig, Josef Singer, 1911.)
Mittwoch, den 8. Februar 1911.
Herr Kunstmaler EnivSt L. Ostermayer-München:
Erlebnisse und Beobaclitangen in Britisch-Indien. (Licht-
bilder.)
Der Redner, welcher eingangs seiner Ausführungen hervorhob, daß
nicht geographische, sondern rein künstlerische Zwecke ihn nach Indien
geführt hätten, landete im Hafen von Rarachi, der den Eingang von Belnd-
schistan und Sind bildet.
„Gleich in Karachi", so erzählte der Vortragende, «erlebte ich die
angenehme Überraschung, daÜ mich ein dort ansässiger mohamedaniscber
Kaufmann, ein Geschäftsfreund meines Bniders. an Bord abholte, um mir
die Honneurs von Stadt und Land zu machen. Das echt orientalische Bild
schon beim Anlegen am Hafendamm ließ frr>hliche Buntheit erwarten, und
als ich wenige Stunden später, nach kurzer Fahrt durch die malerischen
engen BazarstraÜen, hoch oben auf einem festlich geputzten Kamel saß, um
bei flimmernder Hitze durch stundenlange Wüstenflächen nach der Oase
„Magar Pir" zu reiten, die dann ihre märchenhafte Schönheit um schneeweiße
Maniiorgräber mohamedaniscber Heiliger in üppigster Vegetation zeigte,
wo schöne Tänzerinnen in rhythmischen Bewegungen unter seltsamer Musik-
begleitung auf eigenartigen Instrumenten das Entzücken des Künstlers her-
— 57 —
vorriefen, wo großmächtige Alligatoren in stumpfsinniger Trägheit regungslos
im warmen Schlamm der heiligen Quelle sich sonnten, da war ich mitten
drin im Zauher des orientalischen Wunderlandes.
Von Karachi gings nach Bombay, wo ich auf Malabar Hill in dem
behaglichen Bangelo meines Bruders wochenlang verweilte und von wo ich
Studienfahrten in die nähere und weitere Umgebung der Stadt unternahm.
Surat, Baroda, Ahmadabad, besonders aber dann Adschmir boten mir
eine Unzahl reizvoller Bilder. Die alten Stadtmauern, Tore, eine groß-
mächtige Tempelanlage, paritätisch sowohl dem Hindu wie dem Mohamedaner,
den sonst religiös so feindlichen Brüdern gleich heilig, das Leben und Treiben
im Innern, die merkwürdigen verschiedenen Fuhrwerke, militärische Übungen
eingeborener Truppen unter europäischen und indischen Offizieren, das war
der Reiz von Adschmir. In Dschehpur (Jaipore) waren es die Pfauen mit
ihrem nachtruhestörenden Geschrei, der Fürstenpalast, die Elefanten, der
Zoologische Garten und die alte Stadt Amber mit ihren Sehenswürdigkeiten,
ganz besonders aber das „Afifentar, der alte befestigte Engpaß Galta mit
seinen Tausenden von heiligen Affen, die mein Interesse erregten. Hier hatte
ich ein merkwürdiges Abenteuer mit den langgeschwänzten Herren. Anscheinend
aus Ärger über unterlassene Fütterung hatte mich ein alter Affenhäuptling
bösartig angegriffen, und nur durch energische Verteidigung und Dazukommen
eines „heiligen Mannes" war es mir möglich, mit meinem Diener der gefähr-
lichen Situation zu entkommen.
In Bikamir aber bei dem liebenswürdigen Maharadscha, dessen Gast
ich vier volle Wochen lang war, waren der Eindrücke so viel, daß hier nur
das Wichtigste anzudeuten möglich ist. Zunächst die merkwürdige alte Stadt
selbst, die ihre Entstehung und ihr Sein einigen Quellen verdankt, die hier
in der Wüste „Thar" entspringen, das nicht minder merkwürdige wunder-
volle Schloß oder Fort, ein Kamelreiterkorps von 500 Reitern und Kamelen,
ganz besonders aber ein zwei Tage dauerndes religiöses Fest zu Ehren der
Schutz- und Quellenheiligen der Stadt mit allen Wundem von 1001 Nacht,
alles dies gehört zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens.'
Der überall mit offenen Augen beobachtende Künstler zeigte herrliche
Bilder von dem Mohorrumfest der Mohamedaner, das er in einer Straße des
Eingeborenenviertels von Bombay mitmachte ; prächtige Aufnahmen von dem
Villen- und Fischerdorf Bandra, und die üppigen Szenen aus der alten Portu-
giesenfcste Bassein oder der Felsentempelanlage in Kanhari begleitete er in
humorvoller Darstellung mit lebenswahren Schilderungen, die im Verein mit
den bunten Bildern immer wieder den Beifall und oft genug die Heiterkeit
der Anwesenden auslösten. Die mit unendlicher Mühe und künstlerischem
Feingefühl von dem Vortragenden selbst bunt gemalten Bilder sind wohl
das Vollkommenste, was bis jetzt auf diesem Gebiet gezeigt wurde.
Zum Schluß spendete der Redner der englisch-indischen Regierung
warmes Lob und Dank. Wenn sie auch im Lauf der Zeiten viel aus dem
Lande herausgeholt hat, so verwaltet sie doch in mustergültiger Weise das
Riesenreich und tut außerordentlich viel für Kultur und Fortschritt. Unter
ihrem Schutz kann der Reisende in Sicherheit alle diese Herrlichkeiten
genießen, wie der Vortragende sie im Bilde gezeigt hat.
— 58 —
Mittwoch, den 15. Februar 1911.
Herr Ingenieur Franz Moldenhaucr-Frankf iirt a. M. :
England in Ägypten und im Sudan. (Liclitbilder).
Seit dem berühmten Zuge Bonapartes 1798 haben die Franzosen
Ägjrpten nie aus den Augen verloren, ja unter dem Ghedive Ismael konnten
sie sich geradezu als die Herren des Landes betrachten. Um aber zu ver-
stehen, wie die Engländer in kaum 30 Jahren den französischen Einfluß voll-
ständig verdrängen und sich in Ägypten so festsetzen konnten, wie es tat-
sächlich der Fall ist, muß man bis auf Ismael zurückgreifen, welcher 1863
den Thron der Pharaonen bestieg. Er hatte seine Erziehung in Paris genossen
und hatte das Beste seines Landes vor Augen. Er verbesserte das Gerichts-
wesen, gründete Schulen, baute Fabriken und Eisenbahnen, und unter ihm
wurde durch Lesseps nach den Plänen des österreichischen Ingenieurs Negrelli
1869 der Suez-Kanal eröffnet. Durch glückliche Feldzüge eroberte er Kor-
dofan und Darfur und dehnte sein Reich bis zu den großen Seen aus. Aber
seine maßlose Prachtliebe und Verschwendungssucht trieben den Staat dem
Bankerott entgegen und veranlaßte die europäischen Mächte zum Einschreiten.
Eine europäische Qerichtskommission wurde eingesetzt, die Staatsschulden
wurden unter Kontrolle gestellt, er mußte einen Franzosen und einen Eng-
länder in sein Ministerium aufnehmen und seine Privatgüter, welche V& des
ganzen bebaubaren Landes umfaßten, zum Staatseigentum erklären. Auch
seine Suezkanal- Aktien war er zu verkaufen genötigt, welche Lord Beacons-
field, der damalige englische Premierminister, für 4 Millionen £ in aller Stille
für England mit Hülfe Rothschilds erwarb. Das gab dem französischen Ein-
fluß einen argen Stoß, denn England hatte jetzt das Übergewicht über den
Suezkanal.
Als Ismael 1879 eigenmächtig die europäischen Beamten entließ, setzten
ihn die Mächte ab und verbannten ihn nach Konstantinopel. Sein Sohn
Tewfik kam auf den Thron. Die europäischen Institutionen wurden wieder
ins Leben gerufen, und das Land begann aufzublühen.
Aber die um ihren verderblichen Einfluß gebrachten Paschas und Bankiers
zettelten hinter dem Rücken des Chedive mit dem Kriegsminister Arabi-Pascha
an der Spitze eine Verschwörung zur Vertreibung der Europäer an, und Juni
1882 erfolgte der blutige Aufstand in Alexandria. England und Frankreich
schickten Flotten vor die Stadt, aber die französischen Kriegsschiffe zogen
sich unerwartet zurück; die Engländer beschossen Alexandria allein und
besetzten die Stadt. Arabi floh nach Tel-el-Kebir am Süßwasserkanal zwischen
Nil und Suezkanal und errichtete ein befestigtes Lager. Die Engländer,
welche von Malta Verstärkungen erhalten hatten, erstürmten dieses unter
Lord Wolseley und waren jetzt die alleinigen Herren von Ägypten. Das
war der zweite, Frankreich versetzte Schlag.
Mit der den Engländern eigenen Anpassungsfähigkeit begannen sie
sofort sich häuslich einzurichten. Die Mächte erhoben keinen Wiedersprach,
denn England erklärte das Land wieder zu räumen, „sobald es sich selbst
regieren könne." Der Chedive behielt Stellung und Einkünfte, aber England
setzte überall seine Beamten an die Spitze ; die Gerichtshöfe sowie die ganse
— 59 —
Administration des Landes wurde nach englischem Muster reformiert, eine
vorzüglich organisierte Polizei stellte Ruhe und Sicherheit her, das Heer
wurde reorganisiert, der Staatskredit wurde hergestellt und ein hervorragender
Staatsmann, Lord Cromer (von deutscher Abkunft mit dem Familiennamen
Baring), wurde General-Gouverneur von Ägypten.
Eine seiner ersten Verordnungen war die Befreiung der Fellachen, der
armen Bauern, von dem auf ihnen lastenden unmenschlichen Druck, und dann
richtete er sein Hauptaugenmerk auf die Kardinalfrage des Landes, auf die
Bewässerung. Das von Franzosen erbaute große Stauwerk bei Kaliut unter-
halb Kairo, welches durch schlechte Fundamentierung unbrauchbar geworden
war, wurde durch den Ingenieur Sir Colin Moncrieff seiner Bestimmung wieder-
gegeben, bei Assuan, oberhalb des ersten Katarakt, wurde die bis jetzt größte
Barrage der Welt durch die Ingenieure Garstin und Willcocks errichtet,
welche mehr als 200,000 Hektar Wtistenland in blühende Felder verwandelte
und eine Regulierung des Wasserstandes bei Kairo bewirkte. Gleichzeitig
wurde bei Assiut ein anderes großes Stauwerk gebaut. Leider wurden durch
den erstgenannten Staudamm die berühmten Tempel von Philae dem Unter-
gang entgegengeführt.
Wie schon erwähnt, hatte Ismael den ganzen Sudan mit Ägypten ver-
einigt, aber die bestechlichen Beamten übten arge Bedrückungen aus. Als
daher 1888 der mohamedanische Geistliche Mohamed Ahmed sich für den
Mahdi, den rechtmäßigen Nachfolger des Propheten, ausgab und den Abfall
von Ägypten predigte, strömten ihm ungezählte Scharen von Bewaffneten zu.
Die schwach besetzten ägyptischen Militärposten wurden überrumpelt und
die Garnisonen wurden teils niedergemacht, teils gefangen, u. a. der berühmte
Slatin-Pascha, ehemaliger österreichischer Artillerieoffizier. Zwei englische
Heere unter Baker-Pascha und Hicks-Pascha wurden nacheinander aufge-
rieben und die Abessinier unter König Johannes geschlagen, Khartum wurde
belagert und erstürmt, wobei der damalige General-Gouverneur des Sudans,
der große Gordon-Pascha, am 26. Januar 1885 ermordet wurde. Khartum
wurde von Grund aus zerstört und Omdurman am weißen Nil, unterhalb
Khartum wurde die Hauptstadt der Derwische.
Der Mahdi starb bald darauf, und der blutdürstige Chalifa AbduUay
wurde sein Nachfolger. Immer neue Scharen strömten ihm zu, und die Eng-
länder sahen bald ein, daß man mit Aussicht auf Erfolg gegen eine so
große, aus todesmutigen Fanatikern bestehende Macht keine Armee über
den Nilbogen schicken könne. Sie verschoben daher die Wiedereroberung
des Sudan.
1892 starb der Chedive Tewfik, und sein Sohn Abbas II. Hilmi folgte
ihm nach. Er war in Wien erzogen. In seinem Verhältnis zu England
änderte sich gegen früher nichts.
Als 1896 Lord Kitchener zum Befehlshaber des englisch-ägyptischen
Heeres ernannt wurde, baute er unter ungeheueren Schwierigkeiten die
Wüstenbahn zwischen Wadi-Halfa und Abu-Hamed und setzte sie gegen
Khartum fort. Nach ihrer Vollendung 1898 waggonicrte er seine aus 22,000
Mann bestehende Armee nebst 5 zerlegten Kanonenboten und 3 Schrauben-
dampfern darauf ein und vernichtete in der blutigen Schlacht bei Kereri am
— 60 —
2. Sept. 1898 unterhalb Omdorman das über 40,000 Mann starke Heer der
Derwische. 16,000 tote oder verwundete Derwische sowie Tansende von
Pferden bedeckten das Schlachtfeld. Das Mahdi-Reich war vernichtet. Abdnllay
selbst fiel in einem Rückzugsgefecht
Kitchener verfuhr gegen die halbverhungerten Einwohner von Omdnrman
.mit großer Menschlichkeit, schaffte Lebensmittel herbei und hielt strenge
Manneszucht unter seinen Soldaten, so daß die geflüchteten Einwohner bald
zurückkehrten.
Da trafen kurz danach die Franzosen unter Oberst Marchand am
oberen Nil ein und verschanzten sich bei Faschoda. Kitchener zog ihnen
mit 3000 Mann entgegen, verständigte sich aber mit Marchand dahin, daß
man, statt sich zu bekämpfen, abwarten wolle, was die beiderseitigen
Regierungen in Europa beschließen würden. Die französischen Truppen
wurden auch einige Monate später abberufen und nach Frankreich zurück-
gebracht.
Damit hatten die Franzosen den letzten Einfluß in Ägypten verloren.
Khartum wurde nun als Europäerstadt größer und schöner aufgebaut,
als es früher war. Omdurman blieb Araberstadt. England zieht aus dem
Innern des Landes mehr und mehr Eingeborene heran, um die durch die
Madhisten ausgemordeten Gegenden neu zu bevölkern. Vor dem Auf-
stand zählte der Sudan ca. 10 Millionen Einwohner, nach der Rückeroberung
noch 2 Millionen. Eine neue Wüstenbahn wurde von Port Sudan am Roten
Meer nach Abu-Hamed zum Anschluß an die Bahn nach Khartum gebaut,
und letztere wird den weißen Nil entlang bis Darfur verlängert. Volle
Religionsfreiheit ist gewährleistet, wenn aber die christlichen Missionäre gegen
einander oder gegen den Islam hetzen, werden sie sofort des Landes ver-
wiesen. Die Verwaltung des englisch-ägyptischen Sudan von Wadi-Halfa
bis Uganda ist von der ägyptischen getrennt.
In Ägypten selbst ist eine weitere Nil-Barrage bei Esneh und bei Korn-
Ombo eine große Irrigationsanlage mit künstlicher Hebung des Wassers
entstanden. Ein Deutscher von Geburt, Sir Ernest Cassel, hat sich hervor-
ragende Verdienste durch Gründung von industriellen und anderen Unter-
nehmungen erworben. Kurz, Sicherheit und Fortschritt herrschen in dem
ganzen ungeheueren Gebiet vom Delta bis Britisch-Ostafrika.
Trotzdem sind die Engländer nicht beliebt. Die oberen Beamten
werden zwar als zuvorkommend gerühmt, aber das Gros der Engländer,
welches in untergeordneten Stellungen nach Ägypten kommt, ist brutal und
herrisch gegen die Eingeborenen.
Allein die englische Herrschaft ist noch auf viele Jahrzehnte eine Not-
wendigkeit und ist heute ein Segen für das ganze Nilland.
Mittwoch, den 22. Februar 1911.
Herr Professor Dr. Pritz Regel-Würzburg: Der Panama-
Kanal. (Lichtbilder.)
Bereits das Entdeckungszeitalter hat sich mit der Frage einer Durch*
stechung der Landenge von Mittelamerika beschäftigt, namentlich Cortex
— 61 —
gab sich nach der Eroberung von Mexiko große Mühe, eine geignete Stelle
ausfindig zu machen, nachdem sich herausgestellt hatte, daß keine natürliche
Wasserverbindung vorhanden war. Jene Zeit war indes einem solchen Riesen-
unternehmen weder finanziell noch technisch gewachsen ; ja Philipp II verbot
sogar strengstens, diesen Plänen weiter nachzugehen. Erst gegen das Ende
der spanischen Kolonialzeit tauchten dieselben wieder auf, ohne jedoch zu-
nächst zu irgend welchen praktischen Ergebnissen zu führen, doch wurden
von Alexander von Humboldt die für einen Durchstich geeignet erscheinenden
Stellen kritisch beleuchtet.
Nachdem die spanischen Kolonien in den ersten Jahrzehnten des
19. Jahrhunderts ihre Unabhängigkeit erkämpft hatten, interessierten sich
zunächst Engländer, Nordamerikaner und Franzosen für die Verbindung des
Atlantischen und Pazifischen Ozeans durch einen Kanal; nächst der Union,
die schon 1823 die Monroe-Doctrine aussprach, war es vor allem England,
welches dem Kanalbau seine Aufmerksamkeit zuwandte. Es besaß Jamaica
und wollte an der Moskitoküste ein Protektorat gewinnen, um auch in
Mittelamerika festen Fuß zu fassen. Die Vereinigten Staaten waren um die
Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht stark genug, um der Seemacht Eng-
lands Widerpart zu halten, und so kam es 1850, am 9. April, zum Sayton-
Bulwer- Vertrag. Nach ihm sollte der Panama-Kanal ein zum Besten der
ganzen Menschheit und zu gleichem Hecht für alle dienender Seeweg werden;
beide Mächte verpflichteten sich, die Sicherheit und Neutralität des künftigen
Kanals zu garantieren, ja sie dehnten diesen Schutz auch auf eine Eisen-
bahn über den Isthmus aus. Letztere wurde von 1850 — 1855 gebaut, als
kurz nach der Erwerbung der Weststaaten seitens der Union und der Ent-
deckung von Edelmetallen in Kalifornien der Verkehr zwischen Colon und
Panama rasch anwuchs.
Bald nach der Fertigstellung des Kanals von Suez, im Jahre 1869
durch F. von Lesseps, ergriffen nunmehr die Franzosen begierig den Plan
eines Kanaldurchstichs, um das im Krieg mit Deutschland gesunkene An-
sehen wieder zu heben. So kam die ,Soci6t6 Universelle du Canal Inte-
roc(5anique'' unter Leitung von Lesseps zustande und arbeitete von 1882—1889
an der Herstellung eines Niveaukanals, dessen Vollendung jedoch die Kräfte
einer Privatgesellschaft weit überstieg.
Nach dem berüchtigten Panamakrach von 1889 wurde sodann 1894
mit sehr bescheidenen Mitteln (65 Millionen Francs) die ,Nouvelle Compagnie*
ins Leben gerufen, die das Geleistete langsam und ihren Mitteln entsprechend
weiterführte, bis sich eine Gelegenheit zum Verkauf bot, den die Union
1904 mit ihr abschloß.
Während des Burenkrieges wurde der Vertrag von 1850 durch den
Hay-Pauncefote- Vertrag ersetzt. Nunmehr erhielten die Vereinigten Staaten
das Recht, den Kanal '^under own auspices" zu bauen. Das Departamento
Panama wurde Ende 1903 ein selbständiger Staat, dem die Union die so-
genannte a Kanalzone** abkaufte. Nach der glücklichen Sanierung derselben,
sowie der Städte Panama und Colon durch Oberst Gorgas machten nunmehr
die Amerikaner etwa seit 1906 riesige Fortschritte, die der Vortragende
durch über 50 Lichtbilder veranschaulichte, sodaß in etwa 3 Jahren der
— 62 —
zanächst in Angriff genommene Schiensenkana] dem Verkehr übergeben
werden kann.
Am 1. Janaar 1915 soll derselbe feierlich eingeweiht werden. Colon
erhält einen neuen großen, durch Wellenbrecher geschützten Hafen am Golf
von Mindi. Bis Gatun führt der Kanal im Meeresniveau; hier ist ein riesiger
Damm von 2350 m Länge, 1250 m Breite und 41 m zur Aufstauung des Rio
Chagres errichtet; der gewaltige Stausee bringt die durch 8 Doppelschleusen
um 85 feet (= 25,9 m) gehobenen Schiffe 37 englische Meilen weiter ins Land
zum „Culebra Cut", dem über 70 m tiefen Einschnitt durch die wasser-
scheidende Kordillere bis , Pedro Miguel". Hier bringt eine Schleuse die
Schiffe auf 17 m Meereshöhe; ein kleiner Stausee im Bereich des Rio Grande
reicht bis Miraflores, wo dem stauenden Wall Doppelschleusen eingebaut
sind, um die Schiffe bis auf das Meeresniveau hinabgleiten zu lassen. Vor
La Boca, etwa 2 km westlich von Panama, bis zu der im Pazifischen Ozean
liegenden Inselgruppe ist eine tiefe Fahrrinne ausgebaggert. Später soll
ohne Unterbrechung des Verkehrs der jetzige Schleusenkanal in einen Niveau-
kanal umgewandelt werden.
Redner geht dann noch auf die Bedeutung des Panamakanals etwas
näher ein, der hauptsächlich den militärischen und wirtschaftlichen Interessen
der Vereinigten Staaten zugute kommen wird. Bereits am 21. Februar 1827
sagte Goethe zu Eckermann: „Es ist für die Vereinigten Staaten durchaus
unerläßlich, daß sie sich eine Durchfahrt aus dem mexikanischen Meerbasen
in den Stillen Ozean bewerkstelligen, und ich bin gewiß, daß sie es erreichen.^
In unseren Tagen geht diese größte technische Unternehmung aller Zeiten
ihrer Vollendung mit raschen Schritten entgegen, die Frankfurts größter
Sohn 1827 mit so prophetischem Blicke verkündete!
(Vgl. : Angewandte Geographie. Hefte zur Verbreitung geographischer
Kenntnisse in ihrer Beziehung zum Kultur- und Wirtschaftsleben. III. Serie.
6. Heft : Fritz Regel, Der Panama-Kanal. Halle a. S., Gebauer-Schwetschke, 1909.)
Mittwoch, den 1. März 1911.
Herr Legationsrat Dr. Franz Olshausen-Berlin:
Paraguay unter besonderer Berficksichtigung seiner Expori-
produkte. (Lichtbilder.)
Der Vortragende, der in den Jahren 1908/09 als Kaiserl. Deutscher
Geschäftsträger und Konsul in Paraguay tätig war, erinnerte einleitend
daran, daß die Zentenarf eiern verschiedener süd- und mittelamerikanischer
Republiken im verflossenen Jahre die Aufmerksamkeit Europas in besonderem
Maße auf die lateinischen Länder jenseits des Atlantischen Ozeans gelenkt
haben. Im laufenden Jahre trete nun auch Paraguay, dessen Unabhängigkeits-
erklärung am 14. Mai 1811 erfolgte, in die Reihe der seit einem Säkulum
autonomen Staaten ein. Wenn es auch noch eine bescheidene Stellung unter
den Nationen einnimmt, so scheint es doch dank seiner eigenartigen, nament-
lich für den künftigen kontinentalen Durchgangsverkehr wichtigen Lage und
seiner Fruchtbarkeit dazu bestininit, künftig nicht mehr bloß als „historisches
Kuriosum" zu gelten, sondern auch eine wirtschaftliche Rolle zu spielen.
— 63 —
Redner geht dann kurz auf die merkwürdige Geschichte Para-
guays ein, würdigt die derzeitige politische Lage und bezeichnet als
wichtigste Aufgabe der jetzigen Regierung, die Verwaltung auf eine gcsun de
finanzielle Basis zu stellen. Dies kann aber nicht durch die Aufnahme
einer Anleihe geschehen, an die man dort immer zuerst denkt. Da den
geborgten Geldern keine produktive Verwendung gesichert ist, helfen Anleihen
nur für kurze Zeit. Radikale Hilfe kann allein die Schaffung neuer Werte
im Lande selbst bringen : Paraguay muß seine natürlichen Reichtümer heben,
die Erzeugung seiner exportfähigen Produkte durch intensive
Arbeit fördern, deren Erlös den Nationalreichtum hebt, die Mittel zur Be-
zahlung des Imports herbeischafft und in weiterer Folge die Staatsfinanzen
durch erhöhte Zolleinnahmen stärkt; denn die Zölle bilden die bei weitem
wichtigste Einnahmequelle des Staates, dessen ganze Struktur noch nicht
die Erhebung direkter, persönlicher Steuern gestattet, der auch keine eigenen
gewinnbringenden Betriebe und kaum noch erhebliche Staatsländereien besitzt.
In abgerandeten Zahlen betrug die Ausfuhr Paraguays im Jahre 1908 :
4 Millionen Pesos Gold (= ca. 16 Millionen Mark). Davon entfallen auf
Quebracho- Extrakt 1 Million Pesos (also V4 der Gesamtausfuhr !), etwa ^U Million
Pesos auf Mate (Paraguay-Tee), '/* Million Pesos auf Häute, V« Million Pesos
auf Holz, über V4 Million Pesos auf Tabak.
Der Vortragende beschäftigte sich nun mit den einzelnen Produkten
und entwarf, indem er die Hörer in die verschiedenen Produktionsgebiete
führte, in großen Zügen ein Bild des Landes und seiner Bewohner.
Der besiedeiste Teil des Landes liegt an der einzigen existierenden
Bahnlinie von Asunciön bis fast nach Encarnaciön am Paranä. Dort
gewinnt in kleinbäuerlichem Betriebe auf seiner Chacra der paraguayische
Landmann außer den wichtigsten Lebensmitteln vor allem Tabak. Die
stärkeren Sorten gehen nach Argentinien und Uruguay, die schwächeren
nach Europa (Bremen). Doch wird auch sehr viel im Land konsumiert,
besonders auch von den Frauen, von welchen Redner bei dieser Gelegenheit
eine kurze Schilderung gibt.
Die Ufer der beiden großen Ströme Paraguay und Paranä stellen dann
das Gebiet der Holzgewinnung dar. Am Paranä gewinnt man besonders
Bau- und Tischlerhölzer, während am Paraguay der Quebrachobaum die größte
Rolle spielt, dessen Tannin reichtum eine ausgedehnte Quebracho-
Extrakt Industrie ins Leben gerufen hat. Nach Erörterung einiger Probleme
des Holzhandels geht der Redner auf die Verhältnisse im Innern, das
weite Gebiet zwischen den beiden Strömen ein.
Das westliche Innere charakterisiert sich als die Gegend der großen
Estancien mit Rinder- und Pferdezucht. Diese Estancien liefern Vieh
an die Schlachtanstalten, wo für den Exporthandel vor allem das in Kuba
und Nord-Brasilien in großer Menge genossene Tasajo (Dörr- oder Salz-
fleisch) hergestellt wird. Auch die daher stammenden Häute bilden einen
wichtigen Exportartikel; sie erfreuen sich eines leidlichen Rufes auf dem
europäischen Markte.
Das waldreiche östliche Innere ist das Zentrum der Mate- Gewinnung.
Die Hex Paraguayensis, aus deren getrockneten und geräucherten Blättern
— 64 —
jenes für den Südamerikaner so unentbehrliche Getränk hergestellt wird,
wächst dort in den Urwäldern. Die ganze Zone bietet übrigens dem ReiBenden
so mannigfache landschaftliche Heize, dem Jäger und Naturliebhaber so Tiel
interessante Ausbeute, daß ein Kitt durch die Yerbales (d. s. die Uex-
Waldungen) trotz mancher Beschwerden immer zu den herrlichsten Er-
innerungen des Südamerika-Reisenden gehören wird.
Zu den bedeutenderen Ausfuhrwaren zählen schließlich noch die im
ganzen Lande wachsenden Apfelsinen. Femer kommen Reiherfedem,
Wildfelle und Nebenprodukte der Schlachtanstalten, wie Homer, Knochen,
Talg usw. in Betracht.
Der Vortragende illustrierte seine Ausführungen durch Lichtbilder
nach eigenen Aufnahmen von der Hauptstadt AsuDciön, von Volkstypen,
Landschaften und Szenen am Fluß und im Innern.
Mittwoch, den 8. März 1911.
Herr Dr. Richard Thurnwald -Berlin: Bericht über
ineiue Reise nach dem Bismarck-Archipel und den Salomo-
Inseln, 1906 — 1909. (Lichtbilder und phonographische Vor-
führungen.)
Die Reise, die im Auftrage des Berliner Museums für Völkerkunde
ausgeführt wurde, zerfiel in zwei Perioden. In der ersten trachtete ich
einen allgemeinen Überblick über die Inseln des deutschen Südseeschutzgebietes
zu bekommen und besuchte von der Gazelle-Halbinsel aus, wo ich in Toma
am Varzin-Berg (Vunakokor) mein Standquartier errichtet hatte, Neu-
Mecklcnburg, die Admiralitäts- und die westlichen Inseln und auf zwei
längeren Fahrten an den Küsten von Neu-Qninea eine Zahl der vielen Eilande
des Karolinen- und Marshall-Archipels. Anfang 1907 verlegte ich mein
Standquartier nach Buin auf Bougainville und unternahm hier zahlreiche
Wanderungen in das Innere, namentlich in die Berge des Kronprinzen-
Gebirges, sowohl von der Ost- wie von der Westseite der Insel aus. Den
Aufenthalt in Buin, wo ich meine hauptsächlichen Studien machte, unterbrach
ein Ausflug nach den benachbarten Salomo-Inseln des britischen Protektorats.
Dabei lernte ich die Shortland-Inseln und Vellalavella kennen, hielt mich
aber die längste Zeit in Bambatana an der Westküste von Ohoiseul auf.
Hierauf kehrte ich wieder nach Buin und dann nach der Gazelle-Halbinsel
zurück, wo ich vor meiner Abreise noch einen Monat in den Baining-Bergen
zubrachte.
Im Varzin-Berggebiet auf der Gazelle-Halbinsel widmete ich mich
hauptsächlich dem Studium des Geheimbundes der Ingniet. Ingniet ist
ebensowenig wie Duk-duk Repräsentant eines Totengeistes und hat mit dem
Totenkult nichts zu tun. Vielmehr ist Ingniet Geheimname für den Fregatt-
vogel, dessen Figur in besonderen Häusern verborgen aufgehängt wird. Die
Mitglieder des Geheimbundes werden feierlich aufgenommen und erhalten bei
ihrer Aufnahme Steine in Gestalt von Menschen oder eßbaren Tieren.
Außerdem kennt man noch Zauberobjekte in Menschengestalt.
— So-
was BougainTille betrifft, so ist die Bevölkerang der Insel offenbar
aus Miscbongen eingesessener, kleingewachsener Bergstämme hervorgegangen,
deren Sprache sich zumeist noch erhalten hat. An der Küste setzten sich
im Laufe der Zeit Einwanderer, die von Süden kamen und deren Weg bis
auf Rubiana zurückweist, fest. Diese Einwanderer, deren jüngere Reste nur
noch ihre melanesische Sprache bewahrt haben und die auch heute im Begriffe
stehen, sie mehr und mehr in der heranwachsenden Generation zu verlieren,
haben sich mit den eingesessenen Frauen vermischt und zur Verbreitung
ihres Kulturbesitzes unter den Bergstämmen beigetragen. Die Vermischung
war hier nach der verhältnismäßig ähnlichen Kultur der Berg- und Küsten-
stämme zu schließen, intensiver als auf der Gazelle-Halbinsel, vielleicht dank
der erheblich überlegenen Bogenbewaffnung der Einwanderer.
Auf Buin gelangte die Salomonicr-Kultur auf einem verhältnismäßig
weiten ebenen Gebiet mit guter Kommunikation zu einer eigenartigen binnen-
ländischen Entfaltung. Bergstämme wurden hier offenbar in großem Maß-
stabe unterworfen und eine starke Vermischung mit diesen herbeigeführt,
worauf auch die Herrschaft der Sprache dieser Völker deutet. Auf die
ehemaligen Eroberer weisen nicht nur heiliggehaltene Steine, offenbar Grab-
steine, sondern auch eine Aristokratie von Häuptlingsfamilien, die durch
Blutrache verbände untereinander zusammengeschlossen sind und zu denen
eine Schicht von Hörigen in einer Art Lehensverhältnis steht. Besonders
charakteristisch für die Salomonier-Kultur wie sie auch in Buin Eingang
gefunden hat, ist der Besitz von großen Häuptlingshallen und die Kopfjägerei,
ferner Pfeil und Bogen und das Plankenkanu. Letzteres kam für Buin in
Wegfall, weil die Eroberer von dem sumpfigen, unbewohnbaren Küstenstreifen
in das trockene, gesunde Hochplateau zogen.
Während die Welle der schwarzen Stämme vom Süden längs der
Küste von Bougainville über Buka bis Nissan zog und Punkte an der Küste
von Neu-Mecklenburg bis nach Neu-Hannover besetzte, wohin sie vor allem
ihr Plankenkanu brachten, scheint eine Welle in entgegengesetzter Richtung
den Kannibalismus verbreitet zu haben, der aber bloß bis zur Mitte von
Bougainville reicht, bis Numanuma.
Südlich davon beginnt die Kopfjägerei. Spuren von Kannibalismus
finden sich auf Choiseul, wo aber nur die Zunge, die Ohren und die Nase
gegessen werden.
Auf Bougainville wird die Verwandtschaftsberechnung für die Zulassung
zur Heirat auf Grund eines Klassensystems vorgenommen, das nach soge-
nannten Totemtieren bezeichnet wird. Auf Choiseul fehlt die Aufrichtung
solcher Ehehindernisse auf Grund der Verwandtschaft, nur die Bewohner der-
selben Siedlung dürfen untereinander nicht heiraten.
Wie schon angedeutet, werden in Buin Blutrachenbündnisse abge-
schlossen, und zwar geschieht das mit Eintritt der Mannbarkeit der Jüng-
linge unter großen Zeremonien von selten ihres Vaters oder Oheims und
unter Verwendung von Kokosnuß, Schwein, Mandelbaum und Muschelgold
zu den rituellen Handlungen. Die Frauen werden gekauft und unter Fest--
lichkciten und Formalitäten von dem einen Totem nach dem anderen über-
führt. Dem Vater des Bräutigams scheint ein jus primae noctis zuzustehen.
— 66 —
Die Toten werden in Boin und in den benachbarten Distrikten Ter-
brannt, während an! Choiseul wie auf Vellalavella die Toten aaf besonderen
Plätzen festlich geschmückt aasgestellt werden. Sind sie vermodert, so bestattet
man den Schädel mit den Amuletten des Toten in besonderen Totenhäa sehen.
Wird der Tote verbrannt, so opfert man ihm durch Verbrennen; wo man
ihn vermodern läßt, wirft man die Opfer weg, um sie verfaulen zu lassen.
Die Liedertexte, die ich sammelte, werfen ein interessantes Licht auf
das geistige- und Gefühlsleben. Was sie den Sagen voraushaben, ist, daß
während letztere häufig das übernommene Produkt aus anderen Kulturen
sind und darum nicht eigentlich als voller Ausdruck des Denkens derjenigen
gelten können, bei denen sie gesammelt sind, die Lieder zumeist als rezente
Produkte den unmittelbaren Ausdruck des Empiindungslebens darstellen und
die Form zeigen, in welche dieses von den Eingeborenen gekleidet wird. Wir
müssen uns allerdings erst in das Milieu des Lebens hineindenken, wenn
wir sie würdigen und über Sonderbarkeiten nicht stolpern wollen. Nach den
Liedertexten scheint die Admiralitätspoesie am höchsten zu stehen, dann
kämen die Buin- und die Choiseul-Gesänge, die noch immer längere Gedanken-
reihen auszudrücken vermögen. Erheblich tiefer und gedankenarmer erscheinen
die Lieder der Küstenstämme der Gazellen-Halbinsel und am ärmsten, sich
in der Wiederholung eines einzigen Gedankenblitzes erschöpfend, die Gesänge
aus den Baining-Bergen, deren Stämme ja auch sonst den tiefsten Typ
repräsentieren.
Mittwoch, den 25. (3ktober 1911.
Herr Professor Dr. Georg Wegen er- Berlin: Mit deiu
Deutschen Kronprinzen durch Indien. (Lichtbilder und kine-
matographische Vorführungen.)
Redner führte aus, daß der Abhruch der Kronprinzenreise mit Indien
zwar bedauerlich gewesen, daß der deutsche Thronerbe jedoch in Indien eines
der an Interesse und Belehrung reichsten Länder der Erde gesehen habe.
Besonders wertvoll sei der umstand gewesen, daß hier zugleich die groß-
artigste koloniale Schöpfung der in diesen Dingen vorbildlichen Engländer
studiert werden konnte. Die Art, in der von Seite der englischen Gastfreundc
die Reise in jeder Weise vorbereitet war, machte sie für den Kronprinzen
in hohem Qrade instruktiv.
Einen Extrakt des in Indien Beobachteten zu geben, verzichtete der
Redner im Hinblick auf den eingehenden sachlichen Vortrag über dieses Land,
den er im vorigen Jahre vor der Gesellschaft gehalten, und an dem er zu
seiner Freude durch die Belehrungen der diesmaligen Reise nichts Wesent-
liches zu ändern genötigt sei. Er gab daher heute in erzählender und durch
Lichtbilder illustrierter Darstellung eine Vorstellung der Formen, in denen
sich die Kronprinzenreise in Indien abspielte, der Uauptgegenden, die bereist
wurden, und der Art der Eindrücke, die dabei dem hohen Reisenden entgegen-
traten, indem er bat, seinen früheren Vortrag gleichsam als den Teppich-
grund anzusehen, in den er die bunten Arabesken seiner heutigen Aus-
führungen einsticken wolle.
— 67 —
Die Darstellung begann mit der Landang des Kronprinzen in Bombay,
dessen glanzvolle moderne Bauten, ein Ausdruck des großartigen englischen
Schaffens in Indien, ebenso wie dessen buntes malerisches Volksleben durch
Beispiele des Gesehenen charakterisiert wurden.
Hieran schloß sich der Besuch zweier indischer Vasallenfürsten, des
Nizams von Uaidarabad und des Maharajas von Jaipur, und eine Schilderung
ihrer altertümlichen Sitten, ihrer Paläste, ihrer Residenzen, der Feste und
Jagden und des Volkslebens usw. Auch der Stellung und des Wirkens der
britisch-politischen Agenten an diesen Höfen wurde dabei gedacht.
Eine längere Ausführung beschäftigte sich dann mit den großartigen
historischen Hinterlassenschaften und künstlerischen Werken der mnha-
medanischen Großmogul-Dynastie in Agra und Delhi, deren politische Erb-
schaft ja eigentlich das heutige „Kaiserreich Indien'' ist.
Hierauf folgte die Schilderung des auf die eigenste Initiative des
Kronprinzen zurückgehenden Ausflugs zum äußersten Nordwesten Indiens,
nach Peschawar und zum Khaibar-Paß, dessen militärisch-politisches Interesse
schon in dem früheren Vortrage eingehend begründet wurde. — Von den
auf der Rück- und Weiterreise von hier nach dem Osten berührten Orten
wurde dann das für den heutigen Hinduismus so charakteristische Benares
näher geschildert.
Den Schluß machte eine Schilderung Kalkuttas, der glänzenden Haupt-
stadt Britisch-Indicns, die den Sitz des Vizekönigs, den Sammelpunkt der
englisch-indischen Gesellschaft, eine Stätte großartigen Handels und empor-
blühender Industrie bildet. Auch über den Sport in Indien und seine Wich-
tigkeit für die Erhaltung der Lebenskraft des weißen Mannes in Indien wurde
hierbei gesprochen. Betont wurde das ausgezeichnete Verhältnis zwischen
Deutschen und Engländern, das überall unterwegs sich herausbildete.
Eine Reihe kinematographischer Vorführungen nach Aufnahmen des
Leibarztes des Kronprinzen, Oberstabsarzt Prof. Dr. Wiedemann : Volksleben,
öffentliche Einrichtungen, herrliche Badeszenen, Paraden der britisch-indischen
Armee, Gebirgsmanöver u. a. mehr bildeten den Beschluß.
Mittwoch, den 1. November 1911.
Herr Professor Dr. Erich von Drygalski- München: Die
Zeppelin-Studienfahrt nach Spitzbergen und in's nördliche
Eismeer im Sommer 1910. (Lichtbilder.)
Die Fahrt hatte den Zweck, an Ort und Stelle Erfahrungen zu sammeln,
ob und unter welchen Bedingungen Zeppelin-Luftschifife zu Forschungen im
nördlichen Eismeer von Spitzbergen her verwendbar wären. Sie stand
unter der Leitung des Prinzen Heinrich von Preußen. Teilnehmer waren
unter anderen Graf Zeppelin, Prof. Hergesell-Straßburg, Prof. Miethe-Char-
lottenburg, Prof. von Drygalski-München und Graf von Zedlitz-Trütschler als
Zoologe. Staatliche Mittel standen nicht zur Verfügung, vielmehr wurden
die ganzen Kosten von privater Seite bestritten. Auch hat der Norddeutsche
Lloyd durch Hergabe und liberale Ausstattung seines Dampfers „Mainz**
die Arbeiten der Fahrt aufs wirksamste gefördert. Von Tromsö her folgte
5*
— 68 —
noch der Fangdampfer ,,Fönix'' za Fahrten und Arbeiten im Eise, da die
aMainz" zu Eisfahrten nicht verwendbar war.
Neben dem genannten Hauptziel der Expedition verfolgte sie wissen-
schaftliche Aufgaben verschiedener Art, z. B. ozeanographische Studien, Eis-
forschungen, aerologische Untersuchungen mit Pilotballons, zoologische Samm-
lungen, spektroskopische Studien und anderes. Die Ergebnisse dieser ver-
schiedenen Studien haben befriedigt; sie sind zum Teil schon veröffentlicht
worden an verschiedenen Stellen, z. B. in den „Abhandlungen der K.
Bayerischen Akademie der Wissenschaften" zu München.
Für den Hauptzweck waren im besonderen Ballon - Verankenings-
versuche von Wert, die auf Eisschollen und auf Spitzbergen angestellt wurden.
Die eingesetzten Anker wurden mit den starken Schiffswinden Zugproben
unterworfen und ergaben eine Haltbarkeit, die für einen 2^ppelinballon in
einem Sturm von 10—11 m pro Sekunde genügt. Dabei ließen sich solche
Verankerungen in kurzer Zeit und mit geringen Hilfskräften anbringen.
Man hat hiermit eine wesentliche Unterlage gefunden, auf welcher eine Luft-
schiff-Expedition im Polargebiet fußen kann, denn es kommt für eine solche
vor allem darauf an, daß sie sich zur Vornahme wissenschaftlicher Arbeiten
auf dem Eis niederlassen und dort verweilen kann. Auch in anderer Hin-
sicht, durch Messung von Nebelhöhen und Nebelbelastungen, durch Auskund-
schaftung von Liegeplätzen und Fahrtwegen für den Ballon durch die Gebirge
Spitzbergens u. a. wurden wichtige Grundlagen gefunden, an welche eine
Polar-Expedition mit Luftschiffen anknüpfen kann und muß, wenn die Ent-
wicklung des lenkbaren Luftschiffs, insbesondere seiner Motoren, soweit
gediehen sein wird, daß eine solche Fahrt sich aus technischen Gründen aus-
führen läßt. Dieser Zustand der Luftschiffahrt soll und muß abgewartet
werden, ehe man an die Ausführung einer solchen Expedition herantritt.
(Vergl. über die Zeppelin-Studienfahrt : Mit Zeppelin nach Spitzbergen.
Bilder von der Studienreise der deutschen arktischen Zeppelin-Expedition.
Mit einem Vorwort S. K. H. des Prinzen Heinrich von Preußen. Heraus-
gegeben von A. Miethe und H. Hergesell. Berlin, Leipzig, Wien und Stutt-
gart 1911.)
Mittwoch, 8. November 1911.
Herr Kapitän A. Spring-Berlin: Auf dem Zambesi
und bei den Goldwäschem im bibliselieii Ophir. (Lichtbilder.)
Im Mai 1909 verließ ich Neapel an Bord des Reichspostdampfers
„Prinzessin*' und erreichte nach der Fahrt durch den Suez-Kanal und an der
Küste Deutsch-Ostafrikas vorbei am 18. Mai den Hafen von Kilindini.
Von dort aus berührte ich nach kurzem Aufenthalt Tanga, Zansibar
und Dar-es-salaam und traf in Mozambique am 3. Juni ein.
Die „Prinzessin" ging mehrere Seemeilen von der Küste entfernt auf
der Höhe von Chinde zu Anker. Von hier ging es mit einem Heckraddampfer
den Zambesi aufwärts nach Tete, das ich nach 14tägiger Fahrt erreichte.
Tete ist einstmals die bedeutendste Stadt im Innern der portugiesischen
Kolonie gewesen. Ihre Blütezeit liegt aber schon 300 Jahre zurück. Das
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gesamte portugiesische Kolonialgebiet in Ostafrika steht nicht unter staat-
licher Verwaltung, sondern ist an drei große Handelsgesellschaften verpachtet.
Zwei dieser Gesellschaften, die Compagnie de Niassa und die Compagnie de
Mozambique, sind mit allen Hoheitsrechten ausgestattet: Sie haben Polizei-
und Militärgewalt und erheben Steuern nach eigenem Gutdünken. In Tete
erhielt ich meine Träger und trat, abseits von dem gewöhnlichen Karawanen-
weg, meinen Marsch ins Innere am 8. August 1909 in nordöstlicher Richtung
an. Auf Verfügung des Gouverneurs begleitete mich der Leutnant Och5a
auf dem ganzen Wege.
Im Gebiet des Rebugue-Flusses, den wir zunächst passierten, ist das
Land fruchtbar und reich bevölkert. Von da ab führte uns ein 8tägiger
anstrengender Marsch durch weite Strecken mehrere Meter hohen Grases und
Urwald bergan, in die Nähe des Tessitta-Gebirges.
Viele Flußbetten, die zur Regenzeit größere Ströme führen, jetzt aber
ausgetrocknet waren, wurden überquert. An dem breiten Nkondezi-Fluß geht
die bisher beobachtete Sandsteinformation in Granitformation über. Das Land
ist auch hier sehr fruchtbar und weist zahlreiche Negeransiedelungen auf.
Beim Weitermarsch an den Ufern des Flusses trafen wir viel Wild.
Nach der Vereinigung des Nkondezi mit dem Meruzi-Flusse überstiegen wir
das Kapirisanjo-Gebirge. Es war auf unwegsamen Pfaden ein um so beschwer-
licherer Marsch, als die Temperatur bei Tage bis 30 ^ im Schatten stieg und
bei Nacht bis auf 2 ^ zurückging. Ich habe auf diesem Wege wiederholt alte
Steinbauten und Ruinen aufgefunden, deren Ursprung in die graueste Ver-
gangenheit zu verlegen sein dürfte. Da wir allmählich etwas zu weit nach
Norden abgewichen waren, änderte ich nunmehr meine Marschrichtung nach
Westen.
In dem Nyniesi-Gebirge eröffneten sich mir Szenerien voll wildester
Romantik. Nach dem Abstieg hatten wir in dem unwegsamen Gebiet des
Muozi-Flusses ungeheure Schwierigkeiten zu überwinden. Erst nach mehreren
Wochen anstrengendsten Marsches trafen wir wieder menschliche Ansiedelungen
auf fruchtbarem Boden.
Drei Monate nach dem Ausmarsch aus Tete erreichten wir den Luuiu-
Fhiß und wenige Tage später den goldreichen Vubue, dessen Lauf ich folgte.
Es veranlaßte mich dazu die Vermutung, daß in diesem Teile Afrikas das
salomonische Goldland Ophir zu suchen sei.
Es ist Tatsache, daß die Portugiesen in diesem um die Mitte des
17. Jahrhunderts vom Sultan Monomotapa erkauften Lande unermeßliche
Reichtümer gesammelt haben. Fast in allen Nebenflüssen des Zambesi wurde
Gold gefunden, auch eine reiche Silbern^ine existierte der Überlieferung nach
am rechten Ufer des Zambesi. Auch heute noch sind meiner Überzeugung
nach noch viele abbauwürdige Goldlager vorhanden. Auch im Flußsand des
Vubue wird viel Gold gefunden.
Nach kurzem Besuch der Goldminen in Chifumbazic und Missale machte
ich mich nach Manu und von da nach Tschipeta auf den Weg, um nach
alten Felseninschriften zu suchen und Ausgrabungen vorzunehmen. Beides
ist mir gelungen. Von den Inschriften habe ich Aufnahmen gemacht, um
Schriftforschem Gelegenheit zur Feststellung ihres Inhalts zu geben.
— 70 -
Besonders bemerkenswert ist die Auffindung uralter Steinbauten und
umfangreicher Sklavenkasemen aus fernster Zeit, die mich in der Ansicht
bestärkten, daß man es hier tatsächlich mit dem sagenhaften Ophir zu tun hat
Mittwoch, den 15. November 1911.
Herr Professor Dr. Günther K. Anton-Jena: Leopold 11.
and die Entwicklang des Kongostaates. (Lichtbilder.)
Der Vortragende gab einleitend dem Gedanken Ausdruck, daß die
Angliederung des wertvollsten Teiles von Afrika an das achtzigmal kleinere
Belgien eines der reizvollsten Kapitel der politischen Geographie wie unserer
Zeitgeschichte bilde, von der die meisten wohl einige allgemeine Kenntnisse
besitzen, aber nichts Genaueres im Zusammenhang wissen.
Er zeigte sodann an der Hand guter Lichtbildkarten die geographische
Lage und territoriale Entwicklung des Kongostaates und erinnerte an die
Thronbesteigung Leopolds II. im Jahre 186ö, bei der bereits der König die
charakteristischen Worte : ,,Ich will Belgien schöner und größer machen" an
sein Volk richtete. Beide Ziele wurden zu den Leitsternen seiner Politik,
die er nie aus den Augen verlor.
Da für das „Größermachen seines Landes^^ in Europa keine Aussichten
bestanden, hier vielmehr, umgekehrt Belgien noch in den sechziger Jahren
sich durch französische Vergrößerungsgelüste bedroht gefühlt hatte, so wandte
sich das Interesse des Königs dem damals noch unbekannten Innern des
dunkeln Erdteils zu. Um die bisher isolierten Bestrebungen zu seiner
Erschließung zu vereinigen und unter seine Kontrolle zu bekommen, ließ er
1876 in Brüssel eine internationale geographische Konferenz abhalten. Auf
seinen Vorschlag beschloß sie die Gründung einer internationalen Assoziation
zur Erforschung Zentralafrikas und Unterdrückung des Sklavenhandels und
legte so den Keim, aus dem der Kongostaat hervorwachsen sollte.
Redner erwähnte dann die Taten des Amerikaners Stanley und ihren
Einfluß auf Leopold IL, die Gründung des Komitees zum Studium des oberen
Kongo, in Wahrheit zur Verwirklichung seiner politischen Absichten und
deren kluge Verschleierung durch den König, der wiederholt betonte, daß er
keine belgische Kolonie ins Leben rufen wolle. Der Vortragende erläuterte
weiter, wie der werdende Kongostaat durch das Einschreiten Bismarcks
gegen den Widerstand des von England unterstützten Portugal Zugang zum
Meere erhielt, und erörterte die Bedeutung der Berliner Konferenz, mit der
die Gründung des Staates 1885 zum Abschluß gelangte.
Seine Verfassung machte Leopold IL zum absoluten Herrscher über
ihn, nur gebunden durch die Berliner Festsetzungen, an die er sich aber seit
1891 nicht mehr hielt. Der Redner erklärte es durch die ägyptische Politik
des Königs, die den Sudan dem Kongostaate angliedern und mit Frankreichs
Hilfe England aus Ägypten verdrängen wollte, sowie durch seine späteren
Ankäufe und Projekte zur Verschönerung Belgiens. Beide Zwecke erforderten
ungeheure Mittel, die aus dem Elfenbein und Kautschuk nur zu beschaffen
waren, wenn der Staat ihre Ausbeutung monopolisierte. Der Berliner Akte,
die den Freihandel und die humane Behandlung der Eingeborenen vorschrieb,
— 71 —
widersprach dieses Verhalten ebenso wie die brutale Ausbeutung der Ein-
geborenen, die seine Folge war. Schließlich führte die Mißwirtschaft zur
Kongoreformbewegung, Protesten des Auslandes, insbesondere Englands, und
nach mancherlei Zwistigkeiten zwischen dem belgischen Parlament und
seinem König zur Annexion des Kongostaates, durch welche Belgien 1908
in die Reihe der Kolonialmächte einrückte.
Die auf eingehenden Quellenstudien beruhenden Darlegungen würdigten
unbefangen die großen Verdienste Leopold IL um die Schaffung des gewal-
tigen belgischen Kolonialreiches, das den vierfachen Umfang des Deutschen
Reiches besitzt. Die niemals, auch nicht in den verzwei feisten Verhältnissen
erlahmende Energie des Königs, die Klugheit und Beharrlichkeit, mit der er
seine Pläne gegen eine Welt von Hindernissen und Schwierigkeiten durch-
zusetzen wußte, wurden ebenso anerkannt, wie die skrupellose Hinwegsetzung
über völkerrechtliche Verpflichtungen und die unmenschliche Behandlung der
Eingeborenen beklagt wurden. An die Licht und Schatten gerecht ver-
teilenden Ausführungen schloß sich die Vorführung malerischer Lichtbilder,
die von Land und Leuten sowie den Leistungen belgischer Tatkraft in einigen
Teilen des kolossalen Kongogebietes gute Vorstellung gaben. Die belgische
Kolonialpolitik seit der Annexion mußte unberücksichtigt bleiben. Für sie
und für das, was bei der beschränkten Zeit nur angedeutet aber nicht aus-
geführt werden konnte, verwies der Redner auf die Broschüre: ,,Kongostaat
und Kongoreform" (Leipzig, Duncker & Humblot), die eine Abhandlung von
ihm und eine von C. v Bornhaupt enthält.
Mittwoch, den 29. November 1911.
Herr Koiirad Beiswanger-Nürnberg: Eldorado-
Fahrten. (Reisebilder aus der Republik Kolumbien. Lichtbilder.)
Der Vortragende trat im Mai 1910 über Genua seine Reise an, um
dann von der kolumbianischen Hafenstadt Barranquilla aus die Fahrt land-
einwärts au! dem Magdalenenstrome fortzusetzen. Hunderte von Kilometer
weit sah man zu beiden Seiten des Stromes nur sumpfige Niederungen, bis
endlich die Ausläufer der Zentral- und Ostkordillere an den Strom herantraten.
Von dem Orte Girardot aus, etwa 1200 Kilometer von der Strommündung
entfernt, führt eine neuangelegte Bahnlinie hinauf ins Gebirge zur Haupt-
stadt Bogota. Die Stadt liegt auf einem gewaltigen Plateau, der „Sabana
von Bogota**, die sich 2500 Meter über dem Meeresspiegel ausdehnt. Hier
oben hat in früheren Jahrhunderten ein kulturell sehr entwickeltes Indianer-
volk, die Chibchas, gelebt, dessen heutige Nachkommen die Erinnerung an
ihre Vorfahren gänzlich verloren haben. Die religiösen Zeremonien der
Chibchas gaben seinerzeit den Anlaß zu den abenteuerlichen Erzählungen
vom Eldorado (dem vergoldeten Manne), der im Hochlande leben und über
ungeheure Reichtümer verfügen soll. Zahlreiche Hochgebirgsseen galten
diesen Indianern als heilig, da sie in ihren Tiefen ihre Ahnen verborgen
glaubten. Sie opferten deshalb an diesen Seen, indem sie den Geistern Ge-
schenke aus Gold und Smaragden darbrachten Einer dieser heiligen Seen,
der See von Guatavitä, wurde vor einigen Jahren von einer englischen
— 72 —
Gesellschaft abgelassen, um den Seegrund nach Werten durchsachen m
können. Der Vortragende besuchte den ehemaligen See, und der Leiter der
Ausgrabungsarbeiten gab ihm bereitwilligst Auskunft über die bisherigen
Funde, welche ganz bedeutend waren und sich noch steigern dürften. Auch
eine Reihe weiterer Seen, die teilweise in Höhen bis zu S500 Metern lagen,
konnte er besuchen und photographische Aufnahmen davon machen. Die
Reiseroute ging sodann über das Gebiet der Smaragdminen von Mozo nach
Yölez, einem Städtchen inmitten eines eigenartigen Karstgebietes, das sehr
viel Ähnlichkeit mit der Karstlandschaft Ton Istrien hat. Gewaltige Kalk-
plateaus erheben sich auf einem Untergrund von schwarzem Schiefer, und
riesige Höhlen durchlöchern die Kalkfelsen. Diese Höhlen dienten den alten
Indianern als Begräbnisplätze, doch sind sie später durch Schatassucher
gründlich durchwühlt und die Knochen der dort bestatteten Indianer piet&tlos
umhergestreut worden. Spärliche Überreste aus alter Zeit fand der Vor-
tragende auch bei dem Städtchen Lcyva, woselbst eine Anzahl roh zubehaaener
Steinpfeiler auf einem Getreidefelde liegt, welche noch aus der yorkolnmbi-
anischen Zeit stammen und jedenfalls für ein altindianisches Tempelgebäude
bestimmt waren. Auch einige Tagreisen südlich der Hauptstadt, bei dem
Dörfchen Pandi, fand der Vortragende mächtige Felspartien, die durch die
Bergwasser ausgewaschen worden waren und an deren glatten Wänden
Spuren altindianischer Zeichnungen zu entdecken waren, die allerdings durch
Witterungseinflüsse und menschliche Zerstörungswut stark gelitten hatten.
Ein Abstecher nach den Llanos, jenen gewaltigen Wald- und Grasebenen
am östlichen Abhang der Kordilleren, zwang den Vortragenden, tagelang an
steilen Felsabhängen entlangzureiten, wie überhaupt die Wege in Kolumbien
jeder Beschreibung spotten. Verschiedene Lichtbilder ließen den schlechten
Zustand der Verkehrswege recht deutlich erkennen. Eine Reihe von Bildern
aus dem Leben der Indianer und dem sonntäglichen Markttreiben erg&nste
die Darbietungen. Der Vortragende schloß seinen Vortrag mit dem Hinweis,
daß die das Land beherrschenden Nachkömmlinge der Spanier nicht in der
Lage seien, dasselbe industriell und kulturell vorwärts zu bringen, sondern
daß dies nur einem tatkräftigeren Volke, etwa den Nordamerikanem, möglich
sein wird, die auch tatsächlich der Unabhängigkeit Kolumbiens noch ein
Ende bereiten dürften.
(Vgl. Konrad Beiswanger: Im Lande der heiligen Seen. Reisebilder
aus der Heimat der Chibcha-Indianer (Kolumbien). 12 Lieferungen. Nürnberg,
K. Beiswanger 1911.)
Mittwoch, den 6. Dezember 1911.
Herr Dr. Hugo Grothe-Leipzig: Tripolltanien.
(Lichtbilder.)
Der Redner, welcher Tripolltanien während eines zweijährigen Aufent-
haltes genau kennen gelernt hat, besprach zunächst die geographische Lage
und die Natur des Landes, das durch die Kriegsereignisse der letzten Zeit
in den Vordergrund des allgemeinen Interesses gerückt ist. Seine Qrö6e
ttbertrifit diejenige Italiens um das Fünffache, und sein im allgemeinen
— 73 —
sandiges und niedriges Küstengebiet dehnt sich 2000 km in die Länge aus.
Stellenweise reicht die tripolitanische Wüste bis zur Küste, doch ist das
Land im Innern durchsetzt von einer Reihe großer und kleiner fruchtbarer
Oasen, und bei dem tripolitanischen Wüstenland handelt es sich um Gebiete,
die in den letzten 600 Jahren der Verödung anheimgefallen sind. Die Stadt
Tripolis, die auf dem Grund einer ehemaligen römischen Kolonie erbaut ist,
von der noch Trümmer vorhanden sind, und ihre Umgebung zeigen, wie der
Redner durch eine Reihe charakteristischer Bilder näher erläuterte, den
vollen Charakter Nordafrikas, weit mehr als Tunis und Algier. Die nächste
Hauptaufgabe der Italiener dürfte sein, den Hafen gründlich auszubaggern
und Molen zum Zweck besserer Landnngsmöglichkeiten zu errichten. Die
Türken, die bisherigen Beherrscher, haben in kultureller Hinsicht für Tripolis
fast vollständig versagt, und unter Sultan Abdul Hamid galt das Land als
eine Art Verbrecher-Kolonie und verfiel der Ausbeutung seitens eines rück-
sichtslosen und nicht aus den besten Elementen bestehenden Beamtentums.
Erst in jüngster Zeit unter jungtürkischer Verwaltung machten sich Spuren
einer langsamen Besserung bemerkbar.
Zu der Bevölkerung übergehend, unterscheidet der Redner zwischen
den ältesten Bewohnern des Landes, den kriegerischen hamitischen Berbern
mit ihren höchst schätzenswerten kulturellen Eigenschaften, den arabischen
Beduinenstämmen, die in ihrer Stammesreinheit nur noch in den Steppen
anzutreffen sind, aber an Zähigkeit den Berbern nachstehen, und der
maurischen Bevölkerung in den Städten. Alle die genannten Stämme haben
sich mehr oder minder mit Negern vermischt, die mit den Karawanenzügen
aus dem Süden kommen und in den üblichen Strohhütten wohnen. Außer
diesen hauptsächlichsten Bestandteilen gibt es noch an 20 000 Israeliten,
von ihnen 12 000 allein in der Stadt Tripolis, die sowohl in geschäftlicher
Hinsicht als auch auf den Gebieten des Wissens und des Handwerks rege
Intelligenz zeigen. Sie besuchen die italienischen Schulen, die von Italien
aus mit ansehnlichen Summen subventioniert werden, wie Italien überhaupt
für seine Schulen im Ausland ganz außerordentliche Mittel aufbringt, mit
denen die von Deutschland für gleiche Zwecke aufgewendeten in keinem
Verhältnis stehen. Der Tripolitaner ist berüchtigt wegen seiner Schlauheit,
auch neigt er im geschäftlichen Verkehr leicht zum Betrug.
Hauptbeschäftigung der Bewohner sind Viehzucht und Handel, meist
Karawanenhandel ; von geringerer Bedeutung ist der Ackerbau, trotzdem das
Land große Gebiete enthält, die sich besonders für Getreide-, Obst- und
Gemüsebau sowie für Blumenzucht eignen. Industrie und Gewerbe fehlen
fast gänzlich. Besser als in dem Wilajet Tripolis liegen die Verhältnisse
in dem Wilajet Benghasi.
Der Besitz von Tripolis bedeutet für Italien eine Notwendigkeit, weil
in seinem Hinterland die Handels- und Karawanenstraßen aus dem Sudan
zusammenlaufen, deren Verkehr die Engländer und Franzosen nach ihren
Gebieten zu lenken bestrebt sind, wodurch der tripolitanische Handel in den
letzten Jahren bedeutende Einbuße erlitten hat. Doch werden die Italiener,
gerade wie die Franzosen, noch viele Jahre lang bedeutende Opfer bringen
müssen, bis sich ihre Herrschaft in Nordafrika befestigt hat. Wissen-
— 74 —
schaftlicben Studien wird das neue Regime sehr zu statten kommen, denn
unter der Türkenherrschaft waren sie sehr erschwert, wie der Redner öfter
selbst erfahren mußte. Unsere deutschafrikanische Forschung hat Tripolis
mehrfach zum Ausgangspunkt ihrer Arbeiten gemacht.
Mittwoch, den 3. Januar 1912.
Herr Professor Dr. Ludwig Plate- Je na: Die Bahama-
Inseln. (Lichtbilder und Ausstellung.)
Der Vortragende berichtete über seine Reise nach dem Bahama- Archipel,
welche er im Winter 1904/05 mit seiner Gattin zusammen ausführte.
Die englische Kronkolonie der Bahamas umfaßt eine ganze Welt von
großen und kleinen Inseln, die sich zwischen 2V 42' und 27® SC nördl.
Breite, also ungefähr über 6 Breitengrade, sowie zwischen 72** 40' und 79" H4'
westl. Länge erstrecken. Ein früherer Gouverneur, RaVson, hat sich die
Mühe gegeben, ihre Zahl festzustellen. Er rechnete 29 größere Inseln,
f>61 Inselchen und 2387 Felsen heraus, die zusammen etwa 14500 qkm
bedecken. Die meisten Inseln sind lang und schmal und erstrecken sich
in nordsüdlicher Richtung. Nur bei Great Bahama, New Providence und
Inagua verläuft der Hauptdurchmesser von West nach Ost. Die größte
Insel ist Andros mit einer Länge von 176 und einer durchschnittlichen
Breite von 40 km. In Wirklichkeit stellt auch diese Insel einen Archipel
dar mit 3 großen, durch schmale Kanäle von einander getrennten Haupt-
inseln und 146 »Gays*^ (kleinen Inseln). Alle Bahama-Inseln sind niedrig,
und nur auf einigen wenigen kommen Erhebungen bis etwa 100 m vor.
Aus diesem Grunde fehlen die großartigen Landschaft«bilder der Antillen,
die von üppigster Tropenvegetation bedeckten Berge mit ihren bis ins Reich
der Wolken emporragenden Gipfeln, die schönen, tief eingeschnittenen, von
malerischen alten Forts eingerahmten Häfen von Kuba und Porto Rico, und
die grotesken Felswände und Berglinien, welche auf Martinique und anderen
Inseln vulkanischen Ursprungs das Auge des Reisenden erfreuen. Eine
gewisse prosaische Nüchternheit und Monotonie klebt allen diesen flachen,
nur mit niedrigem Gestrüpp bedeckten Erhebungen an, und lägen sie nicht
in einem äußerst gesunden Klima und wäre nicht das Meer überreich an
den verschiedensten Produkten, so würden die praktischen Engländer sie
schwerlich für begehrenswert gehalten haben. Der ganze Archipel liegt auf
einer submarinen Bank von geringer Wassertiefe, welche steil nach allen
Seiten zu großen Meerestiefen abfällt. Im Westen trennt ein solcher Kanal
von 500—900 m die Bank von der Florida-Halbinsel, und ein ähnlicher,
aber noch seichterer, scheidet sie im Süden von Kuba Durch den ersteren
fließt der Golfstrom zwischen dem Festland und der Bahamabank nach
Norden und erreicht längs der Südküste von Florida eine Maximalgeschwin-
digkeit von 4 Vt Seemeilen in der Stunde. Daß die nur 37 km lange nnd
15 km breite Insel New Providence zum Zentrum der ganzen Inselgruppe
mit der größten Einwohnerzahl (13500) und dem Sitz der Regierang
werden konnte, verdanlrt sie erstens ihrer Lage am Südrandc eines
tiefen Querkanals und zweitens dem Umstände, daß die dem Nordufer
— 75 —
vorgelagerte Hog-Insel dem Hafen von Nassau einen natürlichen Schutz
gewährt. Auch die größten Schiffe können ohne Gefahr hierhin gelangen
und dann ihren Weg nach Havanna fortsetzen, während zwischen den übrigen
Inseln die Schiffahrt meist überall wegen der vielen Korallenriffe, Felsen und
Untiefen sehr gefährlich und nur bei geringem Tiefgange möglich ist.
Der geologische Aufbau ist stets derselbe. Ein nicht sehr fester,
feinkörniger Kalkstein, der aus zertrümmerten Korallen hervorgegangen und
im Bruch von weißer Farbe ist, bildet den Grundstock und steht an den
Küsten überall frei an, mit Ausnahme derjenigen Stellen, wo er in weißen
Sand zerfallen ist. In der Höhe der Flutgrenze und noch 1—2 m darüber
nimmt er eine schwarze Farbe auf seiner Oberfläche an und wird dabei
wunderbar zerrissen und zerfressen, so daß man ein Feld von Lavaspitzen
und -Zacken vor sich zu haben glaubt und die besten Stiefel nach kurzer Zeit
ruiniert sind, wenn man auf derartigem Terrain viel umher klettert. Ist eine
solche Küste nicht durch ein Korallenriff geschützt, sondern der vollen Gewalt
der Brandung und Strömung ausgesetzt, so wird im Bereiche der Gezeiten-
zone eine tiefe Hohlkehle ausgewaschen, in der das Wasser sich donnernd
bricht. Draußen vor der Insel, meist in 1 km Entfernung, geht das hell-
grüne Küstenwasser ziemlich rasch in das satte Blau des tiefen Ozeans über.
Mit Ausnahme besonders ruhiger Tage steht hier eine wilde Brandung und
bezeichnet die Region der Korallenriffe. Millionen von kleinen Polypen,
d. h. winzigen, mit sechs Fangarmen ausgerüsteten Tierchen, sind hier Tag
nnd Nacht bei emsiger Arbeit und ergreifen alles, was von Algen, Infusorien
und ähnlichen Organismen in ihre Nähe kommt. Aus dieser Nahrung und
dem gleichzeitig aufgenommenen Wasser extrahieren sie nun die darin ent-
haltenen äußerst geringen Mengen von kohlensaurem Kalk nnd scheiden
denselben an der Fußplatte des zylindrischen Körpers wieder aus. So ent-
stehen die festen Korallenskelette von baumförmiger oder kompakt-rundlicher
Form, welche in unscrn Museen ausgestellt werden. Zwischen diesen Korallen-
riffen gibt es einen unerschöpflichen Reichtum der verschiedensten anderen
Tierarten, und es war eine Hauptaufgabe des Vortragenden, die marine Tier-
welt dieser Gebiete zu studieren.
Der Hauptreicbtum der Bahama-Inseln in merkantiler Hinsicht besteht
in seinen Schwämmen, die Jahr für Jahr in erstaunlicher Menge gefischt
werden und von denen etwas mehr als die Hälfte nach den Vereinigten
Staaten, die übrigen vorzugsweise nach England und in noch geringerem
Betrage nach Deutschland, Holland, Frankreich exportiert werden. Im Jahre
1902 betrug die Gesamtausfuhr an Schwämmen 1308270 Pfund im Werte
von fast 2 Millionen Mark. Deutschland erhielt hiervon 132710 Pfund im
Werte von 223680 M. Im folgenden Jahre ist die Ausfuhr auf
1515 026 Pfund im Werte von 2087 880 J^ gestiegen. Es gibt keinen
Platz in der Welt, wo man sich so leicht einen leidlichen Badeschwamm
verschaffen kann, wie in Nassau, denn in allen Straßen liegen sie umher.
Freilich können sich die Bahamasorten in keiner Weise mit den Mittelmeer-
produkten messen, da sie hart und spröde sind. Es kommen hier 7 ver-
schiedene Arten vor, die als Wool, Velvet, Reef, Hardhead, Yellow, Glove
und Grass bezeichnet werden, wobei die erste Sorte die wertvollste, die beiden
— 76 —
letzten die minderwertigsten sind. Frisch ans dem Wasser gezogen sehen
sie alle ziemlich gleich aus, nämlich wie schwarze, etwas schleimige Fleisch-
klampen von unregelmäßiger rundlicher Form und von der Größe einer
Faust an bis zu 3 Fuß Durchmesser und mehr. Sie leben im Flachwasser
in einer Tiefe von 3—10 m, und werden mit langen Stangen, welche an
ihrer Spitze dreizinkige Haken tragen, gefischt. Von anderen Meeres-
produkten exportieren die Bahamas namentlich Muscheln und Schnecken-
schalen und Schildpatt. Schier unerschöpflich ist der Reichtum dieser Ge-
wässer an „Conchs'', jenen großen Schnecken (Strombus gigas), deren an
der Mündung prächtig rosenrot überlaufenes Gehäuse bei uns so häufig zum
Einfassen von Gartenbeeten benutzt wird. Die ausgewachsenen, oft über
einen Fuß langen Geschöpfe leben im Flachwasser von 3 — 10 m und müssen
mittels eines Schwammhakens heraufgeholt werden. Das Fleisch dieser
Schnecken ist schmackhaft und wird viel gegessen, außerdem als Köder für
Angelhaken und Fischkörbe verwendet. Die Schnecken haben für den
Sammler noch insofern einen besonderen Reiz, als einzelne von ihnen rote
Perlen enthalten, freilich kommt nur auf je 10000 Schnecken etwa eine,
welche in ihrem Fleisch eine schöne rosarote Perle enthält, für die der
Juwelier in Nassau bereitwilligst je nach ihrer Qualität 5, 10 and mehr
Dollar zahlt. Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Negern und Mulatten.
Nur die Großkaufleute und die Beamten der englischen Regierung sind Weiße,
ganz überwiegend Engländer. Die vom Vortragenden angelegten zoologischen
Sammlungen befinden sich im Besitze des Museums für Meereskunde in
Berlin. Wegen ihres milden Klimas sind die Bahamas als Win terauf enthalt
bei den Amerikanern sehr beliebt, und da eine Reise dorthin von New York
aus in drei Tagen zu bewerkstelligen ist, so kann sie auch deutschen
Reisenden warm empfohlen werden.
Mittwoch, den 10. Januar 1912.
Herr Professor Dr. Augustin Krämer-Stuttgart:
Eigene Studien in den Karolinen. (Lichtbilder.)
Der Vortragende war mit seiner Gattin schon 1907 in den Karolinen
gewesen, insbesondere au! Truk und Palau. Im Herbst 1907 nach Hause
zurückgekehrt, wurde ihm die Leitung der Hamburger Expedition nach den
Karolinen 1909—1910 angeboten. Ehe die Übernahme dieser Expedition erfolgte,
mußte Prof. Krämer wiederum in Begleitung seiner Frau im Herbst 1908
nach Neu-Mecklenburg in der Südsee reisen, um die durch den Tod Stephans
führerlos gewordene Marine-Expedition zu Ende zu führen.
Im Mai 1909 erfolgte die Übersiedelung von Neu-Mecklenburg nach
Palau, wo Anfang August das Hamburger Expeditionschiff, der Dampfer
„Peiho", Kapitän Vahsel (jetzt Führer der „Deutschland" am Südpol), eintraf.
Die Fahrt ging mit allen Expeditionsteilnehmem an Bord (der wissenschaftliche
Stab bestand aus 5 Köpfen) durch die gesamten Karolinen, wobei keine
bewohnte Insel, trotz der oft sehr schwierigen und namentlich bei schlechtem
Wetter gefährlichen Passagen durch die Korallenriffe, ausgelassen wurde.
So besuchte die Expedition nach Palau die kleinen Inseln Sonserol, Meiil,
— 77 —
Pul, Tobi, Ngnlu, dann die hohe Insel Yap. Von hier gings nach Osten,
nach Mogemog, Feis, Sorol, Aurepik, Yoleai, Ifaluk, Faraniep, Elato, Lamotrek,
S&towan usw., bis die hohen Inseln von Truk erreicht wurden. Von hier
erfolgte ein Abstecher nach den selten besuchten Südinseln Nukuör und
Kapingamarangi, dann Ponape, wo gerade der neue, bald darauf ermordete
Gouverneur Böder eingetroffen war und wo Kaisers Geburtstag gefeiert wurde.
Auf der östlichsten Karolineninsel Kusaie entdeckte man große Mauer-
werke in einer Ausdehnung, wie sie bis dahin nur von Metalanim auf Ponape
bekannt waren. Indes ging der Vortragende darauf nicht weiter ein. Die
Hauptschilderung galt den West-Karolinen, insbesondere Palau, das bei den
Eingeborenen Pelau heißt, und Yap, das mit erstercm verwandt, eine eigen-
artige Stellung einnimmt, namentlich durch den starken Einfluß, den es auf
die Zentralkarolinen ausgeübt hat, die ihm jährlich seit Alters auf ihren
Seebooten Tribut brachten. Dies wurde deutlich mittelst zahlreicher Licht-
bilder an der Hausform gezeigt, und an zahlreichen anderen Beispielen, wie
der Weberei, den Überlieferungen usw. Ostlich von Lamotrek beginnt aber
sichtlich der stärkere Einfluß von Truk, das trotz seiner ärmlichen und
schmutzigen Hütten, die mit denen von Palau und Yap nicht zu vergleichen
sind, für sich ein Kulturzentrum ist. Östlich bilden dann Ponape und Kusaie
zusammen für sich wieder einen Teil.
Wirtschaftlich sind die Karolinen durch Aufstände, besonders aber
durch die Taifune der letzten Jahre schwer geschädigt worden. Auch die
Phosphatinsel Angaur im Süden von Pelau hat die erwarteten Hoffnungen
bis heute nicht erfüllt. Auf Yap und Palau hat eine Milbenkrankheit die
Cocosbestände schwer geschädigt. Wegen Mangel an Nahrung mußten große
Teile der Bevölkerung mehrerer niedriger Inseln auf hohen angesiedelt
werden, was der Regierung Kosten verursacht hat. Trotzdem ist der Aus-
blick in die Zukunft nicht ungünstig, und da die Schicksalsschläge in naher
Zukunft schon überwunden sein können, ist eine baldige günstige Geschäfts-
lage möglich.
Mittwoch, den 17. Januar 1912.
Herr Dr. Fritz Wertheimer-Berlin: Die japanische
Kolonialpolitilt. (Lichtbilder.)
Die Revolution in China hat, mag sie auch jetzt mit einer neuen
Absplitterung mancher Außenländer endigen, ursprünglich ihren Grund darin,
daß China unter den letzten Mandschu-Kaisem ständig in Kriegen und
diplomatischen Kämpfen Prestige und Landbesitz verloren hat, und ihr Ziel
war, diesem Zustand ein Ende zu machen. Sie richtete sich also in der
Hauptsache gegen Japan, dessen zielbewußte, starke und emsige Politik
China in den letzten Jahrzehnten Land auf Land abgenommen hat. Diese
japanische Machtpolitik ist das Gleiche wie die japanische Kolonialpolitik,
die sich von der Kolonialpolitik anderer Länder dadurch unterscheidet, daß
sie nicht fremde, weit entlegene, wesensungleiche Länder beherrschen und
als Absatzgebiete oder zur Rohstoffgewinnung verwerten will, sondern daß
sie die Kolonien mit dem Mutterlande zu einem einzigen großen territorial
— 78 —
geschlossenen Reiche zusammenfassen will, das dem ursprünglich so kleinen
Japan gestattet, seinen Traum, ein England des Ostens zu sein, die Führung
im Osten zu bekommen, in die Wirklichkeit umzusetzen. Die japanische
Kolonialpolitik studieren heißt also, die ostasiatische Qesamtpolitik behandeln.
Glühender Patriotismus, starkes Selbstbewußtsein, ausgesprochener Macht-
hunger des Volkes, asiatische Rücksichtslosigkeit und starke Anpassungs-
fähigkeit setzen das japanische Volk in Stand, die politische Theorie in
politische Praxis umzuformen. Es unterstützte diese Ziele, daß die zu
kolonisierenden Länder ganz nahe dem Mutterlande lagen, daß ein rasches
Fluktuieren von Militär- und Zivilbeamten zwischen Heimat und Kolonien,
und so eine ziemlich genaue Kenntnis der Kolonien sich ermöglichen ließ,
daß geographisch und klimatisch große unterschiede zwischen Japan und
den Kolonien nicht bestanden. Allerdings ist Formosa etwas subtropischer,
der Hokkaido im Winter etwas kälter als Japan, der Rassenhaß der süd-
lichen Chinesen erschwerte manche Arbeit ebenso wie die Tätigkeit der
Wilden auf Formosa, aber das sind Kleinigkeiten, die die große Entwickelung
nicht störten.
Der Vortragende warf einen kurzen Blick auf die einzelnen Kolonien,
auf Sachalin, Hokkaido, Korea, Formosa und auch auf die Zukunftskolonie
Mandschurei und schilderte in knappen Zügen das wirtschaftliche und politische
Leben dort, die Lage der Japaner und ihre speziellen Pläne. Dann erklärte
er, wie geschickt es die Japaner verstehen, die hervorragend politischen
Pläne, die sie mit ihrer Kolonialpolitik verfolgen, durch wirtschaftliche Ziele
zu maskieren, wie ihre Militär- Gouverneure überall den wirtschaftlichen
Erschließungsplänen ihrer Zivil-Unterbeamten keine Hindemisse in den Weg
legen, wie nirgends schematisiert und schabionisiert wird, sondern wie die
einzelnen Kolonien unt^r sehr selbständigen Gouverneuren jahrelang individuell
entwickelt wurden, um erst im letzten Jahre unter ein einheitliches Kolonialamt
gestellt und zentralistisch zusammengefaßt zu werden. Das hinwiederum
war nur möglich mit einem vorzüglichen Beamtenmaterial, das, größtenteils
in Europa, speziell in England und Deutschland, ausgebildet, sich vom
japanischen Herdenmenschentum freigemacht hat und eigenen Willen und
Tatkraft entwickelte. Die Beamten werden auf lange Jahre in den Kolonien
belassen, um dann, wenn sie sich bewährt haben, aussichtsreiche Posten in
der Gesamtverwaltung zu übernehmen. Den politischen, schon besprochenen
Zielen der japanischen Kolonialpolitik stehen wirtschaftliche gegenüber.
Japan sucht als junge Großmacht zunächst in seiner Produktion selbständig
zu werden, es will als Inselreich in der Ernährung seiner Bevölkerung auf
eigenen Füßen stehen. Den Norden Japans und die Hokkaido-Insel für den
immer stärker wachsenden Getreideverbrauch nutzbar zu machen, Biittel-
und Süd-Japan mit Korea als große Reiskammer des großjapanischen Reiches
zu verwenden, Formosa dagegen als Produzenten des Salz- und Zucker-
verbrauches heranzuziehen, das ist das großagrarischc Kolonialprogramm, das
allerdings in industrieller Hinsicht vorderhand wenig Ergänzung findet, da
zwar der Holz- und Kolilenreichtum des Hokkaido und der Kampferreichtum
Formosas Japan wichtige Exportmaterialien liefern, da man aber Eisenerze
zur Entwickelung einer eigenen Industrie noch nicht gefunden hat.
— 79 —
Der Vortragende erläaterte dann seine Ausführangen an Hand zahl-
reicher Lichtbilder nach eigenen Aufnahmen. Er erklärte besonders die
Kolonisation des waldreichen Uokkaido, die Kampfer- and Zackerproduktion
Formosas, brachte Bilder vom Eingeborenenleben and den Verkehrsgelegen-
lieiten, führte dann in das zerschossene und in Friedhofsruhe liegende Port
Arthur, nach dem Stammlande der Mandschudynastie und schließlich nach
Korea und dem bunten Leben und Treiben in der Hauptstadt Seoul.
Mittwoch, den 24. Januar 1912.
Herr Dr. Paul Hambruch -Hamburg: Pooape. (Licht-
bilder.)
Nach dem Arbeitsprogramm der Südsee- Expedition*) wurde mir im März
lUlO Ponape als Arbeitsgebiet zugewiesen. Am 22. März setzte der „Peiho"
mich in Kitti an Land, worauf die folgende Zeit bis zum 2L September dem
Studium der Insel, vornehmlich in ethnographischer Hinsicht, gewidmet wurde.
Am Anfang boten sich viele Schwierigkeiten, da es an Dolmetschern mangelte.
Im April aber ging ich zu einem System über, das sich nachher vorzüglich
bewährte. Von Eingeborenen ließ ich mir Texte diktieren, die dann wort-
getreu übersetzt wurden; daneben bemühte ich mich, in der täglichen
ümgangsprache nur den Ponape-Dialekt zu gebrauchen. Diese Weise, mit
den Eingeborenen in ihrer Sprache zu verkehren, hatte das Gute, daß sie ein
wenig mehr Vertrauen zu mir gewannen, zugleich wurde grobes Anlügen, vor
dem niemand bei einem Dolmetscher sicher ist, einigermaßen vermieden.
Zwei Dolmetscher, ein älterer Mann aus Matolenim, Ettekar, der früher auf
Missionsschiffen fuhr und in Ponape als der Generalissimus gegen die Spanier
gilt, dann ein Deutsch-Halbblut aus Matolenim, Wilhelm und zwei Neu-Guinea-
jungen waren meine Begleiter während meines sechsmonatlichen Aufenthaltes.
Die große ünzugänglichkeit der Insel, die mißvergnügten, mürrischen,
verschlossenen Eingeborenen, die seit Ende April vorigen Jahres herrschende
Aufstandsbewegung, die dann am 18. Oktober zum Ausbruch kam, erleich-
terten die Arbeit nicht gerade. Der wirksamen Hilfe des verstorbenen
Regierungsrats Boeder, weiter der Jaluit-Gesellschaft und der Unterstützung
der Katholischen Kapuziner-Mission ist es zu danken, daß noch ein gutes
Stück Volksleben aus den Karolinen bekannt wird. Namentlich erhalten wir
dadurch interessante Aufschlüsse über die Besiedelung und die Völker-
wanderungen in der Südsee überhaupt.
Unter den Karolinen-Inseln ist Ponape, wenn nicht die größte, so doch
die höchste. Ihr Gesamtflächeninhalt beträgt ca. 400 qkm, sie ist damit
fast so groß, wie das Hamburger Staatgebiet. Ponape ist keine ein-
heitliche Insel; es besteht aus der großen Insel Ponape, der die Insel
Jokasch angelagert ist; durch tiefe Kanäle von der Hauptinsel getrennt,
erheben sich 2—3 km entfernt Langer, Parram, Mant, Tepäk und Takaiu,
Samuin und Mutok. Dieser Inselkranz wird von einem weit in die See
*) Vgl. den Vortrag von Prof Dr. Augustin Krämer-Stuttgart: Eigene
Studien in den Karolinen, S. 76 des vorliegenden Jahresberichtes.
— 80 —
hinausreichenden, nur wenig brauchbare Einlasse gewährenden Riffe umgeben,
dem eine Reihe kleiner Schattinseln aufgelagert ist. Alle diese Inseln vul-
kanischen Ursprungs sind bewohnt, meist nur am Ufer. Die Riff-Inseln
haben z. T. feste Wohnplätze ; in der Mehrzahl dienen sie als Fischfang-
stationen.
Kommt man von See aus an die Insel heran, so wird Ponape auf
50 Seemeilen etwa deutlich sichtbar, nachdem schon lange vorher eine
Wolkenbank seine Lage verraten hat. Wie eine lange, umgestürzte, flache
Schüssel in grauen Farben erscheint sie, und je näher man herankommt,
löst das einförmige Grau sich auf, die geraden Konturen gehen in leichte
Wellenlinien über, dann in scharfe Spitzen, doch noch vom Riffkranze aus
scheinen sich die hohen steilen Berge direkt aus dem Wasser zu erheben.
Die gleichförmige Vegetation, das dunkle Grün heben Vor- und Bergland
nicht von einander ab.
Vortrefflich ist der Name der Insel gewählt. Auf den niederen Karo-
linen-Inseln spielt Ponape eine wichtige, z. T. geheimnisvolle Rolle. Doch
ist dieser Name dort nicht gebräuchlich. Fanupe heißt hier die Insel. Und
"Fanu ist Land, pe ist der Steinhaufen, und zwar die zu Kultzwecken meist
aufgeführte Steinsetzung. Ponape bedeutet daher etwa „auf den heiligen Stein-
Setzungen^'. Auf diese Steinsetzungen wird später zurückzukommen sein.
Hohe Bergzüge durchziehen die Insel. Unter ihnen zeichnen sich drei
durch ihre relativ gleiche Höhe, doch verschiedene Richtung ans. Alle drei
haben dabei den gleichen Ausgangspunkt. Der ca. 300 m hoch gelegene
versumpfte See Nipitj, im SO. der Insel, in der Landschaft Nan Üonna, hart
an der Grenze von Matolenim gelegen, ist als solcher anzusehen. Von hier
strahlen nach SW., NNO. und NW. die drei Leitlinien des Ponape erfüllenden
Gebirges aus. Der nach SW. sich erstreckende Zug ist kurz, ca. 6 km lang,
nach Süden fällt er sanft ab, nach Norden hin steil ; ein tiefes Tal, das vom
Kap en pil lap en Kitti durchflössen wird, trennt ihn von dem nach
NW. verlaufenden Zug, der sich nach Jokasch und Palikir hinzieht und hier
am Tamatamensak'r zum Meere abfällt. — Der nach NO. verlaufende Gebirgs-
kamm grenzt Matolenim gegen Jokasch und Neott ab. Vielfach eingeschnitten,
auf zwei Seiten sich auf halbe Kammhöhe zum Meeresniveau herabsenkend,
um hier auf längere Strecken die gleiche Höhe zu behalten, hat er in U
seine höchsten Erhebungen und fällt hier steil zum Berge ab. Alle drei
Bergzüge haben die gleiche mittlere Höhe von ca. 400 m und ungefähr gleich-
hohe höchste Aufragungen. Eine Besteigung wurde mehrmals versucht,
scheiterte jedoch an den durch den Taifun 1905 verursachten Gelände-
schwierigkeiten. Der Südwest-Zug hat seinen Gipfel im Tolotom, der
Nordwest-Zug im Nanekap, der Nordost-Zug im Kupuriso. Sie sind alle
ca. 650 m hoch.
Von allen drei Gcbirgskämmen gehen Seitenarme aus, die dem K&rten-
bild der Insel ein stemartiges Aussehen verleihen. Vom Tolotom-Zug geht
nach SO. das Bergland von Lot ; der Nankap-Zug entsendet die Gebirgskämme
von Jalapug und Tamorolang, den Zug der Palikir-Berge und von Nanponmall,
der in der Insel Jokasch seine Fortsetzung findet; der Kupuriso-Zug entsendet
die Nebenzüge: das Bergland von Sennipen, von Lätau und Matup, Mesiso, Neott.
— 81 —
Die Inseln Mant, Parram, Langer, Tepäk and Takaienu sind Teile
von heute z. T. versunkenen Nebenzügen des Nordost-Gebirgskammes. Den
von den Nordwest- und Nordost-Zügen gebildeten Talzirkas füllen kleinere
Erhebungen aas. Unter ihnen ist der Toi en Eireka die höchste.
Die hohen Berge üben eine starke Anziehungskraft aal die Wolken
aus. Selten ist der Himmel über der Insel klar, und eine Wolkenbank
lagert fast stets über Ponape. Niederschläge fallen täglich. Bei ihrem Vorüber-
gange an der Insel sondern sie ihre Wassermengen ab, die im Jahre zu dem
erheblichen Betrage von 5500 mm (9 mal soviel wie im Hamburg) anwachsen.
Es ist so verständlich, daß ein reiches Netz von Wasseradern sich über die
Inseln spannt, das im Laufe der Zeit ein Gewirr von großen and kleinen
Tälern in die Gebirgszüge eingeschnitten hat.
Die Talbildung zeigt nun, daß Ponape ein recht junges Land ist.
Nirgendwo ein ausgereiftes Tal, überall mehr oder minder tiefe Erosions-
rinnen. Kein Bach, kein Fluß gelangt, ohne starke Gefälle, Wasserfälle und
Stromschnellen zu bilden, zum Meere. Während der Regenfälle und einige
Zeit nachher sind Flüsse und Bäche reißende Gewässer und unpassierbar für
jedermann. Ein Wasserlauf von der gewöhnlichen Tiefe von 40 cm wurde
einmal nach einem halbstündigen Regenfall zu einem Wasser von 2—3 m
Tiefe, Steine, Erdreich, Wurzelwerk, Gräser und Baumstämme mit sich fort-
wälzend. Ein weiches Flußbett, rein von Steinen, gibt es nicht; überall ist
Geröll von kleinen bis viele Zentner schweren Blöcken. An den Mündungen
in das Riffwasser hinaus liegen Barren, die nur bei Hochwasser passierbar
sind; den Pilap en Lätau und Tau en Sokola ausgenommen ist auch
kein Flußgewässer auf weitere Strecken befahrbar.
Vulkanische Kräfte erzeugten das Land, deren Wirkung bis in die
jüngste Zeit zu verspüren ist. Erdbeben treten selten, aber doch auf. Und
die Eingeborenen wissen sehr wohl vom Feuer zu erzählen, das aus den
Bergen quoll und Ponape fast vernichtete.
Stürmische Eruptionen mit Aschen- und Bombenauswarf fanden nicht
statt, wie man auch auf Ponape vergeblich nach Kratern suchen wird. Aus
Erdspalten quollen Lavaströme hervor, die langsam erstarrten. Nach dem
Aussehen und der Zusammensetzung der Gesteine ist dies in mehreren durch
lange Zwischenräume getrennten Ausflußperioden geschehen.
Im Süden der Insel sind die Gebirgsmassen anders geartet als im
Norden. Hier sind die Basaltmassen, denn aus diesem Gestein setzt Ponape
sich vornehmlich zusammen, reiner erstarrt in sechsseitigen Prismen and
sind nephelin-olivinhaltiger, eisenärmer als die gleichfalls sechsseitigen, gröber
gearteten Basaltmassen des Nordens, die stark eisenhaltig (Magneteisen,
Titan) und quarzreich, doch nephelin- und olivinarm sind.
Diese Massen haben durch Gebirgsdruck teilweise schiefrige Struktur
bekommen, teilweise sind die Säulen geneigt und haben ihre normale, vertikale
Säulcnstruktur verloren.
Die Basaltstruktur verleiht den Bergen Ponapes die eigentümliche
Form, der beim ersten Anblick wie Tafeln erscheinenden Gebirgskämme, die
meist nur wenige Meter breit sind, und dann in Stufen, zunächst durch die
anwachsenden Schutthalden alsdann ein geringeres Gefälle erhaltend, zum
— 82 —
Meere hin sich absenken. In der Aufsicht erscheinen die gleichen Berge
vielfach als Pyramidenberge (Toi en Eireka).
Die jüngsten, meist niedrigen Berge charakterisieren sich als Kuppen-
nnd Kettenberge (Palikir).
Ich wage nicht zu entscheiden, ob Ponape eine sich hebende oder
senkende Insel ist. In Palikir fand ich Basaltgestein weit draußen auf dem
Riff Yon Korallen umwachsen, dann auch in einer Höhe Ton ca. 40 m Basalt
mit Koralleneinschluß ; in U auch Conglomerate in scheinbar marinen (?) Ton
eingebettet und zwischen Basaltdecken gelagert.
An das Festland gliedert sich das Innenriff, das stets an den Süd-
wasser-Ausflüssen unterbrochen ist und so wenig Wasser über sich tragt,
daß es nur bei Hochwasser überall passierbar ist. Seine Breite schwankt
sehr, und von ihm strahlen wiederum Seitenriffe radial aus in einen breiten
tiefen Kanal, der Ponape zu '/t umzieht und nur an der Ostseite fehlt,
wo Außen- und Innenriff eins bilden. Auch dieser Kanal ist nicht rein,
und zahlreiche Rundriffe erschweren die Fahrt in ihm. Doch herrlich ist
zum Teil der Anblick dieser Riffe, die mit ihrer Korallenpracht und den
bunten Fischen herrliche Blumenwiesen im Meere vortäuschen.
Ponape wäre nicht genau gezeichnet, wollte man die Mangroven ver-
gessen, die gleich einem hellgrünen Bande die Insel, die Flußnfer, die Neben-
inseln einsäumen. Leider hat der Taifun von 1905 arg in ihnen gewüstet,
so daß nur wenige Bestände in alter Schönheit erhalten bUeben. In ihrem
knorrigen Bau ähneln sie im frischen hellen Grün den Erlen im Frühling.
Ponapes Vegetation ist in dem feuchtwarmen Klima üppig ; alle Berge
sind dicht mit Bäumen, Palmen und Fambäumen aller Arten bestanden,
deren Schönheit erst langsam wiederkommen wird, wenn die Hochstämme das
niedrige, wuchernde Hibiscus-Qebüsch überwunden haben, das heute das
Gehen im Busch so unendlich schwer macht.
Auch Heiden fehlen nicht. Meist ist die jüngste Lava von ihnen be-
standen, und diese harten Farne und Gräser arbeiten den Boden langsam
für eine bessere Vegetation vor. Als helle gelbgrüne Flecke bringen sie eine
angenehme Abwechslung in das gleichmäßige Blattgrüji des Busches.
Die Fauna ist arm, größere Tiere fehlen völlig ; Hund, Katse, Schwein
und Rind sind eingeführt, und heimisch ist nur die Ratte.
Auch an Vögeln mangelt es; bemerkenswert ist da nur eine Nach-
tigallenart; sowie ein Zwergpapagei, die beide mit den Tauben einheimisch
sind. Daneben kommen Scorpione, Ameisen, Schnecken, Eidechsen und
Schmetterlinge vor.
Werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte Ponapes.
Fragt man die Eingeborenen über die ersten Weißen aus, die nach Ponape
kamen, so erzählen die Leute von Kitti die Geschichte von den „eisernen
Menschen''. Auch später mögen die mexikanischen Silberschiffe gelegentlich
an die Insel verschlagen worden sein. Positive Kunde erhält man in Europa
erst wieder im Anfang des 19. Jahrhunderts, wo Lütke 1828 mit dem Senjawin
die Insel neu entdeckte und über sie berichtete. Bald wurde Ponape dann
bekannter und Aufliegestation für die Walfänger aller Nationen im Winter.
Sie versorgten sich mit Proviant und lebten mit den Eingeborenen und deren
— 83 —
Weiblichkeit ein wüstes Leben. Ein Veteran ans dieser Zeit, ein Engländer,
der seit 1850 anf der Insel ist, konnte mir genügend Aufschlüsse über das
damalige Treiben geben. Es waren die besten Elemente nicht, die den
Ponape-Lenten einen Begriff vom weißen Mann geben sollten. Tronkenheiti
Krankheiten aller Art and Laster fanden ihren Eingang nnd der Ponapemann
lernte die Weißen verachten. Und diese Verachtung der weißen Elemente
ist bis heute noch im Schwünge. In den 70 er Jahren kam die deutsche
Handelsstation von Capelle nach Ponape, die dann später von der Jaluit-
Station übernommen wurde. Seit 1862 waren die amerikanischen Missionare
an der Arbeit, das Christentum zu predigen und namentlich die alten Denk-
mäler aus Ponapes Vorzeit zu vernichten, zerstören und auszulöschen. 1886
wurde dann die spanische Flagge nach dem Schiedsspruch des Papstes gehißt,
und im Frühjahr 1887 begannen die Arbeiten zur Schaffung der heutigen
Kolonie. Im Anfang friedlich und willig (alle Ponape-Leute lieferten z. B.
freiwillig ihre Waffen aus), brachten 3 nichtsnutzige Elemente Unfrieden
hinein. Sie unterschlugen die Löhne der Ponape-Leute, und als diese nicht
mehr arbeiten wollten, gab ein Mißverständnis und ein voreilig abgefeuerter
Schuß den Anlaß zum Aufruhr.
Die Strafe war sehr milde. Man vertrug sich und ließ die Mörder
des Gouverneurs nach Manila bringen. Friedliche Zeiten folgten. Die
Spanier legten große, trefflich gepflasterte Wege an, und alles schien gut,
wenn nicht die katholischen und amerikanisch-protestantischen Missions-
bestrebungen bald Zwiespalt hervorgerufen hätten. Übergriffe geschahen
von beiden Seiten, und auf Anstiften der amerikanischen Mission bezw. ihres
Vertreters Nanpe in Kritti begannen dann 1890 die Metzeleien des Wegbau-
kommandos in Oa bei Matolenim. Ein regelrechter Krieg folgte, eine Be-
schießung von Matolenim, doch richteten alle Spanier nichts in den unzugäng-
lichen Terrains Ponapes aus. Unheimliche Verluste erlitt man, namentlich
bei der Erstürmung von Kitam im November 1890. Man mußte wieder
Frieden geben, und die Ponape-Leute waren mehr denn je obenauf. Im ganzen
hatten die Spanier 150 Tote und ca. 100 Verwundete, die Ponape-Leute im
ganzen 8 Individuen verloren. Ponape blieb im bewaffneten Frieden ; 1897
waren die letzten Unruhen. Nanpe hatte auch hier seine Hände in den
Missionsstreitigkeiten zwischen Auak und U-Matolenim. Es geschah gerade
zu der Zeit, als die spanischen Schlappen in den Philippinen bekannt wurden.
Nachweisen ließ sich Nanpe nichts, und man mußte ihn freilassen. Doch
mit dem Ansehen der Spanier war es nun für immer vorbei.
1899 gingen die Inseln in deutschen Besitz über. Hahl war der erste
Vizegouvemcur, dem auch die Paziflkation der Insel gelang. Die Tore der
Festung blieben stets für jedermann geöffnet und die Eingeborenen gewannen
Zutrauen zu den Deutschen. Leider war Hahl nur kurze Zeit in Ponape.
Sein Nachfolger Berg blieb anf den von Hahl eingeschlagenen Regierungs-
wegen. Doch unter Berg begannen schon leise Gärungen, die glücklicher-
weise nie zum Ausbruch kamen. Nanpe soll damals einen Aufstand vor-
bereitet haben, der während seiner Amerika- und Europareise dann ausgeführt
werden sollte. Der Taifun von 1906 machte den Ponape-Leuten jedoch einen
Strich durch ihre Rechnung. In der kurzen Zeit von ca. 6 Stunden zerstörte
6*
— 84 —
er die Insel völlig, vernichtete die Fmchtbäome, daß bald eine Hungersnot
eintrat. Da erwarb sich Berg das große Verdienst, die Entwaffnung der
Eingeborenen vorznnehmen. Qegen Abgabe von Waffen, die bislang ver-
gebens gefordert war, wurden Nahrungsmittel verabreicht. Damals wurden
die meisten Waffen abgeliefert bis auf diejenigen, welche den Jokasch-Leuten
gegen uns dienten. Bergs plötzlicher Tod, ein Schlaganfall, machte seinem
Leben und damit der Waffenauslieferung ein Ende. Fritz folgte ihm, blieb
aber nur kurze Zeit in Ponape. Unter ihm fanden 1908 die internen Land-
streitigkeiten in Kitti statt, die durch gegenseitiges Hetzen zwischen katho-
lischen und evangelischen Eingeborenen sich so verschärften, daß man an
einen Aufstand glauben mochte, doch machte die gütige Aussprache, die
Fritz mit den Eingeborenen hatte, den Unruhen ein Ende. Er hatte aber
die unangenehme Aufgabe, die bisher bestehende, von altersher überkommene
Verfassung zu vernichten, die Fronden aufzuheben, den Besitz der einzelnen
festzulegen und Steuern einzuführen.
Gerade die übereilte Einführung der neuen Landesverfassung, welche
den Häuptlingen und dem Adel ihren Besitz nahm und ihnen nur geringen
Ersatz dafür verschaffte, führte den Aufstand herbei, der seit 1899 von einem
Geheimbund in Ponape vorbereitet war. Als im Oktober 1910 die letzten
Waffen abgegeben werden mußten, war der Augenblick zum Losschlagen
gekommen. Die weiteren Ereignisse sind aus den Zeitungen genügend bekannt
Die Bevölkerung Ponapes zerfällt in 22 verschiedene Stämme, die
in allen 5 Staaten (Matolenim, Kitti, Jokasch und Palikir, Neott, U.) durch-
einander leben. Jeder Stamm hat sein besonderes Totem und seine Schutz-
gottheit. Jeder tip zerfällt in verschiedene Zweige, kainak, deren jeder
einen besonderen Namen führt. Heiraten im selben tip und kainak sind
verboten ; das Mutterrecht herrscht. In jedem Staate gibt es zwei Familien,
die den Adel ausmachen. Die beiden ältesten Männer sind die Familien-
und Staatsoberhäupter. Beide Familien heiraten stets untereinander, die
Frau der einen den Mann der anderen und umgekehrt. Die Familien-
angehörigen der Staatsoberhäuptlinge (nanamariki) heißen joupeiti, die An-
gehörigen des Kriegshäuptlings (naneken) heißen seriso (Königskinder). So
findet man die altpolynesischen Staatsoberhäupter hier wieder. Darunter
stehen die aramas, das Volk, und unter diesen die Unfreien, aramas mual.
Den joupeitis gehört das Land, das sie gegen Tribut an die aramas
verpachten, als Lehen vergeben, das sie aber zu jeder Zeit kündigen können.
Jeder Staat hat Kronland (nanue), das übrige wird in Gaue (kanjap)
eingeteilt, an deren Spitze jeweilig ein Adeliger steht. Ausgeprägt ist das
Titelwesen, jeder Titel kann erworben werden. Die Frauen der Vornehmen
führen gleichfalls Titel. Nur mit diesen dürfen sie angesprochen werden,
ein Name aber darf nie genannt werden. Ein ausgedehnter Sitten- und
Anstandskodex regelt den Verkehr der Eingeborenen untereinander.
Die Frau hat eine hohe Stellung im Lande ; sie sorgt für die Ordnung
im Hause, während die Zubereitung des Essens dem Manne obliegt, der auch
die täglichen Nahrungsmittel herbeizuschaffen hat. Nur etwas Fischerei
wird auch von den Frauen betrieben. — Feldmäßig gebaut werden nur
Kawa und Bananen (Plantanen); alles andere ist Sammelwirtschaft.
- 85 -
Der Kultus pflegt den Animismus; die Götter der Zentralkarolinen
sind wohl bekannt, genießen jedoch kein Ansehen. Der Donnergott Nan
Japue und Regengott Tau Katau sind die gefurchtesten. Zu ihnen tritt eine
Anzahl von Feld-, Wald-, Luft- und Wasser-Gottheiten, ani, z. T. ehemals
mächtige Häuptlinge, die Verehrung genießen, und denen Kawa, Bananen
und Hunde geopfert werden. Jeder Staat besaß ein Staatsheiligtum, das als
ein Steingehege, pung saraui, gehalten wurde und zu dem nur der Adel und
die Priesterkaste der Schamoro Zutritt hatten.
Die Eingeborenen wohnen in Höfen und zwar in auf Steinwurften
erbauten Rahmenhäusem, deren Wände aus gebundenem Röhricht bestehen;
Dörfer sind ihnen unbekannt. Die großen Versammlungshäuser einer Gau-
schaft sind an einer Giebelseite offen; der Adel hat hier erhöhte Plätze,
während das Volk den Platz zur ebenen Erde einnimmt. Jeder Titelhaber
hat einen ihm bestimmten Sitzplatz.
Die Toten werden wahllos bestattet, im Busch oder im Klubhause;
nur die Landschaft Nan Uonna besitzt einen regelrechten Friedhof. Nach
dem Tode erhält jeder einen besonderen Namen, der frühere Titel, auch der
Name des Toten darf nicht genannt werden.
Eingehende Studien hat der Vortragende den Ruinen von Ponape
gewidmet. Sie bestehen aus 92 Bauwerken, die künstlich auf dem Riffe in
Matolenim im Osten der Insel errichtet wurden. Sie bedecken eine
Fläche von 1 \'s qkm und bestehen aus Korallensteinplattformen, die mit
Basaltmauern eingefaßt sind : Bei den bedeutenderen Bauten sind die Mauern
bis zu 10 m hoch ; im Durchschnitt beträgt ihre Höhe 3—4 m. Die Anlage
ist eine heilige Stadt, die nur vom Adel und den Priestern betreten werden
durfte. Allen übrigen war der Eintritt bei Todesstrafe verboten. Nur zu
gewissen Zeiten wurde das tabu aufgehoben.
Die Stadt zerfällt in drei Hauptteile: 1. die Königsstadt, in der der
Oberhäuptling mit seiner Sippe wohnte, 2. die Priesterstadt, in der sich der
Friedhof, das vielbeschriebene Nau Tauasch befindet, und 3. die Stadt- und
Mausoleumsmauem, welche die Gesamtanlage einfaßt, in der sich die Grab-
kammern und Opferplätze ausgezeichneter Häuptlinge und Priester befinden.
Diese Kanim, die Stadt von Nan Matol, war heilig. Nur der Vor-
nehme und die Priester hatten hier Zutritt. Anderen war die Anlage tabu,
und wer sie betrat, hatte das Leben verwirkt. Ausnahmen fanden nur
gelegentlich der großen Feste statt, der Opferfeste der Erstlingsfrüchte, der
Bootsbaufeste, Spiele usw.
Und eine gleich ähnliche, gewaltige Anlage war, hart am Außenriff an
die Brecher des Ozeans herangebaut, in Ausführung begriffen. Die Mission
verhinderte den Bau.
Wer hat die Bauten errichtet?
Man vermutete ehemals, spanische Seeräuber hätten sich hier eine
Zufluchtstätte gebaut und begründete das mit einigen Fanden , die von
gestrandeten Schiffen stammten. Das ist verkehrt. Die Eingeborenen erzählen
es anders. Und wenn diese Anfänge auch heute in Sagen eingekleidet sind,
— und Sagen entstehen dort unten in der kürzesten Zeit — so haben sie
doch wenigstens das für sich, daß sie bekannte Namen enthalten.
— 86 —
Denn die sagenhaften Götter, denen ähnliche Leistungen wie den
Leuten von Matolenim zugeschrieben werden, sind auch in den Marquesas
vorhanden. Und man erzählte mir dies:
,In alten Zeiten, als die Stämme Ponapes noch nicht geschieden waren,
lebten in Jokasch zwei nachdenkliche junge Leute, die darüber nachsannen,
wie sie die Geister ihrer Verstorbenen und den mächtigen Gott Nan Japne
ehren sollten, und die Plätze auszeichneten, an denen sie ihnen Opfer bringen
konnten. Und so bauten sie auf dem Riffe aus Steinen ein Heiligtum Nar
son sap; doch die Leute besuchten dies Heiligtum nicht gern, da es Wind
und Wellen stark ausgesetzt, schwer ohne Kentern der Kanus zu erreichen
war. So suchten Sipe und Saupe, so hießen die beiden, nach einem andern
Platz. Sie glaubten auf dem Riff bei Neott einen geeigneten Platz gefunden
zu haben und bauten bei Jauntin ein Heiligtum, ein pei, ein pun saraui,
wie man solche vier Steinmauern nennt.
Aber auch dieses war für ihre Ansprüche nicht genügend, und so
begaben sie sich nach dem Riffe in U, aber auch hier genügte ihnen der
Bau nicht, da das Riff zu klein war.
Dann kamen sie nach Matolenim, das damals den Namen nicht hatte,
sondern Saunalan hieß. Hier auf dem breiten großen Riff errichteten sie
nun die Steinbauten, die wir heute vorfinden. Sie riefen die Steine von
Jokäs herbei, die flogen durch die Luft nach Saunalan, und aus ihnen bauten
Sipe und Saupa 50 Bauwerke/
Soweit ein Teil der Sage. Matolenim wurde der neue Name und
durch den Besitz der heiligen Stadt der erste und größte Staat in Ponape,
der auch auf der Insel die Hegemonie ausübt.
Die Bauwerke des Sipe und Saupa sind zum Teil heute noch zu
sehen. Das Wahre an dem Herfliegen der Steine ist, daß sie von weither
kamen; Kaim en Jokäs heißt heute noch ein Teil von Pankatra. Und
an der Bucht von Auak und U sieht man noch jetzt die ehemaligen, ge-
waltigen Steinbrüche, die das Material zu einem großen Teil der Bauwerke
lieferten.
Das Beispiel von Matolenim wurde ausschlaggebend für Kitti und U,
die sich in ihrer Weise für ihre Oberhäuptlinge in Roi en Kitti und in
Sellatag in U gleich peis aus Steinen bauten und mit dem gleichen Namen ver-
sahen. Auch hier weiß die Sage für Kitti einen Helden, den Lampoi sapall,
der Sipe und Saupa ihr Baugeheimnis ablauschte und in seinem Lande ein
Miniaturmatolenim errichtete.
In der Nähe dieser Ruinen wurden bei Kitam die rätselhaften Bild-
steine freigelegt, deren Bedeutung erst in jüngster Zeit bekannt geworden
und deren Alter auf 600 Jahre zu schätzen ist.
Zum Schlüsse sprach der Vortragende die Hoffnung aus, daß dies stolze
kleine Völkchen, in dem ein guter Kern steckt, zum Nutzen und Frommen
einer guten wirtschaftlichen Entwicklung der Insel wieder aufleben möchte.
Das wird um so eher eintreten, wenn eine sachgemäße Verwaltung auf
Grund von Kenntnissen der ethnischen Verhältnisse gehandbabt wird, gegen
die man seit 1907 so sehr verstoßen und dadurch das Ehrgefühl der Ein-
geborenen gereizt und verletzt hat.
— 87 —
Mittwoch, den 31. Januar 1912.
Herr Hauptmann a. D. Franz Hutter-Burghausen
i. Oberbayern: Alt- und Neu -Kamerun einst und jetzt.
(Lichtbilder.)
Einleitend bemerkt der Vortragende, daß die Zeit großer Entdeckungs-
reisen in Afrika mit dem Vorstoß Dr. Zintgraffs yon der Kamenin-Küste bis zum
Banne zu Ende gegangen ist. Kurze Bemerkungen über die unvermeidliche
relative Ungenauigkeit afrikanischer Karten folgten sodann, sowie flüchtige
Streiflichter auf germanisch-afrikanische Kolonisation bis zur Erwerbung
Kameruns als erste deutsche Kolonie.
Bei der Besitzergreifung war dieses Gebiet fast gänzlich unbekannt.
Wohl setzte anfänglich lebhafte Forschungstätigkeit ein, aber bald stockte
dieselbe infolge Aufgabe energischer zielbewußter Arbeit an amtlicher Stelle.
Endlich ging von der Jahrhundertwende an wieder frischerer Wind. Die
neu einsetzende Erschließung skizziert der Redner bis zur Erwerbung Neu-
Kameruns 1911. In diesem haben bisher ausschließlich französische Forscher
gearbeitet ; und als R^sum^ ihrer Berichte schildert der Vortragende die neu-
erworbenen Landschaften als ungefähr gleichwertig mit den korrespondierenden
westlichen Gebietsteilen Alt-Kameruns.
Bevor Redner auf die geographisch-ethnographischen Verhältnisse ein-
geht, gibt er eine Schilderung des Negers in anthropologischer und ethischer
Hinsicht, wobei er der, seiner Ansicht nach zu Unrecht bestehenden Unter-
schätzung der Schwarzen in beiden Richtungen scharf entgegentritt.
Die nun folgende geographische Überschau gliedert der Vortragende
in einen allgemeinen Überblick, unter Betonung der schroffen morphologischen
und anderen Kontraste gerade in diesem Stück Westafrikas, und in kurz-
gefaßten Beschreibungen der einzelnen „natürlichen Landschaften'' Kameruns
in orographischer, hydrographischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Er kommt
dabei n. a. zu dem geographisch interessanten Ergebnis überraschender
Ähnlichkeit des Tsad-Logone- und Kongo-Ssanga-Gebietes, indem er beide
Landschaften als erst noch im Werden begriffene Landteile charakterisiert.
Ein kurzer Überblick Über die klimatischen Verhältnisse schließt die
geographische Beschreibung der Kolonie.
Zu den ethnographischen Verhältnissen übergehend, werden 3 große
volkliche Gruppen konstatiert: Bantu- und Sudan-Neger sowie Nicht-Neger
semitischen Ursprungs. Die rein ethnographischen Momente, so nativische
und kulturelle Verschiedenheiten, veranschaulicht der Vortragende weniger
durch Wortschilderung als durch Vorführung zahlreicher typischer Licht-
bilder.
Auch hier geht Redner bald über auf die ethischen Verhältnisse und
Verschiedenheiten, auf die er überhaupt das Schwergewicht seines Vortrags legt.
Das letzte Kapitel führt zur kolonialen Nutzanwendung.
Hier wendet sich der Vortragende gegen die Unwahrheit, mit der wir
die nur unserem Vorteil dienende koloniale Arbeit bemänteln, zieht das
kolonial-wirtschaftliche Fazit aus den vorgetragenen Forschungsergebnissen
und schließt mit Darlegung seiner Anschauungen über richtige Eingeborenen-
— 88 —
Politik und -behandlung, unbedingt das inhumane brutale Verhalten vieler
weißer Elemente gegen den Neger verurteilend.
(Vgl. das Werk des Redners : Wanderungen und Forschungen im Nord-
Hinterland von Kamerun. Braunschweig, F. Vieweg & Sohn 1902.)
Mittwoch, den 7. Februar 1912.
Herr Realgyninasialdirektor Dr. phil. hon. c. Max Walter-
Frankfurt a. M. : Der Yellowstone National-Park. (Licht-
bilder.)
Der Yellowstone National-Park liegt in dem nordamerikanischen Staate
Wyoming und greift noch in die Staaten Montana und Idaho über: er
hat die ungefähre Größe des Eönigsreichs Sachsen und bildet die Form
eines Rechtecks (88 X 94 km). Zuerst hörte man von ihm durch fabelhafte
Gerüchte, die von Trappers und Jägern, die in diese Gegend geraten waren,
ausgingen, aber keinen Glauben beim Publikum fanden. Insbesondere gilt dies
▼on John Golter, der auf der Rückkehr von der nach dem Stillen Ozean
gerichteten Lewis und Clark-Expedition im Jahre 1806 das bisher
unbekannte Gebiet betrat und von Seen voll brennenden Pechs, heißen Quellen
und aufspritzenden Springbrunnen berichtete. Erst 1834 erschien ein
geschriebener Bericht über diese Geyser-Gegend durch W. A. Ferris, der die
oberen und unteren Geyser-Becken kennen gelernt hatte. Zehn Jahre
später gab der berühmte Rocky-Mountain Führer James Bridge, eine
äußerst romantische Beschreibung der empfangenen Eindrücke, und 1860
gelangte die Expedition des Oberst Raynold bei topographischen Aulnahmen
im Felsengebirge in diese Gegend, konnte wegen der großen Schneemassen
aber nicht weiter vordringen, hörte jedoch allerlei sonderbare Gerüchte über
das Quellgebiet des Yellowstone-Flusses. Nachdem nun die Goldsucher
Cook und Folsom 1869 den oberen Yellowstone besucht und eingehende
Mitteilungen über seine Naturwunder gegeben hatten, wurde General
Washburn 1870 mit einer Expedition beauftragt, die alle yorausgegangenen
seltsamen Gerüchte als Tatsachen bezeichnete und 1871 Veranlassung cur
Untersuchung des Gebiets durch Professor Hayden, den Direktor der
geologischen und geographischen Landesvermessung, gab. Das Ergebnis
dieser Expedition übertraf alle Erwartungen und führte dazu, daß am 1 . März
1872 durch Kongreßakte das Wunderland am Ycllowstone-Fluß als Staats-
eigentum erklärt und der Öffentlichkeit als Naturpark übergeben ¥rurde.
Der Yellowstone-Park stellt ein Hochplateau von der durchschnittlichen
Höhe von 2400 m dar und wird umgeben von Bergketten, deren teils mit
ewigem Schnee bedeckte Gipfel 3—4000 m überragen. Er ist geologisch jung,
aber doch so alt, daß die langsam wirkende Erosionskraft des fließenden
Wassers 300 und noch mehr Meter tiefe Furchen in den harten Felsen
gegraben hat. Die Berge haben vulkanischen Charakter, und überraU im
Park tindet man Spuren heftiger vulkanischer Eruptionen, besonders in Form
ausgedehnter Lavaüächen. Außerdem erblickt man häufig Obsidian-Felsen,
große regelmäßig gestaltete Blöcke, Versteinerungen und Kristalldrusen,
ferner auch Abdrücke von Blättern in Gestein, wo ganze Wälder der fließenden
— 89 —
geschmolzenen Lava zum Opfer gefallen sind. Die wunderbarste Ablagerung
ist die Formation bei Mammoth Hot Springs. Sie besteht aus reinem
kohlensaurem Kalk aus den darunter liegenden Schichten, der durch heißes
Wasser gelöst und an die Oberfläche gebracht worden ist. Sie ist durch
allmähliche Ablagerung verschiedener Schichten entstanden, die sich da, wo
das Wasser fließt, weiter ansetzen uud an trockenen Stellen zu Kalkstanb
verwittern.
Das Wasser wird darch große Felsenmassen erhitzt, die unterhalb der
Zone des durchsickernden Wassers noch nicht abgekühlt sind. Dasselbe
finden wir heute noch in Neu-Seeland und Island.
Das Schönste an diesen Ablagerungen ist die wandervolle Farbe.
Schattierungen von gelb und braun, hier und da mit dunkelgrünen und roten
Streifen, die prächtig zu einander passen, kennzeichnen die Bildung da, wo
das heißeste Wasser fließt; in einiger Entfernung von den heißen Quellen
herrscht rostbraun vor. Die trockenen Stellen der Ablagerangen sind
blendend weiß, und Farben treten nur bei fließendem heißen Wasser hervor,
während im Winter bei kühlerer Temperatur des Wassers die Farben ver-
schwinden. Der Grund für die intensiven Farben liegt im Wachstum der
Algen, die sich dicht an die Felsen wie eine Sammetdecke anschmiegen und
nur in heißem Wasser gedeihen.
Auch die prächtigen Farben in den Wasserbecken rühren nicht von
Mineralien her, vielmehr daher, daß die Lichtstrahlen, beeinflußt durch die
Beschaffenheit und Farbe der Beckenränder und ihrer Umgebung, verschieden
gebrochen und zurückgeworfen werden, ebenso wie die Tiefe der Becken auf
die Intensität der Farben einwirkt.
Über die Entstehung der Geyser, die in großer Zahl auf dem Gebiet
des oberen Yellowstone-Flusses in Erscheinung treten, sagt die Bunsensche
Theorie folgendes : Die erste Vorbedingung für die Entstehung eines Geysers ist
ein annähernd senkrecht nach unten gehender Spalt oder Gang, der sich all-
mählich mit Wasser aus dem umliegenden Gestein füllt. Dieses Wasser
wird durch die Hitze aus dem Erdinnern und vom heißen vulkanischen Ge-
stein ringsum bis zum Sieden erhitzt, kann sich aber anfangs nicht in Dampf
verwandeln, weil der Druck der darauf lastenden Wassersäule zu groß ist.
Mit dem wachsenden Drucke steigt aber auch die Temperatur des Wassers
cndlicli soweit, daß sich doch die untersten Schichten des Wassers in dem
Gang oder Spalt explosionsartig in Dampf verwandeln und dann infolge des
weit größeren Raumes, den sie im Verhältnis zum flüssigen Wasser, aus dem
sie entstanden sind, einnehmen, die gesamte darüber befindliche Wassermasse
nach oben herausschleudern. Den Wassermassen folgt Wasserdampf; damit
ist der Gang oder Spalt leer; er füllt sich mehr oder minder rasch wieder
mit Wasser, und das Spiel beginnt wieder von neuem, oft mit überraschender
Regelmäßigkeit.
Der Redner führt nun die Zuhörer an der Hand wundervoller farbiger
Diapositive, die ihm die Direktion der Northern Pacific Railway und
Herr Bruno Karl Henrich-Frankfurt in dankenswerter Weise überlassen
haben, in dieses Wunderland ein, indem er sie auffordert, mit ihm die sechs-
tägige Reise in einer 4spännigen Staye-Goach zurückzulegen. So gelangen
— 90 —
wir durch den stattlichen, vom Präsidenten Roosevelt eingeweihten, aus Lava-
blöcken erbaaten Eingangs torbogen am Gardinerfluß entlang nach dem
Mammoth-Hotel, von wo wir die oben schon geschilderten, durch ihre
Farbenpracht und ihren eigenartigen Aufbau berühmten heißen Wasser-Terrassen
kennen lernen. Bei der Besichtigung der Mammoth Hot Springs gelangen
wir an eine Weide, auf der eine Herde Büffel friedlich grast, eine der
wenigen Stellen, an denen noch Büfifelherden zu finden sind, die ebenso wie
die im Yellowstone-Park vorkommenden Antilopen, Elche, Bären usw. durch
das Gesetz vor der Vernichtung geschützt sind. Vom Mammoth-Hotel fahren
wir durch die eigentümlichen Formationen der Silver Gate auf gut gepflegter
Straße in kurzer Zeit ca. 300 m empor und gelangen alsdann an das Golden
Gate, das von 70—100 m über der Straße und dem Viadukt emporragenden,
mit gelbem Moos bedeckten steilen Felsen eingerahmt wird, über die der
nach Forscher Bunsen genannte Bunsen-Peak stolz hinausragt. Weiter
gelangen wir an die Obsidian Cliff, an deren Fuße die Straße sich dem
Beaver Lake entlang hinzieht — eine berühmte Stelle, an der die Indianer-
stämme sich ihre Pfeilspitzen aus dem dafür geeigneten Mineralglase herzu-
stellen pflegten. Die Straße — vielleicht die einzige Glasstrafie
der Welt — ist mit großer Mühe hergestellt worden. Nach weiterer Fahrt
kommen wir an das Norris Geys er- Becken, eine rings von Wald um-
rahmte, mit weißem Kieselsinter bedeckte Einsenkung. Gespensterhaft steigen
große und weiße Dampfsäulen in fast unzählbaren Mengen empor. Von der
„Norris LunchStation" betreten wir das Geyser-Gebiet und hören über-
all das unheimliche Brodeln und Zischen und schauen hinein in die eigen-
artigen Bildungen der Krater, die ihre glühenden Wassermassen soeben
herausgeschleudert haben.
Nach dieser ersten Einführung in die Geyserwelt gelangen wir am
Gibbon-Flusse entlang durch den steilen GibbonCanyonan den schäumenden
Gibbon-Fällen vorüber in das Tal des unteren kristallklaren Firehole-Fiusses,
an dessen Ufern heiße schwefelhaltige Quellen heraussprudeln, deren dampfendes
Wasser sich hinab in den Fluß ergießt
Nach längerer Fahrt kommen wir an das Untere Geyser-Becken,
das wir vom Fountain Hotel aus durchwandern. Der Fountain Geyser
und der Great Fountain Geyser, deren Ausbrüchen wir zufällig beiwohnen,
geben uns ein großartiges Bild der Tätigkeit der Geyser, die über das weit-
hin ausgedehnte Gebiet in großen Mengen zerstreut liegen, und zeigen uns
die wunderbare Farbenpracht der heißen Wasserbecken mit ihren vielfarbigen
Einfassungen und Ablagerungen von Schwefel, Eisen und Kieselsinter.
Besonders eindrucksvoll mitten in diesem umfangreichen Gteyser-Becken ist
der P r i s m a t i c Lake, der durch sein zauberhaftes Farbenspiel die Blicke
der Wanderer fest zu bannen weiß, und der, unübertroffen im Farbenwechsel
als die größte und schönste heiße Quelle der Welt angesehen wird (250 X
400 Fuß). Eigenartig wirken die „Farben topfe« (Paint Pots), die
an verschiedenen Teilen des Parkes wiederkehren und zu den Schlammvulkanen
gehören. Die eine Hälfte des zähen Breies feinster Porzellanerde ist schnee-
weiß, die andere durch einen schwachen Zusatz von Eisen und Kupfer rosen-
rot gefärbt.
— 91 —
Wir gelangen nun in das Obere Geyser-Becken mit dem regel-
mäßig alle 65 Minuten 40—45 m hoch emporspringenden Old Faithfnl-
G e y s e r im Mittelpunkt. Von dem nach ihm genannten geschmackvoll aus
Naturholz gebauten Gasthaus haben wir eine Übersicht über das ganze
Becken und betrachten von hier aus der Feme die Ausbrüche des Grand,
Giant, Riverside, Splendid, während wir in der Nähe neben dem
Old Faithful den Beehivc, Lion,Lioness, Castle u. a. Geyser springen
sehen können. Zwischen dem Oberen Geyser-Becken und dem
Yellowstone Lake erhebt sich die Continental Divide, die Wasserscheide
zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Ozean, die wir zweimal in der Uöhe
von rund 2700 m überschreiten und zwar unter starkem Schneefall, der der
kalifornischen Reisegesellschaft zu dem sie sehr belustigenden, ihr ungewohnten
Schneeballen Anlaß bot. Bei derThumbay Lunch Station erreichen
wir den stattlichen Yellowstone Lake, den größten aller Hochgebirgsseen
Nordamerikas, 240 qkm, 2400 m über dem Meere, umgeben von mächtigen
Bergketten und durchflössen vom Yellowstone Fluß. In seiner Nähe finden
sich mehrere schöne „Paint Pots*', viele heiße Quellen und einige Geyser,
vor allem aber dicht am See der bekannte „Fishing Cone'*, in dessen
siedendem Wasser die Fischer die im See gefangenen Forellen sofort abkochen
können. Nach kurzer Fahrt erreichen wir das am Ufer des Sees gelegene
stattliche Colonial-Hotel, von wo aus wir nach dem Nachtessen den in
der Nachbarschaft die Abfälle verzehrenden Bären einen Besuch abstatten.
Am nächsten Morgen fahren wir durch das Yellowstone-Tal am schäumenden
Flusse entlang, an dem wir noch den aufrührerischen, tobenden Schlamm-
Geyser und die einen lebhaften Gegensatz zu ihm bildende farbenreiche,
liebliche Grüne Giebel-Quelle (Green Gable Spring) besichtigen, um
dann die Stromschnellen des Yellowstone mit der Grand Canyon Brücke
und die oberen und unteren Fälle zu bewundem, die mit ihren Wassermassen
35 bzw. 115 m in die Tiefe des Yellowstone Canyon stürzen und einen groß-
artigen Eindruck hervorrafen. Aber besonders erstaunen wir über den
Grand Canyon selbst, von dessen Höhe wir hinabschauen in die vom
Yellowstone durchbrauste 450 m tiefe Schlucht. Welch unendlicher Farben-
reichtum nimmt uns hier gefangen! Die fantastischen Formationen der in
verschiedenem Grade verwitterten hohen Bergzinnen, Steinschlösser und
Nadeln erglänzen in schwefelgelber, orangefarbiger und ziegelroter Farbe,
während unten im Abgrunde die die Felsen bedeckenden Moose eine lebhaft
grilne Farbe hinzumischen. Das Gestein besteht aus Trachyt, Rhyolith und
Basalt, die, von Mangan, Eisen und Chrom durchsetzt, diese wunderbare
Färbung herbeiführen. Im Grand Canyon-Hotel, dem großartigsten
des ganzen Parks, das noch nicht vollendet ist, lassen wir noch einmal die
überwältigenden Eindrücke auf uns wirken and fahren am nächsten Morgen
durch einen herrlichen Kiefernwald vorüber an den „Wedded Trees" und
den rauschenden Virginia Kaskaden nach dem Norris Geyser-
Becken, von wo wir die erste Wanderang bis zum Mammoth Hotel noch-
mals zurücklegen. Dort löst sich nach gemeinsamem Mahle die Reisegesell-
schaft auf, voll von den einzigartigen Eindrücken des Wunderlandes, dessen
farbige Terrassen, heiße dampfende Quellen und glühende Geyser ans eine
— 92 —
der schönsten Lebenserinnerongen sein und bleiben werden. Die Begleitung
jeder Reisekarawane darch die im Fort Yellowstone und an einzelnen Teilen
des Parks kantonierten Kayalleristen schließt jeden Überfall, wie sie frfiher
gelegentlich noch stattfanden, aus und erhöht das Gefühl der Sicherheit und
Annehmlichkeit der Wanderung in hohem Grade.
Donnerstag, den 15. Februar 1912.
Seine Hoheit Herzog Adolf Friedrich zu Mecklen-
burg: Meine Iiiner-Afrika-Expedition 1910—1911. (Licht-
bilder.)
Seine Hoheit nahm eingangs seiner Ausführungen Bezug auf seine
große Expedition aus den Jahren 1907/1908, welche in der Hauptsache in
der Erforschung zentralafrikanischer Gebiete vom ostafrikanischen Graben
bis zu den Kautschuk-Gebieten am Uelle und Aruwimi, den beiden großen
Nebenflüssen des Kongo, bestand, und Afrika von Ost nach West bis zur
Kongomündung durchquerte. Die letzte Reise galt vor allem der Erforschung
des französischen Hinterlandes von Deutsch-Kamerun, des französischen und
deutschen Tschadsee-Gebietes, der Gebiete zwischen Tschadsee und dem oberen
Nil, sowie schließlich der im Golf von Guinea vorgelagerten spanischen und
portugiesischen Inseln. Begleitet war der Vortragende auch diesmal wieder
zum großen Teil von dem wissenschaftlichen Stabe der vorhergehenden
Expedition; als Leiter der Herzog selbst, als Ethnograph und Expeditions-
führer Oberleutnant und persönlicher Adjutant von Wiese und Kaiserswaldau,
als Botaniker Dr. Mildbread, als Expeditionsarzt und Bakteriologe Dr. Haberer,
welcher schon im- Süden Kameruns lange als Arzt geweilt hatte, femer als
Geograph Dr. Schnitze, als Zoologe Dr. Schubotz, alles Herren, welche den
schwarzen Erdteil aus eigener Erfahrung genau kannten; als Maler war
Herr Heims tätig. Die Expedition stand unter dem Protektorat der wissen-
schaftlichen Stiftungen des Senats der Stadt Hamburg, der ein Komitee in
Frankfurt a. M. zur Seite stand. Sie hatte sich der Unterstützung Sr. Majestät
des Kaisers und der Deutschen Kolonial-Gesellschaft zu erfreuen und war
von einem Kreise patriotisch gesinnter Herren aus Hamburg und Frankfurt
mit Geldmitteln ausgestattet worden.
Ihren Ausgangspunkt nahm die Expedition, die am 9. Juli 1910 mit
dem Dampfer „Eleonore Woermann'^ von Hamburg aus die Reise angetreten
hatte, von Kinshassa aus am Kongo. Hier trennten sich Dr. Schnitze and
Dr. Mildbread von der Expedition, um besondere topographische und botanische
Studien in Süd-Kamerun zu erfüllen. Sie erhielten den Auftrag, dieses Gebiet
nach Westen hin zu durchqueren und sich nach Erreichung der Kfiste der
Erforschung der im Golf von Guinea liegenden spanischen und portugiesischen
Inseln Fernando Po, St. Thom6, Principe und Annobon zu widmen, eine
Aufgabe, die von den beiden Herren in vollem Umfange durchgeführt wurde.
Die Hauptexpedition brach Ende August auf und fuhr den Kongo und
später den Ubangi aufwärts bis dahin, wo nach der neueston Vereinbarang
mit Frankreich das deutsche Gebiet jetzt an den UbangL heranreicht. Hier
— 93 —
waren der Herzog, Dr. Schubotz nnd Prof. Haberer einige Wochen an der
Urwaldgrenze mit zoologischen Stadien beschäftigt, um später nördlich von
Bangai, dem Sitz der französischen Verwaltung, in die Flußgebiete des
Gribengui und Shari vorzurücken, wohin Oberleutnant v. Wiese bereits vor-
gedrungen war. Der Herzog selbst beabsichtigte, von Bangui und Fort de Possei
nordwärts über Ft. Crampel und Ft. i^rchambault den Shari abwärts durch
Bagirmi den Tschadsee zu erreichen und dann östlich vom Shari und Gribengui
zum Nil durchzustoßen, ein Weg, der reiche wissenschaftliche Beute versprach
und von einem Europäer in einheitlicher Richtung noch nicht zurückgelegt
worden ist. Alle Anzeichen waren günstig, da erreichte die Expedition in
Ft. Lamy die Nachricht von der Niederlage des französischen Oberst-
kommandierenden im Tschadsee-Qebiet, Oberst Moll, der mit einer starken
Kolonne den wilden Angriffen der Wadai und Massaliths zum Opfer gefallen
war. Diese Niederlage war für die Expedition insofern von einschneidender
Bedeutung, als die ganze Gegend in Aufruhr geriet und tausende von Kriegern
jeder Karawane den Durchzug sperrten, so daß das französische Gouvernement
es für unmöglich erklärte, durch die Gebiete der Sara Kabba und das Sultanat
Dar Kuti östlich vom Shari und Gribengui nach Faschoda und den oberen
Nil durchzukommen. Schweren Herzens ließ darauf der Herzog seinen
ursprünglichen Plan fallen, beschloß vielmehr, der veränderten Sachlage
Rechnung tragend, zur genaueren Erforschung des Tschadsee-Gebietes von
Bagirmi und Nord-Kamerun dort zu bleiben und später westwärts über den
Benue und den Niger den Rückmarsch anzutreten. Oberleutnant v. Wiese
und Dr. Schubotz, die sich lange Zeit infolge schlechter Postverbindung
verfehlt hatten und erst im Oktober wieder zusammentrafen, erhielten die
Genehmigung, zum Ubangui zurückzukehren und seinem Laufe aufwärts
folgend sich zum Bahr-el-Ghazal durchzuschlagen. Weihnachten feierte die
Expedition in der deutschen Grenzstation Kusseri, die Ft. Lamy gegenüber
am Logone kurz vor dessen Einmündung in den Shari gelegen ist. Kusseri
ist eine saubere Station, gut befestigt, und macht einen vorzüglichen Ein-
druck. Die großen Niveau- Unterschiede in der Regen- und Trockenzeit
machen eine starke Abdämmung der Ufer mit Palmstämmen notwendig, um
das Abbröckeln zu vermeiden. Alle Anwohner des Logone sind vorzügliche
Fischer, die für den Fang sich großer Boote bedienen, die hauptsächlich in
Mauschaf a gebaut werden und 20 bis 30 Personen fassen können. Sie sind
aus Holzlatten gefertigt, notdürftig mit Gras verbunden und verdichtet,
so daß das fortwährend einströmende Wasser ständig ausgeschöpft werden
muß, um das Boot am Sinken zu verhindern. Der Logone ist sehr fischreich.
In getrocknetem Zustande bilden die Fische, von denen die größten (die
Kapitäne) eine Länge von weit über einem Meter erreichen können, einen
geschätzten Handelsartikel.
Kusseri diente als Ausgangspunkt für einen Abstecher in das Gebiet
der Musgum, die zwischen Shari und Logone wohnen, in dem sogenannten
Entenschnabel, der neuerdings an Frankreich abgetreten wurde. Die Musgum
sind wenig bekannt, aber unstreitig die interessanteste Völkerschaft von ganz
Kamerun, insonderheit in Bezug auf ihre Bauten. Die Bauten der Musgum-
stämme, die am Logone selbst wohnen, sind von denen, die weiter abseits
— 94 —
Yom Flaß entfernt im Busch ihre Dörfer banen, weit Terschieden. Am Logone
haben die Häuser ein tempelartiges, bienenkorbförmiges Aussehen, besonders
fällt die reiche Ornamentik auf, welche die Innen- und Außenwände schmückt.
„Auf dem Lande'' trifft man stets einzelne Gehöfte an, welche weit voneinan-
der entfernt, inmitten der großen Durrahfelder gelegen sind. Diese
(Gehöfte sind meist auf Erderhöhungen gebaut, um sie vor den großen Über-
schwemmungen, welche die größten Teile des Musgum-Gtebiets in der Regen-
zeit durch Übertreten des Logone und Shari unter Wasser setzen, zu schütsen.
— Die Inneneinrichtung der Hütten ist eine recht komplizierte, man findet
Schlafräume, femer solche für die Zubereitung des Mehls, Yorratskammem
etc. In vielen Hütten stehen Betten, die einem Sarkophag nicht un-
ähnlich sind, mit heizbaren Innenräumen ; diese Betten sind vielfach reich
ornamentiert. — Die Häuser sind ganz aus Lehm gebaut, ohne Lot oder
Fachwerk errichtet. Eine Öffnung an der Spitze der Hütte dient gleichzeitig
zur Durchführung der Luft und wird während des Regens mit einem Korbe
verschlossen. — Die Hütten der Inlandbewohner zeigen nichts von diesem
Kunstsinn. Wir finden hier die Rundhütte vor, mit Strohdach und -Wänden,
die aus senkrecht stehenden Baumstämmen bestehen und mit Lehm verkleidet
sind. Nur die spitzbogenförmige Tür ähnelt der Bauart am Logone-Flnß.
Die Musgum gehen fast unbekleidet, der Mann trägt nur einen Schurz
über das Qesäß. Die Bewaffnung der Krieger besteht aus Lanzen, von denen
manche Eisenspitzen haben; oft sieht man aber auch nur einen vom zu-
gespitzten abgeschälten Ast, der mit dem Messer roh verziert ist. Als Helm
dient eine aus Fasem dichtgeflochtene Mütze mit schneckenartigen Qebilden
an den Ohren; die Dichte der Mütze gewährleistet Sicherheit gegen jeden
Hieb. Von abschreckender Häßlichkeit sind die Frauen, die sich durch Zinn-
oder Holzteller, die in der Ober- und Unterlippe getragen werden, noch mehr
verunstalten. Ebenso findet man vielfach die Ohrläppchen durchbohrt und
erweitert. Sicherlich ist es in hohem Grade bedauerlich, daß diese Gegenden
mit ihrem Vieh- und Pferdebestand und ihren großen Wildmengen an Frank-
reich abgetreten worden sind, aber die dafür in Tausch genommenen Gebiete,
hauptsächlich im Süden der Kolonie, bieten mehr als ein Äquivalent. Wirt-
schaftlich ist „die Abtretung des Entenschnabels" wohl zu rechtfertigen, da
keine Gebietsstriche abgetreten wurden, die einen besonderen wirtschaftlichen
Wert repräsentieren.
Von Musgum nach Kusseri zurückgekehrt, konnte die Expedition einer
großen militärischen Veranstaltung zur Feier von Kaisers Geburtstag bei-
wohnen. Die fünf größten Sultane Nord-Kamemns und in ihrer Begleitung
12 000 Mann, darunter die Hälfte Reiterei, waren auf den Ruf des deutschen
Residenten erschienen. Die Pracht der Kostüme, die blitzenden Panzer und
Helme der Reiter, die kostbaren Behänge und der Deckenschmuck der Pferde,
welche das Tier vom Hals bis zur Fessel umhüllten, erinnerten die Zuschauer
an die Zeit der mittelalterlichen Turniere. Ein derartiger Helm, den der
Herzog für schweres Geld erstand, entpuppte sich bei näherer Betrachtung
als eine alte, von Europäern fortgeworfene Konservenbüchse.
Eingehend berichtete Seine Hoheit über den Besuch des Tschadsees
und seiner Inseln, die vom Shari aus Mitte Febmar erreicht wurden. Der
— 95 —
Tscb&dsec gehört heate noch za einem der interessantesten geographischen
Probleme, bedonders, da die Frage des gewaltigen Wasserverbleibs zur Trocken-
zeit noch nicht einwandfrei geklärt ist. Als die Expedition den Tschad er-
reichte, führte er noch viel Wasser, so daß die ersten Inseln, die nach
3 stündiger Dampferfahrt von der Mündung des Shari aus erreicht wurden,
unter Wasser standen. Die ersten trockenen Inseln wurden in einer weiteren
Stunde nördlich gesichtet. Der gesamte Norden des Sees beherbergt eine
große Menge von Inseln ; von ihnen wurden fünf betreten und gründlich ab-
gesucht.
Ihre Oberfläche besteht aus feinem Flugsand, ihre Vegetation ist
typisch für die weitere Umgebung des Sees bis hinauf nach Tripolis und die
Sahara und besteht in der Hauptsache aus Tamarinde, einem Besenpfriem
und einer Blattpflanze (Kalotropis procera), arabisch Oschar, aus deren Stamm
eine Faser gewonnen wird, die zu allerhand Flechtwerk dient. Die Bewohner
scheiden sich in Buduma und Kuri, sie bekennen sich zum Islam. Die an-
fängliche Scheu wurde bald durch das allmächtige Zaubermittel, den Maria
Theresien - Taler, überwunden. Vor wenigen Jahren noch leisteten die
Insulaner allen Annäherungsversuchen der Franzosen hartnäckigen Wider-
stand, bis eine gründliche Unterwerfung sie gefügig machte. — Der Typ er-
innert lebhaft an die Völkerschaften des Sudans. Der Hüttenbau ist recht
primitiv und kunstlos, die Hütten bestehen aus Holzgestellen, die lose mit
Qras überdeckt sind, oder aus besser gearbeiteten Häusern, deren Wände
aus Knüppel werk bestehen, mit gut geflochtenem Strohdach. Stark ist die
Plage der Moskitos, gegen die man sich durch ein eng aus Fasern geflochtenes
Netz schützt. Die Insulaner sind vorzügliche Viehhalter. Auffallend ist
die weiße Farbe bei allem Vieh, seltener findet man gesprenkelte oder bunte
Exemplare. Die großen Homer des Rindes weisen auf die Verwandtschaft
mit dem Kanem-Vieh hin, daß wohl mit Sicherheit als das Stammvieh an-
zusehen ist. Ein lebhafter Viehhandel entwickelt sich mit den westlichen
Seestaaten. Große Viehtransporte werden auf Ambadschbooten, die hier all-
gemein üblich sind, nach Kekua gebracht und zwar hauptsächlich zur Zeit
der größten Wassertiefe.
Nach Rückkehr vom See wurde Anfang März in Fußmärschen Abilela
erreicht, ein überaus waldreiches Gebiet, aus dem u. a. einige Giraffen als
erste Vertreter ihrer Form nach Deutschland gesandt werden konnten. Dann
ging es nach kurzem Aufenthalt über die französische Hauptstadt Ft. Lamy
und der ihr gegenüberliegenden deutschen Station Eusseri nach Bagirmi.
Die Route ging über Massenja, Tscheckna nach Melfi. Der Sultan von
Bagirmi, Garuang, unterhielt früher rege Beziehungen zu Konstantinopel, und
auch jetzt noch scheinen diese nicht ganz abgebrochen zu sein. Garuang
spielte in den 90 er Jahren, in den Rabeh'schen Kämpfen, eine bedeutsame
Rolle. Er war einer der wenigen, die das Ende des ungleichen Kampfes
der Franzosen mit Rabeh voraussahen und sich klüglich auf die Seite der
letzteren stellte. Dies rettete ihm Leben und seine Herrschaft. Zur Zeit
dieser Kämpfe, die Rabeh ein Reich vom Tschadsee bis zum Ubangui schufen,
wurde auch die damalige Hauptstadt Massenja, deren Namensklang heute
noch jenseits des Bosporus wohlbekannt ist, zerstört. Von Rabehs Tod
— 96 —
und Auflösung seines Reiches datiert die Gründang Tschecknas, eines Riesen-
dorfes, dessen Häuser, wie überall in Bagirmi, aus einfachen Hütten mit ge-
flochtenen Wänden und geflochtenen Hofumzäunungen besteht. Massenja
zeigt heute noch die Überreste der alten Lehmmauer, welche zur Zeit der
Sklavenkämpfe als Schutzwall errichtet wurde.
Je weiter die Expedition nach Westen vorging, desto mehr steigerte
sich die Hitze. Das Schleuderthermometer registrierte bald 45^ und ging
des Nachts etwa auf 38^ herunter, weshalb, sobald der Mond schien, des
Nachts marschiert wurde.
Am Tschadsee bedient man sich statt des sonst üblichen Trägermaterials
Tragochsen, die den Vorteil haben, daß sie zwei Lasten schleppen, aber
bedeutend langsamer als die Menschen marschieren. Der Kämpfe um Abescha
wegen, wohin alles gute Tiermaterial hingezogen war, mußte sich die
Expedition anfangs mit sehr mangelhaften Tieren begnügen, die oft versagten
oder wild wurden und entliefen, so daß das Weiterkommen ungemein erschwert
wurde. Dazu gesellte sich empfindlicher Wassermangel. Manche Wasser-
stellen lagen 50 bis 70 km auseinander und waren nur durch anhaltende
Märsche von manchmal über 20 Stunden zu erreichen. Die Wasserstellen
bestehen häufig aus kreisförmigen Reservoiren, die von einem etwa 10 cm
hohen Lehmrand umschlossen sind, und führen nur wenig Wasser. Das
verdunstete oder vom Vieh ausgetrunkene Wasser wurde aus Ziehbrunnen
ergänzt, welche oftmals tiefer als 10 Meter sind und in fast jedem Dorfe
Bagirmis angetroffen werden.
Die Flußläufe (Bahr), die zur Trockenzeit noch Wasser haben, und an
denen zu lagern das Angenehmste ist, bilden den Tummelplatz allen Wildes.
Man sieht hier Pferde-Antilopen, Leier- und Kuh- Antilopen, Wasserböcke
und Gazellen fast ohne Scheu ihr Durstgefühl löschen, während Enten, Reiher,
Gänse und Wassergeflügel aller Art zu Tausenden sich tummeln. Aach
beobachtete die Expedition große Heuschreckenschwärme, die sich in un-
absehbaren Scharen auf den Uferbäumen niederließen. Diese Schwärme worden
meist des Nachts beobachtet und dehnten sich im Vorbeiflug über 20 Minuten
lang in unabsehbarer Breite aus. Ein solcher Schwann ist imstande die
Ernte eines ganzen Jahres einer Dorfschaft zu vernichten.
In Bagirmi gelang es der Expedition, außer reichen zoologischen and
ethnographischen Sammlungen wertvolle Aufzeichnungen über den Islam, sein
Erscheinen und seine Bedeutung, sowie zahlreiche Sprachaufnahmen zu machen,
die späterhin in den westlichen Gebieten am Shari ihre Ergänzung fanden.
An den Ufern der Bahrs sieht man zur Trockenzeit femer große Mengen
von Arabern, welche ihren Herden hier Weide geben. Die Araber- und
Fullah-Stämme sind die einzig viehhaltenden und versorgen die Ureinwohner
Bagirmis mit Milch und Fleisch. Sie sind über ganz Bagirmi weit verzweigt.
Der bedeutendste Stamm ist der der Dahahere; dieser große Stamm besteht
aus 12 Unterstämmen, die sich wiederum aus 8 bis B kleinen Unterabteilungen
zusammensetzen, so daß dieser eine Stamm viel tausend Köpfe zählt. Die
Araber Bagirmis haben mit den nordafrikanischen Stämmen sehr wenig
gemein. Die Hautfarbe hier ist eine viel dunklere, und selbst die Sprache
weicht erheblich von dem nordafrikanischen Dialekt ab. Interessant ist der
— 97 —
Typ der Fullah, die yon wesentlich hellerer Hautfarbe Bindernd die klassisch-
Bchönen Semiten repräsentieren.
Der Ton Norden her eingedrungene und langsam nach Süden Yor-
dringende Islam dürfte in Bagirmi kaum 300 Jahre alt sein und hat eine
Linie erreicht, die sich, von Osten kommend, südlich von Melfi bis an den
Shari hinanzieht, sich dann bis nördlich des Masgom-Qebiets auf dessen
rechter Seite hält und nach Westen hin sich in das Grebiet der Fulbe südlich
des Entenschnabels und der Bornu yerliert. Am Tschadsee selber ist der
Islam tief eingewurzelt und man findet hier auch geschlossene Moscheen, die
schmucklos aus Lehm errichtet sind. Weiter südlich, wie bei Busso, wo er
weiter nichts als Firnis bedeutet, sieht man den Qebetplatz häufig nur von
einer offenen Lehmwand umschlossen. In Busso soll der Islam vor kaum
50 Jahren eingezogen sein.
Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft ist in der Trockenzeit sehr niedrig
und hält sich in den Waldsteppengebieten, in welchen hauptsächlich Gummi
arabicum, Guttapercha, Akazienarten usw. gefunden werden, auf 15%,
in der Gegend von Melfi, um welches sich das Sokoro-Gebirge aufbaut, stieg er
auf 40 bis 60 ^/o. In diesen Gebirgsgegenden fanden sich andere meteorologische
Verhältnisse vor als im Steppengebiet, denn während hier noch Tolle Trocken-
heit herrschte, wies das Gebirge eine ganz in sich abgeschlossene Regenzeit
auf, die alles grünen ließ und angenehmste klimatische Abwechslung brachte.
Nur unangenehm waren in der Nacht die Sandstürme, die den Schläfer, der
gezwungen war, der Hitze wegen das Feldbett unter freiem Himmel aufzu-
stellen, häufig mit einer dichten Sandschicht bedeckten. Das Gebirge be-
steht aus Inselbergen mit einem größeren Stock, der etwa 900 m hoch ist.
Granit und Quarzite bilden den Hauptbestandteil. Die Vegetation ist am
Fuß eine leicht passierbare ; auf dem Kamm der Berge stehen Bambuspartien.
Das Gebirge wird von einer großen Anzahl yon Stämmen bewohnt, die einen
regen Handelsyerkehr mit Inlandprodukten unterhalten (Baumwolle, Indigo,
Hülsenfrüchte, Durrah, etc.) und diese auf den allwöchentlich zweimal statt-
findenden Markt nach Melfi bringen, wo leider auch schon die schlechten
europäischen Tauschartikel anfangen sich einzuschleichen. Interessant war die
Beobachtung, daß der Maria Theresien-Taler hier seine Kaufkraft yollkommen
yerlor ; als Zahlungsmittel gelten Baumwollstreifen von 6 cm Breite und
100 m Länge, die yon Männern gewebt und den Wert eines Talers (3 frs)
darstellen. Der bedauernswerte französische Postenführer war genötigt ge-
wesen, im yerflossenen Jahre 24 000 fr Steuern in diesem unbequemen
Zahlungsmittel anzunehmen, die mehrere Häuser bis zum Dach füllten.
Außer der Weberei verdankt auch die Färberei dem Eroberer Rabeh ihre
Einführung, hierzu liefert die Indigostaude die Farbe.
Bei den Kirdi (Heidenstämmen) herrschen noch viel Unsitten, da hier
der Enropäereinfluß noch ein ganz minimaler ist. Die Sitte, einem toten
Häuptling lebende Sklaven zur Seite zu legen, herrscht im Geheimen noch
überall. Die Expedition marschierte nun auf einem nur einmal von Europäern
betretenen Wege an den Shari zurück, den sie am 1. Mai 1911 erreichte.
Es war dies der erste Regentag, der die große Regenzeit 1911 einleitete,
der Shari befand sich infolgedessen noch auf seinem tiefsten Niveau. Die
— 98 —
beiden Ueckraddampfer, die etwa 20 t fassen, ^Li^on Bloo' and .Jaqnes Dos^ic'
genannt, die bereits seit 12 Jahren unter schwarzer Führung den Floß be-
fahren, lagen um diese Zeit trocken. Stahlboote müssen während der regen-
losen Zeit die gesamten Bedürfnisse und Lasten der Europäer und diese
selbst nach Ft. Lamy und Grampel befördern. Eine solche Reise in der
Trockenzeit, bei welcher die Boote oftmals festsitzen, dauert Yom Tschadsee
bis nach Grampel 62 Tage, während sie bei Hochwasser und stromabwärts
in 11 Tagen erledigt wird.
Der Weitermarsch führte von Busse nach Lai und am Logone entlang
durch enorme, fast baumlose Savannen nach Ham, der damaligen Grenzstation,
und Bongor, die Gebiete der Bana. — Der Posten Lai ist unstreitig der
bedeutendste und der bestangelegteste in diesem Gebiet. Er zählt ungefähr
3000 Einwohner. Neun Volksstämme vereinigen sich hier, von denen der
Stamm der Kaba der bedeutendste ist. Die Männer sind Hünen von Gestalt
und tragen als Kleidung lediglich eine dunkle Ziegenhaut nach Art der
Mgama. Der Lieblingsschmuck der Weiblichkeit besteht in Perlen, die zu
dicht geflochtenen Schnüren um Hals und Leib getragen werden und oftmals
den Kopf in Kappenform umschließen.
Die Bana und die im Lai-Gebiet wohnenden Kaba und Massa sind
prächtige Volksstämme, die Alänner von kräftigem Körperbau, von denen uns
manche zur Urbarmachung unserer neuen Landstriche noch gute Dienste
leisten werden, sobald sie sich an die unbedingt notwendige straffere deutsche
Disziplin gewöhnt haben werden. Sie sind auch vortreflfliche Fischer, die,
mit lanzettförmigen Handnetzen von der Größe eines Mannes ausgerüstet,
große Geschicklichkeit beim Fischfang an den Tag legen. — Die Gehöfte
ähneln in der Anlage denen der Musgum. Sie liegen inmitten der Felder
und stehen auf Erdaufschüttungen, die sie vor den großen Überschwemmungen
zur Regenzeit, welche die gesamten Uferländer des Shan auf 100 km hinaus
unter Wasser setzen, schützen sollen. Die Häuserform aber ist trotz der
Nachbarschaft der merkwürdigen Musgumhütten eine ganz andere und ent-
spricht mehr dem Häuserbau der Kotoko. — Bei Palla südlich des Tuburi
befinden sich große Eisenlager, die von den Eingeborenen verwertet werden.
Dies hat zur Folge, daß Eisen billig ist und allgemein als Zahlungsmittel
gilt. Im besonderen werden hierzu die Wurfmesser verwendet und Eisen-
barren von etwa öO cm Länge, die einen Wert von 20 Gentimes repräsentieren.
Die Expedition marschierte am ganzen Tuburi-Flußsystem entlang,
dessen nähere Beschreibung den Rahmen des Vortrages überschritten haben
würde, hinein in die Gebiete der FuUah, die einer Enklave gleich sich von
Norden hier einschiebt und enge Fühlung mit Binder unterhält. Weiter
westlich ziehend gelangte die Expedition nach Lere, dem Hauptsitz der
französischen Verwaltung im Mundang-Gebiete. Lere befindet sich heute in
deutschem Besitz und wird sicherlich eine unserer wertvollsten und bedeutendsten
Stationen werden. Freilich müßte auch hier die deutsche Verwaltung für
Ordnung und Disziplin sorgen, ehe mit der überaus furchtsamen Bevölkerung,
die heute noch bei der Annäherung jedes Weißen das Weite sucht, als Hilfs-
kraft bei der Kultivierung des Landes und der Gestellung als Trägermaterial
zu rechnen sein wird. Namentlich wird der Sultan Ganthiome eine wertvolle
— 99 —
Stütze werden. Selbst die Franzosen haben es verstanden, diesen Häuptling
zur Natzang des Landes heranzuziehen, indem sie ihn in geschickter Weise
an ihren Unternehmungen (hauptsächlich Baumwollpflanzungen) finanziell
beteiligten. Die Macht dieses Mannes ist weit größer als die der kleinen
Sultane des Tuburi-Bezirks, die in ganz losem Zusammenhang mit ihren
Untertanen stehen und sich kaum irgendwelcher Autorität erfreuen.
Die Bauart der Mundang ist überaus bemerkenswert; wir finden hier
das Strohdach vorherrschend, und die Qehöfte machen mit ihren aus Lehm
gebauten turmartigen Aufbauten, die meist ein mit Lehm überklebtes Reisig-
dach ziert, den Eindruck kleiner Kastelle. Der Innenraum des Palastes ist
ein wahres Labyrinth. Außer den Wohnräumen für den Sultan, Vorrats-
kammern und Ställen für die Leibpferde, den Wohnungen für die Kinder,
finden wir um den Kern der Anlage eine Ringstraße noch innerhalb der
Mauern von etwa 5 m Breite. Diese dient zum Aufenthalt der zahlreichen
Frauen, von denen jede mehrere Räume zur Verfügung hat. In diese Räume,
deren Innenwände glatt „poliert'' sind, führen oftmals mehrere kunstvoll
gebaute Stufen hinauf. Gegenüber jeder Wohnung befindet sich eine Vorrats-
kammer in Form eines Turmes ; die Öffnung hierzu ist oben an der Mündung,
eine Leiter führt zu ihr hinauf. — Während die Frauen in ihrer Häuslich-
keit äußerst primitiv gekleidet sind, schmücken sie sich, wenn sie zum Tanze
gehen, in ganz absonderlicher Weise. Vom Halse bis zu den Füßen sind
sie eingehüllt in allerlei bunte Tücher, reicher Perlenschmuck umgibt den
Hals und die Brust, während den Kopf ganz eigentümliche Gebilde zieren.
Zum Weitermarsch nach Westen wurde die Etappenstraße benutzt,
die damals durch französische Offiziere in Stand gesetzt wurde. Diese In-
standsetzung ging nur sehr langsam vor sich, besonders ließ die Schnellig-
keit und Güte beim Brückenbau sehr viel zu wünschen übrig. Der Trans-
port der zahlreichen Lasten, welche die Franzosen infolge der Truppen Vermehrung
in Wadai gebrauchen, erfordert neue Anfahrtstraßen, das ganze Menschen-
material am Shari, der jetzt gebräuchlichen, reicht zur Beförderung nicht
mehr aus. Daher hat die Regierung als neue Zufahrtstraße den Niger-Benue
in Aussicht genommen, aber auch hier stößt die Beförderung der Lasten auf
große Schwierigkeiten. Bei der Anwesenheit der Expedition in Fianga am
Tuburi waren 500 t zur Beförderung für die nächsten Monate angemeldet,
eine unmöglich scheinende Forderung, wenn man bedenkt, daß für die Be-
schaffung von 50 Trägem vier Tage benötigt wurden. — Die in Frage
kommenden Firmen haben nun, um sich von dem Trägermaterial unabhängig
zu machen, außerdem zweirädrige Karren eingeführt, die von aus Wadai
importierten Pferden gezogen werden und deren jeder etwa vier Lasten trägt.
Der Zustand der Etappenstraße in der Regenzeit behindert diesen Transport
aber außerordentlich, weil die Wagen tief einsinken, außerdem geht der
größte Teil der Pferde durch die Tsetse zu Grunde. Die Franzosen, denen
ja der Durchmarsch auf der Etappenstraße unter gewissen Bedingungen ge-
stattet worden ist, werden daher für die nächste Zeit immer noch gezwungen
sein, auf das nun deutsch gewordene Trägermaterial zurückzugreifen, was
auf die Steuerkraft des Landes einen nicht unwesentlichen Einfluß ausüben
dürfte.
— 100 —
Sobald die Expedition die deutsche Qrenze erreicht hatte, waren aDe
Schwierigkeiten behoben. In beliebiger Anzahl standen Träger snr Verfflgang,
während alle Sultane der FuUah, mohamedanische Völkerschaften, mit ihren
Unterhäaptlingen und ihrem Anhang bis Garua, fünf Tage lang, das Qeleite
gaben. — Garua ist unzweifelhaft nicht nur die schönste, sondern auch die be-
deutendste Station aller hier oben in Frage kommenden Gebiete, immer mehr
sieht sich der Handel aus dem englischen (Gebiet Tola hierher. Garua würde
noch mehr an Bedeutung gewinnen, wenn die Zufahrtstraßen Ton der atlantischen
Küste bessere wären. Der Benue, der an den Mauern der Stadt Torbeiflieftt,
ist nur in den Monaten August-September für kleine Dampfer befahrbar.
Während der Zeit des fallenden und tiefen Wassers ist man auf die unge-
nügende Anzahl von Stahlbooten, ja sogar auf Eingeborenenboote angewiesen.
Aber diese sind sehr klein und äußerst zerbrechlich; mehr als einmal hat
die Station durch Kentern dieser Boote den Verlust der Heima^ost beklagen
müssen; wertrolle, zum Lebensunterhalt der Station unbedingt notwendige
Sachen gingen auf diese Weise Terloren. Dazu kommt, daß die Fahrt Ton
Lokodja bis Garua nicht weniger als 52 Tage in Anspruch nimmt. Diese
Fahrt ist äußerst ermüdend und anstrengend. Die Beamten, die nach dieser
mühsamen Reise in Garua eintreffen, sind von ihr so mitgenommen, daß sie
oftmals unflkhig zur Arbeit sind. Die Verbesserung der Verkehrswege tut
daher bitter not. Die Weiterführung einer Wegstrecke von der Westküste
bis hier hinauf ist daher ein Qebot absoluter Notwendigk^t. Für die
Weiterbeförderung der Post Ton (}arua nach den Nordstationen Dikua, dem
neu anzulegenden Mora und Kusseri, käme die Verwendung Yon Flugzeugen
in Frage.
Diese Frage ist bereits Ton nahmhaften Ariatikem geprüft, und eine
Denkschrift, die auch schon das Interesse der höchsten Kreise gefunden hat,
liegt Tor. Es ist höchste Zeit, daß Deutschland endlich die Verwendung
Ton Flugzeugen in seinen Kolonien emergisch betreibt. Die Kosten hierfür
sind Terhältnismäßig gering und belaufen sich bei einem regelmäßigen Ver-
kehr Ton vier Flugzeugen, Ton denen zwei im Gebrauch und zwei in der
Reserre zu halten wären, bei einer Entfernung Ton 800 km auf nur
Ji 260000. — Wir haben in allen deutschen Kolonien für die Verwendung
des modernsten Verkehrsmittels sehr geeignete (Gebiete, deren zweite Au^^abe
dann auch die Landesaufnahme wäre. Durch das photogrammetrische Ver-
fahren Yon der Luft aus würden sich Aufnahmen schneller, besser und billiger
machen lassen, als dies von der Erde möglich ist.
Zum Schluß betonte der Herzog, daß wir Deutschen das Z«ug zu
ausgezeichneten Kolonisatoren haben, freilich könnten wir Ton unseren
französischen, belgischen und englischen Nachbarn in der Großzügigkeit der
Durchführung verkehrspolitischer Fragen eminent viel lernen, auf dem Wege
der inneren Verwaltung aber und der Gleichmäßigkeit der Eingeborenen*
behandlung würden wir Ton keiner Nation mehr überholt, und mit dieser
günstigen Gesinnung stehe er nicht allein da, sondern befände sich in Über-
einstimmung mit denen, die in langen Reisen Gelegenheit gehabt hatten^
fremde Kolonien mit deutschen zu Tergleichen, und wahrlich nidit zn Un-
gunsten der letzteren.
— 101 —
Mittwoch, den 21. Februar 1912.
Herr Professor Dr. Richard Linde-Hamburg: Die
Niederelbe. (Lichtbilder.)
Der Vortragende ging von dem Namen .Elbe* aus, der .Wasserlauf*
bedeutet, und wies darauf bin, daß der letzte Stromabscbnitt seit alters
„Niederelbe" gebeißen babe, nicbt etwa „ünterelbe". Diese Bezeicbnung
sei erst mit der zablreicben binnendeutschen Zuwanderung aufgekommen. Jetzt
dringt allmählich überall die alte Bezeichnung „Niederelbe" wieder durch. Für
die Seeschiffahrt kommt das Wasser der oberen Elbe kaum in Betracht.
Es ist das Flutwasser Tom Meere, das die großen Schiffe hinauf- und hinab-
trägt. Besonders merkwürdig ist der große Salzreichtum der Elbe.
Sodann ging der Redner auf die Entstehung der Niederelbe ein und
den geologischen Bau der Geesthügel an beiden Seiten des Stromes, wies auf
die freiliegenden Grundmoränen der Eiszeit hin, die Massen groben diluvialen
Sandes in der Tiefe der Eibniederung und die starke Schlickbildung, die in
den neuen Häfen Guxhafens an manchen Stellen vier bis fünf Meter jährlich
beträgt, auf die Dünenbildungen, Schlamminseln mit ihrer eigentümlichen
Vegetation im Süß-, Brak- und Salzwassergebiet der Niederelbe, auf die
natürliche Erhöhung des üf errandes der alten „Fleete" und auf die Moorbildungen
zu beiden Seiten des Stromes. Marschbilder aus der Gegend von Haseldorf
zeigten die Marsch noch in der Wildnis der Vorzeit. Besonders wichtig für
die Ausbildung des Stromes war der Durchbruch der Felsriegel zwischen
England und Frankreich. Der Vortragende erzählte von der Besiedlung
des niederelbischen Gebietes, wies auf die besondere Art der Besiedlung hin,
den Wurtbau, die Deiche, die Grabenführungen der altsächsischen und
späteren holländischen Siedler und zeigte, wie das ganze Gebiet infolge
der Bedeichung in zahlreiche kleine Einzelterritorien sich sondern mußte,
die auch noch heute in Tracht, Hausbau und Sitte yielfache Unterschiede
zeigen. Zahlreiche, von dem Vortragenden aufgenonunene Bilder aus den
Vierlanden, dem Alten Lande, Wilster, Kehdingen, Hadeln, Fleethbilder,
Hafenbilder, Geestbilder, Wattenbilder von Neuwerk, Scharhörn und Süderidth-
marschen illustrierten den Vortrag. Eine Betrachtung und Würdigung der
eigentümlichen und noch kaum bekannten landschaftlichen Schönheit dieses
Wasserlandes bildete den Schluß des Vortrages.
(Vgl. das Werk des Vortragenden: Die Niederelbe, Berlin, Bielefeld
und Leipzig, Velhagen & Klasing, 1908.)
Mittwoch, den 28. Februar 1912.
Herr Oberleutnant Jasper von Oertzen-Berlin: Ans
Urwald ond Steppe Afrikas. (Lichtbilder.)
Der Redner stellte in seinen Ausführungen die beiden Hauptlandschafts-
charaktere unserer Kolonie Kamerun, Urwald und Steppe, gegenüber. Bei
Schilderung des Urwaldes und seiner Verkehrswege, schmaler, kaum manns-
— 102 —
breiter Pfade, legte er die Einflüsse dar, welche der Wald auf die Eigenart
seiner Bewohner austiht. In Familien oder Sippen zusammenlebend, sind sie
nur mit der nächsten Umgebung der Dörfer vertraut und schon anf wenige
Standen Entfernung dünkt ihnen alles Land fremd und feindlich. Wie
schwierig unter solchen umständen die dienstlichen Funktionen des Leiters
eines im Urwald liegenden Postens sind, liegt auf der Hand, zumal bei Auf-
sässigkeit der umwohnenden Bevölkerung die Kriegführung eine sehr schwierige
ist. Nur die vorzüglichen Leistungen der eingeborenen Soldaten vermögen
hier Erfolge zu gewährleisten. Sodann erzählte der Vortragende vom fried-
lichen Stationsleben, von dem gerichtlichen Austrag von Steitigkeiten (Palavern),
schilderte Sitten und Gebräuche der Eingeborenen, wobei er unter anderem
der Moden bei den Urwaldstämmen, auch der kunstvollen Frisuren der ein-
heimischen Damen gedachte, zu deren Herstellung die schwarzen Friseusen
außer viel Zeit auch viele Kosmetica verwenden : Harz, Butter, Palmöl, Rot-
Räucherholz, feuchten Lehm und dergleichen. Die Bulu, Bakoko und Jaunde-
Schönen tragen unterhalb des Rückens den mit Recht so beliebten „Ebui"
eine Art Schweif, der den koketten Hüftbewegungen anmutig folgt.
Redner gedachte sodann des Kanibalismus, den man manchmal trifft
ebenso der Sekte der „man tiger'^ Der Europäer schreitet natürlich gegen
derartiges Barbarentum energisch ein, und es steht zu erwarten, daß die
grausamen Sitten, wenn erst mehr Freizügigkeit herrscht, sich von selber
ausrotten. Es folgte die Schilderung einiger religöser Bräuche, auch des
Aberglaubens und schließlich des Tanzes und der Musik, worauf Redner zur
Betrachtung der Grasländer überging. In der Hauptsache besprach er das
südlich des Tschad-Sees liegende Sultanat Bomu, in welchem der Vortragende
während seines letzten Kameruner Aufenthaltes stationiert war. Dem Sultan
Cheu Sanda ist nur noch ein Restchen seiner einstigen Macht geblieben, denn
in dem unter die europäischen Mächte aufgeteilten Afrika ist kein Platz
mehr für heimische Despoten. Sanda hält jeden Freitag die farbenpriUshtige
„Summa" das heißt Parade ab. Die Reiterscharen in stählernem Netzhemd
auf wattegepanzerten Pferden und das bunte Menschengewimmel erwecken
Bilder aus Tausend und eine Nacht. Im übrigen wurde eingehender des
Landes und seiner Bewohner gedacht, wobei natürlich die hehrsten aller
Frauengestalten, die Schnabel damen, besondere Erwähnung fanden. Die
heidnischen Musgoms spalten Ober- und Unterlippe ihrer Frauen und befestigen
in den Löchern handtellergroße Platten aus Kürbisschalen. Der Mund fplt
ihnen nur schön und vollkommen, wenn er wie ein Entenschnabel nach vorne
steht und ebenso emsig und geräuschvoll wie dieser bewegt wird.
Besonders wurde der Wildstand des Landes geschildert und auf die
Dezimierung vieler Wildarten, namentlich der Elefanten, durch unverständiges,
herzloses und gieriges Schießen hingewiesen. Das Raubwild Übt nach Ansicht
des Vortragenden eine Art Zuchtpolizei aus.
In einem Schlußwort bat der Redner, unseren Kolonialpionieren ihre
harte Arbeit nicht durch kleinliche Kritik zu erschweren und er betonte, daß
allein schon der Besitz einer Kolonie, und läge sie inmitten der Wüste,
hohen Wert habe. Die Beackerung des alten Bodens ist nichts für den
Germanen, er mufi Neuland haben, in das er seinen Pflug graben kann.
— 103 —
Mittwoch, den 6. März 1912.
Herr Professor Dr. Leonhard Schultze-Kiel: Strom-
fahrten und Gebirgswandernngen im Innern Ton Neuguinea.
(Lichtbilder.)
Dem Vortragenden bot sich als Führer der deutschen Grenzezpedition
in das Kaiser-Wilhelm-Land auf Neuguinea (1910) gute Gelegenheit, die
Daseinsbedingungen der Eingeborenen im Wechsel der durchwanderten Land-
schaften vergleichend zu studieren. Zwischen der Humboldt-Bai im Westen
und dem Kap Germaniahuc im Osten hatte die deutsche Grenzexpedition am
Tami-Flüßchen ihr Standlager errichtet. Von da drang sie südwärts ins Innere
vor, in der Hoffnung, auf den Kaiserin-Augusta-Strom zu treffen, dessen
Oberlauf die Vermutungen der Kartographen in nicht allzugroße Entfernung
von der Küste gelegt hatten. Nach Überschreitung der Gebirgszüge aber,
die als Wasserscheide des Augusta-Stromes und des Küsten wassergebietes zu-
nächst angetroffen wurden, öffnete sich eine Ebene mit einer Wasserader, die
in immer entschiedener westwärts gerichtetem Verlaufe bald jede Hoffnung, auf
ihrem Wege weiter südwärts in den Urwald eindringen zu können, abschnitt.
Die Expedition kehrte deshalb zur Küste zurück und gelangte auf dem Wege des
Augusta-Stromes selbst von der Mündung weit in die bisher unerforschten
Gebiete des Oberlaufes.
Ein Vergleich der Daseinsbedingungen der Stämme längs der Küste
zwischen Germaniahuc und der Humboldt-Bai mit denen des gebirgigen
Innern einerseits, des Augusta-Stromgebietes andrerseits bildete die Grund-
lage für die Schilderung der Volkstypen, mit denen die Expedition in Berührung
kam. Eine ausführliche Darstellung bleibt der Berichterstattung nach
erfolgter Bearbeitung der Sammlungen vorbehalten.
(Der erste Gesamtbericht über die Forschungsreise des Redners ist in
den Mitteilungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Leipzig für das Jahr 1911,
Seite 23 ff., Leipzig, Duncker & Humblot 1912, zum Abdruck gelangt.)
Geschäftliche Mitteilnngen.
Bericht über die Tätigkeit des Vereins
iD den Jahren 1910—11 und 1911—12.
(Abgeschlossen am 15. August 1912.)
Der Zeitraum, über welchen die gegenwärtige Bericht-
erstattung sich erstreckt, gehört zu den bedeutungsvollsten in
der Geschichte unseres Vereins. War es uns doch vergönnt, am
17. Dezember 1911 unser 75. Stiftungsfest in feierlichster Weise
zu begehen und bei dieser Gelegenheit die Ergebnisse unserer
Sunda-Expedition der Öffentlichkeit zu unterbreiten, indem der
I. Band unseres Sunda -Werkes dank der hingebenden Tätigkeit
seines Verfassers, unseres Expeditionsleiters Herrn Dr. E 1 b e r t,
rechtzeitig an unserem Feste als Festschrift vorgelegt werden
konnte.
Da unsere Expedition sich in ihrem Verlaufe wesentlich über
das ursprünglich geplante Gebiet hinaus ausgedehnt hat und mit
unerwartet reichhaltigen Forschungsresultaten zurückgekehrt ist,
so ergab sich, um sowohl den äußeren Verlauf der Expedition
als auch die gewonnenen Ergebnisse genügend zur Darstellung
zu bringen, die Notwendigkeit, die Festschrift erheblich umfang-
reiclier zu gestalten und statt des einen beabsichtigten Bandes
deren zwei erscheinen zu lassen. Daß diese Erweiterung die
Mittel des Vereins in weit höherem Maße in Anspruch nehmen
mußte, als anfänglich vorgesehen war, bedarf keines weiteren
Hinweises, doch glaubte sich der Vorstand im Hinblick auf die
durch die Ergebnisse der Expedition veränderte Sachlage im
Interesse der Wissenschaft der Forderung einer erschöpfenden
Darstellung nicht entziehen zu dürfen. Durch Vertrag vom
7. März 1911 wurde der Druck der hiesigen Firma Hermann
Minjon übertragen, welche auch den Verlag des Werkes über-
nahm. Wie bereits erwähnt, erschien Band I rechtzeitig zum
75. Stiftungsfest; Band II wird in kurzer Zeit zur Ausgabe
gelangen.
— 108 —
Was die mitgebrachten Sammlungen angeht, so sind sie
größtenteils bearbeitet. Um einen kurzen Begriff von ihrer
Reichhaltigkeit zu geben, sei bemerkt, daß es sich z. B. um
16314 Pflanzen handelt; die Gesteinsproben umfassen, die Fossilien
nicht gerechnet, 581 große Handstücke, vorwiegend von Vulkan-
bildungen, und an Süßwasserfischen sind fast 2600 vorhanden,
eine für den ostmalayischen Archipel wegen seiner Armut an
Arten und Individuen ganz bedeutende Anzahl; den Aufgaben
der Expedition entsprechend, mußte das Hauptgewicht auf diese
3 Abteilungen gelegt werden. Vorhanden sind außerdem noch
viele Vogelbälge, Amphibien und Reptilien, die beiden letzten in
40 Arten (von den 59 bekannten selteneren), sowie einige neue
Spezies, eine Menge von Süßwassermollusken in zum größten
Teile neuen Arten, wertvolle Nacktschnecken und wichtige sehr
interessante Diplopoden-Krebse. Auf Lombok wurden ca. 10 000
Insekten gesammelt, Säugetiere hingegen nur wenige, da die
besuchten G^egenden hierin außerordentlich arm sind, jedoch zwei
neue Arten. An Ethnographicis zählt die Ausbeute weit über
1000 Nummern, welche im Völkermuseum Aufstellung gefunden
haben und an unserem Stiftungsfest vom Verein der Stadt Frank-
furt zum Geschenk gemacht wurden. Auf gleiche Weise gingen
an demselben Tage die zoologisch-botanischen Sammlungen in
den Besitz des Senckenbergischen Naturhistorischen Museums
über, während 2 Dublettensammlungen kontraktgemäß sowohl
an die holländische Regierung wie an das Gouvernement von
Niederländisch-Indien nach erfolgter Bearbeitung gegeben werden
bezw. bereits gesandt wurden.
Der Vorstand empfindet es als eine angenehme Pflicht,
allen denjenigen Gelehrten und wissenschaftlichen Instituten,
die sich der Bearbeitung unserer Sammlungen in so liebens-
würdiger Weise und mit so viel Hingebung und Eifer unter-
zogen haben, auch an dieser Stelle seinen wärmsten Dank zum
Ausdruck zu bringen.
Unser herzlichster Dank gebührt aber nicht minder allen
denjenigen Vereinsmitgliedem, welche durch freiwillige und z. T.
recht beträchtliche Geldzuwendungen uns in den Stand gesetzt
haben, die Expedition in vollem Umfange durchzuführen und
ihre wissenschaftlichen Ergebnisse in einer würdigen Pestschrift
niederzulegen.
— 109 —
Es sei dem Berichterstatter erlaubt, nach diesen wenigen
Bemerkungen über unsere Expedition zunächst die gewöhnliche
Greschäftsübersicht zu geben, um zuletzt ausführlich auf den
Verlauf unseres Stiftungsfestes einzugehen.
Im Vereinsvorstand und in der Ämterverteilung innerhalb
desselben trat in den beiden abgelaufenen Geschäftsjahren zunächst
insofern eine Veränderung ein, als der bisherige stellvertretende
Vorsitzende Herr Geh. Justizrat Dr. Adolf von Harnier für
das Jahr 1910/11 das Amt des Vorsitzenden übernahm und Herr
Hof rat Dr. Hagen dasjenige des Vorsitzenden mit dem des
stellvertretenden Vorsitzenden vertauschte. In dem folgenden
Jahre 1911/12 bekleidete Herr Hofrat Dr. Hagen das Amt des
Vorsitzenden, Herr Prof. Dr. Deck er t, der bisher das Amt
eines Beisitzers inne gehabt hatte, das des stellvertretenden
Vorsitzenden. Mit großem Bedauern nahm der Vorstand zu
Beginn des Jahres 1911/12 von dem Entschlüsse des Herrn
Geheimrats Dr. v. Harnier, mit Rücksicht auf sein vorgerücktes
Alter eine Wiederwahl nicht mehr annehmen zu können, Kenntnis.
Obwohl wir uns dem Gewichte der Gründe unseres hochver-
ehrten Freundes nicht verschließen durften, so hegten wir doch
den dringenden Wunsch, auf seine bewährte Mitwirkung nicht
gänzlich verzichten zu müssen. In unserer Vorstandssitzung
vom 18. Oktober 1911 haben wir daher Herrn Geheimrat von
Harnier zum Ehrenvorsitzenden mit dem Rechte der Teil-
nahme an den Vorstandssitzungen ernannt und dadurch zugleich
unseren Dank für seine jahrzehntelange erfolgreiche Mitarbeit
zum Ausdruck bringen wollen in der Hoffnung, es möge uns
noch lange vergönnt sein, Herrn Geheimrat von Harnier den
Unsrigen zu nennen. Einen harten Verlust erlitt der Vorstand
durch das Hinscheiden seines Mitgliedes Herrn Wilhelm Rehmer,
der uns am 28. Februar 1912 in Meran, wo er Heilung von
längerem schweren Leiden suchte, durch einen unerwarteten
Tod entrissen wurde. Wir empfinden den Verlust um so schmerz-
licher, als der Entschlafene seit 1905 unserem Vorstand als
Mitglied angehörte und an der schnellen Ermöglichung unserer
Sunda-Expedition tätig mitgewirkt hat. Den Hinterbliebenen
sprachen wir unsere herzliche Teilnahme aus und legten an
der Bahre des dahingeschiedenen Freundes und Kollegen als
Zeichen unserer Dankbarkeit eine Kranzspende nieder.
— 110 —
In den beiden Wintern 1910/11 und 1911/12 wurden 34 Vor-
trägegehalten, deren erster am 26. Oktober 1910 und deren letzter
am 6. März 1912 stattfand und die sich sämtlich wie in den
Vorjahren zahlreichen Besuches zu erfreuen hatten. Ein über
das gewöhnliche Maß hinausgehendes allgemeines Interesse nahm
der Vortrag unseres Ehrenmitgliedes und Inhabers unserer gol-
denen Rüppell-Medaille Seiner Hoheit des Herzogs Adolf Frie-
drich zu Mecklenburg in Anspruch, welcher am 15. Februar
1912 über seine Inner- Afrika-Expedition 1910/11 berichtete.
Der Vortrag, zu welchem unser Verein in Gemeinschaft mit der
Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft und der Deut-
schen Kolonial-Gesellschaft, Abteilung Prankfurt a. M., die Ein-
ladungen hatte ergehen lassen, fand im Albert Schumann-Theater
statt, unter Teilnahme der Spitzen der staatlichen und städtischen
Behörden und einer vieltausendköpfigen Zuhörermenge, die den
gewaltigen Raum bis auf den letzten Platz besetzt hielt. Auch
Ihre Königlichen Hoheiten Großherzog und Großherzogin
von Hessen, Prinzessin Friedrich Karl von Hessen,
sowie andere fürstliche Gäste wohnten dem Vortrage bei. Herr
Bürgermeister a. D^ Geh. Regierungsrat Dr. Varrentrapp
begrüßte als Vertreter der Kolonial-Gesellschaft im Namen der
drei Gesellschaften den erlauchten Gast zu Beginn seines Vortrags,
nach dessen Schluß der I. Direktor der Senckenbergischen Natur-
forschenden Gesellschaft Herr Prof. Dr. Knoblauch Seiner
Hoheit das Ehrendiplom als außerordentliches Ehrenmitglied
der Senckenbergischen Gesellschaft überreichte. Unserem Verein
war die Aufgabe zugefallen, durch seinen Vorsitzenden Herrn
Hof rat Dr. Hagen Seine Hoheit bei dem an den Vortrag sich
anschließenden gemeinsamen Festmahl im Frankfurter Hof ehr-
erbietigst willkommen zu heißen.
Die Zahl der ordentlichen Mitglieder, die bei Abschluß
des letzten Jahresberichts 640 betragen hatte, verminderte sich
durch Tod und Austritt um 122, dafür traten 120 neue Mit-
glieder ein, so daß sie sich gegenwärtig auf 638 beläuft.
Korrespondierende Mitglieder zählt der Verein 19 (gegen 11 im
Vorjahre), Ehrenmitglieder 57 (43), so daß die Gesamtzahl aller
seiner Mitglieder 714 beträgt.
Durch den Tod verlor der Verein die korrespondierenden
Mitglieder Professor Anton Goering, dessen am 7. Dezember
— 111 —
1905 in Leipzig erfolgter Tod erst jetzt zn unserer Kenntnis
gelangte, und Dr. Alexander von Peez, Ehrenpräsident des
Industriellen Club in Wien, Mitglied des Herrenhauses, gestorben
am 12. Januar 1912 in Weidling bei Klosterneuburg (N.-ö.).
Von den Ehrenmitgliedern haben wir vor allem das Hin-
scheiden des Geh. Regierungsrats Prof. Dr. Theobald Fischer,
gestorben zu Marburg am 17. September 1910, zu beklagen.
Der Tod dieses ausgezeichneten Mannes bedeutet für unsere
Gesellschaft einen besonders schmerzlichen Verlust, in ihm hat
sie einen treuen Freund und Berater verloren. Seit 35 Jahren
mit der Geschichte unseres Vereins aufs innigste verwachsen,
seit 24 Jaliren unser Ehrenmitglied, hat Theobald Fischer an
unseren Bestrebungen mit Rat und Tat den innigsten Anteil
genommen und uns so t\x lebhaftestem Danke verpflichtet, dem
der Verein 1906 durch Verleihung der Goldenen Rüppell-Medaille
Ausdnick gegeben hat. So hat er uns auch zuletzt noch mit
seinem Rate bei unserer Sunda-Expedition treu zur Seite ge-
standen. Wir betrauern in dem Verblichenen nicht nur den
glänzenden Vertreter seiner Wissenschaft, sondern zugleich einen
in langen Jahren erprobten Freund, der zudem durch die wieder-
holten Besuche an der Spitze seiner Schüler in Frankfurt die
freundnachbarlichen Beziehungen der Marburger Universität und
ihrer wissenschaftlichen Institute zu unserer Stadt in wirksamster
Weise gepflegt hat. Im Namen des Vorstandes legte der General-
sekretär des Vereins Herr Dr. Traut eine Kranzspende an
der Bahre des dahingegangenen Freundes als letzten Gruß nieder.
Noch folgende Ehrenmitglieder wurden uns durch den Tod
entrissen : Der frühere Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, Major
ä la suite der Armee Adolf Graf von Goetzen, kgl. Gesandter
für Hamburg, Bremen und Lübeck und beide Mecklenburg in
Hamburg, gestorben am 1. Dezember 1910 zu Berlin, Seine
Exzellenz Georg Freiherr von Schleinitz, Vizeadmiral und
Landeshauptmann a. D., gestorben am 12. Dezember 1910 in
Hohenborn bei Lüdge (Westfalen), femer der Chefdirektor des
Kgl. Schwedischen Statistischen Handelsbureaus a. D., Karl
Sidenbladh, gestorben am 18. September 1911 und schließlich
der Wirkliche Geheime Oberregierungsrat und Präsident des
Kgl. Preußischen Statistischen Landesamts a. D., Dr. Emil
Blenck, gestorben am 6. Oktober 1911 in Groß-Lichterfelde.
— 112 —
Den Hinterbliebenen dieser Herren sprachen wir unsere
herzliche Teilnahme aus.
Allen Dahingeschiedenen bewahren wir ein dankbares und
ehrendes Andenken!
Unserem Ehrenmitgliede Herrn Geh. Regierungsrat Prof.
Dr. Friedrich Delitzsch in Berlin, der am 3. September 1910
den 60. und unserem korrespondierenden Mitgliede Herrn Prof.
Dr. Hermann Vamb^ry in Budapest, der am 19. März 1912
seinen 80. Geburtstag feierte, sandte der Verein die herzlichsten
Glückwünsche.
Durch Vertrag vom 28. Januar 1910 mit der Sencken-
bergischen Stiftung, der Senckenbergischen Naturforschenden
Gesellschaft, dem Physikalischen Verein und dem Ärztlichen
Verein wurde das Verhältnis unseres Vereins zu der Sencken-
bergischen Bibliothek neugeregelt.
Da der seitherige Vertreter des Vereins in der gemeinsamen
Kommission für die Senckenbergische Bibliothek Herr Geh.
Konsistorialrat Professor Dr. E b r a r d , der Direktor der Stadt-
bibliothek, vom Magistrat zu einem der beiden Vertreter der
Stadtgemeinde in dieser Kommission ernannt worden war, trat
an seine Stelle auf Vorstandsbeschluß der Generalsekretär des
Vereins Herr Dr. Traut.
Einladung erhielten wir von der Gesellschaft für Erdkunde
zu Leipzig zur Teilnahme an ihrem 50 jährigen Stiftungsfeste
am 1. März 1911. Da unser zu dieser Feier angemeldete Ver-
treter in letzter Stunde erkrankte, übermittelten wir auf tele-
graphischem Wege der Schwestergesellschaft unsere Glück-
wünsche. An dem zehnjährigen Stiftungsfest der Frankfurter
Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte am
22. Oktober 1911 nahm der Verein durch seinen Vorsitzenden
Herrn Hof rat Dr. Hagen teil.
Am 7. Mai 1911 sandte der Verein aus Anlaß der Abfahrt
der Deutschen Antarktischen Expedition des Oberleutnants
Dr. Filchner den kühnen Pionieren deutscher Forschung
beste Abschiedsgrüße und Wünsche für gutes Gelingen nach
Bremerhaven in die Lloydhalle.
Zum Andenken an ihren verstorbenen Gatten, unser Vor-
standsmitglied Herrn Wilhelm Rohm er, machte Frau Helena
Rohmer geb. de Chapeaurouge unserem Verein als Legat eine
— 113 —
namhafte Zuwendung, wofür der gfütigen Spenderin auch an
dieser Stelle der herzlichste Dank ausgesprochen sei.
Auf dem XVni. deutschen Geographentag, der in der
Pfingstwoche 1912 in Innsbruck stattfand, war der Verein durch
seinen Generalsekretär Herrn Prof. Dr. Traut vertreten.
Zum Versand an die mit uns in regelmäßigem Tausch-
verkehr stehenden Behörden und Gesellschaften gelangten in den
beiden verflossenen Geschäftsjahren folgende Veröffentlichungen:
Beiträge zur Statistik der Stadt Frankfurt a. M. Im Auftrage
des Magistrats herausgegeben durch das Statistische Amt.
Neue Folge.
Heft 7 : Untersuchung über den Stand der Lohn- und
Arbeitsverhältnisse der Arbeiter und Unteran-
gestellten der Stadt Frankfurt a. M. im Juli 1907.
Frankfurt a. M. 1909.
Heft 8: Tabellarische Übersichten betreffend den Zivil-
stand der Stadt Frankfurt a. M. in den Jahren
1901—1910. Frankfurt a. M. 1911.
Heft 9 : Die Versorgung der Stadt Frankfurt a. M. mit
Milch und Fleisch. Frankfurt a. M. 1911.
Heft 10: Die Preisbewegung auf dem Lebensmittelmarkt
zu Frankfurt a. M. und deren Einfluß auf die
Haushaltsführung der Bevölkerung. Bearb. von
dem Direktor des Statistischen Amtes Dr. A.
Busch Frankfurt a. M. 1912.
Femer :
Statistische Jahresübersichten der Stadt Frankfurt a. M., Aus-
gabe für 1909/10 und 1910/11 (4. und 5. Ergänzungsheft
zum Statistischen Handbuch der Stadt Frankfurt a. M.,
erste Ausgabe). Frankfurt a. M. 1910/1911.
Neuer Tauschverkehr wurde angebahnt mit der Michigan
Academy of Science in Ann Arbor, Michigan, der Serbischen
Geogi-aphischen Gesellschaft in Belgrad, der Kgl. Geologischen
Landesanstalt in Berlin, der Deutschen Seewarte in Hamburg,
dem Ministerio das relacöes exteriores in Rio de Janeiro, der
Geographischen Gesellschaft in Rostock und der Gesellschaft für
Erdkunde und Kolonialwesen in Straßburg i. Eis. Eingestellt
wurde der Tauschverkehr mit der Soci(5te d'etudes coloniales
8
— 114 —
in Brüssel, sowie dem in die internationale Handels-Ünion
aufgegangenen Deutsch - österreichischen Orientklub in Berlin.
Die Gesamtzahl der Tausch Verbindungen beträgt zur Zeit 250
(gegen 245).
Zum Schluß möge über das 75. Stiftungsfest berichtet
werden, welches der Verein Sonntag den 17. Dezember 1911
beging und auf dessen würdigen Verlauf wir mit Befriedigung
zurückblicken dürfen.
Das Fest zerfiel in eine akademische Feier und in ein
Festmahl. Am Samstag war ihr eine zwanglose Zusammen-
kunft der Teilnehmer im Restaurant Kaiserhof vorangegangen.
Zur akademischen Sitzung, die vormittags 11 Uhr in dem
festlich geschmückten großen Saale des Kaufmännischen Vereins
unter Teilnahme zahlreicher Vereinsmitglieder stattfand, hatten
sich auf unsere Einladung hin folgende Herren als Ehrengäste
zum Teil mit ihren Gemahlinnen eingefunden:
Unser Ehrenmitglied Seine Hoheit Adolf Friedrich
Herzog zu Mecklenburg, Seine Exzellenz der Kommandierende
General des XVDI. Armeekorps, General der Infanterie von
Eichhorn, Seine Exzellenz der Oberpräsident der Provinz
Hessen-Nassau Hengstenberg, Seine Exzellenz der Komman-
deur der 21. Division Generalleutnant Scholtz, Oberlandes-
gerichtspräsident Wirkl. Geh. Oberjustizrat Dr. Spahn, Regie-
rungs-Präsident Dr. von Meister, Präsident des Konsistoriums
Dr . E r n s t , Polizei-Präsident Kammerherr RießvonScheurn-
schloß und Oberregierungsrat Mahrenholz, Oberbürgermeister
Dr. A dickes, Bürgermeister Geh. Regierungsrat Grimm, sowie
die Stadträte Dr. Ziehen und Prof. Dr. Bleicher, der Vor-
sitzende der Stadtverordneten -Versammlung Geh. Justizrat Dr.
Friedleben, Oberstaatsanwalt Geh. Ober justizrat Dr. Hupertz,
Eisenbahndirektions-Präsident Reuleaux, der Rektor der Aka-
demie Prof. Dr. Panzer, der Präsident der Handelskammer Geh.
Kommerzienrat Andreae-Passavant, sowie der Vizepräsident
der Handelskammer Geh. Kommerzienrat von Passavant, der
Direktor des Statistischen Amts der Stadt Dr. Busch und andere
hervorragende Frankfurter Persönlichkeiten.
Als Vertreter der Kgl. Niederländischen Staatsregierung
wohnte Herr Generalkonsul Jonkheer van Panhuys der
Feier bei.
— 115 —
Von hiesigen Ehrenmitgliedern des Vereins waren erschienen
die Herren Kartograph Ludwig Ravenstein, Geh. Konsi-
storialrat Prof. Dr. Ebrard und Prof. Dr. Petersen.
Von auswärtigen Schwestergesellschaften waren durch
Delegierte vertreten:
Die Königliche Niederländische Geographische Gesellschaft
zu Amsterdam durch Herrn Prof. Dr. Oestreich aus Utrecht,
die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin durch Herrn Prof. Dr.
Wegener, die Geographische Gesellschaft von Darmstadt durch
die Herren Geh. Oberbergrat Prof . Dr. Lepsius und Prof. Dr.
Greim, die Gesellschaft für Erd- und Völkerkunde zu Gießen
durch Herrn Prof. Dr. Sievers, die Geographische Gesellschaft
zu Leipzig durch Herrn Geh. Hof rat Prof. Dr. Hans Meyer,
die Geographische Gesellschaft von München durch die Herren
Prof. Dr. von Drygalski und Prof. Dr. Merzbacher.
Von auswärtigen Fachgenossen, die unserem Verein ebenso
wie die vorhergenannten Herren zum großen Teil als Ehren-
mitglieder und korrespondierende Mitglieder angehören, waren
als Ehrengäste erschienen:
Die Herren Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Euting-Straß-
burg, Prof. Dr. Hettner-Heidelberg, Geh. Regierungsrat Prof.
Dr. Krtimmel- Marburg , Dr. Hugo M e r t o n - Heidelberg ,
KammerherrDr. Joachim Graf von Pfeil undKlein-Ellguth
auf Schloß Friedersdorf, Prof. Dr. Regel- Würzburg und Geh.
Regierungsrat Prof. Dr. Rein-Bonn.
Von Frankfurter befreundeten Korporationen und Vereinen
waren, unserer Einladung folgend, vertreten:
Die Administration der Dr, Senckenhergischen Stiftung durch
Herrn Sanitätsrat Dr. Roediger, die Senckenbergische Natur-
forschende Gesellschaft durch Herrn Prof. Dr. Knoblauch, der
Physikalische Verein durch Herrn Prof. Dr. Ing. Hartmann, der
Ärztliche Verein durch Herrn Sanitätsrat Dr. Baerwindt, die Dr.
Senckenbergische Bibliothek durch Herrn Bibliothekar Dr. Wahl,
der Verein für GeschicJUe und Altertumskunde durch Herrn Archiv-
direktor Prof. Dr. Jung, das Freie Deutsche Hochstift durch die
Herren Realgymnasialdirektor Dr. Liermann und Geh. Sanitäts-
rat Dr. R e h n , der Verein für Naturivissenschaftliche Unterhaltung
durch Herrn Dr. Guide, der DeutscJie und Österreichische Alpen-
verein, Sektion Frankfurt a. M., durch Herrn Prof. Dr. Petersen,
8*
— 116 —
der Kaufmännische Verein durch Herrn Schuenemann, der
Taunus-Klub durch Herrn Kittel, der Verein für das Historische
Museum durch Herrn Prof. Dr. Wolf, die Deutsche Kolonial'
geseUschaft, Abteilung Frankfurt a. M. durch Herrn Geh. Sanitäts-
rat Dr. Cohn, die Frankfurter Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie und UrgeschicMc durch Herrn Landgerichtsdirektor
G a e b 1 e r , der Verein für das Völkermuseum durch Herrn Bürger-
meister a. D. Geh. Regierungsrat Dr. Varrentrapp, die Frank-
furt-Loge durch die Herren Dreyfuß und Dr. Kauffmann,
die Sektion Frankfurt der Deutschen Orientgesellschaft durch Herrn
Justizrat Dr. Burghold.
Nachdem der Sängerchor des Lehrervereins, der in dankens-
werter Weise durch seine liebenswürdige Mitwirkung unsere
Feier verschönte, unter Leitung von Herrn K. Schwarz den
wirkungsvollen Liszt'schen Chor: Gottes ist der Orient, von
Goethe, in bekannter Meisterschaft vorgetragen hatte, begrüßte
der Vorsitzende des Vereins Herr Hof rat Dr. Hagen die Fest-
versammlung mit folgender Ansprache:
Enere Hoheit! Exzellenzen!
Hochansehnliche Festversammlang!
Ein seltenes Fest ist es, das uns heute zusammengefährt hat. Am
9. Dezember 1836, vor 75 Jahren, wurde der Frankfurter Geographische
Verein, wie er damals hieß, gegründet. Als er ins Leben trat, ward er
nicht festlich von einem blühenden Kranz deutscher SchwestergeseUschaften
empfangen, denn — es gab keine. Nur Berlin konnte seine Grüße über-
senden; dort allein in ganz Deutschland hatte bis dahin ein geographischer
Verein, die Gesellschaft für Erdkunde, existiert Frankfurt hat den Ruhm,
die Zweitälteste geographische Gesellschaft Deutschlands zu sein. Und wenn
man über Deutschland hinausblickte, so gab es außerdem nur noch in Paris
und in London eine solche. Dieses trifolium Paris-Berlin-London hat sich
also im Jahre 1836 durch den Hinzutritt Frankfurts zu einem glflckyer»
heißenden quadrifolium erweitert. Frankfurt ist somit auch die viertalteste
geographische Gesellschaft der Erde überhaupt.
Es ist traditionell, daß bei solch bedeutsamen Zeitabschnitten, wie der
heutige es ist, der Vorsitzende einen kürzeren oder längeren geschichtlichen
Überblick des Werdeganges seines Vereins zu geben hat. Ich nehme Ihre
Nachsicht in Anspruch, wenn ich diesem löblichen und nützlichen Brauch nur
in sehr unvollständiger Weise nachkomme ; ich kann das um so eher wagen,
als dieser Überblick bereits gelegentlich unseres 50 jährigen Stiftungsfestes
im Jahre 1886 in einer so gründlichen und formvollendeten Weise von einem
viel besseren Mann und Kenner Frankfurts, unserm hochverdienten Senator
Dr. von Oven, gegeben worden ist, daß für mich höchstens die Periode der
— 117 —
letzten 25 Jahre zu behandeln bliebe. Und da würde ich mich sehr kurz
fassen und auf die Bemerkung beschränken können: Unter der geistigen
Ägide unseres allverehrten Ehrenmitgliedes des Geh. Konsistorialrats Prof.
Dr. E b r a r d blühte und wuchs unser Verein stetig heran zu seiner heutigen
Größe und Bedeutung. Da aber diese schöne und erfreuliche Entwicklung
von uns allen miterlebt worden ist, so lassen Sie mich heute aus der Grün-
dungsgeschichte eine Seite herausgreifen, die mich besonders interessiert und
der man neben dem rein Geschichtlichen etwas weniger Beachtung geschenkt
hat, das ist nämlich mehr die psychologische Seite.
Wie kam es, daß in dem verhältnismäßig — d. h. im Vergleich zu
Paris, Berlin und London doch immerhin kleinen Frankfurt das geographische
Bedürfnis so stark war, daß es zur Gründung eines eigenen Vereins führte ?
Und welches sind die Grundlagen, auf denen er emporwuchs? Die Grün-
dungsakten, die vielleicht näheren Aufschluß hätten geben können, sind ver-
loren gegangen ; ich glaube aber, daß es auch ohne dieselben gelingen kann,
einige Klarheit zu gewinnen. Hier an dieser Stelle kann ich natürlich nur
andeutungsweise die allgemeinsten Umrisse geben.
Den Aufschwung, den das geistige Leben Deutschlands nach Befreiung
von den napoleonischen Fesseln nahm, darf ich als bekannt voraussetzen.
Auch Frankfurt nahm daran lebhaften Anteil, wie uns die Geschichte seiner
meisten großen Gesellschaften beweist, deren Gründungszeit, mit Ausnahme
von zwei älteren, der Dr. Senckenbergischen Stiftung und der Museums-
gesellschaft, alle in die Zeit zwischen 1816 und 1837 fallen. Das war
gewissermaßen die geistige Renaissanceperiode Frankfurts. Und in dieser
Periode lassen sich wieder drei Phasen unterscheiden, je nachdem wissenschaft-
liche oder künstlerische Bestrebungen vorherrschen. Zuerst überwog die
Wissenschaft : 1816 wurde die Polytechnische Gesellschaft, 1817 die Sencken-
bergische Naturforschende Gesellschaft und der Frankfurtische Gelehrten-
Verein für die deutsche Sprache, 1824 der Physikalische Verein gegründet.
Von künstlerischen Gründungen fällt in diese Phase nur eine einzige: der
Cäcilien- Verein 1818. Nun folgen in der zweiten Phase lauter künstlerische
Gesellschaften und Vereine: 1828 der Liederkranz, 1829 der Kunstverein,
1834 der Verein für Instrumentalmusik. 1836 schlägt die Witterung wieder
um und es werden nacheinander gegründet : 1836 der Verein für Geographie,
1837 der Ärztliche Verein (zunächst als freie Vereinigung oder Kränzchen)
und 1857 der Altertumsverein, zuerst ebenfalls unter anderem Namen als
Gesellschaft für Frankfurts Geschichte und Kunst.
Ich kehre wieder zu meiner Frage zurück : Was mag innerhalb dieses
regen geistigen Lebens den Anlaß geboten haben, sich ausgerechnet mit der
kaum erst am wissenschaftlichen Horizont aufgetauchten und in den weiteren
Volksschichten so gut wie unbekannten Geographie so intensiv zu beschäf-
tigen, daß sich eine eigene Gesellschaft dafür bildete?
Das strahlende Licht, das Alezander v. Humboldt 1827/28 mit
seinen berühmten 61 Vorlesungen in der Singakademie von Berlin her ver-
breitete, genügt nicht zur Erklärung ; denn dieses Licht leuchtete über ganz
Deutschland, gezündet hat es aber nur in Frankfurt. Warum ? Hier müssen
geheime Fäden liegen zwischen Berlin und Frankfurt, hier muß der Boden
— 118 -
schon lange vorbereitet gewesen sein, denn ein lebensfähiger Verein gründet
sich nicht so leicht und schnell, sozusagen im Handumdrehen, selbst wenn ein
Mann wie der Kartograph Ravenstein den Aufruf zur Gründung yerfaßt
und ein Gelehrter wie Kriegk das Referat in der konstituierenden General-
versammlung übernimmt, in der Senator B ö h m e r die Statuten entwirft.
Diese Vorbereitung des Bodens von langer Hand her ist nach meiner
Überzeugung durch keinen Geringeren besorgt worden, als durch den unsterb-
lichen Vater und Begründer der wissenschaftlichen Geographie selbst, durdi
KarlRitter. Als junger, kaum 20 jähriger Mann war er um die Wende des
vorigen Jahrhunderts als Hauslehrer in die Bethmann Hollweg'sche
Familie nach Frankfurt gekommen, wo er längere Jahre verweilte. Hier gab
er auch von 1804—1807 sein zweibändiges Werk: „Europa, ein geographisch-
historisch-statistisches Gemälde^ heraus und war bereits mit den Vorarbeiten
zu seinem bertlhmten Hauptwerk beschäftigt: „Die Brdkunde im Verhältnis
zur Natur und Geschichte des Menschen^. Es wäre ein Wunder, wenn ein
solch jugendlich-feuriger, von seinem Beruf durch und durch erfüllter Mann,
der später auf seinem Lehrstuhl in Berlin Tausende begeisterter Zuhörer um
sich versammelte, nicht auch in Frankfurt schon seine Anziehungskraft aus-
geübt hätte. Wie intensiv Ritters Wirken hier gewesen sein muß, schließe
ich daraus, daß man ihn 1819 wieder von Göttingen nach Frankfurt holte
und zwar als Geschichtsprofessor am Gymnasium — eine Professur für Geo-
graphie gabs ja damals noch nicht — bis er 1820 definitiv nach Berlin über-
siedelte. Hier haben wir also den Faden, der von Frankfurt nach Berlin führte.
Der Zusammenhang Ritters mit den Frankfurter Gleichgesinnten blieb so
innig, daß er der Erste war, der den neuen Verein mit besonderem Interesse,
wie er schrieb, begrüßte und für dessen Entwickelung in dem ihm so lieben
Frankfurt einen günstigen Boden voraussagte. Er mußte es ja wissen, denn
er hatte denselben selbst vorbereitet.
Obwohl also Karl Ritter bereits 16 Jahre. von Frankfurt weggezogen
war, als der Verein gegründet wurde, dürfen, ja müssen wir die ersten
Keime desselben auf ihn und seine Wirksamkeit dahier zurückftlhren, und er
ist mit Recht unser erstes und lange Jahre hindurch auch einziges Ehren-
mitglied gewesen. Auch daß Ritter zuerst in dem Hause des Bankiers Beth-
mann tätig war, halte ich nicht für unwichtig. Denn dort hatte er vielfach
Gelegenheit, mit den Vertretern des Großhandels und der Großindustrie in
Berührung zu kommen, und der begeisterte junge Gelehrte streute da gewiß
manches Samenkorn aus, das später bei Gründung des Vereins gute Früchte
zeitigte und mit dazu beitrug, demselben jene, wie Ritter in seinem Glück-
wunschschreiben sich ausdrückte, ihm eigentümliche praktische Richtung zu
geben. Im § 1 der alten Statuten wird nämlich ausdrücklich die Rücksicht
auf die Bedürfnisse des Handelsstandes als zweite Hauptaufgabe hervor-
gehoben, und das Thema des ersten Vortrags, der in unserm Verein gehalten
wurde, lautete : Über die Beziehungen geographischer Verhältnisse zu Handel
und Fabrikation. Auf den Welthandel und die Weltstellung Frankfurts dürfen
wir eine andere Reihe von Wurzeln unseres Vereins zurückführen, Wurzeln,
für die ich wenig schriftliche Dokumente, wohl aber in unserm Völkermuseum
die handgreiflichen Belege vorführen kann. Als ich nämlich bei der Bin-
— 119 —
richtung dieses Institats vom Historischen Museum die alten ethnographischen
Bestände übernahm, da entdeckte ich zu meinem großen und freudigen Er-
staunen eine größere Reihe von Gegenständen, die aus den dreißiger und
yierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts stammten. Wie kamen diese
Dinge nach Frankfurt, zu einer Zeit, wo fast kein Mensch an das syste-
matische Sammeln und Aufbewahren solchen Plunders dachte? Die Spuren,
denen ich, so gut es sich tun ließ, nachging und noch nachgehe, deuten auf
eine Vielseitigkeit der Beziehungen Frankfurts zu den Trägem großer geo-
graphischer Entdeckungen, die geradezu in Erstaunen setzt. Das Archiv des
Senckenbergischen Museums wird hierüber noch besseren Aufschluß geben
können, dort müssen sich die Belege finden. Wir dürfen hiebei nicht ver-
gessen, daß wir uns zur Zeit der Gründung unseres Vereins in dem Zeit-
alter des Ausklingens der großen klassischen Entdeckungsfahrten, besonders
in der Südsee befinden, die Cook mit seinen berühmten 3 Reisen wieder neu
belebt hatte. Teilnehmer an Cooks zweiter Reise waren die beiden Forsters,
Vater und Sohn, von denen der letztere, Johann Georg, der Herausgeber von
Cooks Reisen und der fruchtbare klassische naturwissenschaftliche Schrift-
steller war, dessen Arbeiten nicht nur anregend auf Alexander v. Humboldt
wirkten, sondern ihm auch den Namen , Naturforscher des Volkes' eintrugen.
Georg Forster nun lebte fünf Jahre seiner besten, reifsten Zeit 1788 — 1793
in Mainz und hat manche enge und direkte Beziehungen zu hiesigen Kreisen
gehabt, z.B. zu Sömmerring, sodaß vielleicht manche von den älteren
Gründern unseres Vereins in ihren Jugendjahren noch persönlich von ihm mögen
Anregung empfangen haben ; von seinen viel gelesenen Schriften ganz gewiß.
In Mainz lebte femer Friedrich Heinrich v. Kittlitz, der als Natur-
forscher die Lütke'sche Weltumseglung 1826 — 29 mitgemacht hatte, und in
Gießen der Professor Dieffenbach, der Erforscher Neu-Seelands. Von Beider
Reisen befinden sich Gegenstände im Völkermuseum als lebendiger Beweis
ihrer Beziehungen zu Frankfurt. In einer besondem, wenn auch nur indirekten
Beziehung stand Frankfurt auch zu dem letzten der klassischen Südsee-Ent-
deckungsfahrer, zu dem französischen Admiral Dumont d*ürville und zwar
durch den hier ansässigeu Dr. Caroö (1822—46), der ohne Zweifel angeregt
durch das intensive geographisch-ethnographische Interesse in Frankfurt,
durch seinen mit Dumont d'LTrville befreundeten Brader es veranlaßte, daß
der Admiral einen Teil seiner mitgebrachten Sachen hierher schenkte. Auch
von einer andem klassischen Entdeckungsreise besitzt das Völkermuseum
kostbare Stücke, nämlich von den Expeditionen des rassischen Admirals
Wrangel, namentlich von seiner zweiten Weltreise 1825—27. Vermittelt
wurde diese Schenkung durch den Schwiegervater Wrangels, den Baron
R 0 s s i 1 1 0 n. Sodann lebte in Frankfurt in den zwanziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts die Frau Generalin vanPanhuys, der wir ebenfalls eine Reihe
wertvoller Ethnographica aus Surinam und Guyana verdanken. Den Mann
aber, auf den seine Vaterstadt Frankfurt ganz besonders stolz ist, Eduard
R ü p p e 1 1 , habe ich Ihnen noch gar nicht genannt. Er hat zweifellos durch
seine klassischen Reisen nach Nubien, Kordofan und Abessynien den bedeutend-
sten Anteil an dem Interesse der Frankfurter für die Geographie. Natürlich
figuriert sein Name auch unter den Gründern unseres Vereins, aber er hat
— 120 —
niemals ein aktiTes Amt darin übernommen, wohl aus dem Grande, weil er
seine ganze Arbeitskraft auf die Herausgabe seiner Reisewerke und die Ana-
gestaltong des Senckenbergischen Museums verwenden mußte. Die eigentlich
treibende Kraft des neuen Vereins war und blieb Professor K riegk, der auch
der erste Vorsitzende war und dessen wir heute besonders dankbar gedenken
wollen. Das sind die Wurzeln, das ist der Boden, meine Damen und Herren, aus
dem in Frankfurt ein Verein für Geographie emporsprossen und sich zur üppigen
Blüte entfalten konnte, zu einer Zeit, wo draußen im Reich, mit Ausnahme yon
Göttingen, wo der alte Wappäus lehrte und wirkte, die Geographie noch 30 Jahre
lang keinen festen Fuß fassen konnte, kaum ein neuer Verein sich gründete und
die Universitäten hartnäckig ihre Pforten der neuen Wissenschaft verschlossen.
Die Lebenskraft unseres Vereins zeigte sich auch darin, daß er es
verstand, mit der Zeit fortzuschreiten und sich ihren Bedürfnissen anzupassen.
So hat er namentlich im Jahr 1854 eine große Wandlung durchgemacht,
als er das durch das Ausklingen der klassischen Entdeckongsperiode erlahmte
Interesse an fremden Ländern und Völkern in den Hintergrund schob und
dafür unter Führung unseres unvergeßlichen Georg Varrentrapp sich mit
frischem Mut einem neuen verheißungsvollen Gebiet, der Statistik, zuwandte,
es zu eigener Abteilung erhob und sich fortan den Namen Verein für Geo-
graphie und Statistik beilegte, den er heute noch führt. Fünf stattliche
Bände solcher statistischen Arbeiten sind neben den regelmäßigen Jahres-
berichten veröffentlicht worden, und diese Seite unserer Vereinstätigkeit gab
den direkten Anlaß für den Entschluß unserer städtischen Behörden zur
Gründung eines Statistischen Amts im Jahre 1865. Wenn schon vorher der
Tauschverkehr mit den einschlägigen Gesellschaften und Behörden des In-
und Auslandes ein sehr reger war, so geschah das nunmehr in großem Stil,
so daß wir heute mit 250 Instituten im Tauschverkehr stehen und ungefähr
20 000 Einzelpublikationen unsem heimischen Bibliotheken zuführen konnten.
Und als in den 60 er Jahren des vorigen Jahrhunderts sich plötzlich das
Ezpansionsbedürfnis des deutschen Volkes zu regen begann, das zwei Jahrzehnte
später zur Erwerbung unserer Kolonien führte, als in den 70 er Jahren nicht
weniger als 10 und in den 80 er ebensoviel neue Geographische Gesell-
schaften das Licht der Welt erblickten und in der Zeit von 1870 — 1880 nenn
Hochschulen zugleich Lehrstühle für Geographie errichteten, da nahm auch
unser Verein wieder lebhaft Teil an dem Aufschwung ; äußerlich kennzeichnet
sich dies schon dadurch, daß das Format unserer Jahresberichte sich ver-
größert und die Seitenzahl zunimmt. Die Mitgliederzahl, welche in den
ersten 25 Jahren zwischen 101 und 130 geschwankt hat, steigt plötzlich auf
das Dreifache und hat sich von da bis heute wiederum fast verdoppelt, so
daß wir trotz der Überfüllung unserer Stadt mit Vereinen mit der stattlichen
Zahl von 640 Mitgliedern vor Sie hintreten können, von denen die meisten
regelmäßig unsere Mittwochsvorträge besuchen. Aber die Grundlagen unseres
Vereins haben sich in diesem letzten Abschnitt wiederum verschoben. Dadurch,
daß die Stadt ihr eigenes Statistisches Amt gründete, ist die statistische
Hälfte naturgemäß wieder in den Hintergrund getreten, und der Erwerb
unserer Kolonien hat andrerseits bewirkt, daß die Völkerkunde wieder mehr
zu ihrem alten Rechte gelangt ist. Aus dieser Verschiebung erklärt es nch
— 121 —
auch, daß der Verein nicht eine statistische Aufgabe stellte, als er beschloß,
das 76 jährige Jnbiläum durch eine wissenschaftliche Tat zu verherrlichen,
sondern eine solche, bei welcher der Völkerkunde eine nicht unbeträchtliche
Rolle zufiel. Er hatte nämlich beschlossen, die immer noch strittige Frage
des einstigen Zusammenhangs der beiden Kontinente Asien und Australien
einer erneuten Prüfung zu unterziehen und hat zu diesem Zweck eine fix-
pedition nach dem malayischen Archipel entsandt unter Leitung von Dr.
Job. Eiber t. Mit reichen Resultaten ist dieselbe zurückgekehrt, und es
gereicht uns zu stolzer Freude, die umfangreichen und wichtigen Sammlungen
den Museen unserer Vaterstadt als Geschenk überweisen zu dürfen, die ethno-
graphischen Sammlungen dem Städtischen Völkermuseum, die naturwissen-
schaftlichen dem Museum der Senckenbergischen Naturforschenden Gesell-
schaft. Auch den Reichsmuscen in Holland und in Niederländisch-Indien
freuen wir uns aus den Dubletten ebenfalls je eine Sammlung zuwenden
zu dürfen als Ausdruck unseres Dankes für die der Expedition gewährte
weitgehende und liberale Unterstützung. Mitten im blühendsten Leben
stehend, darf somit unser Verein mit Befriedigung in die Vergangenheit und
trotz seiner 75 Jahre frohen Blickes in die Zukunft schauen.
Indem ich nunmehr die Ehre und Freude habe, die Herren Vertreter
der staatlichen und städtischen Behörden, den Herrn Generalkonsul der Nieder-
lande, den Herrn Rektor der Akademie, die Herren Professoren der Geo-
graphie unserer Nachbaruniversitäten, die Herren Delegierten der mit uns
befreundeten auswärtigen und Frankfurter Institute und Gesellschaften, die
Herren Inhaber unserer goldenen Rüppell-Medaille, femer unsere Herren Ehren-
und korrespondierenden Mitglieder, sowie unsere ordentlichen Mitglieder und
lieben Freunde von Nah und Fem zu begrüßen und ihnen für Ihr Erscheinen
unsera verbindlichsten Dank zu sagen, heiße ich Sie Alle in unserer Mitte
herzlich willkommen!
Den Festvortrag hielt darauf der Leiter unserer Sunda-
Expedition Herr Dr. Elbert über die wissenschaftlichen Ergeb-
nisse der von dem Redner geleiteten Expedition des Vereins
nach den Sunda-Inseln 1909/10. Der Vortrag ist im vorliegenden
Jahresbericht Seite 5 — 35 zum Abdruck gelangt.
Die Reihe der Gratulanten eröffnete Seine Exzellenz der
Herr Oberpräsident der Provinz Hessen-Nassau Hengstenberg
mit folgender Ansprache:
Hochgeehrte Fe stv er Sammlung!
Es ist mir eine Freude und Ehre, dem Verein für Geographie und
Statistik auläßUch seiner heutigen Jubelfeier namens der Staatsbehörde der
Provinz die herzlichsten Qlückwünsche darbringen zu können. Es ist, wie
bereits betont wurde, wohl kein Zweifel, daß in dem alten Handelsemporium
am Main, das schon seit Jahrhunderten für die deutschen Staaten ein Ver-
kehrszentrum bildete, das mit allen Weltteilen in kommerziellen Beziehungen
— 122 —
stand, früher als anderwärts in wissenschaftlich angeregten Kreisen der
Wunsch entstand, neben den verschiedenen Zweigen der Naturwissenschaft,
die durch das Senckenbergische Institut ein reiches Arbeitsfeld gefunden
hatte, auch der Erdkunde und ihren verwandten Wissensgebieten eine Pflege-
stätte in einem besonderen Verein zu errichten. Gerade auf diesem Boden
mußte die Vermittlung der Kenntnis von den geographischen und ethno-
graphischen Verhältnissen bisher wenig erforschter Teile des Erdballes, die
Sammlung des statistischen Zahlenmaterials der Kulturstaaten auf ein be-
sonders lebhaftes Interesse und auf eine lebendige Förderung der Bestrebungen
des Vereins rechnen. Auf 75 Jahre seines Bestehens blickt dieser heute
zurück, und in der Rückschau darf er sich der freudigen Überzeugung hin-
geben, daß das von seinen Gründern auf Anregung Karl Ritters einst auf-
gestellte Programm zielbewußt von ihm innegehalten und den gewaltigen
Fortschritten der Wissenschaft entsprechend ausgebaut worden ist. Seine
Mitarbeit bei der Errichtung des hiesigen Völkermuseums, die Ausrüstung
einer eigenen wissenschaftlichen Expedition, über die wir soeben so interes-
sante Mitteilungen erhalten haben, legt von seiner wachsenden Bedeutung
als Bildungs- und Kulturträger ein vollgültiges Zeugnis ab. Aber mit seiner
Arbeit hat er nicht nur der Wissenschaft wertvolle Dienste geleistet, sondern
er hat sich auch nationalen Aufgaben dienstbar gemadit. Nachdem die
Schranken, die zur Zeit der Gründung des Vereins zwischen den deutschen
Staaten und Stämmen vorhanden waren, gefallen, nachdem das geeinigte
Deutsche Reich in die Weltpolitik eingetreten und zur Erwerbung über-
seeischen Besitzes übergegangen ist, wurden auch der deutschen geographi-
schen Wissenschaft neue Aufgaben gestellt; sie hatte auch ihrerseits mitzu-
arbeiten an den Grundlagen, auf denen sich die wirtschaftlichen und politischen
Aufgaben unserer überseeischen Erwerbungen vollziehen konnten. Zu dieson
Werke auch seinerseits die Bausteine herbeigeschafft, durch seine Veran-
staltungen das Interesse für unsere kolonialen Unternehmungen wachgerufen,
die Kenntnis der unserem Machtbereich unterworfenen Völker und unserer
internationalen Beziehungen erweitert zu haben, das ist ein vaterländisches
Verdienst des geographischen Vereins und dafür sollen wir ihm dankbar sein.
Und so gebe ich denn dem Wunsche Ausdruck, daß der Verein, wie in den
letzten 75 Jahren, so auch in alle Zukunft blühen und immer reicher wirken
möge zur Förderung der Wissenschaft, zum Nutzen des Vaterlandes und zur
Ehre dieser Stadt!
Die Glückwünsche der Stadt Frankfurt überbrachte Herr
Oberbürgermeister Dr. A dick es:
Hochansehnliche Festversammlung!
Gestatten Sie mir, namens der Stadt Frankfurt a. M. und namens der
Verwaltung des Instituts, welches speziell mit dem Geographischen VeieiB
in nähere Beziehungen getreten ist, des Völkermuseums, meine herzlichsten
Glückwünsche darzubringen. Wenn die Frage aufgeworfen wird, wie oft
Vereine große Jubiläen zu halten berechtigt sind, ob nur alle öO oder 100 Jahre
oder auch darüber hinaus, so hat die große Versammlung, die ich hier tot
— 123 —
mir sehe, diese Fn^ schon zu Qnnsten der 75 jährigen Feier beantwortet,
and ich glaobe mit Recht. Ich denke, daß das Ooethe'sche Wort: ,Nar der
yerdient sich Freiheit wie das Leben, der t&glich sie erobern mnß' auch
für Vereine zutrifft, nnd daß ein Verein, der za Beginn des achten Jahr-
zehntes seiner Wirksamkeit eine Expedition fem hinaasgeschickt hat, die
so bedeutende Resultate zurückbrachte, daß ein Verein mit solcher Lebens-
kraft wohl das Recht hat, das 75. Jahresfest zu begehen. Herzlich sind
darnm die Glückwünsche, die ich entgegenbringe. Wir Älteren, wir können
ja nur an dieser Feier den innigsten Anteil nehmen, die Jüngeren aber unter
Ihnen werden sich gegenseitig zurufen: Auf Wiedersehen in 25 Jahren!
Namens der Kgl. Niederländischen Staatsregierung sprach
Herr Generalkonsul Jonkheer van Panhuys:
Verehrte Damen und Herren!
Als im vorigen Jahre Herr Dr. Elbert seinen ersten Vortrag hielt,
war er so liebenswürdig und freundlich, sowohl mündlich, als auch später
in seinem Werke der holländischen Regierung zu gedenken, die in jeder
Weise Ihre Sache unterstützt hat. Es ist eigentlich selbstverständlich, daß
eine Regierung eine Expedition unterstützt, die nicht allein wissenschaftlichen
Wert hat, sondern durch die auch ihr eigenes Land selbst erforscht wird.
Die holländische Regierung hat sich bemüht, Herrn Dr. Elbert zu unter-
stützen, aber der Verein für Geographie und Statistik hat dabei ein viel
größeres Verdienst gehabt, denn er hat die Expedition aus eigenen Mitteln
völlig bestritten, hat die Initiative dazu ergri£fen und sie zu diesem wunder-
baren Resultat und Abschluß geführt. Er war so liebenswtirdig und auf-
merksam, der holländischen Regierung Duplikate der erforschten Sammlung
zu überweisen. Das Buch, das über diese Reise erschienen ist, hat er der
Regierung bereits zur Verfügung gestellt und es wird gewiß großes Interesse
erregen. Ich bin beauftragt von meiner hohen Regierung, dem Geographischen
Verein herzlichen Dank zu sagen für die vielen Bemühungen der Expedition
und das erreichte Resultat und herzliche Glückwünsche zum Jubiläum von
heute darzubringen.
Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Krümmel-Marburg gratu-
lierte namens der erschienenen Vertreter der geographischen
Wissenschaft und der auswärtigen geographischen Gesellschaften :
Hochansehnliche Festversammlnng!
Es ist mir der ehrenvolle Auftrag geworden, namens der hier er-
schienenen Vertreter der geographischen Wissenschaft und der auswärtigen
geographischen Gesellschaften ein Wort der Begrüßung und des Glückwunsches
an den Frankfurter Verein für Geographie und Statistik zu richten. Dieser
Ihr Verein ist, wie Sie gehört haben, der Zweitälteste seiner Art auf deutschem
Boden; nur in der Berliner Gesellschaft für Erdkunde hat er seine ältere
Schwester anzuerkennen, und diese Gesellschaft hat es sich auch nicht nehmen
— 124 —
lassen, einen offiziellen Vertreter aus ihrem Vorstande zur heatigen Festfeier
zu entsenden. Wir alle, die Vertreter auswärtiger Gesellschaften und aka-
demischen Lehrer der Geographie, bringen Ihrem Verein unsere herzlichsten
Glückwünsche dar, mit dem Ausdruck der Anerkennung für die bisher er-
zielten Erfolge und der Zuversicht, daß diese in Zukunft sich noch mehren
und steigern werden.
Die geographischen Gesellschaften haben in der Entwicklong der
modernen Wissenschaft von der Erde eine sehr bedeutsame Stelle sich er-
rungen. Es sind nicht nur Vereinigungen von Persönlichkeiten, die sich
durch ausgedehnte Reisen in unerforschte Erdstriche, durch mntvoUes Ein-
setzen von Leben und Gesundheit hervorgetan oder durch Forschungen auf
den wissenschaftlichen Gebieten der Geographie Verdienste erworben haben,
— beide Kategorien können an Kopfzahl nicht eben sehr groß sein — sondern
vor allem auch Vereinigungen von Freunden dieser Wissenschaft, die an einer
werktätigen Förderung der geographischen Forschung jeder Art ihre Freude
haben und die auch bereit sind, Opfer dafür zu bringen. Mit Hilfe dieser
Freunde und Gönner der Geographie wird es dann möglich, Unternehmungen
ins Werk zu setzen, deren die Geschichte der geographischen Gesellschaften
eine stolze Reihe aufzuweisen hat. Die Erforschung des Innern Afrikas, der
Polar-Regionen stehen an der Spitze. Der heutige Festvortrag hat gezeigt,
was der Frankfurter Verein selbst auf diesem Gebiete zu leisten verstanden
hat und dafür muß ihm die Wissenschaft danken. Indem Sie die Berichte
der Forschungsreisenden in Wort und Bild entgegennehmen oder sich von
den gelehrten Vertretern der Geographie in die Werkstatt wissenschaftlicher
Arbeit führen lassen, genießen Sie nicht nur die Freude des Nachschauens
und Nachschaffens, sondern sie tragen so wesentlich dazu bei, der Geographie
die ihr zukommende wichtige Stellung im modernen Leben, in unserer Zeit
einer die ganze Erde umspannenden Weltpolitik erringen zu helfen. Das
ist doch eine sehr wichtige und lohnende Aufgabe, die den geographischen
Gesellschaften obliegt und die sie auch in Zukunft erfolgreich betätigen
werden. Der Frankfurter Verein für Geographie und Statistik wird in dieser
Hinsicht nicht zurückstehen, solange er sich einer so ausgezeichneten Leitung
erfreut, wie sie ihm in der Person Ihres derzeitigen Herrn Vorsitzenden ge-
geben ist. Das ist mir der Anlaß, mich noch eines zweiten Auftrages hier
zu dieser festlichen Stunde zu entledigen:
Die geehrte Festversammlung möge gütigst gestatten, daß ich meine
Worte nunmehr besonders an den Herrn Vorsitzenden richte. Herr Hofrat
Hagen ! Sie haben, seit Sie in Frankfurt a. M. Ihren Wohnsitz nahmen, sich
nicht darauf beschränkt, in dieser Stadt geographische und völkerkundliche
Bestrebungen jeder Art zu unterstützen. Sie sind in amtliche Beziehungen
zur Universität Heidelberg getreten. Aber .ein besonders freundliches Ver-
hältnis hat Sie an die Universität Marburg geknüpft. Eine innige Freund-
schaft verband Sie mit meinem Amtsvorgänger Theobald Fischer; sie beruhte
auf gegenseitiger hoher Wertschätzung. War es doch insbesondere Theobald
Fischer, der Ihre wissenschaftliche Bedeutung sclir früh erkannte und Sie zu
würdigen verstand. Sie haben es sich dann nicht nehmen lassen, das geo-
graphische Seminar, als es von Marburg herüberkam, um die SammlitngeB
— 125 —
des Völkermaseams zu besnchen, in mehrstandigen Vorträgen in belehren,
wie es den Studierenden anderwärts nicht so geboten worden wäre. Es war
nun der Herzenswunsch unseres verewigten Freundes Fischer, dem heutigen
Festtag Ihres Vereins dadurch eine besondere Weihe zu verleihen, daß er
die philosophische Fakultät der Universität Marburg veranlassen wollte,
seinem verehrten Herrn Vorsitzenden die Würde eines Ehrendoktors der
Philosophie zu verleihen. Theobald Fischer war es nicht vergönnt, diesen
Tag zu erleben, aber sein Vermächtnis hat Erfüllung gefunden : Im Auftrage
der philosophischen Fakultät der Universität Marburg habe ich die Ehre,
Herjr Hofrat Hagen, Ihnen hiermit das Diplom eines DoctorPhilosophiae
honoris causa zu überreichen, und entbiete Ihnen dazu unsre herzlichsten
Glückwünsche !
Im Namen der Frankfurter Akademie für Sozial- und
Handelswissenschaften sprach ihr derzeitiger Rektor Herr Prof.
Dr. Panzer:
Hochansehnliche Versammlung!
„Frankfurt stickt voller Merkwürdigkeiten.' So schrieb (Goethe in
einem Briefe an seine Gattin Christiane aus jenen gesegneten Herbsttagen
des Jahres 1815, da er hier noch einmal erquickungsreiche Einkehr hielt in
seiner Heimat, in seiner Jugend. Frankfurt stickt voller Merkwürdigkeiten.
Ich rechne zu diesen Merkwürdigkeiten, meine verehrten Damen und Herren,
den Frankfurter Verein für Geographie und Statistik, Ihren Verein, ebenso
wie die Hochschule, in deren Namen und Auftrag ich Sie zu Ihrem heutigen
Jubeltag aufs herzlichste beglückwünsche.
Unsere Stadt hat es von Anfang an verstanden, den Reichtum, den
eine glückliche Lage, den ein mit Intelligenz und Betriebsamkeit geführter
Handel ihr gaben, auch auf die Pflege geistiger Güter zu verwenden; sie
hat der Kunst und Wissenschaft früh und mit sicherer Morgenwitterung
eine Heimstätte bereitet in ihren Mauern. Ihr Verein wurde gegründet zu
einer Zeit, als sich die Geographie durch die Bemühungen Karl Ritters eben
erst entwickeln konnte zu einer wirklichen Wissenschaft mit strenger Methode,
mit einem nach außen abgegrenzten, nach innen reichen, ja kaum überseh-
baren Inhalt, ward gegründet zu einer Zeit, in der, wie wir gehört haben,
erst drei geographische Gesellschaften, Paris, London, Berlin, bestanden.
Sie aber haben es verstanden, durch 75 Jahre hindurch Ihrem Verein eine
gedeihliche und erfolgreiche Wirksamkeit zu sichern. Es mag Ihnen, meine
Damen und Herren, allerdings der Charakter der Wissenschaft entgegen-
gekommen sein, die Sie in erster Linie pflegen. Ich darf das freilich aus-
sprechen : alle echte Wissenschaft will erlebt sein, kann nicht gemacht werden.
Aber in keiner anderen Wissenschaft wird das Erlebnis so sinnlich, so an-
schaulich, so äußerlich persönlich, wie in der Geographie. Die Forschungs-
reisenden, die Sie herbeiriefen, damit sie hier von ihren Arbeiten und Reisen
berichteten, sie mögen es leicht gehabt haben, das Interesse ihrer Zuhörer zu
fesseln, mit ihren Erzählungen von märchenhaften, sehnsüchtigen Femen.
Aber Sie haben damit nicht allein etwa einer müßigen oder auch berechtigten
— 126 —
Neugier des PabliknmB gedient, sondern Sie haben, wie mein verehrter Herr
Vorredner ansdrttcklich aasgesprochen hat, zugleich der Wissenschaft als
solcher wesentliche Dienste geleistet. In der Tat, es wird immer die eigent-
liche und erste Aufgabe des (belehrten sein, im stillen Heiligtum die heilige
Flamme zu nähren und zu pflegen, deren Hut ihm anvertraut ist. Aber auch
für ihn selbst ist es nützlich und förderlich, dafi ihm öfter Gelegenheit ge-
boten wird, seine Fakel hinauszutragen, damit sich zeige, ob sie auch draußen
im frischen Wind der Öffentlichkeit ihr Licht behält, ob sie auch da noch su
glänzen und Wärme zu verbreiten vermag. Und Sie, meine Damen und Herren,
haben mit den wissenschaftlichen Vereinen der Stadt das Verdienst erworben,
den wissenschaftlichen Sinn unter den Bewohnern dieser Stadt zu erhalten,
Sie haben den Boden bearbeitet, auf dem auch unsere Hochschule aufgegangen
ist, Sie haben mit an den Fundamenten gemauert, auf denen unser Gebäude
sich erhebt. Es ist in ihm ein großer Teil der wissenschaftlichen Arbeiten
Frankfurts organisiert worden. Es wird dort von ständig angestellten und
tätigen Gelehrten die Wissenschaft in einem regelmäßigen Unterricht ver-
breitet, einem Unterricht, der doch noch in innerem Zusammenhang mit den
althergebrachten wissenschaftlichen Bestrebungen Frankfurts steht, einem
Unterricht, der zwar auf strengstem wissenschaftlichen Boden steht, es dabei
aber doch nicht verschmäht, beständig Fühlung zwischen Wissenschaft und
Leben zu suchen, der nicht verschmäht, den berechtigten Forderungen des
Tages gerecht zu werden. Ihre Tätigkeit, meine verehrten Damen und
Herren, behält daneben Berechtigung und Verdienst und wird sie behalten,
auch wenn, wie ich hoffe, eine nahe Zukunft uns den weiteren Ausbau unserer
Hochschule zu einer wahren Universitas literarum beschert. Ich bin über-
zeugt, es wird Ihnen zu Ihrem 100jährigen Jubiläum der Rektor der künf-
tigen Universität Frankfurt ebenso dankbar und ebenso aufrichtig seine
Glückwünsche aussprechen, wie ich es heute im Namen der Frankfurter
Akademie Urnen tun durfte.
Die Grüße der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin über-
brachte Herr Professor Dr. We gener, der Schriftführer der
Gesellschaft :
Hochansehnliche Festversammlung!
Die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin hat mir den ehrenvollen Auf-
trag erteilt, sie heute an Ihrem Ehrentage hier zu vertreten. Wir Geographen
pflegen mit besonderer Genugtuung festzustellen, wie die große Mannig-
faltigkeit der landschaftlichen Formen unseres deutschen Bodens sich in der
großen Vielgestaltigkeit des ganzen Lebens unseres Volkes wiederspiegelt;
ganz besonders ist dies der FaU auf geistigem Grebiete. Niemals hat in
Deutschland eine derartige Konzentration geistigen Lebens in einer einzelnen
Hauptstadt stattgefunden, wie das bei verschiedenen anderen Völkern der
Fall ist, sondern eine Fülle von geistigen Zentren ist über das Land aus-
gestreut, von denen Ströme geistigen Lebens jeder Art über unser Volk
hinausgehen, und oft ist mit Recht betont worden, welch ein Segen darin
für das deutsche Volk liegt! Gewiß, es ist denkbar, daß bei einem Kon-
— 127 —
zentrieren geistigen Lebens hier nnd da eine einzelne bedeutsamere Leistung
zutage gefördert werden wird, als es bei uns möglich ist, aber zweifellos
ist die Gesamtsumme der geistigen Leistungen, das Gesamtniveau der Kultur,
bei uns in Deutschland dadurch höher geworden, als es anderswo der Kall
ist. Auch in bezug auf die Geographischen Gesellschaften sehen wir die-
selbe Erscheinung. Die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin, wenngleich sie
die älteste der deutschen geographischen Gesellschaften ist, hat niemals eine
derartige dominierende Stellung eingenommen und beansprucht, wie das
beispielsweise in England oder Frankreich der Fall ist, sondern sie hat stets
im Interesse der Allgemeinheit mit herzlicher Freude das kraftvolle, selb-
ständige Leben anderer Gesellschaften neben ihr begrüßt und verfolgt. Das
Gleiche ist auch ganz besonders Ihnen gegenüber der Fall, und in diesem Sinne
bin ich beauftragt, Ihnen, der Zweitältesten Schwestergesellschaft, unsere herz-
lichsten Glückwünsche zu überbringen. Zu meiner großen Freude hat Ihr
Vorsitzender schon zu Beginn seiner ganzen Darlegungen von den innigen
Beziehungen gesprochen, die gerade zwischen der Berliner und der Frankfurter
Gesellschaft bestehen, hat darauf hingewiesen, daß der geniale Gründer
unserer Gesellschaft auch der geistige Vater der Ihrigen gewesen ist. Es
überhebt mich dies der Notwendigkeit, auf die ganz besonders innigen Be-
ziehungen, die zwischen unseren beiden Gesellschaften bestehen, noch weiter
hinzuweisen. Wenn man sonst jemandem zu seinem 76. Geburtstage gratu-
liert, dann pflegt das doch immer nur mit Rücksicht auf die Taten zu ge-
schehen, die geleistet worden sind, und die Wünsche nach vorwärts pflegen
sich zu konzentrieren auf einen sonnigen Lebensabend. Hier aber liegt die
Sache anders. Sie sind den Jahren nach, ebenso wie die Berliner Gesell-
schaft ein Greis, der Kraft nach ein Jtlngling, der mutig und stürmisch
vorwärtsdringt. Wie sehr dies bei Ihnen der Fall ist, das beweisen Sie
nach außen hin durch die glänzende Expedition, über deren erstaunliche
Menge von Gesichtspunkten wir alle voll von Bewunderung sind, und wie
sehr das auch nach innen der Fall ist, davon können wenige so gut Zeugnis
ablegen wie ich, der ich so oft hierhergekommen bin und genau weiß, welche
Fülle wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in Ihnen pulsiert. Und
deshalb gestatte ich mir, den offiziellen Grüßen und Glückwünschen noch
meine eigenen, persönlichen aufs herzlichste hinzuzufügen und Ihnen in
diesem Sinne zuzurufen: Glückauf zu den nächsten 25 Jahren, und hoffent-
lich bin ich bei Ihrem JOO. Jubiläum auch wieder dabei!
Seitens der Senckenbergischen Naturforschenden Gesell-
schaft begrüßte uns der erste Direktor der Gesellschaft Herr
Prof. Dr. Knoblauch:
Meine verehrten Damen und Herren!
Wenn die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft am heutigen
Tage den Verein für Geographie und Statistik zur Feier seines 75 jährigen
Bestehens begrüßt und beglückwünscht, so geschieht es vor allem, um den
engen Beziehungen aufrichtiger und herzlicher Freundschaft
— 128 —
Aosdrack zu geben, die unsere Gesellschaft mit Ihrem Verein seit dessen
Gründung verbindet. Es geschieht auch in voller Würdigung dessen, was
Ihr Verein in treuer, emsiger Arbeit auf den weiten Gebieten seiner Tätig-
keit in drei Vierteljahrhunderten geleistet hat, auf den Gebieten der Geo-
graphie, der Statistik im weitesten Sinn und der Völkerkunde, und es geschieht
nicht zuletzt, um Dmen Dank zu sagen für die reichen Zuwendungen, die
unserem Museum aus der Ausbeute Ihrer Sunda-Expedition geworden sind,
Zuwendungen, über deren hohen wissenschaftlichen Wert in tier- und pflanzen-
geographischer Hinsicht schon berichtet worden ist. Zum Ausdruck dessen
hat unsere Verwaltung beschlossen, Ihren beiden Vorsitzenden, den Herren
Hofrat Dr. Hagen und Geh. Justizrat Dr. von Harnier, sowie Ihrem
früheren Vorsitzenden Herrn Geh. Konsistorialrat Prof. Dr. Bbrard, dem
verdienten Mitglied unserer Bibliothekskommission, dem wir zu besonderem
Danke verpflichtet sind, die außerordentliche Ehrenmitglied-
schaft anzubieten. Ich habe die Ehre, Ihnen die Diplome zu überreichen.
Möge der Geographische Verein das erste Jahrhundert seines Bestehens
ruhmvoll vollenden; möge er weiter blühen in die Jahrhunderte hinein, in
treuer Pflege der Wissenschaft, zum Ruhme Frankfurts und zur Ehre des
deutschen Namens!
Die Glückwünsche einer Gruppe befreundeter hiesiger
Vereine übermittelte Herr Sanitätsrat Dr. Roediger, der Vor-
sitzende der S^nckenbergischen Stiftungsadministration:
Meine Damen und Herren!
Die Vorstände des Physikalisehen Vereins, des Ärztlichen Vereins, der
Gesellschaft für Naturwissenschaftliche Unterhaltung, des Taunus-Klubs, der
Sektion Frankfurt des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins und die Ver-
waltung der Senckenbergischen Bibliothek haben sich mit der Administration
der Dr. Senckenbergischen Stiftung vereinigt, um Ihnen gemeinsam unsere
aufrichtigen und herzlichsten Glückwünsche zu Ihrem heutigen Jubelfest
auszusprechen mit dem Ausdruck wärmster Anerkennung für die großen Ver-
dienste, die sich Ihr Verein in den abgelaufenen 76 Jahren seines Bestehens
durch seine hervorragende Tätigkeit auf dem Gebiete der Erd- und Staaten-
kunde und der Statistik erworben hat. Namentlich aber beglückwünschen
wir Sie zu dem wissenschaftlich hochbedeutsamen Erfolg Ihrer Jubil&ums-
Expedition. Auch Ihre Wiege hat auf dem klassischen Boden am Eschen-
heimer Turm gestanden, und auch Sie haben mit anderen gleichgesinnten
hiesigen Vereinen und Gesellschaften an der Verwirklichung der Idee
Scnckenbergs gearbeitet, der der Wissenschaft hier einen Tempel baute.
Die Stiftungsadministration bewahrt aus gemeinsamer Tätigkeit von alten
Zeiten her einen reichen Schatz von wertvollen und bedeutsamen Erinnerungen
an das gemeinsame Streben gleichgesinnter Männer, von denen eine wohl
verdient, an dem heutigen Tage bei der Jubelfeier Ihres Vereins erwähnt zu
werden. Vor gerade 30 Jahren fiel ihrem Verein das Vermächtnis Hei nr ich
G 1 0 g a u * s zu, dessen Verwaltung der Dr. Senckenbergischen Stiftung an-
vertraut wurde. Das Schreiben, welches uns dies mitteilte und das Dur
— 129 —
damaliger erster Vorsitzender, einer der besten nnd tatkräftigsten Mitbürger
unserer Stadt, der große Hygieniker Georg Yarrentrapp an uns rieh«
tete, schließt mit den Worten: ,Wir begrüßen alle Maßnahmen mit Freuden,
welche das Band zwischen der Administration des Medizinischen Institutes
und den verschiedenen hiesigen naturwissenschaftlichen Gesellschaften fester
schnüren und somit dazu beitragen, eine unter der Aegide jenes Instituts
gestellte naturwissenschaftliche Akademie mehr und mehr zu entwickeln.'
Diese prophetischen Worte werden in weiter Ausdehnung, so hoffen wir, in
unseren Tagen in Erfüllung gehen, und es wird die Frucht eines gemeinsamen,
zielbewußten Strebens in der Erfüllung hoher Kulturaufgaben reifen, ein
Streben, das uns auch dauernd weiter verbunden halten wird.
Für eine weitere Anzahl uns nahestehender Frankfurter
Vereine ergriff Herr Realgymnasialdirektor Dr. Liermann,
der Vertreter des Freien Deutschen Hochstifts, das Wort :
Meine Damen und Herren!
Dem 75 jährigen Jubilar, der uns heute so besonders schaffensfroh
und geistesfrisch erscheint, möchten auch das Freie Deutsche Hochstift und
mit ihm sieben andere Vereinigungen, die durch ihre verwandten wissen-
schaftlichen und Bildungs-Bestrebungen ihm nahestehen, herzlichen Geburts-
tagsgruß bringen mit den besten Geleitwünschen für fernere Tage. Die
Gratulanten, die ich zu vertreten die Ehre habe, sind außer dem Hochstift
der Verein für Geschichte und Altertumskunde, der Kaufmännische Verein,
der Verein für das Historische Museum, die Deutsche Kolonial-Gesellschaft,
Abteilung Frankfurt, die Anthropologische Gesellschaft, der Verein für dag
Völkerrouseum und die Sektion Frankfurt der Orientgesellschaft. Nach allem,
was wir in dieser festlichen Stunde über das Lebenswerk des Jubilars in Gegen-
wart und Vergangenheit gehört haben, dürfen wir wohl auf ihn ein Wort
Goethe's anwenden: „es ist in ihm viel Zukunft vorhanden, und es ist gar
nicht abzusehen, was er alles leisten und wirken wird". Möge seine Zukunfts-
arbeit unter günstige Vorbedingungen gestellt sein, möge er seine wissenschaft-
liche, seine pädagogische, seine weltwirtschaftliche Mission in der großzügigen
Auffassung erfüllen, die vor hundert Jahren der bei der heutigen Feier mit
Recht zu Ehren gekommene Karl Ritter, der schöpferische Erneuerer einer
wissenschaftlichen Geographie, in unserer Vaterstadt bekundete, der hier als
„Großberzoglich Frankfurterischer Gymnasialadjunkt*' seine bahnbrechenden
Studien trieb. Möge der universale Geist Karl Ritters in Frankfurt, das
sich durch ihn gewissermaßen als die Geburtsstadt der modernen vergleichen-
den Erdkunde bezeichnen darf, und im Frankfurter Geographischen Verein,
der Ritter'sches Erbgut hütet, lebendig bleiben, wie bisher, so auf immerdar !
Das ist der Segenswunsch, den ich im Namen aller Vereinigungen, die das
Hochstift mit ihrer Vertretung beauftragten, auszusprechen habe; ich will
schließen mit dem Gedanken Platens :
„Ein jedes Band, das noch so leise / Die Geister aneinander reiht,
Wirkt fort auf seine stille Weise / Durch unberechenbare Zeit.*'
— 130 —
Für die Gesellschaft für Erdkunde zu Leipzig sprach ihr
Vorsitzender Herr Geh. Hofrat Prof. Dr. Hans Meyer:
Verehrte Damen und Herren!
Als Yorsitxender der GeseUschaft fftr Erdkunde zu Leipsig habe ich
die ehrenyoUe Mission übernommen, dem Verein für Geographie nnd Statistik
SU Frankfurt a. M. zu seinem 75. Geburtstag die w&rmsten Glückwünsche
seiner mm 2b Jahre jüngeren Leipziger Schwestergesellschaft za überbringen.
Als im März dieses Jahres die Leipziger Gesellschaft den 50. Jahrestag ihres
Bestehens festlich beging, hatten wir die Frende, Ton Ihrer Gesellschaft
herzlichst begrüßt zn werden, and wir hoffen, daß Ton diesem Fest der
Eindruck geblieben ist, daß Leipzig der Frankfurter Schwestergesellschaft
die vollste Sympathie entgegenbringt. Zu dieser Sympathie gesellt sich heute,
wo der Frankfurter Verein auf ein 75 jähriges arbeitsreiches Leben zurück-
blickt, unsere bewundernde Anerkennung seiner Leistungen. Für den Geo-
graphen, der gewohnt ist, sich bei allen Kulturerscheinungen die Frage nadi
dem geographischen Milieu zu stellen, ist es selbstyerständlich, daß gerade
hier in Frankfurt a. M. eine geographische Gesellschaft sich zu fruchtieidier
Blüte entwickeln mußte, wenn nur die richtigen Männer an seiner Spitze
standen. Die glückliche geographische Lage, die nach allen Seiten weltweite
Verkehrsbesiehungen geschaffen und den Blick nach aller Herren Länder
richtete, der freie Gteist der alten immer zu neuer Blüte sich entfaltenden
Handelsstadt, der yon jeher den Sinn für Wissenschaftlichkeit schärfte, das
Mäoenatentum hochdenkender Bürger, das der die Erde umspannenden jungen
geographischen Wissenschaft eine breite materieUe Arbeitsbasis schaffte, das
Vorhandensein vieler an wissenschaftlichen Schätzen reicher Sammlungen und
Bibliotheken, und manches andere mehr, das bildete zusammen einen Nähr-
und Lebensboden für eine geographische Gesellschaft, wie er günstiger kaum
gedacht werden kann, und dazu kam dann eine lange Reihe hervorragender
führender Männer, die an die Tradition illustrer Vorbilder, wie das eines Rüppell,
anknüpfen konnten und den Verein immer höheren Zielen entgegen führten.
Was der Verein durch seine langjährigen Publikationen, durch seine in weiteste
Kreise dringenden Vorträge, durch seine eigenen Forschungsuntemehmungen
zur Hebung der geographischen Wissenschaft in Deutschland beigetragen hat,
sichert ihm einen Ehrenplatz in der Geschichte der deutschen Wissenschaftspflege
für alle Zeiten. Daß der nun 75 jährige in gleicher Jugendkraft auch seinen
100. Geburtstag vollende, das wünscht ihm von ganzem Herzen die jüngere geo-
graphische Gesellschaft in Leipzig, und mit diesem Wunsche habe ich die Ehre,
eine Tabula gratulatoria der Gesellschaft Ihrem Vorsitzenden zu überreichen.
Den Besclduß der Begrüßungen machte Herr Prof. Dr.
Oestreich aus Utrecht namens der Kgl. Niederländischen
Geographischen Gesellschaft zu Amsterdam:
Hochverehrte Anwesende!
Nicht als Frankfurter, der von Kindheit an den von Dinen veran-
stalteten Vorträgen folgen konnte, der die Liebe zu seiner Wissenschaft
— 131 —
nicht Kum geringsten Teil Ihrem Verein und dem nahen Verkehr mit den
Mitgliedern seines Vorstandes verdankt, sondern als Vertreter einer aus-
ländischen geographischen Gesellschaft wage ich es, einen Augenblick noch
Ihre Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Die Niederländische Geo-
graphische Gesellschaft zu Amsterdam ist bedeutend jünger als die Ihrige;
es ist in den Niederlanden schwerer geworden als hier in Deutschland, eine
Heimstätte für die Pflege der Geographie zu finden, aber dafür kann man
wohl sagen, daß die Geographische Gesellschaft zu Amsterdam alle geo-
graphischen Interessen des Landes und der Kolonien zusammenfaßt. So
fühlt sie sich auch Ihrem Herrn Vorsitzenden, dem neuen Doktor der Uni-
yersität Marburg, zu besonderer Dankbarkeit yerpflichtet für den tätigen
Anteil, den er als Forscher und Anreger an der wissenschaftlichen Erschließung
des indischen Archipels bewiesen hat und weiter beweist.
Seien Sie überzeugt, daß die Festschrift, die zu diesem Tage heraus-
gegeben worden ist, in den Kreisen der Niederländischen Geographischen
Gesellschaft zu Amsterdam der Ausgang neuer Studien und neuer Vertiefung
in die wissenschaftlichen Probleme ihres Kolonialgebietes sein wird. Die
Gesellschaft, deren weiterem Vorstande ich anzugehören die Ehre habe, hat mich
beauftragt, Ihnen die herzlichsten und wärmsten Glückwünsche zu überbringen.
Den Dank des Vereins brachte Herr Hofrat Dr. Hagen
zum Ausdruck:
Die freundlichen und wohlwollenden Worte der Anerkennung, die
hohen wissenschaftlichen Ehrungen und Auszeichnungen, die uns soeben zu
teil geworden, sind uns ein Beweis, daß unser Verein sich auf dem rechten
Wege befindet. Wir sind uns stets bewußt geblieben, daß wir neben der
wissenschaftlichen auch eine hohe soziale Aufgabe zu erfüllen haben, indem
wir die Ergebnisse der Geographie popularisieren und in weitere Kreise
hineintragen, als es yon den streng wissenschaftlichen akademischen Lehr-
stühlen aus geschehen kann. Und darum können auch beide Einrichtungen
sehr gut nebeneinander bestehen, indem sie sich gegenseitig ergänzen. Aus
der Geographie blüht hinwiederum das Interesse an unsem Kolonien und ihren
Völkern empor, die ja auch einen lebenswichtigen Teil unseres Vaterlandes bilden.
Es sei mir gestattet, zunächst dem Vertreter der Staatsregierung, Seiner
Exzellenz dem Herrn Oberpräsidenten, unsern tiefgefühltesten Dank zu
sagen für seine uns hoch ehrenden Worte der Anerkennung. Nicht minder
dem Kgl. Niederländischen Generalkonsul Jonkheer yan Panhuys als
Überbringer der Glückwünsche der Kgl. Niederländischen Staatsregierung,
welche uns zu besonderer Genugtuung gereichen hinsichtlich unserer Jubi-
läums-Expedition. Innigen Dank sodann unserem allverehrten Herrn Ober-
bürger meiste r für die warmherzige Würdigung der Tätigkeit unseres
Vereins, der gerade unter seiner weitausblickenden und großzügigen Ägide
das rechte Feld für seine Entfaltung gefunden hat und nach Verwirklichung
der UnlYersitätspläne noch weiter finden wird. Unsern allerverbindlichsten
Dank femer Herrn Geheimrat Prof. Dr. Krümmel, sowohl als Sprecher
dev Hochschul- Geographen, wie der auswärtigen wissenschaftlichen Gesell-
9*
— 132 —
Schäften. Ich darf unverhohlen meiner Freude Ansdnick geben, daß das
Band langjähriger Freundschaft, welches uns mit der Universität Marburg
verband, auch nach dem Tüde unseres unvergeßlichen Theobald Fischer
fortdauern soll, und nehme in diesem Sinne die hohe akademische Würde,
die er mir als Vorsitzendem Namens der Universität überbracht hat, mit
tiefgefühltem Dank an. Sodann danke ich unserem lieben Freunde, Herrn
Prof. Dr. W e g e n e r , der so liebenswürdig war, die Qrüße der älteren Ber-
liner Gesellschaft zu überbringen, was uns mit ganz besonderer Freude erfüllt
hat. Ich hoffe, daß die beiderseitigen guten Beziehungen der vergangenen
75 Jahre nicht nur bis zum 100., sondern 150. und 200. Jahre dauern. Auch
Herrn Prof. Dr. P an z e r als derzeitigem Rektor der Akademie möchte ich nicht
verfehlen, unsem verbindlichsten Dank auszudrücken in der Hoffnung, daß
die Akademie wie bisher so auch in Zukunft ihre Sympathie und ihr Wohl-
wollen uns bewahren möge nicht blos als Akademie, sondern auch als Uni-
versität Die außerordentliche Ehrung, mit welcher uns durch den Mund
von Herrn Prof. Dr. K n o b l a u c h die Senckenbergische Naturforschende Gesell-
schaft ausgezeichnet hat, erfüllt uns mit freudigem Stolz als Zeichen des
innigen Hand-in-Hand-Gehens mit unserer berühmten älteren Schwester, mit
der uns jetzt schon so lange Jahre hindurch engere Bande verknüpfen. Auch
ihr unsern wärmsten Dank ! Aufrichtigen und herzlichen Dank femer Herrn
Sanitätsrat Dr. Rödiger und Herrn Direktor Dr. Liermann, welche so
liebenswürdig waren, uns die Grüße und Glückwünsche einer so großen An-
zahl von hiesigen Gfesellschaften und Vereinen zu überbringen. Wir empfinden
dieselben freudig als Zeichen treuer Freundschaft und einträchtigen Zusammen-
arbeitens, jeder an seinem Teil; streben wir doch Alle einem Ziele zu, dem
Wachsen, Blühen und Gedeihen unserer lieben Stadt Frankfurt. Ebenso
danke ich unserem hochverehrten Freunde Herrn Geheimrat Prof. Dr. Hans
Meyer für die liebenswürdigen und warmen Worte, die er namens der
Leipziger Geographischen Gesellschaft unseren Bestrebungen gewidmet hat,
sowie für die Tabula gratulatoria, deren Überbringung am heutigen Tage
uns zu großer Ehre gereicht. Wir sind überzeugt, daß die langjährigen
freundschaftlichen Beziehungen, welche uns mit der Leipziger Schwester-
gesellschaft und ihrem ausgezeichneten Vorsitzenden verbinden, in Zukunft
in ihrer Herzlichkeit stets die gleichen sein werden. Herzlichen Dank
schließlich Herrn Prof. Dr. Oestreich- Utrecht für seine und die im Namen
der Kon. Nederlandsch Aardrijkskundig Genootschap zu Amsterdam dar-
gebrachte freundliche Begrüßung. Seine Worte geben uns die Gewißheit,
daß sich in den Zielen, welche wir verfolgt und zuletzt durch unsere Ex-
pedition zum Ausdruck gebracht haben, die beiden Gesellschaften einander
begegnen und einander näher gebracht haben.
Die vom Verein beschlossenen Ehrungen verkündete
hierauf Herr Generalsekretär Dr. Traut, dem vor der Sitzung
von Seiner Exzellenz dem Herrn Oberpräsidenten die ihm anläß-
lich des Jubiläums zuteil gewordene Ernennung zum Professor
mitgeteilt worden war.
— 133 —
Hochansehnliche Festversammlnng!
unser Verein hat in seiner 75jährigen Lebensdauer viel Gelegenheit
gehabt, die geistigen Gaben hervorragender Forscher und Lehrer auf den
Gebieten der von uns gepflegten beiden Wissenschaften dankbar aufzu-
nehmen. Umso tiefer und freudiger hat er bei wichtigen Abschnitten in
seiner Geschichte die Verpflichtung gefühlt, soweit es in seinen bescheidenen
Kräften stand, durch Ehrungen einen Teil dieser Schuld abzutragen. Dabei
empfanden wir es aber selbst als eine noch größere Ehre, daß wir die so
Ausgezeichneten die unsrigen nennen und ihre stolzen Namen in unseren
Mitgliederlisten führen durften. Wenn wir die Namen unserer verstorbenen
und noch lebenden Ehrenmitglieder durchgehen, so fehlt in ihnen kaum einer
von den Großen, die in den Tafeln der Geographie oder der Statistik mit
ehernen Lettern eingetragen stehen, und wir dürfen es mit Stolz sagen, bei
vielen von ihnen hatten die gemeinsamen Bestrebungen auch zu persönlicher
Beziehung, ja enger Freundschaft geführt. Freilich hat auch die jüngste
Zeit wieder, seitdem wir uns vor 5 Jahren in größerem festlichem Kreise
zusammenfanden, schmerzliche Lücken in die Reihe unserer Ehrenmitglieder
gerissen; ich nenne Alfred Kirchhoff, Richard Boeckh, Karl Koldewey,
Wilhelm Reiß, Reinhold von Werner, Georg von Neumayer, Graf
Adolf von Goetzen, Georg Freiherm von Schleinitz, Karl Siden-
bladh, Emil Blenck, zuletzt noch Theobald Fischer, dessen Tod hier
wie ein ganz persönlicher Verlust gefühlt wird, da uns ein Menschenalter
hindurch treueste Freundschaft verband.
Es ist mir nun wieder der ehrenvolle Auftrag zuteil geworden, Ihnen
die Ehrungen zu verkünden, welche der Vorstand aus Anlaß des 75. Stiftungs-
festes des Vereins mit Einstimmigkeit beschlossen hat. Er hat folgenden
Herren die Ehrenmitgliedschaft des Vereins verliehen:
Voran stehe ein Name, der jeden echten Frankfurter mit Stolz erfüllt :
Oberbürgermeister Dr. Franz Adickes, der mit unermüdeter
Rastlosigkeit für das Aufblühen der Wissenschaften in Frankfurt Sorge
trägt, insbesondere auch den Bestrebungen unseres Vereins durch die
Begründung eines Lehrstuhls für Geographie und die reiche Ausstattung
eines geographischen Instituts an der Akademie einen starken und will-
kommenen Rückhalt gegeben hat, der in unseren Tagen mit dem sieg-
haften Mute der Zuversicht am Werke ist, das wissenschaftliche Leben
Frankfurts zusammenfassend durch Begründung einer Universität glänzend
zu krönen, ein Mann, der die natürlichen geographischen Vorzüge unserer
Mainstadt mit weitem und schöpferischem Blicke erkennt und ausnutzt,
um unsere Stadt zu einem Mittelpunkt moderner Großindustrie und Welt-
wirtschaft zu erheben.
Des Weiteren seien von hervorragenden Lehrern der Geographie an
deutschen und ausländischen Hochschulen oder Forschungsreisenden und Ge-
lehrten genannt:
Dr. Eduard Brückner, Professor an der Universität Wien, der
ausgezeichnete Klimatologe und Alpenlorscher, dessen Untenachungen
— 134 —
über die Vergletscherung der Alpen in dem gemeinBam mit unserem
Ehrenmitglied Albrecht Penck herausgegebenen monumentalen Werke
,Die Alpen im Eiszeitalter" niedergelegt sind.
Dr. William Morris Davis, Professor an der Harvard Universität
in Cambridge, Mass., der erfolgreiche Begründer der amerikanischen Geo-
graphen-Schule und der rastlose Pfleger geomorphologischer, auch für die
deutsche Forschung bedeutungsvoll gewordener Studien.
Dr. Alfred Hettner, Professor an der Universität Heidelberg,
der hochverdiente Erforscher der südamerikanischen Kordilleren, der treff-
liche Methodologe der Erd- insbesondere der europäischen Länderkunde,
der Begründer und Herausgeber der „Geographischen Zeitschrift', die er
zu einem unentbehrlichen Organ unserer Wissenschaft erhoben hat.
Dr. Lucas vonHeyden, Kgl. Major a. D. und Professor, der älteste
Sektionär der mit uns seit Anbeginn eng verbundenen Senckenbergischen
Naturforschenden Gesellschaft und zugleich seit 1867 Mitglied unseres
Vereins, in Würdigung seiner großen Verdienste um die Tiergeographie
und um das naturwissenschaftliche Leben unserer Stadt überhaupt.
Geh. Regierungsrat Dr. Otto Krümmel, Professor an der Uni-
versität Marburg, der anerkannt führende (belehrte auf dem Gesamtgehiet
der Meereskunde und weitbekannte Verfasser des grundlegenden Hand-
buchs der Ozeanographie.
Dr. Otto Nordenskjöld, Professor an der Universität (Rothen-
burg, der energische Leiter und Darsteller der schwedischen Sfldpolar-
Expedition, der wir eine wesentliche Erweiterung unserer Kenntnis der
West-Antarktis verdanken.
Dr. Eugen Oberhummer, Professor an der Universität Wien,
der bedeutende Historiker der Geographie, insbesondere der Elartenkunde,
und treffliche Kenner der Kulturländer des östlichen Mittelmeeres und
der Siedelungen des klassischen Altertums.
Geh. Hofrat Dr. Joseph Part seh, Professor an der Universität
Leipzig, der ausgezeichnete Kenner der Mittelmeerländer und ihrer alten
Kulturstätten, Verfasser der bedeutsamen Landeskunde von Schlesien
und von Mitteleuropa.
Dr. Siegfried Passarge, Professor am Kolonialinstitat in Ham-
burg, als Verfasser des großen Kalahari- Werkes und grundlegender Arbeiten
über die Morphologie des afrikanischen Erdteils, ein hervorragender Ver-
treter der deutschen Kolonialgeographie.
Dr. Alfred Philippson, Professor an der Universität Bonn, ein
Gelehrter von wohlverdientem Rufe auf dem Gebiete der physikalischen
Erdkunde und der Geographie von Griechenland, Kleinasien und Qesamt-
Europa.
Dr. Fritz Regel, Professor an der Universität Wflrzburg, in
Würdigung seiner gründlichen landeskundlichen Arbeiten über Thüringen
und seiner Forscherleistungen in Südamerika, insbesondere in den Anden
von Kolumbien.
Dr. Wilhelm S i e v e r s , Professor an der Universität Gießen, der
tceifliohe Kenner Südamerikas, vor allem der Länder Venesuela und Peru,
— 185 —
sowie der yerdienstYolle Herausgeber der allbekannten , Allgemeinen
Länderkunde''.
Dr. Marc-Aurel Stein in Oxford, Qeneralinspektor des indischen
archäologischen Departements, im Hinblick auf seine in gefahrvollen
Expeditionen gewonnenen epochemachenden Entdeckungen anf archäo-
logischem nnd geographischem Gebiete in Osttnrkestan und Westtibet.
Dr. Alexander Supan, Professor an der Universität Breslau, der
langjährige frühere Herausgeber von „Petermanns Mitteilungen' und der
Begründer des darin enthaltenen Jahresberichts, der Verfasser einer vor-
trefflichen Charakteristik Österreich-Ungarns und des europäischen Kolonial-
gebietes sowie eines meisterhaften, seine zahlreichen hochbedeutsamen Ar-
beiten auf dem Gebiete der physikalischen Geographie krönenden Lehrbuchs.
Diesen Koryphäen der Geographie schließt sich eine Reihe ausgezeichneter
Statistiker an, zum Teil Vorstände statistischer Ämter, welche mit uns seit
vielen Jahren im Schriftenaustausch stehen:
Dr. Richard vanderBorght, Pi^sident des Kaiserl. Statistischen
Amts in Berlin, der schon in seinen früheren Stellungen als Professor
der Nationalökonomie und als Vortragender Rat im Reichsamt des Innern
sich durch Arbeiten auf dem Gebiete der wirtschaftlichen, insbesondere der
Produktionsverhältnisse Deutschlands wesentliche Verdienste erworben hat.
Georg Evert, Wirkl. Geh. Oberregierungsrat und PiÜ^ident des
Kgl. Preußischen Statistischen Landesamtes in Berlin, in Würdigung seiner
wirtschaftspolitischen Forschungen sowie seiner zahlreichen Arbeiten auf
dem Gebiete der inneren Verwaltnngs- und Sozialstatistik.
Dr. Georg v o n M ay r , Professor der Nationalökonomie und Statistik
an der Universität München, Unterstaatssekretär z. D. und ehemaliger
Vorstand des Kgl. Bayerischen Statistischen Landesamts, der durch seine
Studien über die Gesetzmäßigkeit im Gesellscbaftsleben den Ausbau der
Statistik zu einer selbständigen Wissenschaft als Teil der Gesellschafts-
lehre erfolgreich anstrebt und theoretisch, wie praktisch eine führende
Stellung in der Statistik einnimmt.
Prof. Dr. Ernst Mi seh 1er, der Präsident der K. K. Statistischen
Zentralkommission in Wien, der jetzige Chef der stets in hoher Blüte
stehenden österreichischen Statistik, gleich hervorragend in Wissenschaft
und Praxis, mit dessen Namen die Begründung der provinzialständigen
Statistischen Bureaus in Österreich eng verknüpft ist.
Prof. Dr. Moritz N e e f e , Direktor des Statistischen Amts der Stadt
Breslau, der vielseitige tätige Forscher auf dem Gebiete der kommunalen
Statistik und Begründer und Herausgeber des allgemein bekannten
^Statistischen Jahrbuchs deutscher Städte".
Zu korrespondierenden Mitgliedern wurden ernannt:
Dr. Hendrik Blink im Haag, Privatdozent der Geographie an der
Universität Leiden, in Würdigung seiner Verdienste um die Pflege der
Landeskunde der Niederlande und ihrer Kolonien und die phjrsikalische
Geographie des Rheinstroms.
— 136 —
Dr. Georg Greim, Professor und Dozent der Geogn^hie an der
Technischen Hochschule in Darmstadt, ständiges Mitglied des Großhersogl.-
Hydrographischen Bureaus, im Hinblick auf seine yortrefflichen Arbeiten
auf dem Gebiete der Landeskunde von Hessen und der Alpengletscherkunde.
Dr. Fritz Jäger, Professor für Kolonialgeogpraphie an der Uni-
yersität Berlin und
Dr. Karl ühlig, Professor der Geographie an der üniyersität
Tübingen, beide wegen ihrer Verdienste um die Erschließung Ostafrikas,
insbesondere der Untersuchungen des ostafrikanischen Grabens und der
Riesenkrater, der Erforschung der Gletschenrerhältnisse am Kilimandscharo
und der wirtschaftlichen Fähigkeiten des ostafrikanischen Sohutsgebietes.
Dr. Hugo M ertön in Heidelberg, ein Sohn unserer Stadt, in
Anerkennung seiner. mit großem Erfolg durchgeführten Expedition nach
den Aroe- und Kei-Inseln.
Schließlich noch vier um unsere Sunda-Expedition wesentlich rerdiente
Forscher:
Dr. W. yan Bemmelen, Direktor des Kgl. Magnetischen und
Meteorologischen Obseryatoriums in Batayia wegen der Bearbeitung der
meteorologischen Beobachtungen der Expedition,
Dr. Hans Hallier, Konseryator am Reichsherbarium in Leiden,
im Hinblick auf die Bearbeitung der Pflanzen,
Fräulein Dr. G. M. L. Popta, Gonsenratrice am Reichsnatur-
historischen Museum in Leiden wegen der Bearbeitung der Ausbeute der
Sunda-Expedition an Süßwasserfischen,
Dr. Joseph T i 1 m a n n s , Abteilungsyorsteher am hiesigen Städtischen
Hygienischen Institut, wegen der zahlreichen (Gestein- und Wasser-Analysen.
Sodann habe ich Ihnen noch yon einigen Verleihungen derRüppell-
Medaille des Vereins, die für besonders heryorragende Verdienste um die
yon ihm gepflegten Wissenschaften gestiftet ist, Mitteilung zu machen,
zunächst der Rüppell-Medaille in Silber.
Der Vorstand war sich nicht lange im Unklaren^ wem er diese Aus-
zeichnung in erster Linie zuerkennen sollte. Er hat sie zunächst dem Manne
yerliehen, welcher die yon unserem Verein, dank der opferwilligen Mithülfe
aus den Kreisen seiner Mitglieder, ausgerüstete Sunda-Expedition geleitet und,
wie wir heute wohl mit freudigem Stolze sagen dürfen, mit gutem Gelingen
ausgeführt hat, zum Nutzen für die Wissenschaft und zur Bereicherung
unserer heimischen Museen. Es gereicht dem Vorstand zur lebhaften Be-
friedigung, durch die Verleihung der silbernen Rüppell-Medaille an Herrn Dr.
Johannes E l b e r t und seine gleichzeitige Ernennung zum korrespondierenden
Mitgliede des Vereins unseren Dank und unsere Anerkennung zum Ausdruck
zu bringen.
Zugleich ergreift der Vorstand heute die Gelegenheit, der tapferen
Gattin und Begleiterin Dr. Elberts für die Verdienste, welche sie sieh um
das gute Gelingen der Expedition erworben hat, auch an dieser Stelle herz-
lichsten Dank zu sagen. Ihre eifrige Mitarbeiterschaft auf den yersohiedensten
— 137 —
Qehieten, wovon unser Jnbilänmswerk hinreichend Kunde gibt, hat den Leiter
der Expedition in den Stand gesetzt, seinen speziellen wissenschaftlichen
Aufgaben in weiterem Umfange obzuliegen, als ihm sonst Zeit und Umstände
gestattet hätten. Unsere aufrichtige Anerkennung der verdienstvollen Tätigkeit
von Frau Dr. Elbert hier öffentlich auszusprechen, empfindet der Vorstand
als eine angenehme Pflicht.
Eine zweite Rttppell-Medaille in Silber haben wir dem Kustos des
Geographischen Instituts der Universität Berlin Prof. Otto B aschin zuer-
kannt, einem eifrigen Arbeiter auf dem Qebiete der Geophysik und der
Polarforschung, ganz besonders aber in Würdigung der wichtigen Dienste,
die er den Vertretern der wissenschaftlichen Erdkunde durch die Herausgabe
der großen, jedem Forscher unentbehrlichen Bibliotheca geographica, von der
bis jetzt 15 Bände erschienen sind, geleistet hat.
Wir haben des weiteren eine RUppell-Medaille in Silber verliehen
einem Manne, der uns ganz besonders nahe steht, dem Mitglied unseres
Vorstandes, langjährigen früheren Direktor des Statistischen Amtes der Stadt
Frankfurt, jetzigem Stadtrat und Dozenten an der Akademie für Sozial- und
Handelswissenschaften, Prof. Dr Heinrich Bleicher. Wie hoch und all-
gemein er im Kreise seiner Fachgenossen geschätzt wird, hat sich bereits
durch die Ernennung zum ehrenamtlichen Versicherungsbeirat des Kaiserl.
Aufsichtsamts für Privatversicherung und zum Mitglied des Internationalen
Statistischen Instituts gezeigt. Wir schlössen uns diesen Ehrungen an im
Hinblick auf seine hervorragenden Leistungen auf dem Gebiete der Ver-
sicherungs- und Verwaltungsstatistik, insbesondere auf seine mustergültige
Organisation einer wissenschaftlichen Statistik der Stadt Frankfurt und ihrer
näheren Umgebung, wobei er entsprechend den starken sozialpolitischen
Interessen unserer Stadt, den Fragen der Sozialversicherung und der Arbeits-
vermittlung eine eingehende Pflege gewidmet hat.
Und nun zum Schluß zu der höchsten Auszeichnung, welche unser
Verein zu vergeben hat, nämlich der Eduard Rüppell-Medaille in Gold.
Auf einstimmigen Beschluß des Vorstandes haben wir sie einem Manne zu-
erkannt, der seit 20 Jahren zu unseren Ehrenmitgliedern zählt und stets mit
uns die freundschaftlichsten Beziehungen unterhalten hat, Geh. Hofrat Prof.
Dr. Hans Meyer in Leipzig. Geheimrat Meyer hat nicht nur durch seine
wiederholten Expeditionen in Deutsch- Ostafrika, von deren letzter er vor
14 Tagen erst heimgekehrt ist, sowie . durch vortreffliche Darstellungen
des bereisten Gebietes sich um die geographische Erschließung unserer
Kolonie große und bleibende Verdienste erworben, sondern auch durch seine
eingehenden Studien der Gletscherverhältnisse am Kilimandscharo, dessen
Bezwingung ihm als Ersten gelungen ist, sich als hervorragenden Forscher
erwiesen. Von nicht geringerer Bedeutung sind seine ergebnisreichen Unter-
suchungen der tektonischen und glazialen Verhältnisse der ecuadorianischen
Riesenvulkane, welche in ihm den ausgezeichneten Gelehrten auf dem Gebiete
der physikalischen Geographie haben erkennen lassen. Zugleich hat er das
unter seiner Leitung stehende Bibliographische Institut zu einer Hauptstätte
der Pflege wissenschaftlicher Landes- und Völkerkunde erhoben. Zu diesen
rein geographischen Arbeiten gesellen sich in zweiter Linie die außerordent-
— 138 —
liehen Verdienste, welche sich Hans Meyer in den leisten Jahren und besonders
in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Landeskundlichen Kommission des
Kolonialrates am die Entwicklung unserer Kolonien erworben hat. Zuletit
aber, und dieses war auch ein uns bestimmendes Moment, hat Geheimrat
Meyer durch die hochherzige Stiftung einer Kolonial-Professur an der Uniyersität
Berlin alle Freunde der Geographie zu dem wärmsten Danke yerpflichtet.
Auch wir haben an unserem bescheidenen Teile nicht yers&umen wollen,
diesem Gefühl durch unseren Beschluß lauten und herzlichen Ausdruck lu geben.
Alle die genannten Herren, von denen wir zu unserer Freude die
Herren: Adickes, Bleicher, Elbert, Greim, Hettner, yon Heyden,
Krümmel, Merton, Hans Meyer, Passarge, Regel und Sieyers
in unserer Mitte heute begrüßen dürfen, heiße ich im Namen des Vorstandes
herzlich willkommen.
Im Namen der von dem Verein ausgezeichneten Gelehrten
sprach Herr Geh. Hof rat Prof. Dr. Hans Meyer hierauf die
folgenden Dankesworte:
Meine yerehrten Damen und Herren!
Es ist eine sehr stattliche Reihe yon Männern der geographischen
Wissenschaft und yon solchen, die sich um die Statistik yerdient gemacht
haben, welche heute yon dem Verein für Geographie und Statistik be-
sonderer Ehrungen für würdig befunden wurden, und in dieser aller Namen
darf ich unseren herzlichsten Dank aussprechen dafür, daß wir gerade heute
bei einer so außerordentlichen Gelegenheit yon dem Verein für Geographie
und Statistik ausgezeichnet worden sind. Persönlich möchte ich noch meinen
ganz besonderen Dank für die Verleihung der Eduard RüppeU-MedaiUe in
Gold aussprechen. Ich weiß selbst am besten, inwieweit meine Leistungen
hinter dem guten Willen zurückgeblieben sind ; das habe ich gefühlt aU die
24 Jahre, in denen ich mit an der Entschleierung unseres Kolonialgebietes
mitarbeite, das fühle ich besonders jetzt, wo ich eben yor wenigen Tagen
yon meiner fünften Ostafrika-Reise zurückgekommen bin, die mich diesmal
in die entlegensten Teile unseres Schutzgebietes geführt hat Ich darf
wohl die Hoffnung und den Wunsch aussprechen, in Ihrer Gesellschaft im
Laufe dieses Winters etwas eingehender hierüber Bericht erstatten zu dürfen.
Im Namen all dieser Herren danke ich dem Verein für Geographie und
Statistik, und ich danke besonders im Hinblick darauf, daß diese Medaille
das Bildnis eines Mannes trägt, der mir yon jeher durch seine unermüdlichen
Forschungen im afrikanischen Kontinent, durch seine wunderyollen Samm-
lungen, die er methodisch angelegt hat, und seine prachtyollen gediegenen
Publikationen immer ein Vorbild gewesen ist.
Mit dem frischen Vortrag des Mendelssohn'schen Chores:
„Wem Gott will rechte Gunst erweisen** fand die Festsitzung
ihren würdigen Abschluß.
— 139 —
Die typographisch hervorragend schön ausgeführte Tabula
gratulatoria der Leipziger Schwestergesellschaft hat
folgenden Wortlaut:
Dem Verein für Geographie und Statistik
zu Frankfurt a. M.
der während der dreiviertel Jahrhunderte seines Bestehens
in vorbildlicher unermüdlicher Tätigkeit an der glänzenden
Entwicklung der geographischen Wissenschaft durch eigene
Forschungsunternehmungen, durch wertvolle wissenschaftliche
Veröffentlichungen und durch eine unabsehbare Reihe ge-
diegener mündlicher Vorträge erfolgreich mitgearbeitet hat,
entbietet zu seinem
75. Geburtstag
die wärmsten Glückwünsche und freudigen Chruß
Die Gesellschaft für Erdkunde zu Leipzig.
Hans Meyer H. Reishauer
Vorsitzender. Schriftführer.
Leipzig, den 17, Dezember 1911.
Das Festmahl, das abends 7 Uhr im festlich geschmückten
großen Saale des Frankfurter Hofs stattfand und zu dem sich
außer einer großen Anzahl von Vereinsmitgliedern mit ihren
Damen unsere Ehrengäste fast ausnahmslos eingefunden hatten,
nahm einen angeregten und stimmungsvollen Verlauf. Wiederum
hatten wir die Ehre, Seine Hoheit Herzog Adolf Friedrich zu
Mecklenburg in unserer Mitte begrüßen zu dürfen.
Den ersten Trinkspruch brachte der Vorsitzende Herr
Hofrat Dr. Hagen auf Seine Majestät den Kaiser und König aus :
Euere Hoheit! Exzellenzen!
Meine Damen und Herren!
Als ich im Jahre 1879 hinausging in die Welt, da mußte ich mit
einem französischen Schiff nach einem englischen Hafen fahren, um in einer
holländischen Kolonie ein Feld für meine Tätigkeit zu finden. Ich war ja
nur ein Deutscher, und kein Mensch draußen kannte die deutsche Flagge
oder schenkte ihr große Beachtung. Als ich aber 1886 zum erstenmal wieder
nach Hause ging, da war es ein großes deutsches Schiff, das nuch heimwärts
trug, und von seinem Heck wehten stolz die schwarz-weiß-roten Farben.
Heutzutage, meine Damen und Herren, weiß selbst der geringste Eingebome
an den Ktlsten alier Meere, was diese Farben bedeuten. Wir werden nicht
mehr in die Ecke geschoben, wenn wir uns draußen in der Welt sehen
lassen; wir haben unser Plätzchen, an der Sonne erobert. Wir brauchen
— 140 —
ancb nicht mehr in fremde Dienste zu treten, wenn ans der Forscherdrang
hinanstreibt ; wir können unsere Studien, unsere Forschungen auf eigenem
Grund und Boden anstellen, in unseren eigenen Kolonien. Den größten
Vorteil von dieser Wandlung hat wohl die Geographie gehabt. Und darum,
meine Damen und Herren, ist es unsere freudige Pflicht, heute in erster
Linie dessen zu gedenken, der mit kraftvoller Hand, friedlichem Sinn und ziel-
bewußtem Blick dieses Aufblühen unseres Vaterlandes geleitet hat, unseres
Kaisers. Meine Damen und Herren, Seine Majestät Wilhelm II., unser ge-
liebter Kaiser und König lebe hoch!
Herr Geh. Konsistorialrat Prof. Dr. Ebrard hieß darauf
die Ehrengäste mit folgender Ansprache willkommen:
Euere Hoheit! Exzellenzen!
Hochansehnliche Versammlung!
Es ist mir der ehrenvolle Auftrag zuteil geworden, die Ehrengäste
unseres Vereins bei diesem festlichen Mahle namens des Vorstandes will-
kommen zu heißen.
Ehrerbietig begrüße ich die Herren Vertreter der hohen staatlichen
Behörden, die die Liebenswürdigkeit gehabt haben, uns durch ihre Anwesen-
heit ihre Anteilnahme an dem heutigen Erinnerungstag des Vereins und
ihre Würdigung seiner wissenschaftlichen und gemeinnützigen Bestrebungen
kundzugeben.
Ich heiße femer die Herren Vertreter der städtischen Behörden unserer
lieben Stadt Frankfurt von Herzen willkommen. Wir freuen uns, es heute
einmal laut aussprechen zu können, wie lebhaften Dank wir für ihre stete
verständnisTolle Förderung empfinden und wie tief wir durchdrungen sind
Yon der Wichtigkeit der Beziehungen, die unseren Verein seit dreiTiertel
Jahrhunderten mit unserer Stadt und mit ihren Bewohnern Terknflpfen.
Gedacht und gegründet zunächst als eine Vereinigung gleichstrebender
Männer zur Pflege der erdkundlichen Wissenschaft, hat sich unser Verein
in den langen Jahren seines Bestehens immer mehr und zielbewußt zu einer
großen Veranstaltung entwickelt, die die Kenntnis der Großtaten der For-
schungsreisenden in allen Ländern der Erde, wie die Ergebnisse der stillen
Arbeit der Gelehrten den weitesten Kreisen der Bürgerschaft durch Vor-
träge zu Termitteln sich bemüht. Und noch einer besonderen Besiehung des
Vereins zu unserer Stadt und speziell zu ihrer Verwaltung muß ich hier
gedenken. Seit der Verein, wie Sie schon heute morgen hörten, auf Veran-
lassung unseres unyergeßlichen Georg Varrentrapp auch die Statistik
in sein Programm aufgenommen hat, ist er unablässig bestrebt gewesen,
seine Tätigkeit auch auf diesem Gebiet für die Stadt nutzbar sn machen:
in einer eigenen statistischen Abteilung hat er ein Jahrzehnt lang die
Statistik der Stadt Frankfurt selbständig bearbeitet, er hat dann die Anregung
zur Errichtung des im Jahre 1865 ins Leben getretenen Statistischen Amtes
der Stadt gegeben und unterhält seitdem zu diesem, dessen früheren und
gegenwärtigen Leiter wir heute in unsrer Mitte zu sehen die Freude haben,
die engsten und fruchtbarsten Beziehungen. Und so gereicht et uns denn
— 141 —
aach ZQ besonderer Genagtanng, die wissenschaftliche Ausbeute anserer
Jabil&omB-Snndaexpedition den Museen anserer Stadt, dem Senckenbergischen
und dem Völkermuseom als (beschenk haben überweisen zu dflrfen.
Die Erwähnung unserer Expedition gibt mir willkommenen Anlaß,
in der Reihe unserer Ehrengäste auch ihres verdienstTollen Leiters, des
Herrn Dr. Johannes Elbert und seiner mutigen Frau Gemahlin, sowie
des Herrn Königlich Niederländischen Generalkonsuls Jonkheers yan Pan-
huys dankbar zu gedenken, dessen tätiger Verwendung bei der König-
lich Niederländischen Staatsregierung die Expedition ein gutes Teil ihres
Gelingens schuldet.
Wenn ich vorhin als eine Hauptaufgabe unseres Vereins die Ver-
mittelung erdkundlicher Erkenntnis an seine Mitglieder bezeichnete, so hat
er doch yon Anfang an dahin gestrebt, auch an seinem eigenen bescheidenen
Teile die Wissenschaft zu fördern, nicht nur in der langen Reihe seiner
Jahresberichte, sondern auch durch stete Fühlungnahme mit den zahlreichen
geographischen Gesellschaften des In- und Auslandes, die im Laufe der Zeit
nach und neben ihm entstanden, und mit den Lehrern der Geographie an
den deutschen Hochschulen. Es gereicht uns daher zu großer Freude, unter
den Ehrengästen des heutigen Tages auch eine stattliche Zahl yon Vertretern
befreundeter auswärtiger Vereine und yon Inhabern geographischer Lehr-
stühle begrüßen zu dürfen, deren einer unserem Herrn Vorsitzenden und
damit auch dem Verein heute eine so hohe Ehrung ttberbracht hat, und ich
darf wohl in diesem Zusammenhang mit besonderer Genugtuung den Herrn
Rektor unserer Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften begrüßen,
an welcher auch unsere geographische Wissenschaft durch die Errichtung
eines vortrefflich ausgestatteten Geographischen Instituts unter der bewährten
Leitung unseres Herrn zweiten Vorsitzenden eine hervorragende Vertretung
gefunden hat.
Wissenschaftliche und zugleich freundschaftliche Beziehungen sind es
auch, die uns mit einer großen Anzahl von Frankfurter Anstalten und Ver-
einen verbinden, deren Vertretern ich ebenfalls namens des Vorstandes für
ihr Erscheinen und für ihre uns heute dargebrachten Glückwünsche herzlich
zu danken habe, an ihrer Spitze den Repräsentanten der vier seit mehr
als einem halben Jahrhundert mit uns zu gemeinsamer Tätigkeit für die
Senckenbergische Bibliothek vereinigten Körperschaften, der Senckenbergischen
Stiftungsadministration, der altehrwürdigen Senckenbergischen Naturforschen-
den Gesellschaft, die uns heute einen neuen und unseren Verein so hoch
ehrenden Beweis ihrer Freundschaft gegeben hat, des Physikalischen und
des Ärztlichen Vereins, aber auch air den anderen befreundeten Frankfurter
Gesellschaften: ihnen allen sind wir zu lebhaftestem Dank verpflichtet!
Wende ich mich nunmehr schließlich den Ehrengästen aus dem engeren
Kreise unseres Vereins zu, ich meine seinen Ehren- und korrespondierenden
Mitgliedern, sowie den Inhabern der höchsten Vereinsauszeichnung, der
Eduard Rüppell-Medaille, so überkommt mich freilich zunächst ein Gefühl
schmerzlicher Trauer. Wie viele der ausgezeichneten Männer, deren glänzende
Leistungen auch unser Verein zu ehren sich erlaubt hatte, sind in den
siebenundzwanzig Jahren, seit es mir vergönnt wurde, in die Leitung des
— 142 —
Vereins einzatreten, dahingegangen ! Und unter ihnen wie viele, deren Ehrung
ich selbst hente Tor fünfandzwanzig Jahren bei dem fünfzigjährigen Yereins-
jabilänm verktlnden durfte! Ich nenne nor einige Namen, deren Tr&ger in
der allerengsten Beziehung zu uns gestanden haben: Georg Yar ren-
trapp, Senator Emil von Oven, Hermann Wißmann, Friedrich Ton
Hellwald, Heinrich Brugsch, Alfred Kirchhoff, Friedrich Ratzel
und vor allem unseren so schmerzlich beklagten Theobald Fischer! Ihnen
allen weihen wir einen stillen Augenblick piet&tvollen Gedenkens! Wir
freuen uns dann aber auch, daß stets neue M&nner, neue Freunde in
die Lücken eingetreten sind, und daß wir auch heute, wie ehedem, die
besten, die angesehensten Vertreter der beiden von uns gepflegten Wissen-
schaften auch die Unsrigen nennen dürfen. Viele von ihnen weilen zu
unsrer Freude heute unter uns, und unter ihnen drei Inhaber unserer
goldenen Rüppell-Medaille : Seine Hoheit Herzog Adolf Friedrich zu
Mecklenburg, den wir nach der Rückkehr von seiner an Erfolgen reichen
zweiten Afrika-Expedition ehrerbietigst begrüßen, sodann unser alter lieber
Freund Geheimrat Julius Euting, der erste deutsche Erforscher Inner-
arabiens, und Geheimrat Hans Meyer, der, kaum aus Afrika heimgekehrt,
mit dem er seinen ruhmvollen Namen für alle Zeiten verknüpft hat, es sich
nicht hat nehmen lassen, unseren Ehrentag mit uns zu begehen. Mit ihnen
begrüße ich zahlreiche Ehren- und korrespondierende Bfitglieder, die von Nord
und Süd, von Deutschland und dem Ausland heute zu uns gekommen sind.
Und so heiße ich Sie denn alle, alle, auch den Herrn Vorsitzenden
unseres trefflichen Frankfurter Lehrervereins, dessen Mitglieder unsere Fest-
sitzung mit weihevollen Klängen zu verschonen so freundlich waren, herzlich
willkommen! Ihnen allen, verehrte Festgäste, gilt der aufrichtige Dank
und Gruß des Vereins, Ihnen allen der Ruf, in dem ich jetzt unsere Mit-
glieder einzustimmen bitte: Unsere hochverehrten Ehrengäste leben hoch!
hoch! hoch!
Den Dank der Ehrengäste brachte Herr Geh. Regierungsrat
Prof. Dr. Euting zum Ausdruck:
Gestatten Sie mir im Namen der Ehrengäste dem Verein für Geographie
und Statistik unseren allerverbindlichsten Dank auszusprechen für die freund-
liche Einladung, die uns in die angenehme Lage versetzt hat, demselben zu
seinem heutigen 75. Geburtstagsfest die besten Glückwünsche darzubringen.
Es kann einem im gewöhnlichen Leben passieren, daß man einem 70-, 80
oder mehrjährigen verehrten Manne seine Gratulation darbringen will und
zu seinem größten Erstaunen mit einem widerwärtigen verdrießlichen Glicht
empfange wird, als ob man den zu Verehrenden auf diese zarte Weise an
sein zu hohes Alter und an seinen demnächstigen baldigen Abgang erinnern
wollte. Solche unfreund liehe Gesichter habe ich übrigens heute nicht be-
merkt — haben Sie vielleicht ? — und woher kommt das ? Das kommt daher,
weil das Geburtstagskind von heute eben kein Greis von 75 Jahren ist,
sondern noch derselbe Jüngling voll strotzender Schaffenskraft, wie er sich
vor 75 Jahren selbst in die Welt gesetzt und seine Tatkraft mit der Zeit
— 143 —
noch befestigt hat. Ich kann hier nicht noch einmal anf die Verdienste des
Vereins eingehen, dieselben sind, glaube ich, hente genügend herrorgehoben
worden (Heiterkeit). Wer aber daheim im stillen Kämmerlein die lange
Reihe der Jahresberichte der Gesellschaft dorchliest oder besser dnrchstiidiert,
der wird mit steigender Bewondening empfinden, welche Menge Ton Arbeit
der Verein selbst geleistet nnd darch Andere zur Krönung gebracht hat.
Nnn kann man in allen Vereinen eigentlich die Erfahrung machen, daß
sowohl ihr Aufleben und ihr Gedeihen, als auch unter umständen ihr Ver-
schwinden und Niedergang oft an wenigen Personen, ja manchmal an einer
einzigen Person des Vorstandes hängt. Und dahin setze ich auch das Haupt-
Terdienst und das Geheimnis der Art und Weise, wie der Verein sich seinen
Platz erobert hat. Er hat es verstanden, in den Vorstand immer die richtigen
Leute zu wählen, die in unverdrossener Mtlhe und Arbeit alles darangesetzt
haben, ihre eigenen Arbeiten zur Vollendung zu bringen, andere zu ermuntern
oder auch materiell zu unterstützen und die Resultate der wissenschaftlichen
Forschung nicht allein den Fachleuten engerer Gattung, sondern auch einem
— sozusagen — humanitären Publikum näherzubringen. Ich will nun nicht
die Hoffnung aussprechen, daß wir noch beim 100., oder sogar, wie heute
Vormittag gesagt wurde, beim 200. Geburtstag anwesend sein könnten, aber
der Verein, der wird den 100. und 200. Geburtstag erleben, dafür wird er
selbst sorgen. Das übrige, das kann uns kalt lassen, denn wir sind bis
dahin nicht mehr nötig. Ich bitte jetzt die verehrten Ehrengäste, sich mit
einem Glas zu versehen und dasselbe auf das Blühen und Gedeihen unseres
Vereins zu leeren.
Auf die neuernannten Ehrenmitglieder sprach Herr Prof.
Dr. Deckert:
Verehrte Festgenossen!
Wenn der Verein für Geographie und Statistik an seinem 75. Ge-
burtstag in der Blüte und in der wissenschaftlichen Aktionsfähigkeit vor
Ihnen steht, wie Sie es heute morgen beobachtet haben, so verdankt er das,
wie mein verehrter Herr Vorredner schon betont hat, ohne Zweifel in erster
Linie den Männern, die hier am Ort in treuer Hingabe, mit weitem Blick
und großzügigem Sinn von Kriegk bis auf Ebrard und Hagen auf die Pflege
des Vereins bedacht gewesen sind. In zweiter Linie verdankt er aber sein
Blühen und Gedeihen und seine wissenschaftliche Leistungsfähigkeit jenen
unerschrockenen Pionieren, die an den Bergzinnen des Thianschan und
Himalaya, der europäischen Alpen, der Anden und des Kilimandscharo ebenso
wie in den tropenschwülen Wäldern Afrikas, Südamerikas und Indonesiens
und in den Treib- und Packeismassen am Nord- und Südpol wissenschaft-
lichen Problemen der Erdkunde nachgegangen sind. Diese Pioniere haben,
wenn sie bei uns hier berichteten, jene Zugkraft ausgeübt, die zu der be-
kannten großen Wallfahrt an jedem Mittwoch abend, auch in Sturm und
Regen, nach der Eschersheimer Landstraße geführt hat. Aber auch den
streng fachmännischen Vertretern der wissenschaftlichen Erdkunde und Länder-
und Völkerkunde ist der Verein für sein Blühen und Gedeihen zu Dank ver-
— 144 —
pflichtet, den Männern, die die Bausteine, welche von den Pionieren herbei-
getragen worden und welche sie mit eigener Hand dranßen gesammelt haben,
za jenem stattlichen Ban zusammenfügten, als welcher die wissenschaftliche
Erdkunde heute dasteht. Sie haben allgemach eine recht stattliche Nische
in den allgemeinen Tempel der Wissenschaft hineingebaut, wenn vielleicht
auch dieser oder jener, der in einer anderen Nische sitzt, oder an einer
anderen Nische baut, das bis jetzt noch nicht vollerkannt und gewürdigt hat.
Die fachmännischen Vertreter der Erdkunde haben dafür gesorgt, daß den
Mitgliedern des Vereins nicht blos süße Speise aufgetragen wurde, sondern
auch manches, was Mark und Knochen hatte. Und so haben wir im Vor-
stande des Vereins für Geographie und Statistik immer darauf Bedacht ge-
nommen, jene Pioniere und jene Männer der Wissenschaft zu den unsrigen
zu zählen, und wir haben eine stattliche Zahl davon zu unseren Ehrenmit-
gliedern ernannt. Sie lesen auf diese Weise in unserem Mitgliederveneichnis
Namen, wie sie heute vormittag an ihre Ohren geklungen sind: Karl Ritter,
Eduard Rüppell, Ferdinand von Richthof en, Heiniich Kiepert,
Prjevalsky, Vivien de Saint-Martin und zahlreiche andere, und wenn
Sie die Liste der lebenden Ehrenmitglieder überblicken, so finden Sie auch
in ihr noch zahlreiche glänzende Namen. Heute morgen haben wir diese
Liste weiter ergänzt durch eine lange Reihe von Namen, die ebenfalls
einen hohen und hellen Klang haben, weit über die Grenzen des deutschen
Landes hinaus. Meine verehrten Festgenossen, ich fordere Sie auf, mit mir
anzustoßen auf das Wohl unserer Ehrenmitglieder, der alten ebenso wie der
neu ernannten: Unsere Ehrenmitglieder, sie leben hoch!
Auf das Forscherpaar Dr. Elbert toastete Herr Hofrat
Dr. Hagen:
Als Dr. Kriegk in der konstituierenden Versammlung unseres Vereins
am 9. Dezember 1836 seinen ersten Vortrag über die Ziele und Zwecke des
Vereins hielt, da betonte er, daß die Geographie in Frankfurt a. M. zwar
festen Fuß fassen könne, indem alle Vorbedingungen dazu gegeben seien, er
glaubte aber, daß es dem neuen Verein wahrscheinlich niemals gelingen
werde, eine Expedition hinauszuschioken, gleichwie die britische Qeographical
Society, und daß er sich deshalb auf sein engeres Vaterland beschränken
müsse. — Diese Worte Kriegks klangen mir stets wie eine Mahnung, ein
Vermächtnis gewissermaßen, das die Qründer uns, den Epigonen, hinterlassen
haben ! Ich freue mich, daß wir zu unserem 75. Stiftungsfest in der Lage
waren, dieses Vermächtnis einzulösen ! Wir haben es, mit Stolz darf ich es
sagen, fertiggebracht, wirklich eine Expedition größeren Stiles zur Lösung
einer bedeutsamen, wissenschaftlich-geographischen Frage hinauszusenden. —
Wir haben uns gesagt : wenn die Geographische Gesellschaften von Hamburg,
Berlin und Leipzig das zu tun imstande sind, warum sollen wir, die Zweitälteste
Geographische Gesellschaft, es nicht auch tun können? Da haben wir uns
denn zusammengesetzt und ausgerechnet, daß, wenn wir recht vorsichtig sind
und uns etwas vom Munde absparen (Heiterkeit), wir dann in der Lage sein
würden, nach und nach die nötigen Mittel zusammen zu bekommen. — und
— 145 —
siehe da, nachdem wir eine Reihe von Jahren gespart hatten, nachdem gate
Freunde und Gönner unserer Qesellschaft mit uns im Frankfurter Uof (Heiterkeit)
gedarbt hatten, war das Ziel erreicht! Auch die Aufgabe stand von vorn-
herein fest. Es war wahrlich keine kleine, und sie schien im Verhältnis zu
den vorhandenen Mitteln fast zu groß. — Monatelang haben wir dann wieder
zusammen beraten, erwogen, geprüft und verglichen, bis wir schließlich Alles
in Übereinstimmung gebracht hatten. — Es handelte sich jetzt darum, den
Mann zu finden, welchem eine solche Aufgabe übertragen werden konnte. Wir
brauchten glücklicherweise nicht lange zu suchen. Herr Dr. Elbert, der
verehrte Inhaber unserer Rüppell-Medaille, bot uns nach allen Richtungen
hin die besten Garantien für gutes Gelingen. Ausgerüstet mit all den
Kenntnissen, die nötig waren, um eine solche Expedition durchzuführen, voll
Jugendkraft und Jugendmut ist er dann auch hinausgegangen, und wir
können mit Stolz sagen, und Sie werden es in unserer Festschrift auch lesen,
daß er nach jeder Richtung hin seine vollen Kräfte darangesetzt und eine
tüchtige Arbeit geleistet hat, um gute Resultate mit nach Hause zu bringen. —
Meine Damen und Herren, es ist wirklich keine Kleinigkeit in einem wilden
Lande wissenschaftlich zu arbeiten! Wer es selbst mitgemacht hat, weiß,
welch enorme Energie dazu gehört, wenn man tagsüber nicht aus den nassen
Kleidern herausgekommen ist, Hunger und Durst leiden muß, von Feinden
und wilden Tieren umlauert, nach der Ankunft im Biwak den totmüden
Körper nicht vom Schlafe überwältigen zu lassen, sondern sich noch stunden-
lang hinzusetzen und Alles schriftlich niederzulegen, was man gesehen und
erforscht hat. Und noch mehr Entsagung und Willenskraft gehört dazu,
dem tückischen Zufall beherzt die Stirn zu bieten, wenn man an dem be-
stimmten Platze das Zelt nicht vorfindet, wenn man im strömenden Regen
stundenlang warten muß, bis endlich die Spitze der Trägerkarawane aus
dem Dunkel des Urwaldes auftaucht ; — wenn man sich hungrig und durstig
auf die Eßkiste stürzt, die sich schließlich als eine Kiste mit Reservestiefeln
und Dynamit-Patronen entpuppt, während die wirkliche Proviantkiste erst
nach weiterem stundenlangen Warten auftaucht ! Das sind Dinge, von denen
man keine Ahnung hat, wenn man alle die schönen Sachen in den Museen
betrachtet; sie verraten uns nicht, unter welch unendlichen Mühen und
Gefahren sie manchmal erworben worden sind. Und da muß ich sagen:
Herr Dr. Elbert hat hier sein Bestes getan und die Erwartungen, die wir
in ihn gesetzt hatten, noch übertrofien. Aber soviel wir ihm auch zutrauten,
ich glaube, er wäre nicht imstande gewesen, das Alles zu leisten, wenn er
nicht einen besonderen Schutzgeist zur Seite gehabt hätte! Und dieser
Schutzgeist war seine verehrte Gattin. Sie hat ihn auf der ganzen Reise
begleitet, hat alle Strapazen mitgemacht; sie ist durch den Urwald und
durch Flüsse hindurchgeritten, hat mit den Eingeborenen gehaust und sie
ausgefragt und sich dann im Zelt noch hingesetzt und bis tief in die Nacht
hinein die wahrlich nicht kleinen schriftlichen Arbeiten erledigt, mit Bienen-
fleiß. Das ist Seelengröße! — Meine Damen und Herren, wenn man von
unserer Expedition und ihren prächtigen, hervorragenden Resultaten spricht,
so sind die Beiden, Herr Dr. Elbert und seine tapfere junge Gattin, un-
trennbar voneinander. — Und wenn ich Sie nun bitte, mit mir auf das Wohl
10
— 146 —
unseres erfolgreichcD Expeditionsführers za trinken, so kann ich Frau Dr.
Elbert nicht davon ausnehmen. Darum bitte ich Sie, mit mir einzustimmen
in den Ruf: Das Forscherehepaar Elbert, es lebe hoch!
Der Stadt Frankfurt galt das Hoch von Herrn Professor
Dr. Regel:
Hochgeehrte Festgenossen!
Es würde ungerecht sein, wenn nicht einer von den neuen Ehrenmit-
gliedern in dieser erlauchten Gesellschaft das Wort ergreifen wollte, um den
Gefühlen des Dankes Ausdruck zu geben für die große Auszeichnung, die
uns heute zuteil geworden ist! Verehrte Anwesende, ich habe diese Stadt
bereits vor 40 Jahren als Gymnasiast kennen gelernt, bin dann in nähere
Beziehungen zu ihr durch den 3. Deutschen Geographentag im Jahre 1883
getreten, eine der schönsten Tagungen, die wir erlebt haben, später habe
ich dreimal Gelegenheit gehabt, in diesem Vereine über meine engere Heimat
Thüringen wie über das nordwestliche Kolumbien und über den
Panama-Kanal vorzutragen. Heute drängt es mich, diesem Verein herz-
lichen Dank auszusprechen für die große Ehrung, die er uns erwiesen
hat! Das Frankfurt von 1871 und das Frankfurt von 1911, verehrte An-
wesende, welch gewaltiger Aufschwung! Wir haben heute vieles davon
gehört, wir haben die Entwicklung der Stadt an uns vorüberrauschen lassen !
Manche von uns Auswärtigen haben im vorigen Jahre Gelegenheit gehabt, die
große Entwicklung der Stadt besonders durch den neuen Osthafen zu verfolgen
und ihren großen Aufschwung zu sehen ; alle die Vereine, die hier tätig
sind, können in harmonischer Zusammenarbeit ihre Kräfte vereinigen, um
diese herrliche Stadt immer mehr zur Geltung zu bringen! Und so lassen
Sie mich, verehrte Anwesende, neben dem tiefgefühlten Danke für die uns
heute von selten des „Frankfurter Vereins für Geographie und Statistik'* zu
teil gewordene Ernennung zu Ehrenmitgliedern vor allen Dingen auch der
lebhaften Freude über Frankfurts Aufblühen als Stadt Ausdruck verleihen
in dem Wunsche : Frankfurt wachse und gedeihe ! Die Stadt Frankfurt a. M
lebe hoch!
Zum Schluß ließ Herr Stadtrat Prof. Dr. Bleicher die
tätigen Mitglieder des Vorstandes leben:
Hochansehnlichc Versammlung!
Wenn ich die Absicht des Festkomitees recht verstanden habe, so
haben wir außer der akademischen Feier, in der wir heute morgen repräsentativ
aufgetreten sind, heute abend in erster Linie auch das Festmahl arrangiert,
um die Ehrengäste zu sehen, dann aber in zweiter Linie, um ein Familien-
fest zu feiern. Ich bitte unsere illustren Gäste, mir zu gestatten, gegen
Schluß dieses Festes ein paar Worte zu sagen, die teils geschäftlicher Natur
sind, wenn ich so sagen darf, teils dem Ausdruck geben sollen, daß die Hit-
glieder des Vereins und der Vorstand hier in Kollegialität und Freundschaft
zusammen sind. Ich habe zwei Punkte, die hier ganz .kurz zu streifen sind.
— 147 —
Ich werde jedoch Ihre Aufmerksamkeit nicht lange in Ansprach nehmen.
Zunächst eine persönliche Angelegenheit, indem ich meinen lieben Kollegen
and Freunden im Vorstand herzlichen Dank sage, daß sie mich heute so
überrascht haben. Meine Bescheidenheit verbietet es mir eigentlich, über
meine Person zu sprechen, aber daß ich davon sprechen muß, das werden
Sie einsehen, denn die mir zuteil gewordene Ehrung ist nach meinem Urteil
etwas zu weitgehend, und ich kann nur glauben, daß sie mir in der Form
geworden ist, weil der Geographische Verein der Stadt sowohl wie der Aka-
demie, in welchen Institutionen ich mitwirke, zu Dank verpflichtet ist und
diesen Dank nun auf mich übertragen hat. Und nun zum geschäftlichen
Teile dabei : Ich bin der einzige, der illegitim mit einer Ehrung ausgezeichnet
worden ist, denn ich als Vorstandsmitglied wußte von der Sache tatsächlich
nichts. Nach unseren Satzungen ist aber zu jeder Ehrung ein einstimmiger
Beschlaß des Vorstandes erforderlich Ich habe doch bisher meine Absicht, aus
dem Vorstande auszutreten und auf meine Stimme zu verzichten, nicht bekannt
gegeben, also hätte ich eigentlich abzustimmen gehabt. Wenn ich nun auch
glaube, daß Sie in der Ehrung zu weitgegangen sind, so gebe ich nachträglich
aber dazu doch meine Zustimmung (große Heiterkeit), denn es würde für beide
Teile höchst peinlich sein, wenn ich die schöne Medaille nicht behalten wollte.
Zweitens, meine verehrten Damen und Herren, darf ich noch das Wort
nehmen aus einem anderen Grunde. Ich bin das untätigste Mitglied im
Vorstande, darüber herrscht kein Zweifel, und ich habe mir deshalb schon oft
gesagt, ob es nicht richtig wäre, aus demselben auszutreten. Aber die Herren
haben mir das immer verboten, und wenn ich mir die Rede des Herrn Hofrat
Hagen vergegenwärtige, so sage ich mir, ich hätte vielleicht doch Unrecht
mit meinem Vorschlage, daß man eigentlich aus dem Verein für Geographie
und Statistik die Statistik ausscheiden und nur eine geographische Gesellschaft
behalten sollte. Den großzügigen Überblick, den Herr Hofrat Hagen uns
heute gegeben hat, habe ich wohl verstanden. Er hat der Idee Ausdruck
gegeben, daß unser Verein zu verschiedenen Zeiten den verschiedenen
Strömungen und Bedürfnissen Rechnung zu tragen verstanden hat. Er hatte
auch eine Periode, wo die Statistik ganz oben war. Auf Anregung des
Vereins ist das Statistische Amt geschaffen worden. Dessen erinnern wir
uns ganz speziell und nun glaube ich voraussagen zu können, daß die Zeit
wieder kommt, wo die „Tabellenknechte'', wie man späterhin die Statistiker
nannte, wieder Universitäts-Statistiker im alten Sinne werden und mit den
Geographen einig zusammenarbeiten. Ich sagte, ich sei das untätigste Mit-
glied im Vorstande und deswegen habe ich das Recht zu sprechen, indem
ich die vielen Glückwünsche, die dem Verein heute mit auf den Weg gegeben
worden sind, umwandle in einen Dank an den Vorstand, trotzdem ich selbst
dem Vorstande angehöre. Denn ich möchte zum Schlüsse unserer Feier dem
Ausdruck geben dürfen, daß wir außerordentlich dankbar sind für die ganz
hervorragenden Leistungen der tätigen Herren unseres Vorstandes. Es hat
heute wieder alles „geklappt" (große Heiterkeit) — bis auf die Rede, die ich
eben halte. Ich glaube berechtigt zu sein, den Herren, die an der Spitze
des Vereins stehen, die teils hinter den Kulissen, teils vor den Kulissen, ich
möchte beinahe sagen, die Sache deichseln, die ganze Sache gemanaget haben
lO*
— 148 —
(Heiterkeit), den herzlichsten Dank für ihre ersprießliche Tätigkeit ansza-
sprechen. Ich muß dabei erwähnen, daß wir nicht nur einen 1 . Yorsitsenden
und einen 2. Vorsitzenden, sondern auch einen zweiten 1. Vorsitzenden haben.
Sie wissen, wen ich meine, ohne einen Namen za nennen. Der Betreffende
hat auch heute wieder gezeigt, daß er es versteht, den Verein fOr Geographie
und Statistik nicht nur in wissenschaftlicher Beziehung zu vertreten, sondern
auch dafür zu sorgen, daß der Verein in der Frankfurter Gesellschaft eine
Rolle spielt, und ich glaube, das ist ein Moment, dessen uns zu freuen wir
alle Ursache haben. Femer haben wir einen vortrefflichen Schriftführer, der
die Rednerliste aufstellt, die schwierigen Verhandlungen führt und dann
einen hervorragenden Kassierer, dem herzlicher Dank gebührt (große Heiterkeit),
aber außerdem noch, meine Damen und Herren, haben wir einen Mann, dem
wir zu ganz besonderem Danke verpflichtet sind, das ist unser verehrter
Generalsekretär. Ich möchte der Persönlichkeit unseres lieben Herrn Traut
auch um deswillen gedenken, weil ihm — wie ich höre — eine Auszeichnung
zuteil geworden ist, von der wir eigentlich noch nichts gehört haben (Heiterkeit).
Ich weiß nicht, soll ich nun sagen: Herrn Dr. Traut oder Herrn Professor
Traut herzlichen Dank für seine Bemühungen im Interesse des Vereins!
Sollte es wahr sein, daß er Professor geworden ist, dann möchte ich ihm
zugleich hierzu herzlichst namens des Vereins gratulieren (lebhaftes Bravo).
Meine verehrten Damen und Herren, ich schließe, indem ich Sie bitte, die
tätigen Mitglieder des Vorstandes hochleben zu lassen. Hoch, hoch, hoch!
Bis Mitternacht blieben die Festgäste in angeregtester
Stimmung beisammen.
Zu den zahlreichen herzlichen Glückwünschen, welche uns
im Laufe des Tages in so ehrender Weise dargebracht wurden,
hatte sich eine Reihe von Grüßen gesellt, teils in Briefform,
teils telegraphisch.
Begrüßungen waren eingelaufen von den Geographischen
Gesellschaften zu Bern, Bremen, Genf, Greifswald,
Halle, Hamburg, Hannover, Jena, Köln, Lübeck,
Stuttgart und Wien, sowie von dem Bureau der Deutschen
Antarktischen Expedition im Auftrage unseres Freundes
Herrn Oberleutnant Dr. Filchner und von der Sencken-
bergischen Bibliothek.
Es gratulierten ferner:
Seine Königl. Hoheit der Landgraf von Hessen, welcher
unserem Verein als Mitglied angehört, Senator Luigi Bodio-
Rom, Geheimrat Prof. Dr. Karl Buch er- Leipzig, Geheimrat
Frhr. von Danckelm an -Berlin, Geh. Regierungsrat Prof.
Dr. Delitzsch-Berlin, Prof. Dr. Diener-Wien, Frau Geh.
— 149 —
Regierungsrat Prof. Dr. Theobald Fi scher- Marburg, Prof. Dr.
Friederichsen- Greifswald, Prof. Dr. Gerl and- Straßburg,
Dr. Sven von Hed in- Stockholm, Geh. Regierungsrat Prof . Dr.
Launhardt-Hannover, Geh. Regierungsrat Prof. Dr. von
Lu seh an -Berlin, Prof. Dr. Fridtjof Nansen in Christiania,
Dr. Alexander von Peez-Wien (f), Geh. Regierungsrat Prof.
Dr. Penck-Berlin, Prof. Dr. Pechuel-Loesche-Erlangen,
Prof. Dr. Philippson-Bonn, Ernst Georg Ravenstein-London,
Hauptmann Schloifer-Berlin, Sir Emest Shackleton-London,
Frau Julia Olga Wegen er- Berlin.
Es sei gestattet, von den vielen schriftlichen Glückwünschen
nur einen hervorzuheben, den unser hochverehrtes Ehren-
mitglied Herr Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Hermann Wagner-
Göttingen gesandt hat. Nach einigen Eingangsworten lautet er :
„Indem ich daher auf die Teilnahme leider verzichten mnß, verfehle
ich nicht) dem Verein für sein ferneres segensreiches Wirken meine hesten
Wünsche auszusprechen. Wenn ein solches den geographischen Gesellschaften
in den verschiedenen Städten Deutschlands bei der inzwischen entstandenen
Fülle von Vereinen ähnlicher Tendenz oder wenigstens ähnlichen Interessen-
kreises nicht unwesentlich erschwert wird, so werden die deutschen Geographen
niemals vergessen dürfen, daß es sich bei Ihrem Verein um die Zweitälteste
deutsche geographische Gesellschaft handelt, die bereits auf 25 Jahre reger
Tätigkeit für die geographische Forschung und Verbreitung geographischen
Interesses zurückblicken konnte, ehe die sechsziger Jahre die allgemeine
Dezentralisation erdkundlicher Studien und Bestrebungen in Deutschland
mit sich brachten''.
Allen den genannten Körperschaften und Personen, welche
unserer in so liebenswürdiger Weise gedachten und deren Namen
Herr Prof. Dr. Traut während des Festessens zur Verlesung
brachte, sei auch an dieser Stelle in herzlichster Weise
gedankt.
Schließlich wurden uns noch zwei besonders freudige Über-
raschungen zu Teil:
Unser Ehrenmitglied Herr Hauptmann a. D. Schloifer
übersandte uns als Festgabe ein mit mehreren 100 wohlgelungenen
Ansichten geschmücktes Album. Sämtliche Bilder dieses Albums
sind von dem hochverdienten Forscher während seiner Afrika-
reisen in den Jahren 1902 — 1909 selbst aufgenommen worden
und erregten in dieser schönen Fassung die allgemeine Be-
wunderung.
— 150 —
Sodann erfreute uns die Direktion des Städtischen
Völkermuseums durch die Widmung eines besonderen Heftes
ihrer vortrefflichen „Veröffentlichungen". In diesem hat der
Assistent am Museum Herr Dr. Johannes Lehmann in einer
inhalt- und lehrreichen und mit einer Fülle trefflicher Abbildungen
versehenen Abhandlung die auf der Expedition gesammelten
zahlreichen Flechtwerke einer eingehenden Untersuchung auf
ihre Geflechtsart unterzogen, wobei er zu interessanten Er-
gebnissen über die Flechttechnik im indoaustralischen Archipel
gelangt ist.
Den gütigen Spendern dieser wertvollen Gaben sei auch
hier noch einmal der herzlichste Dank des Vereins zum Aus-
druck gebracht.
Vorstand und Amteryerteilung.
(Nach dem Stand vom 1. September 1912.)
Vorstand.
Ehrenvorsitzender :
Dr. Adolf von Harnier, Geh. Jiistizrat und Rechtsanwalt.
Vorsitzender:
Dr. med. et phil. hon. c. Bernhard Hagen, Hof rat und Leiter
des Städtischen Völkermiiseums.
Stellvertretender Vorsitzender:
Dr. Emil Deckert, Professor und Dozent an der Akademie für
Sozial- und Handelswissenschaften.
Generalsekretär :
Dr. Hermann Traut, Professor und Bibliothekar an der Stadt-
bibliotliek.
Erster Schriftführer:
Dr. Alfred Fritsch, Amtsgerichtsrat.
Zweiter Schriftführer :
Rudolf Stern, Privatier.
Kassenführer :
August Rasor, Kaufmann.
Beisitzer :
Dr. Heinrich Bleicher, Professor und Stadtrat.
Dr. Theodor Dem m er, Sanitätsrat und praktisclier Arzt.
Eugen (i r u m b a c h - M a 1 1 e b r e i n , Pri vatier.
Friedrich Willielm Lejeune, Kaufmann.
— 152 —
Vertreter des Yereins in der gemeinsamen Kommission fBr
die Dr. Senclienbergisclie Bibliotlielc
Dr. Hermann Traut, Professor und Bibliothekar an der Stadt-
bibliothek.
Revisoren :
Albert Flersheim, Kaufmann.
Rudolf Heerdt, Direktor der Frankfurter Sparkasse.
Dr. Moritz Steinthal, Rechtsanwalt.
Mi tgl ieder- Verzeichnis.
(Nach dem Stand vom 1. Septemher 1918.)
I. Ordentliche Mitglieder.
Emilie Abresch, Rentnerin. 1906.
Anton Ahrens, Bankbeamter. 1906.
August Albert, Architekt. 1897.
Alexander Friedrich Landgraf von Hessen, Egl. Hoheit. 1910.
Heinrich Alten, Privatier. 1903.
Dr. E. Altschüler, praktischer Arzt. 1911.
Dr. Jakob Amberger, Direktor der chirurgischen Abteilung des Hospitals
zum Heiligen Geist. 1911.
Ferdinand Andreae, Kaufmann. 1908.
Frau Philipp Andreae-Engelhard, Privatiere. 1907.
Alhard Andreae-von Grunelius, Kaufmann. 1898.
Victor Andreae-Majer, Bankier. 1904.
.Tean Andreae-Passavant, Geh. Kommerzienrat, Präsident der Handels-
kammer, Direktor der Filiale der Bank für Handel und Industrie
und Rumänischer Generalkonsul. 1898.
Richard Andreae-Petsch, Bankier. 1874.
Gottfried Andreas, Kaufmann. 1906.
Adolf Anthes-Glock, Kaufmann. 1910.
Alexander Askenasy, Ingenieur. 1902.
Erich Aue, Ober-Stadtassistent. 1909.
Franz Anffarth, Verlagsbuchhändler. 1909.
Julius Aurnhammer, Kaufmann. 1904.
Frau Mary Band eil, geb. Rußmann, Privatiere. 1910.
Frau Marie Bansa geb. Winckler, Privatiere. 1880.
Hermann Baer, Metzgermeister. 1911.
Joseph Baer, Stadtrat. 1897.
Max Baer, Bankier und Generalkonsul von Schweden. 1908.
Simon Leopold Baer, Buchhändler. 1882.
Dr. Karl Bardorff, praktischer Arzt. 1864.
Karl Th. B a r t h e 1 , Kaufmann. 1900.
Fräulein Auguste de Bary, Privatiere. 1911.
Karl de Bary, Privatier. 1889.
— 154 —
Heinrich de Bary-Jeanrenaud, Bankier. 1888.
Heinrich de Bary-Osterrieth, Kaufmann. 1907.
Karl de Bary-Sabarly, Landwirt. 1910.
Rudolf Bauer, Kaufmann. 1907.
Friedrich Bauer- Web er, Ingenieur. 1910.
Robert Bau nach, Fabrikant. 1907.
Frau Greta Bayer, Privatiere. 1910.
Dr. Beckmann, Geh. Regiernngsrat und Landrat in Usingen. HHK).
Fritz Beckmann, Kaufmann. 1909.
Alfred Behr, Landwirt. 1910.
Frau Konsul Carl Behrends. 1906.
Robert Behrends, Ingenieur. 1898.
Eduard Beit von Speyer, Kommerzienrar, Bankier und Großbritannischer
Generalkonsul. 1903.
Dr. Alexander Berg, Rechtsanwalt. 1904.
Heinrich Bernhard, Professor und Oberlehrer am Reform-Realgymnasium
Musterschule. 1911.
Freifrau Helene von Bethmannn, geb. Freiin von Wendland. 1909.
Gustav Beyerbach, Fabrikant in Hattersheim. 1887.
Emil Bieber, Stadtbaumeister. 1908.
Konrad Bin ding, Stadtrat. 1903.
Frau Joseph Binge, Justizrats witwe. 1910.
Frau C. Blascheck, geb. Schwalb, Privatiere. 1900.
Dr. Heinrich Bleicher, Professor und Stadtrat. 18iK).
Adolf Blumenthal, Kaufmann. 1910.
Heinrich Blut he, Kaufmann. 1908.
Ferdinand Bodesheim, Kaufmann. 1906.
Adolf Bon er, Kaufmann. 1910.
Frau Amelie Bonn, Privatiere. 1886.
Karl Borgnis, Bankier. 1901.
Friedrich Braun, Opernsänger. 1908.
Otto Braunfels, Geh. Kommerzienrat, Bankier und Spanischer Konsul. 1904.
Frl. (Uara Bremme. 1908.
Otto Brock mann, Landmesser. 1906.
Dr. Siegfried Brodnitz, praktischer Arzt. 1909.
Meynick Browne. 1911.
Richard Brück, Justizrat und Rechtsanwalt. 1906.
Dr. Julius Burghold, Justizrat und Rechtsanwalt. 1899.
Franz Burkhard, Architekt. 1909.
Dr. August Busch, Direktor des Statistischen Amts der Stadt. 1910
Heinrich ('ahn-Blumenthal, Bankier. 1903.
Carl Clemm, Privatier. 1906.
Albert Cornill, Kaufmann. 1910.
Charles Correvon, Pfarrer der französisch-reformierten Gemeinde. 1910.
Dr. Eduard Coester, Amtsgerichtsrat. 1911.
Fräulein Lina Creß. IJMMK
Hermann Creutzer, Inspektor der Providentia. 1903.
— 155 —
Dr. Hugo Cners, Professor. 1903.
Dr. Dietrich Ganze, Fabrikbesitzer.
Theodor Curti, Direktor der Frankfurter Zeitung. 1904.
Gottfried Daube, Kaufmann. 1893.
Dr. Kurt Daube, Geh. Sanitätsrat und Direktor am Städtischen Kranken-
hans Bockenheim. 1889.
Dr. Emil Decker t, Professor an der Akademie für Sozial- und Handels-
wissenschaften. 1906.
Christian Demuth, Prokurist der Frankfurter Bank. 1910.
Clemens Delkeskamp, Kaufmann. 1906.
Dr. Robert D e 1 o s e a , praktischer Arzt. 1877.
Dr. Theodor D e m m e r , Sanitätsrat und praktischer Arzt. 18%.
Richard Diener, Rentner und Vizekonsul von Mexiko. 1904.
Friedrich Dieter ichs, Apotheker. 1900.
Hermann D i e t z e , Privatier. 1899.
Frau Elise Dilger, Privatiere. 1908.
Frau Emma Doctor, Privatiere. 1911.
Karl Philipp Donner, Kaufmann. 1871.
William W. Drory, Direktor der Frankfurter Gasgesellschaft. 1874.
Frau August Du Bois, Privatiere. 1888.
Dr. Friedrich Ebenau, praktischer Arzt und Chefarzt der chirurgischen
Abteilung des Bürgerhospitals. 1893.
Friedrich Eckhard, Privatier. 1902.
Georg Egly-Manskopf, Kaufmann. 1903.
Frau Julie Ehrmann geb. Wertheim, Privatiere. 1908.
Hermann von Eichhorn, General der Infanterie und Kommandierender
General des XVIII. Armeekorps, Exzellenz. IIKM.
Frl. Ida Eiffert, Lehrerin. Höchst am Main. 1910.
Fritz Eisele, Architekt und Maler. 19aS.
Leo EUinger, Kaufmann. 1893.
Frau Alice E Hissen geb. Heß, Privatiere. 1911.
Frau Johanna Engelhard-Fay, Privatiere. 1899.
Frau Bernhard Engelhard-Hauck, Privatiere. 1909.
Jakob Hermann Epstein, Kaufmann. 1879.
Viktor Erlanger, Fabrikant. 1910.
Frau Josefine Etienne geb. Willemer, Privatiere. 1897.
Frau Elise Eyssen geb. Schottenstein, Privatiere. 1875.
Frau Emma Eyssen, Privatiere. 1906.
Frau Alexandrine Eyssen-Du Bois, Privatiere. 1885.
Waldemar v. Fahl and, Hauptmann und Batteriechef im 2. Nassauischen
Feldartillerie-Regiment No. 63 Frankfurt. 1908.
Moritz F e i b e 1 , Kaufmann. 1908.
Dr. Hans Fester, Rechtsanwalt. 1909.
Adolf Ficus, Kaufmann. 1910.
Fräulein Johanna Ficus, Privatiere. 1910.
Frau Fides Fiedler-Kalb, Privatiere. 1903.
Robert Fl au aus, Privatier und Stadtverordneter. 189Ö.
— 156 —
Albert Flersheim, Kaufmann. 1878.
Robert Flersheim, Kaufmann. 1871.
Wilhelm Fl in seh, Kommerzienrat. 1890.
Gustav Flörsheim, Kaufmann. 1906.
Freiherr Theodor y. Flo tow , Kammerherr und Hofcbef ^r. Hoheit des Prinzen
Friedrich Karl von Hessen. 1909.
S. Valentin F r a n q u e , Kaufmann. 1907.
Wilhelm Franz, Privaüer. 1908.
Albert Frech, Kaufmann. 1906.
Dr. Ferdinand Fresenius, Chemiker. 1910.
Dr. Martin Freund, Professor an der Akademie fllr Sozial- und Handels-
wissenschaften und Direktor des chemischen Instituts des Physi-
kalischen Vereins. 1909.
Dr. Peter Frey, Zahnarzt. 1900.
Heinrich Friedmann. Kaufmann. 1896.
Johannes Frischmann, Rentner. 1911.
Dr. Alfred Fritsch, Amtsgerichtsrat. 1893.
Dr. Theodor von Fritzsche, Fabrikbesitzer. 1874.
Franz Fuchs-Siesmayer, Kaufmann. 1906.
Paul Fulda, Privatier. 1909.
Karl Ludwig Funck, Kaufmann u. Mitglied des Hauses der Abgeordneren. 1896.
Bruno Gabler, Landgerichtsdirektor. 1908.
Adolf Gans, Kaufmann. 1897.
Friedrich Gans, Fabrikbesitzer. 1888.
Dr. Leo Ludwig Gans, Geh. Kommerzienrat und Fabrikbesitzer. 1886.
Charles F. Gardner, Großbritannischer Vizekonsul. 1910.
Dr. Richard Gast, Chemiker in Fechenheim. 1911.
Max Geller, Kaufmann. 1911.
Charles Gemmer, Privatier. 1904.
Dr. Eduard Gent seh, Professor und Oberlehrer am Wöhler- Realgymnasium.
1903.
Dr. Carl Ger lach, praktischer Arzt. 1906.
Dr. Richard Gesing, Chemiker in Offenbach. 1910.
Moritz Getz, Privatier. 1899.
Fritz V. Goldammer, Hauptmann a.D. und Rittergutsbesitzer. 1908.
Harry Goldschmidt, beeidigter Wechselsensal. 1888.
Maximilian Freiherr von Goldschmidt-Rothschild, Österreichisch-
Ungarischer Generalkonsul. 1901.
Constantin Gravenkamp, Ober- Stadtsekretär. 1909.
Louis Greb, Architekt. 1903.
Dr. Otto Groß, praktischer Arzt. 1904.
Dr. Friedrich Großmann, Professor und Oberlehrer an der Klinger-Ober-
realschule. 1900.
Dr. Emil Großmann- de Chapeaurouge, praktischer Arzt. 1906.
Eugen Grumbach-Mallebrein, Privatier. 1902.
Frau Panline Grumbach-Petsch, Privatiers. 1903. (f)
Adolf von Grunelius, Bankier. 1871.
— 157 —
Eduard von Granelias, Bankier. 1871.
Max von Grunelius, Bankier. 1904.
Ernst Grunewald, Kaufmann. 1912.
Alfred Günther, Architekt. 1901.
Karl Haack, Kaufmann. 1904.
Dr. Hermann Haag, Justizrat, Rechtsanwalt und Direktor der Frankfurter
Hypothekenbank. 1883.
Frau Emilie Haas-Bandell, Privatiere. 1909.
Dr. jur. et phil. hon. c. Justus Haeberlin, Justizrat und Rechtsanwalt.
1870.
Dr. med. et phil. hon. c. Bernhard Hagen, Hof rat und Leiter des Städtischen
Yölkermuseums. 1900.
Dr. Fritz Hallgarten, Chemiker. 1908.
Karl Hamburg, Privatier. 1900.
Dr. Karl Hamburger, Geh. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1871.
Philipp H an hart, Kaufmann. 1897.
Fritz Happel, Privatier. 1902.
Dr. Adolf von Harnier, Geh. Justizrat und Rechtsanwalt. 1882.
Dr. Eduard vonHarnier, Geh. Justizrat und Rechtsanwalt. 1871.
Georg Hartmann, Fabrikant. 1910.
Wilhelm Hartmann, Stadtgeometer. 1909.
Dr. Ing. Eugen Hartmann-Kempf, Professor und Ingenieur. 1898.
Dr. Wilhelm Härtung in Obernrsel. 1911.
Franz Hasslacher. Patentanwalt. 1880.
Alexander Hauck, Bankier. 1881.
Max Hauck, Bankier. 1901.
Otto Hauck-yon Metzler, Bankier. 1893.
Robert Haurand, Kaufmann. 1907.
Frau Johanna Hechte 1 geb. Schmidt, Privatiere. 1899.
Rudolf He er dt, Direktor der Frankfurter Sparkasse. 1893.
Dr. Paul H ei d rieh, Professor und Oberlehrer an der Sachsenhäuser Ober-
realschule. 1909.
August Heimpel-Manskopf, Kaufmann. 1892.
Frl. F. Heineken. 1911.
Salomon Heinemann, Reallehrer. 1909.
Frau Mina Held geb. Hausser, Privatiere. 1875.
Dr. Eduard Helgers, Geologe. 1910.
Heinrich H e m m e r i c h , Major a. D. 1911. (t)
Wilhelm Hemmerich, Hauptmann a. D. 1902.
Carl Henrich, Technischer Betriebsleiter. 1909.
Karl Herrmann, Steuersekretär. 1903.
Georg Hertzog, Privatier. 1902.
Karl Herzberg, Bankdirektor und Konsul der Mexikanischen Republik. 1904
Frau L. Herzfeld. 1906.
Philipp Herz-Mills, Fabrikdirektor. 1911.
August Heß, Apotheker. 1904.
Dr. Jakob Heinrich Heß, Chemiker in Griesheim. 1911.
— 158 —
Dr. Wilhelm Heuer. 1911.
Georg von Heyder, Privatier. 1891.
Otto Hirsch, Kaufmann. 1906.
Ernst Hirschhorn. 1911.
Felix Hirschhorn, Privatier. 1910.
Erau Elisabeth Hobrecht geb. Schaffner, Privatiere. 1882.
Zachary Hochschild, Rommerzienrat und Direktor der lietallgescllschaft.
1893.
Willy Heinrich Hof er, Kaufmann. 1906.
Adolf Hoff, Kaufmann und Handelsrichter. 1903.
Alfred Hoff, Kaufmann und Serbischer Vizekonsul. 1905.
Paul Hoffmann-Ebner, Fabrikant. 1884.
Dr. Moritz Hof mann, Rechtsanwalt. 1902.
Otto Hofmann, Rentier. 1906.
Richard Hof mann, Kaufmann. 1891.
Moritz Wilhelm Hohenemser, Bankier. 1901
Frau von Holbach, Majorsgattin. 1906.
Georg Holtzwart, Kaufmann. 1903.
Hermann Holz, Kaufmann. 1903.
Richard Holz, Kaufmann. 1909.
Wilhelm Holz, Kaufmann. 1903.
Leo Holzmann, Kursmakler. 1906.
Eugen Hoerle, Gutsbesitzer. 1908.
Philipp Alexander Julius Hoerle, Kaufmann. 1903.
Frau Elise Horstmann geb. Hoffmaun, Privatiere. 1908.
Georg Horstmann, Zeitungsverleger. 1897.
Franz von Hoven, Baurat. 1906.
Dr. Gustav Adolf Humser, Geh. Justizrat, Rechtsanwalt und Notar.
1871.
Frau Marie Ihm geb. Rittner, Privatiere. 1898.
Hans Illig, Fabrikdirektor. 1910.
Frau Sophie Jacobi geb. Borle, Privatiere. 1907.
Gustav Jaff6, Justizrat und Rechtsanwalt. 1903.
Dr. Theophil Jaff6, Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1898.
Fritz Jäger-Manskopf, Kaufmann. 1892.
Ernst Jaernecke, Prokurist. 1911.
Louis Jay, Rentner. 1901.
Frau Luise Amalie Jordan de Rouville, Bankierswitwe. 1904.
Dr. Fritz Jucho, Kaufmann. 1903.
Dr. Heinrich Jucho, Notar. 1906.
Ludwig Jung, Kaufmann. 1910.
Dr. Rudolf Jung, Professor und Direktor des Stadtarchivs. 1904.
Otto Junghanss, Fabrikbesitzer in Johannisberg im Rheingau. 18119.
Gustav Junker, Direktor der Martins-Missionsanstalt. 11K)6.
Johann E. J u r e i t , Kommissionsrat. 1910.
Frau Eminy Jürries geb. Fritsch. 1912.
Emil Kahle, Kaufmann. 1911.
— 159 —
Richard Kahn-Freund, Fabrikant. 1900.
Julius Kahnweiler, Privatier. 1908.
Frau Klara Kalb geb Faust, Privatiere. 1875.
Leonhard Kalb, Privatier. 1897.
Moritz Kalb, Privatier. 1902.
Bernhard Kamel, Kaufmann. 1894.
Dr. Rudolf Kasprzik, Sanitftterat und praktischer Arzt. 1908.
Dr. Albert Katzenellenbogen, Rechtsanwalt und Direktor der Mittel-
deutschen Kreditbank. 1909.
Max K a y s e r , Landgerichtsrat. 1909.
Eduard Kayser-Mönch, Fabrikant in Offenbach. 1912.
Ferdinand Keil, Apotheker. 1910.
August Keller, Buchhändler. 1901.
Wilhelm Keller, Direktor der Frankfurter Gewerbekasse. 1911.
Frau Emma Kirchberg geb. Neubtirger, Privatiere. 190H.
Raphael M.Kirch he im, Privatier. 1903.
Dr. Simon Kirchheim, praktischer Arzt, Chefarzt des israelitischen Ge-
meindehospitals und Stadtrat. 1875.
Willi A. Klein, Kaufmann. 1904.
Jakob Klein -Hoff, Privatier. 1908.
Otto Kleinschmidt, Apotheker in Bonames. 1911.
Eugen Klimsch, Kaufmann. 1910.
Karl Klimsch, Kunstmaler. 1904.
Jakob Kloos, Kaufmann. 11X)7.
Jean Knauer, Buchdruckereibesitzer. 188«.
Dr. Paul Knoblauch, praktischer Arzt. 1909.
Louis Koch, Hofjuwelier. 1904.
Hermann Köhler, Kommerzienrat und Bankier. 1897.
Karl Kohn, Direktor a. D. bei der Frankfurter Gasgesellschaft. 1908.
Adolf Kolligs, Kaufmann. 1906.
Heinrich Freiherr von Königswarter, Rentier. 1897.
Heinrich Königswerther, Kaufmann. 1907.
Oskar Könitzer, Privatier. 1902.
Frau Franziska Koerber geb. Dietz, Privatiere. 1911.
Heinrich Koßmann, Privatier. 1908.
Jakob Kothe, Schreinereibesitzer. 1891.
Karl Kotzenberg, Kaufmann und Norwegischer Konsul. 1903.
Frau Pauline Kowarzik geb. Fellner, Privatiere. 1897.
Frau Carl von Kramer, Privatiere in Homburg v. d. Höhe. 1911.
Georg Kranz, Privatier. 1906.
Dr. Alois Kraus, Professor, Oberlehrer an der Stadt. Handelslehranstalt
und Privatdozent an der Akademie für Sozial- und Handelswissen-
schaften. 1903.
Eduard Küchler jun., Fabrikbesitzer in Rödelheim. 1903.
Eduard Küchler sen., Privatier. 1888.
Karl Küchler, Kaufmann. 1893.
Konrad Adolf Kugler, Kaufmann 1906.
— 160 —
Karl Kunkel e, Kaufmann. 1901.
Friedrich Wilhelm Knnter, Reichshankheamter. 1911.
Dr. Friedrich Kurtz, praktischer Arzt. 1901.
Frau Emma Kyritz geb. Hagen, Privatiere. 1899.
Alfred Kyritz-Drexel, Kaufmann. 1897.
Angust Ladenburg, Bankier. 1902.
Ernst Ladenburg, Kommerzienrat, Bankier und Stadtverordneter. 1897.
Karl Langenbach, Kaufmann. 1904.
Frau Elise Lauth-Becker, Privatiere. 1903.
Dr. Johannes Lehmann, Assistent am Städtischen Völkermuseum. 1909.
Leo Lehmann, Rentner. 1908.
Alfred Lejeune, Kaufmann. 1885.
Friedrich Wilhelm Lejeune, Kaufmann. 1906.
Georg Leschhorn, Privatier. 1890.
Dr. £. Leser, Geh. Sanitätsrat, Professor und praktischer Arzt. 1906.
Dr. jur. Maximilian Leuchs-Mack. 1907.
Adolf Levi, Kaufmann. 1906.
Leopold Levi, Kaufmann. 1907.
K. Leydhecker, Pfarrer in Auerbach. 1909.
Dr. Franz Lies au, Oberlehrer an der Sachsenhäuser Oberrealschule. 1908.
Wilhelm Lindheimer, Domänenpächter. 1902.
Nachum H. Loeb^ Kursmakler. 1910.
Freiherr von L o e n , Major a. D. 1912.
Dr. Hugo L 0 1 z , Amtsrichter in Kirchen a. d. Sieg. 1903.
Adam Ludwig, Privatier. 1903.
Frau Richard Ludwig. 1904.
Ferdinand Maas, Privatier. 1875.
Robert Mack, Kaufmann. 1894.
John M. Mackenzie, Kaufmann. 1902.
Alexander Majer, Bankier. 1906.
Frau Helene Manskopf geb. Keßler, Rentnerin. 1874.
Heinrich Mappes, Sächsischer Generalkonsul und Konsul von
BrasUien. 1888.
Gustav Marburg, Kaufmann. 1903.
Dr. Arthur M a r u m , .praktischer Arzt. 1910.
Dr. Karl Marx, praktischer Arzt. 1906.
Dr. Otto Maul. 1912.
Adam May, Fabrikant. 1890.
Dr. Franz May, Fabrikant. 1895.
Martin May, Fabrikant. 1884.
Robert May, Kaufmann. 1893.
Jacob Mayer, Kaufmann. 1910.
Ludo Mayer, Geh. Kommerzienrat und Fabrikbesitzer. 1904.
Frau Meister geb. Hauswald, Privatiere. 1904.
Joseph Meister, C'bemiker. 1910.
J. F. M e i X n e r , Architekt. 1906.
Dr. hon. c. Wühelm Morton, Privatier. 1888.
— 161 —
Frl. Auguste Mertz, Lehrerin. 1911.
Julius Wilhelm Merz, Professor. 1899.
Theodor Mettenheimer-Breul, Kaufmann. 1901.
Hugo Metzler, Bankier. 1900.
Albert von Metzler, Bankier, Stadtrat und Bayrischer Generalkonsul,
Mitglied des Herrenhauses. 1893.
Franz Meyer, Kaufmann. 1910.
Dr. Paul Meyer, Oberregierungsrat a. D. 1903.
Paul Meyer, Beniner in Darmstadt. 1911.
Dr. Edward von Meyer, Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1907.
Franz Carl Michel-Qellert, Kaufmann. 1909.
Emil Michel-Speltz, Privatier. 1906.
Dr. Ernst Michels, Kandidat des höheren Lehramts. 1909.
Hermann Minjon, Verlagsbuchhändler. 1910.
Heinrich J. F. Minoprio, Bankier. 1903.
Frau Christine Mohr geb. Weingärtner, Privatiere. 1908.
Franz Moldenhauer, Ingenieur. 1902.
Rudolf MoUik, Ingenieur in Cronberg i. T. 1909.
Fritz Mönch, Kaufmann in Offenbach. 1892.
Frl. Sophie Moos. 1910.
Wilhelm Mössinger, Kaufmann. 1906.
Adalbert Müller, Brauereidirektor. 19 LO.
Wilhelm Müller, Kaufmann. 1899.
F. George Müller-Beeck, Kaiserlich Deutscher Generalkonsul a. D. 1907.
Frau Enmia Mumm von Schwarzenstein geb. Passavant. 1876.
Hugo Nathan, Kaufmann. 1909.
Dr. Edmund Naumann, Geologe. 1899.
Ludwig Neher, Baurat. 1893.
Dr. Max Neißer, Professor und Direktor des Städtischen Hygienischen
Instituts. 1903.
Richard Nestle jun., Kaufmann. 1893.
Frau Emily Netto-Nothwang, Professorswitwe. 1903.
Dr. Otto Neubürger, praktischer Arzt. 1906.
Robert de Neufville, Kommerzienrat. 1897.
Adolf von Neufville, Bankier. 1895.
Gustav Adolf von Neufville, Bankier. 1909.
Karl von Neufville, Kommerzienrat, Bankier und Generalkonsul a. D.
1904.
Wilhelm Neuse, Kaufmann. 1910.
Hermann Ochs, Privatier. 1884.
Dr. Hermann Oelsner, Justizrat, Rechtsanwalt und Notar. 1903.
Frau Juliette Oplin geb. Godchaux, Privatiere. 1875.
Bernhard Oppenheim, Kaufmann. 1911.
Moritz Oppenheim, Kaufmann. 1887.
Sir Francis Oppenheimer, Großbritannischer Botschaftsrat. 1900.
Frau Leontine Oppenheimer geb. Livingston, Privatiere. 1909.
Frl. Adele Osterrieth, Privatiere. 1904.
11
— 162 —
Robert Osterrieth, Kaufmann. 1907.
Frau Maria Oestreich geb. Creizenacb, Lehrerswitwe. 1869.
Dr. Henry Oswalt, Geb. Justizrat und Becbtsanwalt. 1871.
Dr. Ferdinand P a c b t e n , Justizrat und Recbtsanwalt. 1909.
Jobann Friedrieb Pabl, Kaufmann. 1904.
Dr. Alfred Parrisius, Bankdirektor. 1903.
Eduard Parrot, Privatier. 1909.
Pbilipp Passavant, Kaufmann. 1901.
Hermann von Passavant, Kaufmann und Japaniscber Konsul. 1901.
Riebard von Passavant, Geb. Kommerzienrat. 1889.
Dr Eduard Pelissier, Professor und Oberlebrer am Lessing -Gymnasium.
1882.
Eduard Petscb-Manskopf, Privatier. 1900.
Dr. Ferdinand Pfannmüller, praktischer Arzt in Hausen. 1909.
Frau Bertba Pfefferkorn geb. Kessler, Doktorswitwe u. Privatiere. 1854.
Christian Wilhelm Pfeiffer-Belli, Rentner. 1883.
Dr. Arthur Pfungst, Chemiker und Fabrikant 1889.
Lucien Picard, Bankier. 1906.
Dr. Hermann Pieper, Rechtsanwalt. 1909.
Theodor Plieninger, Generaldirektor der chemiseben Fabrik Griesbeim-
Elektron. 1906.
Siegfried Pohl, KaufmaDU. 1909.
Frau Emmy Poblmann geb. Poblmann, Privatiere. 1897.
Friedrich Gustav Po r eher, Architekt. 1909.
Dr. Eduard Posen, Fabrikant. 1894.
Sidney Posen, Fabrikant. 1888.
Frau F. P tibi er geb. Schneider, Privatiere. 1911.
Frau Alma Banft, Privatiere. 1911.
August Rasor, Kaufmann. 1890.
Walther vom Rath, Rentner, Mitglied des Herrenhauses. 1897.
Emil Rau, Kaufmann. 1901.
Frau Sonia Rau geb. Vetter, Privatiere. 1911.
Louis Rauch, Kaufmann. 1911.
Dr. Friedlieb Rausch, Direktor. 1909.
HaDS Ravenstein, Lithograph. 1911.
Simon Ravenstein, Architekt. 1871 .
Dr. Ludwig Rehn, Gob. Medizinalrat, Professor und Direktor der chirurgi-
schen Abteilung? des Städtischen Krankenhauses. 19CK).
Frl. Anna Reichard, Verwalterin. 1901.
Franz Reichard, Kaufmann. 1911.
Fritz Reichard, Kaufmann. 1906.
Frl. Mina Reichard, Privatiere. 1903.
Gottlob Reichard -Frey, Kaufmann. 1900. (fi
August Keichard -Marburg, Kaufmann. 1877.
Frau Jenny Reichenbacb. 1908.
Daniel Reinhardt, Architekt. 1911.
Dr. Paul Reiss, Justizrat und Recbtsanwalt. 188G.
— 163 —
Otto Renner, Kaafmann. 1906.
FraDz Lorenz Realeanx, Eisenbahn-Direktions-Präsident. 1910.
Dr. Heinz Richartz, praktischer Arzt. 1909.
Frau Louise de Ridder geb. May, Rentiere. 1908.
Dr. Alexander Riese, Professor. 1897.
Hermann Ritter, Baurat. 1910.
Johannes Robe, Rentner. 1909.
Frl. Kathinka Rode, Lehrerin. 1898.
Dr. Ernst R o e d i g e r , Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1910.
Dr. Paul Roediger, Justizrat und Direktor der Metallgesellschaft. 1893.
Karl Roger, Direktor der Filiale der Bank für Handel und Industrie. 1890.
Karl Heinrich Roger, Landrichter. 1911.
Frau Helena Rehmer geb. de Chapeaurouge, Privatiere. 1900.
Heinrich Römheld, Kaufmann. 1900.
Carl Adolf Ronnefeldt, Privatier. 1911.
Alfred Rosenthal, Kaufmann. 1903.
Dr. Rudolf Rosenthal, Justizrat und Rechtsanwalt. 1904.
Dr. Wilhelm Roser, Professor und Chemiker. 1910.
August Rother, Kaufmann. 1910.
Georg Kothgeb, Kunst- und Dekorationsmaler. 1908.
Ernst Rübsamen, Apotheker. 1904.
Dr. Georg R u o f f , Chemiker. 1908.
Willy Rytz, Kabel-Ingenieur. 1907.
Moritz Sachs-Hellmann, Privatier. 1910.
Alfred Salin, Kaufmann. 1902.
Fritz Schaeffer-Stuckert, D. D. S., praktischer Zahnarzt u. Direktor des
zahnärztlichen Instituts „Carolinum" am Stadt. Krankenhause. 1906.
Frau Carrie Scharff geb. Ott. 1890.
Dr. Wilhelm ScheUens, I. Assistent am Kgl. Chemischen Untersnchungs-
amt. 1911.
Heinrich Theodor Schenck, Kaufmann. 1875.
Hermann Schepeler, Kaufmann. 1906.
Remi Schepeler, Kaufmann. 1909.
Freiherr Philipp Schey von Koromla. 1910.
Carl Schick, Kaufmann. 1911.
Ludwig Schiele, Direktor der Frankfurter Gasgesellschaft. 1910.
Ludwig Schiff, Kaufmann. 1878.
Philipp Schiff, Privatier. 1903.
Gustav Schlesicky, Kaufmann. 1895.
Frau Heinrich Schlesicky, Privatiere. 1902.
Friedrich Schleusen er, Fabrikdirektor. 1903.
Dr. Karl Schleussner, Fabrikdirektor. 1897.
Georg Schlund, Juwelier. 1888.
Frau Maria Schlund geb. Leuchs-Mack, Juwelierswitwe. 1901.
Carl Schmidt, Prokurist der Brauerei Binding. 1909.
Frau Emma Schmidt geb. Wolf, Professors witwe. 1907.
Wilhehn Schmidt-Diehler, Architekt. 1899.
— 164 —
Frau Anna Schmidt-Knatz, Priyatiere. 1910.
Dr. Wolf gang Schmidt-Scharff, Rechtsanwalt. 1893.
Albert Schmitt, Professor und stellvertretender Inspektor der Selekten-
schnle. 1911.
Peter Schmölder, Privatier. 1872.
Jnlias Ferdinand Schnatter, Architekt. 1908.
Alexander Schneider, Direktor der Deutschen Gold- und Silber-Scheide-
anstalt. 1875.
Karl Schneider, Kaufmann. 1911.
Frl. Marie Schneider. 1907.
Heinrich Schnell, Privatier. 1875.
Emanuel Schnurmann, Kaufmann. 1911.
Friedrich Scholtz, Generalleutnant und Kommandeur der XXI. Division,
Exzellenz. 1909.
Paul Schonknecht, Fabrikant. 1911.
Frau Elisabeth Schott, geb. Bruchhäuser, Sanitätsratswii \ve. 1908.
Heinrich Schreiber sen., Privatier. 1904.
Adolf Schroeder, Privatier. 1906.
Bernhard Schuchmann, Kaufmann. 1910.
Bernhard Schuster, Bentier. 1874.
Dr. Erich Schwartze, Oberlehrer am Ober-Lyceum. 1907.
Albert Schwarz, Bechnungsrat am Landgericht. 1906.
Lic. Dr. Karl Schwarzlose, Pfarrer der St. Katharinengemeinde. 1903.
Moses Martin Schwarzschild, Privatier. 1888.
Dr. Eugen Scriba-Schmidt-Polex, praktischer Arzt. 1901.
Frau Heinrich Seckel. 1911.
Frau Mathilde S e e f r i d geb. Btthler, Privatiere. 1888.
Frau Anna S e e g e r. 1901.
Christian Seeger. 1911.
Frau Jennie Seeger geb. Gravelius, Privatiere. 1909.
Georg Seitz, Finanzrat a. D. 1899.
Hermann Seitz. 1904.
Oskar Selb ach, Kaufmann. 1907.
Frau Tina Seum-Keller, Privatiere. 1908.
Arthur Siebert-Mttller, Direktor der Mitteldeutschen Kreditbank und
Wttrttembergischer Konsul. 1901.
Dr. Friedrich Sieger, Justizrat, Bechtsanwalt und Notar. 1903.
Walter Simmer er. 1911.
Oskar Simon-Buss, Kaufmann. 1897.
Hans Simonis, Kaufmann. 1903.
Dr. Emil Sioli, Professor und Direktor der Irrenanstalt. 1889.
Dr. Bichard So Im, Augenarzt und Direktor der Frankfurter Augenheil-
anstalt. 1904.
Friedrich Sommerlad, Kaufmann. 1904.
Frau Karl Sömmerring geb. Kretzer, Privatiere. 1865.
Frl. P. Sopp. 1910.
Alfred Speyer. 1903.
— 166 —
Jalins Stadermann, Kaufmann. 1911.
Karl Stanffer, Direktor der Bockenheimer Volksbank. 1898.
Frau Baronin Karoline von Stein, Pröbstin des adeligen von Cronstett-
und von Hynspergischen evangelischen Damenstifts. 1884.
Dr. Johannes Moritz Steinthal, Bechtsanwalt. 1893.
Frau Anna Stern geb. Kalb, Privatiere. 1897.
Rudolf Stern, Privatier. 1890.
Frau Theodor Stern, Privatiere. 1871.
August Stern-Wiedebusch, Kaufmann. 1903.
Paul Sternberg, Fabrikant. 1908.
Karl Stiebel, Privatier. 1897.
Emilie Stiefel geb. Mayer, Privatiere. 1906.
Otto Still. 1911.
Wilhelm Stock-de Neufville, Bankier. 1882.
Dr. Otto zur Strassen, Professor und Direktor des Senckenbergischen
Naturhistorischen Museums. 1910.
Otto S t r a ß f e 1 d , Kaufmann. 1903.
Ernst Strauß, Kaufmann. 1906.
Isaak Strauß, Privatier. 1906.
Hans Streck eisen, Architekt. 1903.
Dr. phil. hon. c. und Dr. Ing. hon. c. Ignaz Stroof , Direktor. 1904.
Bruno S t r u b e 1 1 , Kaufmann. 1903.
Alfred von Stryemieczny, Oberstleutnant a. D., Villenkolonie Buchschlag.
1907.
Georg Sturm f eis, Lehrer. 1909.
Emil Sulzbach, Privatier. 1900.
Dr. Karl S u 1 z b a c h , Bankier. 1890.
Walter Taeschner, Dipl.-Ing. und technischer Bauleiter. 1911.
Dr. L. T h e b e s i u s , Justizrat, Rechtsanwalt und Serbischer Generalkonsul.
1906.
Dr. Hermann Traut, Professor und Bibliothekar an der Stadtbibliothek. 1893.
Paul Trebst, Apotheker. 1910.
Dr. Gustav Treupel, Professor und Chefarzt der medizinischen Abteilung
des Hospitals zum Heiligen Geist. 1903.
Jakob Ivan Ueberfeld, Kaufmann. 1906.
Hermann Uhlfelder, Magistrats- Baurat. 1904.
Albert Julius U 1 1 m a n n , Direktor der Farbenfabrik L. Casella & Cie. 1901.
Otto Ulrich, Bankdirektor a. D. 1903.
Dr. Franz Vaconius, Pfarrer der Dreikönigs-Gemeinde. 1906.
Dr. Victor von Varendorff, praktischer Arzt. 1911.
Hans Voigt. 1910.
Louis Volk, Ober-SUdtsekretär. 1909.
Dr. Paul Wagner, Augenarzt. 1906.
Karl Wagner-Nurick, Ingenieur. 1903.
Frau Anna Wagner-Schaller, Privatiere. 1901.
Dr. Gustav Wahl, Bibliothekar der Senckenbergischen Bibliothek. 1908.
Otto Walb, Kaufmann. 1910.
— 166 —
Dr. phil. hon. c. Max Walter, Direktor des Reform-RealgymDasinins Master-
schule. 1912.
Dr. Heinrich Weber, praktischer Arzt. 1902.
Karl Weber, Verwalter der Irrenanstalt. 1885.
Otto Weidenmüller, Apotheker. 1911.
Frl. Else Weigel. 1911.
Frl. Emilie Weigel, Privatiere. 1902.
Martin Weigel, Verlagsbuchhändler. 1902.
Jakob Hennann Weiller, Bankier. 1871.
Karl von Weinberg, Fabrikbesitzer nnd Griechischer Generalkonsul. 1903.
Alfred Weinschenk, Bankier. 1903.
Philipp Weinsperger, Maler nnd Weißbindermeister. 1907.
Albrecht Weis, Kassierer der Englischen Gasfabrik a. D. 1874.
Martin Weis, Kaufmann. 1910.
Richard Weise, Major a. D. 1902.
Wilhelm Daniel Weis mann, Bankier. 1902.
Adolf Well ach, Apotheker. 1910.
Dr. Albert Weller, Direktor der Vereinigten Chininfabriken, Zimmer & Co.
1907.
Dr. Wilhelm Wense, Chemiker in Griesheim. 1911.
Joseph Werner, Kaufmann. 1892.
Dr. Oskar Werner, Professor und Oberlehrer an der Sachsenhäuser Ober-
Realschule. 1910.
Frau Rosalie Wertheim geb. Ballin, Privatiere. 1884.
Dr. Eugen Wertheimber, Bankier. 1909.
Emil Wetzlar, Bankier. 1900.
Adolf Wiechmann. Fabrikant. 1909.
Wilhelm Wiederhold, Privatier. 1908.
Fritz Christoph Wiemer, Mühlenbesitzer in Bonames. 1898.
Georg Wilhelm, Gärtner. 1910.
Dr. Ludwig Wilhelm, Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1911.
Dr. Karl Willemer, Augenarzt. 1903.
Ludwig Willemer-Rücker, Subdirektor der Providentia. 1893.
Fritz Winckelmann, Kaufmann. 1911.
Adolf Winkler, stud. rer. math. in Nieder-Erlenbach. 1911.
Fritz Winter, Dr. phil. hon. c, Fabrikant, Villenkolonie Bnchscbla^. 1903.
Ludwig Wirth, Privatier. 1911.
Karl Wolf, Pfarrer der St. Petersgemeinde. 1903.
Dr. Ludwig Wolff, Sanitätsrat und praktischer Arzt. 1907.
Frau Emma Wolfskehl geb. Feist, Kommerzienratswitwe. 1874.
August Wolschendorff, Kaufmann. 1904.
Dr. Georg Worgitzky, Professor. 1911.
Hermann Wronker, Kaufmann. 1909.
Julius Wurmbach, Ingenieur. 1883.
Ernst Wüsthoff, Kaufmann. 1906.
Louis Zeiß-Bender, Fabrikant und Konsul der Freistaaten Guatemala
und Costa-Rica. 1906.
— 167 —
Theodor Zeltmann, Privatier. 1896.
Frau Jobanna Ziegler geb. Kleyer, Professorswitwe. 1902.
.T. Zier vo gel , Oberingenieur des Dampfkessel-Uberwachungsvereins. 1904.
Frl. Bertha Zimmermann, Privatiere. 1907.
Geo Zink, Kaufmann. 1911.
II. Korrespondierende Mitglieder.
Dr. Hermann Vamb6ry, Professor in Budapest, ernannt am 11. Mai 1876.
Dr. Felix von Luschan, Geh. Regierungsrat, Professor und Direktor am
Museum für Völkerkunde in Berlin, ernannt am 10. Oktober 1887.
Dr. Karl Diener, Professor und Präsident des Österreichischen Alpen-
klubs in Wien, ernannt am 20. Januar 1888.
Dr. Alexander Freiherr von Danckelman, Geh. Regierungsrat u. Professor
in Berlin, ernannt am 28. Juli 1890.
Dr. Paul Müller-Simonis, Ehrendomherr in Straßburg, ernannt am
29. Juni 1892.
Dr. Wilhelm H a a c k e in Otterndorf, ernannt am 8. März 1893.
Dr. Max Friederichsen, Professor in Greifswald, ernannt am 12. Dezember
1906.
Dr. Karl 0 estreich, Professor in Utrecht, ernannt am 12. Dezember 1906.
Dr. Georg We gener, Professor und Dozent an der Handels-Hochschule in
Berlin, ernannt am 12. Dezember 1906.
Dr. W. van Bemmelen, Direktor des Kgl. Magnetischen und Meteoro-
logischen Observatoriums in Batavia, ernannt am 17. Dezember
1911.
Dr. Hendrick Blink im Haag, Privatdozent in Leiden , ernannt am
17. Dezember 1911.
Dr. Johannes Elbert, Forschungsreisender in Frankfurt am Main, ernannt
am 17. Dezember 1911.
Dr. Georg Greim, Professor und Dozent an der Technischen Hochschule,
ständiges Mitglied des Großherzoglich-Hydrographischen Bureaus in
Darmstadt, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Hans H a 1 1 i e r , Konservator am Reichsnatnrhistorischen Museum in
Leiden, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Fritz Jaeger, Professor in Berlin, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Hugo M ertön. Privatgelehrter in Heidelberg, ernannt am 17. Dezember
1911.
Frl. Dr. 0. M. L. P o p t a , Conservatrice am Reichsnaturhistorischen Museum
in Leiden, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Joseph Tilmanns, Abteilungsvorsteher am Städtischen Hygienischen
Institut, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Karl Uhlig, Professor in Tübingen, ernannt am 17. Dezember 1911.
— 168 —
III. Ehrenmitglieder.
Dr. Julius Ritter von Payer, E. und K. Österreichisch-Ungarischer Haupt-
mann a. D. in Wien, ernannt am 14. Oktober 1874.
Dr. Max Buchner, Professor und Direktor des Egl. Bayrischen Ethnologi-
schen Museums a. D. in München, ernannt am 17. Februar 1886.
Lulgi Bodio, Italienischer Staatsrat, Senator und Generaldirektor der
Statistik im Egl. Italienischen Ministerium fttr Ackerbau und Handel
und Vizepräsident der Societä geografica Italiana in Rom, ernannt
am 8. Dezember 1886.
Dr. Julius E u t i n g , Qeh. Regierungsrat, Professor und Direktor der Eaiser-
liehen Universitäts- und Landesbibliothek a. D., ernannt am
8. Dezember 1886.
Dr. Georg Gerl and, Professor a. D. in Straßburg, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Wilhelm Eobelt, Professor und praktischer Arzt in Schwanheim, er-
nannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Earl von Obernberg, Vorsteher des Statistischen Amts der Stadt a. D.,
in Frankfurt am Main, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Eduard Pechuel-Loesche, Professor in Erlangen, ernannt am 8. De-
zember 1886.
Baron Max du P r e 1 , Egl. Bayrischer Eammerherr, Eaiserlicher Ministerialrat
in Straßburg a. D., ernannt am 8. Dezember 1886.
Ernst Georg Ravenstein, Eartograph in London, ernannt am 8. Dezember 1886.
Ludwig Ravenstein, Eartograph in Frankfurt am Main, ernannt am
8. Dezember 1886.
Paul Reichard, Forschungsreisender, z. Zt. im Ausland, ernannt am 8. De-
zember 1886.
Dr. Johannes Rein, Geh. Regierungsrat und Professor a. D. in Bonn, ernannt
am 8. Dezember 1886.
Dr. Georg Schweinfurth, Professor in Berlin, ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Hermann Wagner, Geh. Regierungsrat und Professor in Göttingen,
ernannt am 8. Dezember 1886.
Dr. Earl von den Steinen, Professor und Abteilungsdirektor am Egl.
Museum für Völkerkunde in Berlin (Charlottenburg), ernannt am
20. Februar 1889.
Dr. Hans Meyer, Geh. Hof rat, Professor und erster Vorsitzender der
Gesellschaft für Erdkunde in Leipzig, ernannt am 25. Februar
1891.
Dr. Siegmund Günther, Geh. Hofrat und Professor in München, ernannt am
2. März 1892.
Commendatore Dr. Guido Cora, Professor und Herausgeber des „CosmoB''
in Rom, ernannt am 20. Dezember 1894.
Dr. ing. Wilhelm Launhardt, Geh. Regierungsrat und Professor in Hannover,
Mitglied des Herrenhauses, ernannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Fridtjof Nansen, Professor in Christiania und Egl. Norwegischer Ge-
sandter a. D., ernannt am 9. Dezember 1896.
— 169 —
Dr. Albrecht Penck, Geh. Begiemngsrat and Professor, K. K. Hofrat,
Direktor des Instituts für Meereskunde und Vorsitzender der Ge-
sellschaft für Erdkunde in Berlin, ernannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Joachim Graf von Pfeil undElein-Ellguth in Schloß Friedersdorf,
König]. Kammerherr, ernannt am 9. Dezember 1896.
Peter Petrowitsch yonSsemenow, Russischer Wirklicher Geh. Rat, Senator,
Mitglied des Reichsrats und Vizepräsident der Kaiserlich Russischen
Geographischen Gesellschaft, Hohe Exzellenz, in St. Petersburg
ernannt am 9. Dezember 1896.
Dr. Sven von Hedin, Professor in Stockholm, ernannt am 16. November 1897.
Dr. Friedrich Clemens E b r a r d , Geh. Konsistorialrat, Professor und Direktor
der Stadtbibliothek in Frankfurt a. M., ernannt am 17. Oktober 1900.
Otto Schleifer, Hauptmann a. D. und Forschnngsreisender, Charlottenburg,
ernannt am 18. Dezember 1901.
Otto Neumann Sverdrup, Kapitän in Chris tiania, ernannt am 22. Oktober 1902.
Dr. Fritz Sarasin in Basel, ernannt am 28. Oktober 1908.
Dr. Paul Sarasin in Basel, ernannt am 28. Oktober 1903.
Dr. Erich von Drygalski, Professor und Vorsitzender der Geographischen
Gesellschaft in München, ernannt am 2. März 1904.
Dr. Karl Bücher, Geh. Hofrat und Professor in Leipzig, ernannt am 12. De-
zember 1906.
Dr. Friedrich Delitzsch, Geh. Regierungsrat und Professor, Direktor der
Vorderasiatischen Abteilung der Königlichen Museen in Berlin, er-
nannt am 12. Dezember 1906.
Dr. Gottfried Merzbacher, Professor und Forschungsreisender in München,
ernannt am 12. Dezember 1906.
Dr. Theodor Petersen, Professor und erster Vorsitzender der Sektion
Frankfurt am Main des Deutschen und Österreichischen Alpen-
vereins, ernannt am 12. Dezember 1906.
Seine Hoheit Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg, Major ä la
suite des 2. Garde -Dragoner -Regiments Kaiserin Alexandra von
Rußland, Kaiserl. Gouverneur von Togo, ernannt am 15. März 1909.
Sir Ernest H. Shackleton, Leutnant der Reserve der Kgl. Marine in
London, ernannt am 20. Januar 1910.
Dr. jur. hon. c. et med. hon. c. Franz A dickes, Oberbürgermeister der Stadt
Frankfurt am Main und Mitglied des Herrenhausei, in Frankfurt
am Main, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Richard van der Borght, Präsident des Kaiserl. Statistischen Amts
a. D., in Berlin, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Eduard Brückner, Professor und Vizepräsident der Kaiserl. Königl.
Geographischen Geselhichaft in Wien, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. William Morris Davis, Professor in Cambridge, Mass, ernannt am
17. Dezember 1911.
Georg Evert, Wirkl. Geh. Oberregierungsrat und Präsident des Kgl. Preußi-
schen Statistischen Landesamts in Berlin, ernannt am 17. Dezember
1911.
Dr. Alfred Hettner, Professor in Heidelberg, ernannt am 17. Dezember 1911.
— 170 —
Dr. Lncas vonHeyden, Major a. D. und Professor in Frankfurt am Main,
ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Otto Krümmel, Geh. Regierangsrat nnd Professor in Marburg, ernannt
am 17. Dezember 1911.
Dr. Georg von Mayr, Professor, Unterstaatssekretär a. D., und ehemaliger
Vorstand des EgI. Bayerischen Statistischen Landesamts in Mttnchen,
ernannt am 17. Dezember 1911.
Prof. Dr. Ernst Mischler, Präsident der K. K. Sutistischen Zentral-
kommission und Chef der österreichischen Statistik in Wien, ernannt
am 17. Dezember 1911.
Dr. Moritz Neefe, Professor nnd Direktor des Statistischen Amts der Stadt
Breslau, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Otto Nordenskjöld, Professor in Gothenburg, ernannt am 17. Dezember
1911.
Dr. Eugen Oberhummer, Professor und Präsident der Kais. König!. Geo-
graphischen Gesellschaft in Wien, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Joseph Part seh. Geh. Hofrat und Professor in Leipzig, ernannt am
17. Dezember 1911.
Dr. Siegfried Passarge in Wandsbek, Professor in Hamburg, ernannt am
17. Dezember 1911.
Dr. Alfred Philippson, Professor in Bonn, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Fritz Regel, Professor in Würzburg, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Wilhelm Sievers, Professor in Gießen, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Marc-Aurel Stein, General -Inspektor des indischen archäologischen
Departements in Oxford, ernannt am 17. Dezember 1911.
Dr. Alexander Supan, Professor in Breslau, ernannt am 17. Dezember 1911.
Verstorbene Ehrenmitglieder.
Dr. Karl Ritter, Professor in Berlin, ernannt am 29. August 1838, ge-
storben daselbst am 28. September 1859.
Dr. Friedrich Tiedemann, Großherzogl. Badischer Geheimer Rat nnd
Professor a. D. in Frankfurt am Uain, ernannt am 22. Mai 1851,
gestorben in München am 22. Januar 1861.
Karl Weyp recht, K. u. K. Österreichisch-Ungarischer Linienschiffsleutnant
in Tricst, ernannt am 14. Oktober 1874, gestorben in Michelstadt
am 29. März 1881.
Dr. Eduard R ü p p e 1 1 in Frankfurt am Main , ernannt am 20. November
1874, gestorben daselbst am 10. Dezember 1884.
Dr. Gustav Nachtigal, Kaiserl. Generalkonsul in Tunis, ernannt am
2. Juni 1875, gestorben an Bord Sr. Maj. Kreuzers ^Möve** am
20. April 1885.
Dr. Ferdinand Freiherr von Richthofen, Geh. Regierungsrat, Professor,
Vorsitzender der Gesellschaft für Erdkunde und zweiter Präsident
des Deutschen und Österreichischen Alpen Vereins in Berlin, ernannt
am 11. Juni 187ö, gestorben daselbst am 6. Oktober 1905.
-^ 171 —
Dr. Gerbard Rahlf s, Egl. Hofrat, Kaiserlicher Generalkonsul a. D. in Weimar,
ernannt am 9. Jannar 1877, gestorben in Küngsdorf bei Bonn am
2. Juni 1896.
Dr. Georg Varrentrapp, Geb. Sanitätsrat nnd Ehrenpräsident des Vereins
für Geographie und Statistik in Frankfurt am Main, ernannt am
24. September 1881, gestorben daselbst am 15. März 1886.
Dr. Emil Hol üb in Wien, ernannt am 1. März 1882, gestorben daselbst am
21. Februar 1902.
Dr. Ferdinand von Hochstetter,E. u. K. Österreichischer Hofrat und Pro-
fessor in Wien, ernannt am 27. Dezember 1882, gestorben daselbst
am 18. Juli 1884.
Dr. Hermann von Wissmann, Major ä la suite der Armee und Kaiserlicher
Gouverneur z. D., ernannt am 31. März 1883, gestorben in Sting bei
Weißenbach (Obersteiermark] am 15. Juni 1905.
Henry M. Stanley, Parlamentsmitglied in London, ernannt am S.Januar
1885, gestorben daselbst am 10. Mai 1904.
Dr. Adolf Bastian, Geh. Hegierungsrat, Direktor der ethnologischen Samm-
lung des Museums für Völkerkunde und Ehrenpräsident der Gesell-
schaft für Erdkunde in Berlin, ernannt am 8. Dezember 1886, ge-
storben in Port-of-Spain (Trinidad) am 3. Februar 1905.
Dr. Karl Becker, Wirkl. Geb. Oberregierungsrat und Direktor des Statis-
tischen Amts des Deutschen Beichs in Berlin, ernannt am 8. De-
zember 1886, gestorben in Charlotten bürg am 20. Juni 1896.
Dr. Hermann Berghaus, Professor in Gotha, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 3. Dezember 1890.
Dr. Emil Blenck, Wirkl. Geh. Oberregierungsrat und Präsident des Kgl.
Preußischen Statistischen Landesamts a. D. in Berlin, ernannt am
S.Dezember 1886, gestorben in Groß-Lichterfelde am 4. Oktober 1911.
Dr. Heinrich Brugsch, Legationsrat und Professor in Berlin, ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 9. September 1896.
Francisco Coello de Portugal y Qnesada, Spanischer Ingenieur-
Oberst a. D., Ehrenpräsident der Sociedad geogräfica und Präsident
der Sociedad espanola de geografia comercial, Exzellenz, in Madrid,
ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 30. Sep-
tember 1898.
Dr. Ernst Engel, Geb. Oberregierungsrat und Direktor des Kgl. Statistischen
Bureaus a. D. in Oberlössnitz bei Dresden, ernannt am 8. Dezember
1886, gestorben daselbst am 8. Dezember 1896.
Dr. Friedrich August Finger, Oberlehrer a. D. in Frankfurt am Main, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 31. Dezember 1888.
Dr. Theobald Fischer, Geh. Regierungsrat und Professor in Marburg, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 17. September
1910.
Friedrich Anton Heller von Hellwald in Stuttgart, ernannt am 8. De-
zember 1886, gestorben in Tölz, am 1. November 1892.
Dr. Heinrich Kiepert, Professor in Berlin, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 21. April 1899.
— 172 —
Dr. Alfred Kirchhoff, Geh. RegiemngBrat und Professor a. D., Ehrenyor-
sitzender des VereiDS für Erdkunde in Halle, in Mockan bei Leipzig,
ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 8. Febmar 1907.
Karl Eoldewey, Admiralitätsrat nnd Abteiinngsyorstand der Deutschen
Seewarte in Hamburg , ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben
daselbst am 18. Mai 1908.
Charles M aunoir, Generalsekretär der Soci^t^ de g^ographie in Paris, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 22. Dezember
1901.
Baron Cristoforo Negri,' Italienischer Außerordentlicher Gesandter und Be-
yollmächtigter Minister a. D., Senator des Königreichs und Primo
presidente fondatore der Societä geografica Italiana in Turin, ernannt
am 8. Dezember 1886, gestorben in Florenz am 18. Februar 1896.
Dr. Georg Bitter yon Neumayer, Wirklicher Geheimer Rat, Professor
und Direktor der Seewarte a. D., Exzellenz, in Neustadt a. d. Haardt,
ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 24. Mai 1909.
Dr. Adolf Erik Freiherr yon Nordenskjöld, Professor in Stockholm, er-
nannt am 8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 28. August 1901.
John Wesley Powell, Major und Direktor des Bureau of Eihnology und
des United States geological Suryey in Washington, ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben in Hayen (Maine) am 23. September 1902.
Nikolai Michailowitsch yon Prjeyalsky, Russischer Generalmajor in
St. Petersburg, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben in Karakol
im Gebiet Ssemiretschensk am 1. Noyember 1888.
Dr. Wilhelm Reiss, Geh. Regierungsrat in Könitz (Thtlringen), ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 29. September 1908.
Dr. Friedrich Ratze 1, Sächsischer Geheimer Hofrat, Professor und Vorsitzender
des Vereins für Erdkunde in Leipzig, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben in Ammerland am Stamberger See am 9. August 1904.
Dr. Gustay yonRümelin, Wtirttembergiscber Geheimer Rat und Kanzler der
Eberhard-Karls-Uniyersität, Exzellenz, in Tübingen, ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 28. Oktober 1889.
Georg Freiherr yon Schleinitz, Vizeadmiral und Landeshauptmann a. D.,
Exzellenz, in Hohenborn bei Lügde (Westfalen), ernannt am
8. Dezember 1886, gestorben daselbst am 12. Dezember 1910.
Karl Sidenbladh, Chef direktor des Kgl. Schwedischen Statistischen Central-
bnreaus a. D. in Stockholm, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben
daselbst am 13. September 1911.
Dr. Wilhelm Stricker, praktischer Arzt in Frankfurt am Main, ernannt
am 8. Dezember 1886, gestorben am 4. März 1891.
Dr. Bernhard S tu der, Professor a. D. in Bern, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 2. Mai 1887.
Dr. Pieter Jan V e th , Professor a. D. in Arnhem, ernannt am 8. Dezember 1886,
gestorben daselbst am 14. April 1895.
Louis Viyien de Saint-Martin, Ehrenpräsident der SodM de g^ographie
de Paris in Versailles, ernannt am 8. Dezember 1886, gestorben
daselbst am 3. Januar 1897.
— 173 —
Henry T n 1 e , QroßbritanniBcher Ing^niear-Oberst a. D. in London, ernannt
am 8. Dexember 1886, gestorben daselbst am 30. Deiember 1889.
Beinbold von Werner, Vizeadmiral a. D. , Exzellenjc, in Cbarlottenbnrg,
ernannt am 10. Oktober 1887, gestorben daselbst am 26. Febrnar 1909.
Dr. Emil von Oven, Senator nnd Ehrenvorsitzender des Vereins ftlr Geo-
graphie und Statistik in Frankfurt a. M., ernannt am 26. Oktober
1887, gestorben daselbst am 27. November 1903.
Friedrich Jakob Kessler, Senator in Frankfurt am Main, ernannt am
26. November 1888, gestorben daselbst am 3. Mai 1889.
Dr. Wilhelm Junker, in Wien, ernannt am 25. Februar 1891, gestorben in
St. Petersburg am 13. Februar 1892.
Dr. Richard B o e c k h , Geh. Begierungsrat, Professor und Direktor a. D. des
Statistischen Amts der Stadt Berlin, in Grunewald bei Berlin, er-
nannt am 20. Oktober 1896, gestorben daselbst am 5. Dezember 1907.
Adolf Graf vonGötzen, Major ä la suite der Armee, Kaiserl. Gouverneur
von Deutsch-Ostafrika und Kommandeur der Schutztruppe für
Deutsch-Ostafrika a. D., Kgl. Gesandter für Hamburg, Bremen
Lübeck und beide Mecklenburg in Hamburg, ernannt am 9. De-
zember 1896, gestorben in Berlin am 1. Dezember 1910.
Dr. Hans von Scheel, Geh. Oberregienugsrat und Direktor des Statistischen
Amts des Deutschen Reichs in Berlin, ernannt am 9. Dezember 1896»
gestorben daselbst am 27. September 1901.
Dr. Eugen Zintgraff, ernannt am 9. Dezember 1896, gestorben in Tene-
rife am 4. Dezember 1897.
Dr. Carlo Freiherr von Erlanger, in Niederingclheim, ernannt am 18. De-
zember 1901, gestorben in Salzburg am 4. September 1904.
— 174 —
Vom
Terein fttr Geographie und Statistik yerliehene
Anszeichnnngen.
I. Die Nordenskjöld-Medaille:
(in Gemeinschaft mit den geographischen Gesellschaften von Berlin, Bremen, Dresden,
Halle, Hambnrg, Hannover, Leipzig und München):
1885. Adolf Erik Freiherr von Nordenskjöld in Stockholm, (f)
II. Die Rflppell-Medaille in Gold:
1894. Hermann von Wissmann in Gut Weißenbach bei
Lietzen (Obersteiermark), (f)
1896. Julius Eutin g in Straßburg.
1903. Sven von Hedin in Stockholm.
1906. Theobald Fischer in Marburg, (f)
1909. Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg in Lome.
1910. Ernest H. Shackleton in London.
1911. Hans Meyer in Leipzig.
III. Die Rappell-Medaille in Silber:
1904. Karl G. Schillings in Düren.
1905. Bernhard Hagen in Frankfurt am Main.
1906. Wilhelm Filchner, z. Zt. Antarktis.
1911. Otto Baschin in Berlin.
1911. Heinrich Bleicher in Frankfurt am Main.
1911. Johannes Elbert in Frankfurt am Main.
Yerzeichnis
der
Behörden, Gesellschaften nnd Redaktionen,
mit welchen der Verein in regelmäßigem
Schriftenaustauseh steht.
(Nach d«m Stand vom 1. Oktober 1912.)
Aar au: Mittelschweizerische geograph.-commercielle Gesellschaft.
Statistisches Bureau des Kantons Aargau.
Albany: Bureau o! statistics of labor of the State of New York.
New York State library, serials section.
Altenburg: Herzogliches statistisches Bureau.
Amsterdam: De Indische Mereuur.
Koninklijk Nederlandsch aardrijkskundig genootschap.
Ann Arbor: Michigan academy of science.
Antwerpen: Soci(?te royale de goographie d'Anvers.
Baltimore: Maryland geological survey.
Basel: Evangelisches ^lissionsmagazin.
B a t a V i a : Bataviaasch genootschap van kunsten en wetenschappen.
Koninklijke natuurkundige vereeniging van Nederlandsch-
Indiö.
Belgrad: Societö serbe de goographie.
Berlin: Bureau des Hauses der Abgeordneten.
Bureau des Reichstages.
Deutsche Kolonialgesellschaft.
Evangelischer Afrika -Verein.
(lesellschaft für Erdkunde.
Kaiserliches Reichsamt des Innern.
Kaiserliches Reichsmarineamt, nautische Abteilung.
Kaiserliches statistisches Amt.
Königliche Bibliothek.
Königliche geologische Anstalt,
Königliches ^linisterium der geistlichen und Unterrichts-
angelegenheiten.
Königliches Ministerium für Handel und Gewerbe.
Königliches statistisches Landesamt.
Statistisches Amt der Stadt.
— 176 —
Bern: Eidgenöniaches sutmisches Bureaa.
GeogT^hiflche Gesellsduh toh Bern.
Schweizerisdie scaüsusdie Gesellschaft.
Scbweiserisches Fuuuu- und ZoUdepartement : Alkol
Tenrmltnng.
Statistiscbes Boremn des Kantons Bern.
Bordeaux: Soci^^ de g^ognphie commerciale.
Boston: American acadenij of arts and sciences.
American Statistical association.
Massachnsetu borean of statistics of labor.
Brannsckweig: Verein für Xaiorwissenschaft.
Bremen: Bremisches stadstiscbes Amt.
Geofraphische Gesellsehaft.
Breslau: Magistrat der kgL Hanpt- und Residenastadt.
Brisbane: Rojal geographica! societj of Aostralasia, Qaeensliad.
Brflnn: Mihrische Museumsgesellschaft . Landesbibliothek;.
Brflssel: Commission centrale de statistique.
Inspecteur en chef du serrice dlijgiene de la Tille.
Minist^re de Tintirieur: Administration de la Statistik
gfn^rale.
Minist^re des sdenees et des arts: Administration <
renseignessent supMeur des seienoea et des letliea
Soci^t^ rojale beige de g^ographie.
UniTersiti nouTelle, institut g^ographiqne.
Budapest: Statistisches Bureau der Hanpt- und Besidenata
Budapest.
Ungarische geographische Gesellschaft.
Buenos Aires: Departamento nacionil de estadistica.
Deutscher wissenschaftlicher Verein.
Direction g^n^rale de statistique municipale.
Instituto gcogrifico Argentino.
Museo nadonaL
Oficina dessogrifica nadonal Ministerio del interne).
Superintendencia administratiTa de la comiaion nadoi
de educaci6n.
Bukarest: Societatea geographica Bomina.
Caricas: Ministerio de fomento: Direcciön de estadistica e ias
graciön.
Chicago: Bureau of labor statistics.
Christiania: Königlich norwegische Unirenitätsbibliothek.
Statistisches Centralburean ün königlich norwcgiscl
Ministerium des Innern.
C ö 1 n : Gesellschaft ffir Erdkunde.
Darmstadt: Grofthenoglich hessische Centralstelle für die Lani
Statistik.
Verein für Erdkunde und rerwandte Wiasenscbaftcn.
Douai: Union g^ographique du nord de la France.
— 177 —
Dresden: Königlich sächsisches statistisches Landesanit.
Verein für Erdkunde.
Duhlin: Statistical and social inquiry society o! Ireland.
Dunkerque: Soci6t6 de g^ographie.
Frankfurt a.M.: Administration der Dr. Senckenbergischen Stiftung.
Bürgerverein.
Finanzherold.
Frankfurter allgemeine Lehrerversammlung.
Frankfurter Bezirksverein deutscher Ingenieure.
Frankfurter Nachrichten.
Frankfurter Kudergesellschaft ,,Germania''.
Frankfurter Turnverein.
Frankfurter Zeitung.
Freies Deutsches Hochstift.
General-Anzeiger.
Gesellschaft zur Beförderung nützlicher Künste und deren
Hilfswissenschaften (Polytechnische Gesellschaft).
Handelskammer.
Kaufmännischer Verein.
Kleine Presse.
Physikalischer Verein.
Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft.
Stadtbibliothek.
Stadtkanzlei.
Stadtverordnetenversammlung.
Statistisches Amt der Stadt.
Taunusclub.
Verein für Geschichte und Altertumskunde.
Freiberg i. S. : Geographischer Verein.
St. Gallen: Ostschweizerische geographisch-commercielle Gesellschaft.
Genf: Soci6t6 de g^ographie de Geneve.
Gießen: Gesellschaft für Erd- und Völkerkunde.
Großherzoglich hessische Universitätsbibliothek.
Glasgow: Sanitary department (Medical officer of health).
Gotha: Herzogliches statistisches Bureau.
Justus Perthes' geographische Anstalt.
S'Gravenhage: Indisch genootschap.
Institut international dp statistique.
Koninklijk instituut voor de taal— land— en volkenkunde
van Nederlandsch-Indie.
Ministerie van binnenlandsche zaken.
Greifswald: Geographische Gesellschaft.
Guatemala: DirecciOn general de estadistica.
Halle a. S. Kaiserliche Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie
der Naturforscher.
Sächsisch-Thüringischer Verein für Erdkunde.
Hamburg: Deutsche Seewarte.
12
— 178 —
Hamburg: Qeographische Gesellschaft.
Handelsstatistisches Amt.
Medicinal-Inspektorat über die medicinische Statistik des
hamborgiscben Staates.
Statistisches Bnreaa der Stenerdepatation.
Hanau: Geschichtsverein.
Hannover: Geographische Gesellschaft.
Heidelberg: Großherzoglich badische Universitätsbibliothek.
Helsingfors: Geografiska föreningen i Finland.
Sällskapet för Finlands geografi.
Hermannstadt: Siebenbürgischer Karpathenverein.
Verein für siebenbürgische Landeskunde.
Iglö: Ungarischer Karpathenverein.
Jena: Geographische Gesellschaft (für Thüringen).
Karlsruhe: Großherzoglich badisches statistisches Landesamt.
Kasan: Naturforscher-Gesellschaft.
Königsberg^ Pr.: Physikalisch-ökonomische Gesellschaft.
Kopenhagen: Statens statistiske bureau.
L an sing: Department of State.
La P 1 a t a : Direcciön general de Esta^tica de la Provincia de Buenos
Aires.
Le Havre: Soci6t6 de g^ographie commerdale du Havre.
Leipzig: Geographisches Seminar der Universität.
Gesellschaft für Erdkunde.
Lima: Sociedad geogräfica.
Lissabon: Sociedade de geographia.
London: Cliamber of commerce.
Royal geographical society.
Royal Statistical society.
Academy of science.
Lübeck: Geographische Gesellschaft.
Statistisches Amt.
Lyon: Soci4t6 de g^ographie.
Madrid: Sociedad espaüola de geografia comercial (äntes de afri-
canistas y colonistas).
Real sociedad geogräüca.
Mailand: Societä Italiana di esplorazioni geografiche e commerciali.
Mainz: Großherzoglich hessische Handelskammer.
Manchester: Manchester geographical society.
Manila: Ethnological survey for the Philippine Islands.
Marseille: Soci^t^ de g^ographie.
Melbourne: Department of mines.
Metz: Gesellschaft für lothringische Geschichte u. Altertumskunde .
Verein für Erdkunde.
Mexico: Sociedad de geografia y estadistica de la repüblica Mexicana.
Montevideo: Direcciön general de estadistica del Uruguay.
Montpellier: Soci^t^ languedocienne de göographie.
— 179 —
Moskau: Section g6ographiqne de la societ^ imperiale des arois
des Sciences naturelles.
München: Geographische Gesellschaft.
Königlich bayrisches statistisches Landesamt.
Nancy: Soci^t^ de g6ographi6 de TEst.
Neapel: SocieUi Africana dltalia.
Ncuchätel: Soci6t^ neuchateloise de g^ographie.
New Haven: Connecticut academy of arts and sciences.
New York: American geographica! Society.
Secretary of State.
Offenbach: Großherzoglich hessische Handelskammer.
Oldenburg: Großherzogliches statistisches Bureau.
Paris: Comit^ de T Afrique fran^aise.
Ministere du commerce, de Tindustrie, des postes et des
t^l6graphes : Office du travail. Bureau de la statistique
g^n^rale de la France.
Soci^te acad^mique indo-chinoise de France.
Societ6 de g6ographie.
Soci6t6 de g^ographie commerciale.
St. Petersburg: Acad6mie imperiale des sciences.
Kaiserlich russische geographische Gesellschaft.
Philadelphia: American philosophical society.
Geographica! society.
P 0 1 a : Kaiserliches und Königliches marinetechnisches Comit6
(l^farine-Bibliothek).
Port-of-Spain: Government Statist of the colony of Trinidad.
Posen: K aiser- Wilhelm-Bibliothek.
Prag: Statistische Kommission der königlichen Hauptstadt Prag.
Providence: City registrar.
Rio de Janeiro: Ministerio da indnstria, via^äo e obras publicas: Obser-
vatorio.
Ministerio das relaQÖes exteriores.
Sociedade de geographia.
Rom: Direzione di statistica e stato civile del comune di Roma.
Institut international de statistique.
Istituto cartografico Italiano.
Ministero dei lavori publici.
Ministero delP interno.
Ministero della publica istruzione.
Ministero delle finanze: Direzione generale delle gabelle.
Ministero di agricoltura, industria e commercio : Direzione
generale della statistica.
Society geografica Italiana.
Specula Vaticana.
Rostock: Geographische Gesellschaft.
Ronen: Soci6t6 normande de g6ographie.
San Francisco: Geographica! society of California.
12*
— 180 —
San Francisco: Health department of the city and county o! San Francisco.
San 3os(' d. C. K.: Instituto fisico-geogräfico nacional de Costa Rica.
Oficina de depösito y c&nje de pnblicaciones de la republica
de Costa Rica.
Santiago: Deutscher wissenschaftlicher Verein.
Sarajevo: Statistisches Departement der Landesregierung für Bosnien
und die Herzegowina.
Schwerin: Qroßherzogliches statistisches Amt.
Springfield: Bureau of labor statistics of Illinois.
Stettin: Gesellschaft für Völker- und Erdkunde.
Verein zur Förderung überseeischer Handelsbcziehunt^en.
St. Louis: Academy of science.
Stockholm: Rungl. statistiska centralbyr&n.
Svenska turistföreningen.
Straßburg i. E.: Gesellschaft für Erdkunde und Kolonialwescn.
Kaiserliche Universitäts- und Landesbibliothek.
Statistisches Bureau des kaiserlichen Ministeriums für
Elsaß-Lothringen.
Vogesenklnb.
Stuttgart: Deutscher Lehrer -Verein für Naturkunde.
Königlich württerobergische Zentralstelle für Handel und
Gewerbe.
Königlich württembergisches statistisches Landesamt.
Statistisches Amt der kgl. Haupt- und Residenzstadt
Stuttgart.
Württembergischer Verein für Handelsgeographie.
Tacubaya: Observatorio astronömico nacional.
T i f 1 i 6 : Kaukasische Sektion der kaiserlich russischen geographischen
Gesellschaft.
Tokio: Bureau de la statistiqne g6n6rale an cabinet imperial
du Japon.
Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens.
Toronto: Universitätsbibliothek.
Toulouse: Biblioth^ue de Tuniversit^.
Soci6t6 acad6mique franco-hispano-portugaise.
T o u r 8 : Societe de gfeographie.
T ü b i n j^ e n : Königlich württembergische Universitätsbibliothek.
Tunis: Soci6t6 de g^ographie commerciale de Paris (Section
tunisienne).
Upsala: Königliche Universitätsbibliothek.
Washington: American historial association.
Bureau of American ethnology.
Department of labor.
Department of the interior: Bureau of education.
Department of the interior: CensuB office.
Department of the interior : United States geological snrvey.
National geographic Society.
~ 181 —
Washington: Smithsonian institution.
Treasnry department: Bnreaa of statistics.
Treasury department : Office of comptroller of the currency.
United States board on geographic names.
Weimar: Statistisches Bureau vereinigter thüringischer Staaten.
Wien: Deutsch-österreichischer Orientklub.
Industrieller Club.
Kaiserlich königliche geographische Gesellschaft.
Kaiserlich königliche Universitätsbibliothek.
Kaiserlich königliches naturhistorisches Hofmusenm.
Kaiserlichesund königliches militärgeographisches Institut.
Statistische Abteilung des Magistrats.
Verein der Geographen an der Universität Wien.
W ü r z b u r g : Königlich bayrische Universitätsbibliothek.
Z ü r i c h : Geographisch-ethnographische Gesellschaft.
Kantonales statistisches Bureau.
— 182 —
Übersicht der Einnahmen und Ausgaben
im Jahre 1910/1911.
Einnahmen:
Saldo des Jahres 1909/1910 Jk 127.65
Zinsen „ 337.30
Beiträge von 621 Mitgliedern „ 9280.—
Verkauf von Beikarten ^ 285.—
Ärarialbeitrag ^ 600.—
Verkauf von Jahresberichten „ 5.25
Verkaufte Effekten , 3684.50
Entnahme aus der Vereinsbank , 283.55
Für die Elbert-Sunda-Ezpedition „ 1046.30
M 15 648.55
Ausgaben:
Honorare M 2540.—
Saalmiete , 1305.—
Lichtbilder und Ausstellungen „ 244.50
Inserate „ 282. —
Bibliothekariatbeitrag „ 837.76
Gehalt des Vereinsdieners „ 400.—
Auslagen für Porti, Depeschen usw „ 162.75
Auslagen bei Anwesenheit der Redner . . ,, 396.05
Beitrag zum Gerhard Rohlfs-Denkmal .... , 30.—
Vereinsregister „ 21.60
Drucksachen, Bücher und Buchbinder „ 401.70
Kleinere Ausgaben „ 93.72
Für die Elbert-Sunda-Expedition „ 8876.19
Saldo auf neue Rechnung „ 57.78
M 15 648.55
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Inhaltsübersicht.
A. Wissenschaftliche Mitteilungeii. ^«^^
I. Elbert, J. : Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Sanda-
Expedition ^
IL Aus den Vorträgen:
Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg: Meine
Inner-Afrika-Expedition 1910—1911 92
Anton, G. K. : Leopold IL und die Entwicklung des Kongo-
staates "^0
Becker, C. H. : Auf den Spuren der Araber in Spanien . . 52
Beiswanger, K. : Eldorado-Fahrten 71
Czekanowski,J. : In Emin-Paschas Provinz und bei den
Zwergen 41
Drygalski, E. von: Die Zeppelin-Studienfahrt nach Spitz-
bergen und in's nördliche Eismeer im Sommer 1910 ... 67
Ehrenreich, P. : Altamerikanische Kulturstätten in Mexiko
und Yukatan 40
Elbert, J. : Die Sunda-Expedition des Frankfurter Vereins
für Geographie und Statistik 37
Fil ebner, W. : Meine Spitzbergen-Expedition als Vorläufer
der Deutschen Antarktischen Expedition und die Aufgaben
der letzteren 45
Grothe, H. : Tripolitanien 72
Hambruch, P. : Ponape 79
Butter, F.: Alt- und Neu-Kamerun einst und jetzt ... 87
Krämer, A. : Eigene Studien in den Karolinen 76
Lehmann-Haupt, C. F. : Aus dem Quellgebiet des Euphrat
und des Tigris 43
Linde, R : Die Niederelbe 101
Moldenhauer, F. : England in Ägypten und im Sudan . . 88
Olshausen, F. : Paraguay unter besonderer Berücksichtigung
seiner Exportprodukte 62
Oertzen, J. von: Aus Urwald und Steppe Afrikas . . . 101
Ostermayer, E. L.: Erlebnissen Beobachtungen in Britisch-
indien 56
P i n n 0 w , H. : Kaiser Menelik und sein Land 40
P 1 a t e , L. : Die Bahama-Inseln 74
Regel, F.: Der Panama-Kanal 60
Schnitze, L. : Stromfahrten und Gebirgswanderungen im
Innern von Neuguinea 103
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Seite
Sievers, W. : Reisen im Qnellgebiet des Amazonas-Maranon 47
Spring, A. : Auf dem Zambesi und bei den Goldwäschem im
biblischen Ophir 68
Stolberg, A. : Die Deutsche and Schweizerische Grönland-
Expedition 1909 54
Tharnwald,K. : Bericht über meine Reise nach dem Bismarck-
Archipel und den Salomo-Inseln 1906—1909 64
Volz, W. : Quer durch Nord-Sumatra 50
Walter, M.: Der Yellowstone National-Park 88
Wegcncr, G. : Britisch-Indien und das indische Problem 37
— — : Mit dem Deutschen Kronprinzen durch Indien ... 66
Wertheimer, F.: Die japanische Kolonialpolitik .... 77
Zahn, G. von: Schilderungen aus der Bretagne 51
B. Geschäftliche Mitteilungen.
Bericht über die Tätigkeit des Vereins in der Zeit vom
1. Oktober 1910 bis 30. §eptember 1912 107
Vorstand und Ämteryerteilung 151
Mitgliederverzeichnis 153
Vom Verein für Geographie und Statistik verliehene Aus-
zeichnungen 174
Verzeichnis der Behörden, Gesellschaften und Redaktionen, mit
welchen der Verein in regelmäßigem Schriftenaustausch steht 175
Übersicht der Einnahmen und Ausgaben im Jahre 1910/11 . . 182
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